R E N A I S S A N C E

FOR RIGHT, FREEDOM AND PROGRESS


No. 1

JULY, 1941

SIXPENCE


Contents


Page

Für Recht, Freiheit und Kultur

1

Zeitnotizen

2

J. Rens: Preparing the Future

4

R. Ha: Französische Zustände

5

Aus dem Dritten Reich

8

M. H.: Der Kampf für den Frieden

11

Kurt Doberer: Petroleum

14

K. F.: Die Verkehrs-Front

15


Page

Willi Eichler: Russland im Kriege

17

G. F. Green: The Bureaucrats of Britain

18

Books Reviews


Is Germany a Hopeless Case? (W.B.)

21

Offensive against Germany (N.L.)

22

"European Revolution." How to win the Peace? (W-er.)

23

"My dear Churchill" (Hck.)

23

"No Friend of Democracy" (W-er.)

23

[Seite:- 1 -]

Für Recht, Freiheit und Kultur

Diese Zeitschrift wird, soweit eine Zeitschrift das kann, die Anstrengungen stärken helfen, die der Krieg gegen den Totalitätswahnsinn erfordert. Es ist sinnlos, für weitgesteckte menschliche und soziale Ziele sich einzusetzen, ohne die dringendste Aufgabe zu erfüllen, die Menschheit von der faschistischen Geissel zu befreien. Ueber diese Bedingung wird in unserer Zeitschrift nicht diskutiert werden. Schein-revolutionärer Defaitismus und schein-idealistischer Pazifismus erweisen sich als unhaltbar schon bei den ersten Schritten, zu einer begründeten und verantwortungsbewusstem Ueberzeugung zu gelangen.

Jedoch der Wunsch, den Krieg gewinnen zu helfen, ist nicht die einzige Rechtfertigung für die Herausgabe dieser Zeitschrift. Den Krieg gewinnen wollen, heisst nicht, zufrieden sein mit der Rückkehr zu den Vorkriegszuständen und zu wiederholen, was schon zu oft wiederholt wurde. Man soll endlich beginnen, in grösserem Umfange als bisher die Bausteine zusammenzutragen, die für den Aufbau einer neuen, schönen und gerechten Welt unerlässlich sind.

Es ist gut und schön, Traditionen zu achten; es ist unerlaubt, aus einem blossen Traditionalismus heraus an Dingen zu kleben, an die Manche oder Viele ihr Herz gehängt haben, ohne ihren Verstand zu fragen. Das verlorene Gleichmass von Fühlen, Denken und Handeln muss wieder hergestellt werden: eine Renaissance der Menschlichkeit.

Der Vernichtung der "totalen" Ungeheuer muss eine Welt folgen, in der Recht, Freiheit und Kultur nicht mehr leere Worte sind.

This journal aims at strengthening the efforts that exist to-day to save the world from the madness of Totalitarianism and to defeat those who frantically seek to impose it upon the world. It is senseless to strive for aims which are humane and socially valuable unless the more immediate task of combating this scourge which spreads murder amongst people and nations alike is acted upon. This contention will be treated as axiomatic in these pages. For the tenets of pseudo-revolutionary defeatism and of pseudo-idealistic pacifism are seen to be untenable as soon as one takes the first elementary steps towards a reasoned and responsible conviction.

Even so, the war effort is not the sole justification for the birth of this journal. To aim at victory does not mean to be content to go back to the old state of things and repeat once again experiences that have been repeated too often already. A start on a new basis is long overdue in order to lay the foundations that are indispensable for a New Order in which justice and beauty will flourish and grace the lives of all.

Respect for traditions is a quality which is both legitimate and valuable. But to make of tradition a religion so that we cling to things only because others approve or reverence them, without consulting our own powers of reasoning, is never a justifiable course. The right balance between Feeling, Thought and Action has been lost, and must be restored. We need the Renaissance of Humanity.

The annihilation of the monster of Totalitarianism must pave the way for a new world in which Right, Freedom and cultural Progress are no longer empty words.

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[Zeitnotizen] Warum nach Osten?

Lebensraum

Der Ueberfall Hitlers[1] auf Russland liegt in der Linie, die er in seinem aussenpolitischen Programmbuch: "Mein Kampf" vorgeschrieben hat. Es kommt ihm darauf an, zuerst die französische Militärmacht zu vernichten, damit er vor einem kontinentalen Zweifrontenkrieg sicher ist. Nach diesem ersten Schritt geht die Hauptstosskraft gegen Russland; denn dort allein, so versichert uns Hitler, ist Raum genug für den deutschen Bevölkerungsüberschuss und für eine Bevölkerung der Deutschen, die in einer bestimmten Zeit, nach Hitler, auf 250 Millionen angewachsen sein wird.

Dass die Sowjet-Union die Niederwerfung Frankreichs durch die deutsche Kriegsmaschine dadurch erleichterte, dass sie ihr die Sorge vor dem Zweifrontenkrieg von allem Anfang an abnahm, war eine jener historischen Missetaten, deren Folgen vielleicht nicht mehr gut zu machen sind. Auf Hitlers Wort zu vertrauen, nachdem er es so oft gebrochen hatte, und ihm gerade da nicht zu glauben, wo er Glauben verdiente, nämlich bei der offnen Ankündigung seiner Absichten, die angeblichen Vorrechte der deutschen Herrenrasse unter allen Umständen zu sichern, ist unentschuldbar.

Die Völker selber haben für diese prinzipienlose St. Florians-Politik mit ungeheuren Blut-Opfern zu bezahlen. Zum Glück scheint die moderne Entwicklung selber den menschenfreundlichen Anhängern des heiligen Florian, der ihnen das Feuer nur vom eigenen Dach fern halten sollte, das Handwerk legen zu wollen. Der Wind der modernen Technik bläst so stark, dass beim Brand des einen Hauses fast automatisch alle anderen Häuser mit in Brand geraten. Der unteilbare Friede wird, wenn er schon nicht als Ideal Eingang in die Herzen gefunden hat, nun wenigstens als Lebensnotwendigkeit begriffen werden. Hilf dem anderen! heisst heute aussenpolitisch: Hilf dir selber!

Das ist der Sinn, warum intelligente Hitler-Gegner heute die Sowjet-Union unterstützen.

Zu wenig Oel?

Warum ist Hitler statt gegen England plötzlich gegen Russland marschiert? Darauf hört man oft die Antwort Weil er den ukrainischen Weizen und das kaukasische Oel für die Invasion haben wollte. Niemand aber wird durch diese Antwort befriedigt sein, der weiss, dass 350.000 Tonnen Benzin genügen, um mit 500 Bombern täglich ein Jahr lang England zu attackieren. Da die deutsche Oelproduktion jährlich etwa 5 Millionen Tonnen beträgt und die rumänische etwa ebenso viel und ausserdem noch die Möglichkeit von Oelkäufen vorhanden war, ist nicht einzusehen, warum Deutschland zur Vorbereitung einer Invasion Englands einen Riesenölfeldzug wagen sollte, der es militärisch mindestens enorm schwächen muss.

Die Rote Armee

Nach einer von Hitlers Erklärungen war dieser Feldzug nötig, um die deutsche Armee gegen den immer möglichen Ueberfall durch die Rote Armee endgültig zu sichern. Angeblich konnte das deutsche Heer die Invasion Englands nicht unternehmen, weil der Verrat der Roten Armee an dem Freundschaftspartner Russlands immer bevorstand. Wenn man aber bedenkt, dass gegen die Rote Armee erstens eine Art von Ostwall hätte aufgeführt werden können, wie er im Westen seine Bremsfunktion gut erfüllt hatte; und wenn man weiter bedenkt, dass zur Abwehr eines russischen Ueberfalls in der Hauptsache Tanks, Artillerie und Flugabwehr vom Boden aus nötig wären, also im wesentlichen Dinge, die für eine Invasion Englands nur verhältnismässig wenig gebraucht werden, dann ist nicht einzusehen, warum die Invasion vor der ungeheuerlichen militärischen Belastung durch den deutsch-russischen Feldzug hätte zurücktreten müssen.

Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass bei diesem Krieg auch solche Ueberlegungen eine Rolle gespielt haben. Ganz gewiss ist die deutsche Armee bei einem Angriff in Westen sicherer, wenn es gar keine Rote Armee mehr gibt. Dass aber die Invasion zu Gunsten dieses Angriffs verschoben wurde, zeigt, dass sie in deutschen Militärkreisen mindestens für ungeheuer schwer durchführbar gilt. Aber selbst dann bleibt, wie gesagt, die Frage offen: Wird sie selbst durch die Vernichtung der Roten Armee viel einfacher?

Oekonomischer Krieg

Der einzig wirklich überzeugende Grund für den Ueberfall Hitlers auf Russland kann darin gesehen werden, dass er auf alle Fälle wünscht, auch für einen langen Krieg wirklich vorbereitet zu sein. England militärisch auf die Knie zu zwingen, ist zuerst daran gescheitert, dass der Riesenschock des vorigen Jahres, als das deutsche Heer die Küsten von Narvik bis Biarritz besetzte, nicht ausreichte, die Engländer mürbe zu machen. Er scheiterte dann daran, dass mit dem völligen Zusammenbruch der prahlerisch angekündigten Herbstschlacht über England sich zeigte, dass die englische Luftwaffe der deutschen überlegen war. Er scheiterte weiter daran, dass trotz der besten Kräfte, die das Dritte Reich einzusetzen hatte: Korruption, Erpressung und Fememörder, Amerika nicht zu bewegen war, England mit seiner Aufgabe sitzen zu lassen.

Die Eroberung Russlands würde endgültig ein Riesenloch in die englisch-amerikanische Blockade des europäischen Kontinents reissen und sie vielleicht überhaupt paralysieren. Es würde ein Kampf der Wirtschaftskräfte werden, den bei voller Entwicklung der russischen Möglichkeiten vielleicht die eine Hälfte der Erde gegen die andere führte, wenn man hinzunimmt, dass nach einer völligen Niederlage der Roten Armee auch die Schlacht um Suez vielleicht für die Engländer ungünstig ausgehen könnte. In solcher Zeit könnte dann Hitler hoffen, mit seinen Gegnern zu einem Kompromiss zu kommen, der ihm das bisher erreichte wenigstens bestätigt. Ein solcher Kompro-

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miss wäre keineswegs unmöglich, da der Krieg sonst praktisch endlos weitergehen könnte.

Anti-Bolschewismus

Hitler hat sich gewiss gesagt, was auch richtig ist, dass ein Ueberfall auf die Sowjet-Union von viel mehr Menschen mit Sympathie begrüsst wird als ein Ueberfall auf die englischen Inseln. Die Sowjet-Union hat viel mehr Feinde als England und vor allem in den Kreisen, die für die Frage: Krieg oder Frieden? wesentlich sind. Es sind wichtige Kräfte in USA und innerhalb der katholischen Kirche, für die Russland der Feind ist. Es gibt in der Tat katholische Blätter, und die Presse des Dritten Reiches zitiert sie selbstverständlich mit Behagen, die heute schon die Engländer auffordern, zusammen mit Hitler den Kreuzzug gegen den Erbfeind zu unternehmen. Und man weiss, dass viele der mächtigen amerikanischen Isolationisten in Hitler den Anti-Bolschewisten und Gewerkschaftsfeind sehen, der die Interessen amerikanischer schwerindustrieller Kreise mitvertritt. Denen hat die "Deutsche Allgemeine Zeitung"[2], die Zeitung der deutschen "Plutokraten", neulich erzählt, wie sehr sie ihre Sorgen kennt. Sie schrieb:

"Die amerikanischen Arbeitgeber fürchten, dass der Eintritt in den Krieg die Gewerkschaften ganz in den Sattel setzen wird. Schon jetzt verhindert die amerikanische Regierung die Steigerung der Preise, aber nicht die Steigerung der Löhne. Dieser Zustand ist natürlich für die Arbeiter sehr befriedigend. Aber die Industriellen sehen darin den Beginn der Expropriation des Kapitals. Selbst der Autokönig Ford[3], der niemals Gewerkschaften in seinen Fabriken duldete, hat sich jetzt beugen müssen und arbeitet einen neuen Lohnvertrag mit der Gewerkschaft der Automobilarbeiter aus. Die Stellung der Gewerkschaften befestigt sich immer mehr. - So ist die Entwicklung in allen Demokratien gewesen."

Und damit die Entwicklung in der amerikanischen Demokratie nicht so geht wie in der Weimarer, sollen sich eben die Isolationisten Amerikas ausserhalb des Krieges halten - meint die DAZ.

Was die Achsenmächte von ideologisch-antibolschewistischen Bundesgenossen erwarten, geht aus einem Kommentar der italienischen Stefani-Agentur[4] hervor, die am 4. Juli eine Gegenüberstellung zwischen dem russischen Feldzug Napoleons[5] und dem Hitlers damit abschliesst, dass sie sagt:

"Schliesslich ist es eine Tatsache, dass die Armeen der Achse in ihrem Kampf gegen den Bolschewismus die Siegeswünsche des ganzen Europa hinter sich haben, während damals fünf Sechstel von Europa auf die Niederlage Napoleons hofften."

Friedensoffensive

Mit Unterstützung solcher Kreise: mancher - nicht aller - katholischer Würdenträger; ängstlicher Mittelständler, sowie mit dem Pomp eines riesigen Sieges über ein grosses Land und der Aussicht auf eine ewige Verlängerung des Krieges versehen, wird Hitler dann wohl versuchen, die Friedenssehnsucht der breiten Massen in die ihm dienenden Kanäle zu lenken. Gegen diese Offensive hilft als Gegenschlag nur die Ueberzeugung, dass das, was er als Frieden ausgibt, nur ein Waffenstillstand ist, den er ausnutzen würde, um sich für den nächsten Krieg, den dann wahrscheinlich auf lange Zeit letzten, entscheidend vorzubereiten. Mit Hitler kann es nie Frieden, höchstens Waffenstillstände geben, und der Anfang jedes neuen Krieges würde so gut wie sicher Hitler in der besseren Position finden.

Enttaeuschung

Aber der Trommler, der so oft den Takt und die Musik gewechselt hat, täuschte sich diesmal:

Auch bewährte Antibolschewisten traten für ein englisch-russisches Zusammengehen ein. Churchill[6] und Roosevelt[7] wehrten sich prompt gegen die dreiste Zumutung, Hitler als Antibolschewisten und Verteidiger der Christenheit anzuerkennen. Der Erzbischof Gröber[8] von Freiburg hatte schon vor einigen Monaten einen Hirtenbrief verlesen, in dem er offen und öffentlich bekennt, dass er sich in seiner positiven Einschätzung des Nationalsozialismus geirrt habe. - Ein anderer Bischof, Graf Preysing[9], von Berlin, hat ebenfalls einen Hirtenbrief verfasst, der durch die Schärfe seines Tones aufgefallen ist. Bisher haben weder kirchliche noch staatliche Stellen Einzelheiten aus dem Brief veröffentlicht. Aber es wurde bekannt, dass der ganze Brief in einer Aufforderung an die Christen gipfelt: Wenn sie gezwungen würden zu wählen zwischen Christentum und Vaterland, dann würden sie das erste wählen.

Aus beiden Briefen spricht die Gewissheit, dass Hitlers angebliches Christentum pure Heuchelei ist.

Die "Frankfurter Zeitung"[10] schreibt sich ihre Enttäuschung von der Seele, indem sie bemerkt:

"Wie wenig sich die Engländer um ideologische oder moralische Werte kümmern, wenn es sich um Realpolitik handelt, das kann man sehen im Fall Sowjet-Russlands. Man braucht die Bolschewiki, - das ist genug für die Engländer."

Man hat gefunden, dass die Andern sich ebenfalls klug benehmen können, - wie schade.

Natürlich bleibt es ein leerer Wutschrei, wenn jetzt der "Völkische Beobachter "entdeckt, dass Churchill, Roosevelt und Stalin[11] alle zusammen nur Judenknechte sind.

Die deutschen "Volksgenossen" werden sich bei diesem Eiertanz des Führers manches denken, selbst wenn sie äusserlich so klug sind, wie jener Berliner Taxi-Chauffeur der auf neugierige Fragen seiner Gäste zu sagen pflegt: Adolf wees et, der liebe Jott ahnt et, und dir jehts nischt an!

Planet ohne Visum

Für Hitler-Gegner blieb nach der Besetzung beinahe ganz Europas durch die Deutschen als einziger Zufluchtsort im wesentlichen Amerika. Dort hat man jetzt einen verhängnisvollen Entschluss gefasst, Menschen mit direkten Verwandten in Deutschland sollen kein Visum bekommen, weil man fürchtet, dass der in Amerika lebende Deutsche sich durch die Drohung, man werde seine Verwandten in Deutschland schlecht behandeln, zu anti-amerikanischen Handlungen werde nötigen lassen. Solche Möglichkeiten bestehen in der Tat. Doch lässt sich gewiss sagen, dass wenn jemand schon aus Hitler-Gegnerschaft sein Land und seine Verwandten überhaupt verlässt, dass er dann nicht nachträglich irgend etwas tun wird, um im Ausland Hitler zu unterstützen.

W-er.[12]

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Jef Rens[13]:

Preparing the Future

You can often hear people say: "We must prepare the future so as to avoid losing the peace after having won the war." I think that is quite right. Yet it is not sufficient to have a good idea, you must also put it into action. In this sphere initiative has been very rare, and besides that, quite insufficient. Certainly, speeches of Roosevelt, Lord Halifax[14], Eden[15] have sometimes helped to express clearly the point of view of the American and the British Governments as to the reconstruction of peace. Still, the difficulties of the problem should not be underestimated. And nothing would be more fatal than to let the day for action arrive without being prepared.

How does this problem really present itself? One day this war will have an end. We all hope and believe that it will end with a complete victory of Great Britain and her Allies. This presumption is, moreover, the only one with which we can make any preparations. Any other supposition must foresee a situation in which our influence would be restricted to very few matters.

Let us take our victory for granted and see what the situation will be. We shall have to deal with a continent that is laid in ruins by the war, whose population will be exhausted by a long period of undernourishment, perhaps of starvation, whose political institutions have been swept away. Thousands of men will still be in the forces or in prison camps. We shall find the European economic system absolutely upset and cut off from its normal sources. We must quickly find work for millions of demobilised and unemployed men. It is urgent that we supply the necessary foodstuffs for the masses who are exhausted.

This is the most important thing: One must be able to answer quickly to all urgent needs which will doubtlessly become manifest with an extraordinary explosive force. They will appear in the very moment that hostilities cease. While we wait for the final peace and the international organisation of economic affairs and the political reconstruction, we shall try to solve the problems which arise provisionally.

While one will be trying in a great hurry to solve somehow the difficulties of the moment, the Allied Governments must prepare a new political and economic organisation. Everybody will understand our interest that this period of transition should not last too long. On the contrary, a normal situation must be restored as quickly as possible.

The ardent desires of the peoples of Europe can be summed up in a few words: A firm and lasting peace, the possibility for everybody to earn their living by work, and for each individual the guarantee of his rights and liberties against any new attacks.

Let us make no mistake. Though these desires seem to be simple their realisation makes a thorough reorganisation of the relations between the states necessary, and a considerable change of the economic structure, the creation of new institutions as well in the national as in the international plan. The world which will arise out of this cataclysm will in no points resemble the world of yesterday. The peoples must definitely be released from the menace of war which has pressed so heavily on them and almost suffocated them. The depressing sight of the long queues of unemployed must disappear from our modern industrial towns. We must definitely put away our old prescriptions such as autarchy or quotas or tariffs or export licences, and whatever strangled the national economic systems. The endeavour to satisfy the real needs of the people must increasingly become the only justification of all economic activities.

At the present time all these things seem quite evident to the great majority of the people in the countries who are at war, as well as in the neutral countries. It may seem premature to demand that one should start already now with preparing the practical solutions for all these problems. My opinion is that, on the contrary, it is not in the least too early. Certainly the war effort is the most important thing at this moment. But also from a strictly military point of view a long term policy besides the daily struggle is permissible. In this regard Hitler-Germany has set an example which Great Britain and the United States are trying hard to copy. "To govern is to foresee " is an old saying. At the present time it is unanimously admitted for - everything concerning war policy. But one day the war will have stopped and peace will follow. Why doesn't one already practise foresight and preparation with regard to the reconstruction of the peace?

The Belgian Government has understood this necessity and has created a Committee for the Study of Post-War Problems. There are several organisations and institutions in England, several of them official ones, likewise occupied with the reconstruction of peace. Several Allied Governments have also established institutions to study these problems, and also in the United States committees have been created.

According to one of the ideas now generally admitted we shall need a close international collaboration for the economic organisation as well as for the organisation of security.

The Belgian Government attaches great importance to its Committee and has invited all influential and competent Belgian persons staying in England to take part in this work. It will have an essentially practical character. They want to work out directives for the international status of post-war Belgium to revise the economic basis of our country, to find new principles for our social regime. It is our ambition to prepare a dossier for each of these great problems, containing practicable solutions and adequate for our negotiators at the Peace Conference, as well as for our future Governments. Yet, we Belgians know very well that this initiative cannot be successful and bring real results unless it is generalised and applied to the international plan, unless all nations unite their efforts to prepare the peace and a basis for a worthy life for their peoples. In this spirit I welcome the appearance of "Renaissance", that wants to bring together all people of goodwill of different nations to serve this noble work.

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R. Ha[16]:

Französische Zustände

Der Bedeutung Frankreichs für eine Wiederherstellung der Europäischen Freiheit entsprechend, bringen wir hier ziemlich ausführliche Berichte über dieses Land, das schon einmal der Vorläufer für die Ideen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit war. - Ein besonderer Artikel über die deutsche Wirtschaftshegemonie folgt.

Gewerkschaften

Es gibt eine ganze Reihe von Gewerkschaftsfunktionären, die sehr eng mit den Deutschen zusammenarbeiten. Es handelt sich um Vigne[17], den Generalsekretär des Bergarbeiter-Verbandes; Kléber Légay[18], einen Funktionär des gleichen Verbandes; Dumoulin[19], den Sekretär des Gewerkschafts-Kartells des Département du Nord und Sekretär der CGT, des (jetzt verbotenen) Französischen Gewerkschafts-Bundes; Roy[20], Sekretär des Metallarbeiter-Verbandes; Froideval[21], den Sekretär der Schlosser-Gewerkschaft in Paris und Vorsitzenden der Baugenossenschaften von Frankreich. All diese betreiben mit Hilfe der Deutschen die Wochenzeitung "L'Atelier"[22], in der kürzlich sehr günstige Reportagen über die sozialen Einrichtungen des Dritten Reiches erschienen.

In diesem Zusammenhang ist es interessant, zu wissen dass V. H.[23] (ein Deutscher und Sekretär einer wichtigen Internationale), der in der besetzten Zone geblieben ist, mit seinem Freunde B.[24], als Verbindungsmann zwischen diesen Gewerkschaftern und den deutschen Behörden wirkt. H. und B. haben richtig für die "Collaboration" geworben. Mag H. auch gute Absichten haben, fest steht, dass er damit französische Gewerkschafter für die "Collaboration" geworben hat, womit er die Widerstandskraft auch der ganzen Bevölkerung schwächt.

Innerhalb der Gewerkschaften selber zeigt sich grosser Widerstand gegenüber allen, die mit den Deutschen anbändeln. So wurde Dumoulin nicht wieder zum Sekretär seines Gewerkschafts-Kartells gewählt. Aehnlich erging es Vigne und Kléber Légay.

Die Motive, die diese Gewerkschafter leiten, sind bei manchen finanzieller Art. - Andere haben sich einfangen lassen durch die pazifistische und durch die Sozial-Demagogie des Dritten Reiches. Wohl waren all diese Menschen nie die zuverlässigsten Persönlichkeiten innerhalb der französischen Gewerkschaftsbewegung, - aber sie hatten auf alle Fälle so wichtige Posten, dass ihre Gleichschaltung nicht bedeutungslos ist.

Der traurigste Fall ist der von Lefranc[25], dem früheren Leiter des Bildungswesens der CGT. Er schreibt heute die "Chronique syndicale" in "L'Oeuvre"[26], der Zeitung von Déat[27], der als wichtiger Vertreter der Politik einer "Collaboration" angesehen werden muss. - Lefranc hat sich wohl durch die Erfolge des Dritten Reiches und durch die "fortschrittliche" Sozial-Politik Nazideutschlands blenden lassen.

Die katholischen Gewerkschaften haben sich gut gehalten. Es gibt in ihren Reihen keinen Fall von Gleichschaltung. Ebenso wenig gibt es Zusammenarbeit mit der Vichy-Regierung.

Diejenigen Gewerkschafter, die nichts zu tun haben wollen mit den Deutschen, sind in zwei Richtungen gespalten. Die eine ist für Belin[28], also für Vichy. Die andere möchte von Vichy nichts wissen, weil ihre Sympathien ganz auf Seiten eines englischen Sieges sind.

Belin hat seit einigen Monaten durchgesetzt, dass das gewerkschaftliche Leben wieder einigermassen frei gestaltet werden kann. Belin steht hinter der Gewerkschaftszeitung "Au Travail"[29], deren Direktor Louis Bertin[30] ist. Bertin ist ein junger und kluger, ehrgeiziger Gewerkschaftsmann, Vorsitzender des Gewerkschaftskartells des Départements la Savoie. Seine Zeitung steht unter der Devise: Für eine "Wiedergeburt" der Gewerkschaftsbewegung im Rahmen der Nationalen Revolution des Marschalls Pétain[31]. Sie tritt ein für ein Zusammenarbeiten zwischen Arbeitern und Unternehmern: "Die Gewerkschaftsbewegung wird nicht mehr eine Klassenbewegung sein, die nur fordert, sondern eine Bewegung der Zusammenarbeit, die aufbaut." (Louis Bertin am 25.1.1941.) Es gibt eine Vereinigung: "Les amis du journal ,Au Travail'", um eine Verbindung herzustellen zwischen den Gewerkschaftern, die Belins Politik unterstützen.

Diesen Gewerkschaftern geht es nur darum, die Gewerkschaftsbewegung zu retten und sie dem Regierungskurs anzupassen, um daraus möglichst grosse Vorteile zu ziehen. Es gibt unter ihnen eine Menge ehrlicher Kollegen, die nur eine Gewerkschafts-Perspektive, und noch dazu eine ziemlich enge haben. Selbstverständlich gibt es auch manche Karrieristen, und zwar im Rahmen der korporatistischen Pläne Belins, die wahrscheinlich auf obligatorische Gewerkschaften hinauslaufen.

Diese Richtung wird immer den Vichy-Kurs steuern. Die "Collaboratisten" und die Belinisten haben sich übrigens erst vor einiger Zeit getrennt. Viele derjenigen, die heute schon mit den Deutschen arbeiten, waren noch vor kurzem Mitarbeiter an der Zeitung: "Au Travail."

Diejenigen Gewerkschaftsfunktionäre, die weder mit den Deutschen noch mit Vichy arbeiten, stehen ebenfalls miteinander in Verbindung. Sie haben im Oktober in Paris ein Manifest herausgegeben. Es geschieht öfter, dass auf Tagungen eines Gewerkschafts-Kartells sich die Sekretäre anderer Départements einfinden, was praktisch die Wiederherstellung der CGT bedeutet, die verboten ist. Es gibt solche unabhängigen Funktionäre sowohl im besetzten als auch im unbesetzten Gebiet.

Die Stärke der Gewerkschafts-Bewegung ist natürlich nicht zu vergleichen mit derjenigen vor dem Kriege. Aber immerhin ist seit Januar ein gewisses Aufleben der gewerkschaftlichen Tätigkeit zu bemerken So hat das Kartell des Départements X seit Januar etwa 4.000 Mitgliedskarten verkauft. Vor der Herstellung der gewerkschaftlichen Einheit im Jahre 1936 betrug die Mitgliederzahl dieses Kartells etwa 12.000, was eine bessere Vergleichszahl darstellt als die während der Volksfrontzeit sehr in die Höhe geschnellten Mitgliederzahlen. Um die Zahl von 4.000 richtig einzuschätzen, muss man noch wissen, dass darin keine Beamten mehr eingeschlossen sind,

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während in den 12.000 eine erhebliche Zahl von Beamtenmitgliedschaften enthalten war. Dass die Y-Gewerkschaft in ganz Frankreich heute bereits etwa 50.000 Mitglieder hat, ist erstaunlich.

Beamten-Gewerkschaften sind durch ein Regierungsdekret aufgelöst worden, leben aber im Grunde weiter. Es gibt Freundschaftskreise auf lokaler Basis, in denen die Beamten versuchen, solche Beziehungen aufrecht zu erhalten, dass sie gemeinsam etwas für die Verwirklichung ihrer Forderungen unternehmen können.

Sozialisten

Was noch von der sozialistischen Partei übrig bleibt - und das ist heute sehr wenig -, teilt sich in zwei Richtungen: Die eine besteht aus den Befürwortern einer Zusammenarbeit mit den Deutschen. Sie vertritt im unbesetzten Gebiet die Politik von Déat in einer etwas matteren Tönung. Sie besitzt die Tageszeitung "L'Effort."[32]

Die zweite Richtung enthält frühere Anhänger Léon Blums[33], die jetzt eine organisatorische Arbeit in Gang bringen. Sie wurden sehr hart getroffen durch die unzuverlässige Haltung von M[34]. Dieser galt immer als die grösste Hoffnung der Partei. Er hat sich völlig zurückgezogen und vermied peinlichst, irgend einen Kontakt zu Léon Blum herzustellen. Manche meinen, er habe sich gleichgeschaltet.

Im Vergleich zur Gewerkschaftsbewegung spielt die Sozialistische Partei in Frankreich zur Zeit überhaupt keine Rolle. Man hat den Eindruck, dass sie vollkommen von der Bildfläche verschwunden ist. Es gibt noch ein paar Einzelne, die offiziell mit der Vichy-Regierung arbeiten, vor allem aber viele Genossen, die noch abwarten.

De Gaulle[35]-Bewegung

In dieser Bewegung, die mehr eine spontane als eine organisierte Arbeit darstellt, befinden sich sicherlich Sozialisten und Gewerkschafter. Die Herstellung einer wirklichen De Gaulle-Organisation scheint noch in den Anfängen zu stecken. Die Kommunisten haben ihren Mitgliedern die Parole gegeben, sich in den De Gaulle-Kreisen einzunisten, um Propaganda für die Komintern zu machen. Seit etwa drei Monaten sind die Parolen der französischen Kommunisten antideutsch.

Wichtig ist die Aenderung, die sich inzwischen in Kreisen der französischen Kriegsgefangenen zugunsten von de Gaulle entwickelt hat. Durchschnittlich fliehen über die deutsche Grenze, von der hier die Rede ist, täglich fünf bis sechs französische Kriegsgefangene. Sie berichten über die Gefangenenlager. Danach sind mehr als 90 % der Gefangenen für de Gaulle und wollen von Zusammenarbeit mit dem Dritten Reich nichts wissen. Sie sind mit Freude bereit, wieder gegen Hitler zu kämpfen, obwohl sie (ihrer eigenen Aussage nach) unmittelbar nach dem Waffenstillstand einer Verständigung mit Deutschland zuneigten. Was sie von Deutschland gesehen haben und ihre Behandlung dort hat diesen Wandel hervorgebracht. Besonders erbittert war ein Unteroffizier. Die Deutschen hatten ihnen eines Tages mitgeteilt, Unteroffiziere seien gemäss den internationalen Abmachungen berechtigt, Arbeit anzunehmen oder nicht. Man lege ihnen jedoch nahe, eine Erklärung zu unterschreiben, wonach sie bereit seien, alle Arbeiten zu verrichten. Fast alle weigerten sich. Daraufhin wurden sie in ein Repressalienlager geschickt, wo sie kahlgeschoren wurden, keine Pakete mehr empfangen durften, keine Korrespondenz erhielten und nicht rauchen konnten. Das ging so lange, bis sie den gewünschten Zettel unterschrieben hatten.

Katholiken

Aus katholischen Kreisen gehen uns die folgenden Informationen zu: Innerhalb der katholischen Kreise Frankreichs, sowohl bei Laien als auch beim Klerus, besteht ein starker Widerstandsgeist gegen die Deutschen. Die katholischen Studenten waren besonders aktiv beim Kampf gegen den deutschen Film "Jud Süss"; die katholische Zeitung: "Temps Nouveau"[36] ist offen gegen die Collaboration; die katholischen Gewerkschaften sind gegen Vichy und gegen die Deutschen.

Die Deutschen wissen das selbstverständlich und versuchen mit allen Mitteln, den höheren Klerus für die Collaboration zu gewinnen. Ein Beispiel:

Im Lauf des Monats Mai kam zu einem Erzbischof im unbesetzten Frankreich ein deutscher Unterhändler, um ihn zu überzeugen, dass es richtig sei, sich für die Collaboration einzusetzen. Als der Erzbischof auf die Richtlinien der Kirche hinwies (nämlich auf die Enzyklika: "Mit brennender Sorge ..."), sagte der deutsche Beauftragte:

"Das ist alles überholt; es gibt keinen Streit mehr zwischen unserem Staat und der Kirche. Unsere Staatsauffassung ist durchaus vereinbar mit derjenigen der katholischen Kirche."

In der französischen Presse tauchte eine Nachricht auf, dass der Papst den Bischöfen der besetzten Zone zu dem Beschluss gratuliere, mit den deutschen Behörden zusammenzuarbeiten. Die Nachricht ist falsch: Der Nuntius weiss von einer solchen Gratulation nichts.

Ein Bischof in der besetzten Zone bekam durch die Kommandantur seines Ortes einen Brief des Papstes übermittelt, in dem ihm gratuliert wird zu der Zusammenarbeit mit den Deutschen. Der Brief kann nur gefälscht sein; denn der Papst bedient sich bei solchen Anlässen stets der Nuntiatur. Der Bischof gab den Brief an die Kommandantur zurück mit dem Bemerken, es müsse sich um einen Irrtum handeln, da der Heilige Stuhl seine Briefe nicht durch die deutsche Kommandantur übermittle.

Die Enzyklika gegen den Rassismus ist in Frankreich nicht mehr aufzutreiben und wurde wahrscheinlich systematisch aus dem Buchhandel zurückgezogen.

Der Kampf um die Gewinnung der Katholiken geht übrigens auch in Deutschland heftig weiter. Aber auch dort gibt es Zeichen einer Versteifung auf Seiten katholischer Kreise:

Erzbischof Gröber in Freiburg, früher Befürworter eines Zusammengehens mit den Nazis, hat vor kurzem in einem Hirtenbrief zugegeben, dass er sich in seinem Urteil über die Nazis geirrt habe.

Vor einiger Zeit fand eine Versammlung kirchlicher Würdenträger in Berlin statt, auf der der Einberufer, ein Beamter der Wilhelmstrasse, ihnen sagte: Wir sind mit Ihrer Haltung nicht zufrieden. Nach dem Siege werden keine Loyalitätserklärungen mehr an-

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genommen. Wir brauchen Sie heute in den Kolonien. Was werden Sie tun?

Ein katholischer Parlamentarier, Hackelsberger[37], der noch von Hitler in den Nazi-Reichstag gesandt worden war, kam wegen oppositioneller Haltung ins Konzentrationslager, wo er vor kurzem starb.

Presse

Presseanweisungen, wie sie Goebbels[38] nicht kleinlicher ausarbeiten könnte, zeigen den Grad von Uninformiertheit, der heute in weiten Kreisen Frankreichs herrschen muss, wenn sich jedenfalls das Volk auf die französische Presse verlassen würde. Da heisst es zum Beispiel:

1. Die Rede Hitlers muss dreispaltig gebracht werden.

2. Jede Streiknachricht aus den Vereinigten Staaten soll auf der ersten Seite gut plaziert werden.

3. Die Rede von Churchill soll zurückhaltend aufgenommen werden. Einspaltig, im Gros der Meldungen, nicht mehr als 70 Zeilen Umfang.

4. Die Berichte des Informations-Ministeriums werden nicht genügend beachtet.

5. Der Besuch des Marschalls Pétain bei Herrn Chaumex[39] darf nicht erwähnt werden. (Ch. ist Mitglied der Akademie, und soll pro-britisch fühlen.)

6. Jedes Schreiben, das vom Marschall oder seinem Kabinettschef herausgegeben wird, muss der Zensur vorgelegt werden.

Lebenshaltung

Ein Bericht von einem aus Nordfrankreich schreibenden Franzosen enthält folgende aufschlussreiche Stellen:

Eine kürzlich in einer grossen Industriestadt des unbesetzten Gebiets vorgenommene sorgfältige Untersuchung errechnete die jährlichen Lebensunterhaltskosten einer vierköpfigen Arbeiterfamilie auf 23.767,80 Francs. Davon entfallen mindestens 12.526,80 Francs auf Ernährung; 2.400 auf Wohnungsmiete; 2.750 Francs auf Steuern, Heizung, Licht, Gas, Fahrgeld zur Arbeitsstätte; 4.241 Francs auf Kleidung und Wäsche; 350 Francs auf Wäschereinigen; 1.500 Francs endlich sind für Krankheitsfälle, Erziehungskosten, ausserordentliche Fälle und bescheidenste Zerstreuung reserviert.

Diesen 23.767,80 Francs stehen aber wesentlich geringere Lohneinnahmen gegenüber. Unter Berücksichtigung der Abzüge einerseits, der Familienzulagen andererseits, betragen die Jahreslöhne der wichtigsten Arbeiter- und Angestelltenkategorien in der führenden Industrie der Stadt 11.676 bis 22.560 Francs: Die erste Summe ist das Gehalt der untersten Angestelltenkategorie. Die zweite Summe das eines bilanzsicheren Buchhalters. Ein ungelernter Arbeiter bringt es auf 13.249,40 Francs. 14.006 Francs bekommt er für besonders anstrengende Arbeit. Ein Facharbeiter, der nach den Spitzenlöhnen bezahlt wird, erreicht 19.336 Francs. Alles Einkommen bleibt somit unter dem Jahresbudget. Praktisch bedeutet das den Verzicht auf nicht rationierte Lebensmittel (Gemüse, Obst, Fische, Pferdefleisch), die drei Fünftel des Ernährungsbudgets der Arbeiterfamilie ausmachen, - also schlechte einseitige Ernährung, Sparen auf Kosten von Gesundheit, Körper - und Arbeitskraft.

Es ist danach kein Wunder, dass die grosse Masse des Volkes, und vor allem die Arbeiterschaft die Zusammenarbeit mit Deutschland innerlich ablehnt. Die Tatsache, dass in Frankreich fast an jeder Strassenecke, ob besetztes oder unbesetztes Gebiet, Stadt oder Dorf, das vom englischen Radio propagierte Zeichen de Gaulles in einem grossen "V" (victoire) zu finden ist, spricht eine deutliche Sprache, wie auch die andere Tatsache, dass es heute in Frankreich üblich ist, um die Mittags- und Abendstunden, in denen das Londoner Radio sendet, nicht zu telefonieren, um den Empfang dieser Nachrichten zu erleichtern.

Im unbesetzten Gebiet verstimmt die Bevölkerung der Umstand, dass die in Marseille eintreffenden Warensendungen zum grössten Teil von den Deutschen angekauft werden. Im besetzten Gebiet ist diese Stimmung noch viel ausgeprägter. Als kürzlich die "New York Times"[40] schrieb, dass die Bevölkerung des besetzten Gebiets die Flugzeuge der R. A. F. mit Jubel begrüsst, obwohl sie unter deren Bomben schwer zu leiden hat, wollte ich das zunächst nicht glauben. Es ist aber doch so. Das unanfechtbare Zeugnis erprobter zuverlässiger Freunde aus zwei verschiedenen nordfranzösischen Städten lässt keine Möglichkeit mehr, an der Richtigkeit dieser Meldung zu zweifeln.

Tatsachen

[Flugblätter und Résistance]

Wir bringen hier einige Flugblätter und andere Dokumente, sowie kleine Meldungen, die für sich sprechen:

"Franzosen, man lässt die Geldstücke aus Nickel nicht mehr umlaufen, weil Nickel ein wichtiges Kriegsmetall ist. - Wenn jeder Franzose zwei Francs in Stücken zu je 25 Centimes zurückhält, dann verliert Hitler damit 1600 Tonnen Nickel, die er für seine Waffen braucht. - Sag nicht: Auf mich kommt es nicht an, sondern handle schnell und veranlasse auch andere, es zu tun. - Wenn du diesen Zettel fünf mal abschreibst und alles in den nächsten 24 Stunden verteilst, dann werden am Ende von zehn Tagen eine Million solcher Zettel verteilt sein. Handelt schnell." (Diese Aufforderung hat gut gewirkt! - In Paris wurde sie zum Teil von Steuerbeamten weitergeleitet! - Es gilt als Ehrensache, Nickelmünzen zu horten.)

In Lyon verteilten Studenten Flugblätter folgenden Inhalts:

"Vervielfältige dieses Flugblatt und verteile es weiter. Unterschreibe dein eigenes mit deinem Namen oder dessen Anfangsbuchstaben. Sende es dann an den amerikanischen Generalkonsul.

2, Place de la Bourse, Lyon.

Aufruf Roosevelts: 'Ich weigere mich zu glauben, dass das französische Volk freiwillig zusammenarbeite mit einem Lande, das darauf aus ist, es wirtschaftlich, moralisch und politisch zu vernichten.' (Rede vom 10. Mai 1941).

Antwort: Das französische Volk will nicht zusammenarbeiten!"

Die passive Resistenz der französischen Bevölkerung gegenüber Arbeiten für die Deutschen entwickelt sich mehr und mehr. Man hört oft von Zwischenfällen, wo Arbeiter Widerstand leisten. Vor einiger Zeit konnten z. B. drei Schiffe, die von Marseille nach Genua fahren sollten, nicht auslaufen, weil Mannschaft und Kapitän die Fahrt verweigerten. Sowohl passive Resistenz gegen die Achse als auch

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Furcht vor den Torpedos der Engländer waren hier die Gründe.

Die Requirierung von Lebensmitteln in der nichtbesetzten Zone dauert an. So wurden neulich in Marseille alle Teigwaren durch die Deutschen beschlagnahmt.

In Paris sind vierzehn Italiener verhaftet und dann an Italien ausgeliefert worden. Unter ihnen befanden sich: Buozzi[41] (Sozialistischer Abgeordneter und Sekretär des italienischen Gewerkschaftsbundes); Miglioli[42] (ehemaliger katholischer Abgeordneter); Chettini[43] (früherer Offizier des italienischen Heeres); Diotalevi[44] (Anarchist und Leiter der Union Syndicale Italienne); Frau Bernieri[45].

Die Deutschen haben die Filmgesellschaften in der unbesetzten Zone verpflichtet, in jeder Stadt den Film "Jud Süss" laufen zu lassen. In Toulouse und Lyon fanden während solcher Vorstellungen Gegenkundgebungen statt. In einigen Fällen wurden dann Anhänger von Doriot[46] bestellt, die für Beifall sorgten. Die Zeitung: "Temps Nouveau" bezeichnete den Film als "unfranzösisch" und "unchristlich" und wurde dafür verboten. Sie hatte ausserdem ironische Randbemerkungen über die Collaboration gemacht.

LEON BLUM has been accused of

1. having created an Under Secretary of Leisure and Paid Holidays;

2. having introduced legally the 40 hours week;

3. having let the strikes with occupation of the factories develop without suppressing them by strong measures;

4. having disorganized production by the nationalisation of arms factories;

5. having tolerated the extremist propaganda which made insubordination grow in the factories which were working for national defence.

You would think you are dreaming ......

The Supreme Court, actually created by Laval[47] to declare - at the demand of Germany - France guilty for the outbreak of the war, refuses to do this dishonourable job. But it has done another: a trial against the will of the electorate of 1936.

Thus, the man mainly responsible for the defeat would be Léon Blum. He who preserved silence about the role of the general staff and the generals.

To this ridiculous charge we can give the following answer

1. That the Government of Léon Blum was the first since 1918 to make an exceptional effort for national defence, especially by his plan for public works in which almost four out of seven billion Francs were spent for the national defence through the ordinary budget.

2. That after the war had broken out, the rearmament scheme that was introduced by the Government of Léon Blum according to the demands of the general staff, and which was meant for the years 1937-1940 inclusive, was well in advance of expectations, due to the speeding up of output in the factories in spite of the social laws.

3. That, as to most of the modern materials, especially the artillery, the tanks and the anti-tank guns, there was no difference in quality or in quantity between the Franco-British and the German forces which could explain the defeat, as the general staff wanted to make us believe. Even as to the aircraft the numerical strength of modern planes was not such as to exonerate the general staff. We failed to the fullest to concentrate at the frontier and to make use of war material because we had distributed it all along the front (as in 1914-1918), neglecting to follow the modern technique used by the Germans in Spain, in Poland and then in France. This was the responsibility of the general staff and not of the governments. ...

4. That the Supreme Court refuses deliberately to investigate the real causes of the defeat.

5. That Léon Blum is not accused of any personal act, but of this general line of policy; that therefore the parliamentary majority of 1936 is indicted. As the majority of the electorate had openly expressed their opinion it should be an indictment of the Republican régime. Thus Léon Blum symbolises it. He will undergo his trial with deep pride.

(This leaflet was distributed by the Blumist Socialists in South France.)

Address of the Trade Unions of Toulouse, given to M. Belin[48], Secretary of State for Labour, on May 15th, 1941

Since we are given the opportunity we would like to express our pleasure at having returned to this meeting room of the Labour Exchange in which the feeling of solidarity, the worship and love of Freedom have been praised so often.

With the help of several commissions of the Trade Unions, particularly of the engineers, the building workers, and the clerks we have formed a united representative body to function for the benefit of the workers and the satisfaction of the public authorities. To-night, once again, the U. D. are making use of this method of representation and it is in the name of the three U. D. (ex-C. G. T., ex-C. F. T. C. [Christian T.U.] and ex-C. F. P. F.) that I am speaking to you.

The common will of these Unions is to work, closely united in activities but absolutely free and independent in their principles and their administration.

It is the ardent wish of the workers of Toulouse to see this agreement maintained and develop. ...

We believe in this practical realisation of the unanimous will of the workers of Toulouse: to live united but independent, ...

You can tell the Marshal that you have met men in Toulouse, Frenchmen, workers, whose hearts beat as one. That these men are willing to bring any sacrifice for our country to regain her independence with honour, that they are ready to carry steadfastly on high the Banner of Freedom.

Aus dem Dritten Reich

Gute Geschaefte

Jemand, der die Verhältnisse im Dritten Reich aus eigenem Erleben gut kennt, erzählte vor einigen Wochen:

Die Löhne dürfen zwar ebenso wie die Preise nicht erhöht werden. Der Lohn vieler Arbeiter ist aber

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nicht schlecht, weil sie ziemlich lange arbeiten. Ich kenne z. B. einen Mann, der von Beruf Seemann ist und jetzt in einem Betrieb arbeitet, wo er dicke Drahtseile dreht. Er verdient etwa 100 Mark in der Woche.

Auf die Frage, was er mit diesen 100 Mark anfange, da doch die Lebensmittel und überhaupt alle Konsumtionsmittel rationiert seien, man also nicht sehr viel kaufen könne, sagte er:

Ja, das ist alles richtig. Man kann aber doch alles im Schleichhandel kaufen; und da kann man sein Geld loswerden.

Gegen den Schleichhandel gibt es doch aber so drakonische Strafen, dass er eigentlich verschwunden sein müsste!

O, nein! Das ist genau so wie im vorigen Krieg. Nur ist er nicht so öffentlich sichtbar wie damals. Aber die Bauern sind Bauern geblieben, die wollen etwas "haben", und wenn ein guter Bekannter kommt und Eier und Butter gut bezahlt, dann findet er auch welche, und irgendwo findet man auch immer gute Bekannte, die etwas Rationiertes ohne Marken zu verkaufen haben. Leute mit Geld können so gut wie alles haben, was sie wollen. - Das Geld geht einem aber auch schon dadurch viel leichter aus, dass heute viele Dinge, z. B. Schuhe und Textilwaren, nicht sehr haltbar sind, also öfter erneuert werden müssen als früher.

Hat sich die Lebensmittelversorgung in Deutschland auf Grund der "Eroberungen" merklich gebessert?

Den Eindruck habe ich gar nicht. Es stimmt aber, dass der gesamte Mangel nicht so fühlbar ist wie im vorigen Krieg. Der Eindruck des Mangels wird aber im wesentlichen dadurch geschickt vertuscht, dass die Nazis noch immer die alte Methode anwenden, mit der sie sich schon auf den Krieg vorbereitet haben: Die Versorgung ist je nach Gebieten und Zeiten unterschiedlich. Wer im April mit irgend einer Ware schlecht versorgt worden ist, bekommt im Mai etwas, was wieder einem anderen vorenthalten wird, der im April nicht so schlecht versorgt war. Man hat also den Eindruck, die Mangelzeiten seien jeweils nur kurz und eine Besserung trete sehr schnell ein. Mit der Bevölkerung der besetzten Länder verfährt das Dritte Reich ähnlich. Die geraubten Waren benutzt es zum Teil, um andere besetzte und ausgeraubte Länder grosszügig zu "versorgen." Zum Beispiel wurden aus Dänemark landwirtschaftliche Erzeugnisse in die "befreiten" Gebiete Oberschlesiens gebracht.

Plutokratie?

Auf die Frage, ob tatsächlich unter dem Nazismus die Plutokratie verschwunden sei, lächelte der Mann. Er gehört nämlich selber zu den Privilegierten: Während er vor 1933 einen kleinen Betrieb mit etwa 10 bis 15 Arbeitern hatte, konnte er sich jetzt einen kaufen, in dem er mehrere Hundert Arbeiter beschäftigt. Er erzählte selber:

Es geht uns doch blendend: Wir brauchen kaum Reklame zu machen. Wir haben keine Reisenden mehr; die Löhne dürfen wir nicht erhöhen, selbst wenn wir wollten - und ich täte es wirklich gern; denn in meiner Gegend sind sie wirklich ganz miserabel, schon immer gewesen. Heute macht man dafür soziale Stiftungen im Betrieb, bezahlt Turnlehrer für die jugendlichen Arbeiter, gibt Riesensummen an die Volkswohlfahrt - und dabei geht es einem immer noch ausgezeichnet. Natürlich sind all die sozialen Abgaben sehr oft keine Produkte wirklicher sozialer Gesinnung, sondern im wesentlichen politische Versicherungsprämien. Je mehr man in dieser Richtung tut, um so mehr lassen einen die Partei und ihre Einrichtungen in Ruhe. Die bekommen eigentlich nie genug. So sagte mir der Obmann der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt kaltblütig, man habe aber pro Monat von mir 2.000 Mark erwartet statt der von mir gespendeten 600. Dann hat es keinen Sinn, sich aufzuregen; dann muss man kaufmännische Argumente vorbringen. Ich habe dem Mann also vorsichtig angedeutet, dass jeder gerade sein Fach am besten übersieht und dass es mir durchaus verständlich sei, wenn ein Mensch wie er, dem die soziale Fürsorge besonders am Herzen liege, so viel wie möglich für die N. S. V. herauszuholen suche, dass aber der Betriebsführer schliesslich die für den Betrieb erträgliche Höchstgrenze feststellen müsse - und dann trennten wir uns in Frieden.

Steuern?

Aber wie verträgt sich das alles mit der Gewinn-Abschöpfung?

Ja, im Prinzip soll kein Unternehmer einen höheren Gewinn zurückbehalten als im vorigen Jahr. Aber einmal zahlen wir ja schon all die erwähnten Versicherungssummen gegen die Uebergriffe der Nazis und deren Schnüffeleien, wodurch wir uns eine gewisse Freiheit sichern, und zweitens wird auch das mit der Abschöpfung nicht so heiss gegessen, wie es gekocht ist. Natürlich kann man der Steuerzahlung nicht dadurch entgehen, dass man einfach nicht bezahlt. Gewöhnliche Steuerhinterziehung ist tatsächlich kaum noch möglich. Wahrscheinlich überhaupt nicht. Die Buchhalter sind zur Zeit unter den Nazis eine der begehrtesten und daher gut bezahlten Berufsgruppen. Da muss alles aufs Tüpfelchen stimmen, soviel wird geprüft und geschnüffelt, und gespitzelt natürlich. Aber man steckt sich hinter die betreffende Fachgruppe und bombardiert sie mit Briefen, worin man sich über die früheren schlechten Jahre beschwert und darüber, dass nach dem jahrelangen Elend einem jetzt nicht eine kleine Verbesserung zugestanden werden solle. Und dann geht schliesslich alles. Man muss es nur nicht auf eigene Faust, sondern über die Einrichtungen der Nazis selber machen.

Schutz-Nazi

Das ist überhaupt sehr wichtig in Deutschland: Man muss prominente Nazis kennen, die einem die Stange halten, wenn man etwas erreichen will, sei es ein Betrieb, der dem Staat "zugefallen" ist, und der nun an "zuverlässige" Privatleute verkauft wird; sei es eine Reise ins Ausland, um mal wieder etwas freiere Luft zu atmen oder sich mit besseren Waren einzudecken; sei es, um ungeschoren zu bleiben, wenn man gelegentlich unvorsichtig war und in den Verdacht der Unzuverlässigkeit geriet.

Auf die Frage, ob sich wirklich Parteigenossen der NSDAP zu so was hergeben, erzählte er, dass es zwischen PG. und PG. grosse Unterschiede gäbe:

Oft genug ist einer nur deshalb Ortsgruppenleiter,

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weil er verhindern will, dass der Ort einen 150-prozentigen Leiter bekommt, während er selber im Innern bestenfalls "national" ist. Oft genug kann man erleben, dass Frauen ihrem Herzen Luft machen untereinander, wenn sie sich erzählen; warum ihr Mann eigentlich in der Partei ist. Da kann man phantastische Dinge hören über die ehrenwerten PGs, die lediglich ihr Amt missbrauchen zur Ausbeutung der ihnen Untergeordneten oder zur Befriedigung ihres Ehrgeizes und ihrer Eitelkeit.

Opposition

Einer weiss immer noch mehr von Verbrechern (so nennen sie sie selber) unter den sogenannten Amtswaltern der verschiedensten Art zu erzählen als der andere - man muss allerdings seines Gesprächspartners sicher sein. Und oft ist das nicht der Fall. Deshalb dringt auch nicht mehr über die wahre Stimmung des Volkes nach aussen. Wo nicht von Anfang an Sympathien für die Nazis vorhanden waren, innerhalb der etwas aufgeweckten Arbeiterschaft etwa, sind sie auch nicht gewachsen. Laute Aeusserungen des Missfallens oder gar wirklich offenen Widerstand zu unterbinden, das ist der raffinierten und systematischen Einschüchterung durch drakonische Urteile allerdings gelungen. Jeder hat in seinem Bekannten- und Verwandtenkreis Fälle, wo man wegen Abhörens ausländischer Sender, wegen Verächtlichmachung des Systems oder wegen anderer Kleinigkeiten (ganz zu schweigen von wirklicher illegaler Arbeit) lange Zeit im Gefängnis oder gar Zuchthaus war. Das schreckt ab. So ist das illegale Radiohören auch geringer geworden. Allerdings kommt hierfür hinzu, dass das Interessante an der Sache für viele darin bestand, dass sie das Gehörte weiter verbreiteten in der Absicht, andere etwas kritischer gegenüber der Nazipropaganda zu machen. Da auf diese Weise aber das Risiko zu gross ist, dass die Quelle für die Berichte weiter erzählt wird, hat mancher nicht nur das Weitererzählen sondern auch das Abhören gestoppt, und so sind vor allem die Menschen, die schon einmal bestraft gewesen sind, sehr vorsichtig. Manche sind überzeugt, bei einem neuerlichen Nachweis oder auch nur Verdacht des Widerstandes gegen das Nazisystem nicht erst einen Prozess zu bekommen, sondern glatt erschossen zu werden. Und das lohnt sich heute ihrer Meinung nach noch nicht. Deshalb warten sie vorläufig darauf, dass von aussen ein gewisser Rückschlag gegen das ganze System erfolge, damit es sich lohnt, im grossen Stil mit zuzuschlagen. Dazu ist sicherlich eine ungeheuer grosse Anzahl bereit - darauf kann man rechnen.

Wirkliche Freunde hat das Nazisystem unter der grossen Masse sich nicht neu erworben - wohl gibt es allerlei Gleichgültige, die froh sind über den Arbeitsplatz, den ihnen die Nazis verschafft haben; aber es gibt keine begeisterte Bejahung unter ihnen.

Da dieser Mann meinte, das Radioabhören sei zurückgegangen, ist es interessant, zu wissen, dass ein anderer gerade aus Deutschland Kommender erzählte, die ausländischen Sendungen würden ganz allgemein noch gehört. Er berichtete sogar von einem Luftschutzwart, der Radiosendungen abhörte, wenn alle im Keller waren und der ihnen dann später berichtete, was er gehört hatte.

Andere jüngst aus Deutschland Zurückgekehrte berichten zum Beispiel aus Württemberg, die Stimmung der Bevölkerung ist schlecht, die Leute sind niedergedrückt und müde. Alle hofften, dass der Krieg im Juli zu Ende sein würde. Die Ernährung auf dem Lande wird immer kärglicher, weil der Reichsnährstand seine Kontrollen ständig verschärft. Die geraubten Vorräte aus den eroberten Ländern haben vielleicht die Situation in den Städten etwas gebessert, aber nicht auf dem Lande. Ein Paar schlechter Schuhe mit Sohlen aus Pappe, auf die eine dünne Ledersohle geheftet ist, kostet 37 Mark. Die Bauern versuchen immer noch, Schweine illegal zu mästen. Viele Bewohner drücken ihren Mangel an Vertrauen in Hitlers Sieg im vertrauten Privatgespräch aus. Die Angst, in der die Bevölkerung lebt, ist so gross, dass sie sich möglichst nur ohne Zeugen mit jemandem unterhalten.

Man sah eine interessante Zusammenstellung von militärischen Gegenständen unter dem Schutz des Roten Kreuzes: Ein Gefangenenlager inmitten eines Trainingslagers alpiner Truppen; ferner viele Benzin- und Munitionsdepots, sowie drei Sanatorien für die Wehrmacht, die mit einem riesigen Roten Kreuz gekennzeichnet waren.

Die Gefangenen in dieser Gegend werden trotz des strikten Verbotes, auch nur den geringsten Verkehr ausserhalb der für die Arbeit nötigen Unterhaltungen und Anweisungen zu unterhalten, sehr gut behandelt, und zwar werden sie wegen der Notwendigkeit, dies möglichst zu verbergen, zur Vorsicht und Geschicklichkeit im Kampf gegen Denunziantentum erzogen.

Kerngesund

Vor einigen Wochen erreichte uns diese Nachricht aus Deutschland:

Ich sah neulich einen Bekannten von U. und L. Es geht ihnen recht gut, der Vater ist wieder zu Hause (er hat eine mehrjährige Zuchthausstrafe hinter sich) und hat die Zeit sehr gut überstanden; er ist sehr munter. Nun ist auch die Mutter wieder besser dran, die zuerst etwas verzweifelt war. U. ist inzwischen angestellt worden und hat eine gut bezahlte Stelle. Um den Bund Deutscher Mädchen hat sie sich bis jetzt herumdrücken können. L. geht noch in die Schule. Er ist zwar in der Hitler Jugend, geht aber nicht hin. Er versteht es sehr intelligent, sich darum zu drücken. Die ganze Familie ist also innerlich kerngesund (das heisst, bereit, am Kampf gegen Hitler teilzunehmen).

Katholiken

Aus dem Hirtenbrief des Erzbischofs Gröber von Freiburg/Br. (vom 31. März 1941):

3. ... Zum Schluss weist der Bischof die Zumutung zurück, dass die deutschen Katholiken unberührt bleiben sollten angesichts all der erlittenen Uebel und sie mit Resignation und Gottvertrauen ertragen sollten. Nein, so sagt der Bischof, Resignation ist gut, wenn es sich um ein Unrecht handelt, das einem selber angetan wurde, nicht aber, wenn die Ehre Gottes, das Heil der Seelen, die christliche Zukunft eines Volkes auf dem Spiel stehen. ...

Es wäre, sagt der Bischof, eine schwere Sünde, mit verschränkten Armen dabeizustehen, wenn der Anti-Christ unablässig bemüht ist, sich der Seelen der Kinder zu bemächtigen. Die Eltern dürfen sich die Kinder nicht entreissen lassen.

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M. H.[49]:

Der Kampf für den Frieden

Die Friedensverträge von 1919 enthielten als wichtigsten Abschnitt die Völkerbunds-Satzung und damit das Bekenntnis, dass es sich in diesen Verträgen um mehr handelte als um die Bereinigung aktueller Konflikte. Sie griffen das alte noch immer ungelöste Problem auf, den Völkerfrieden zu sichern. Die in dieser Richtung unternommenen Ansätze: die Einrichtung und Weiterbildung der Haager Schiedsgerichtsbarkeit, hatten im Juli 1914 völlig versagt. Die Art, in der das geschehen war, hatte aber klar gemacht, wo der Mangel dieser bisherigen Versuche lag: Das Schiedsgerichtsverfahren war nicht an der Kompliziertheit des Streits gescheitert. Der Konflikt von 1914 hätte keine der Schlichtungs-Instanzen vor sachlich schwierigere Probleme gestellt, als sie bei früheren Anlässen erfolgreich gelöst wurden. Aber Oesterreich-Ungarn ging auf den Vorschlag der serbischen Regierung, den Haager Gerichtshof anzurufen, überhaupt nicht ein; und die deutsche Regierung sabotierte den englischen Vorschlag einer Viererkonferenz durch die Bedingung, dass es nur auf die Aufforderung seines Bundesgenossen an einer solchen Konferenz teilnehmen werde. Die Haager Abmachungen boten keine Handhabe, das im übrigen gut vorbereitete Schlichtungswerk gegen den Willen der Beteiligten durchzuführen, und so brachen alle Vermittlungsversuche zusammen.

Der Völkerbund zog die Konsequenzen aus dieser Erfahrung, indem er sein Schiedsgerichtsverfahren obligatorisch machte und seinen Mitgliedern die Verpflichtung auferlegte, gegen Friedensbrecher, die sich diesem Verfahren nicht unterstellten, Sanktionen anzuwenden.

Die Nachkriegszeit hat bald gezeigt, dass auch diese Massnahmen nicht hinreichten. Japan überfiel China; Italien okkupierte Abessinien und Albanien; die Achsen-Staaten halfen Franco[50], und das Dritte Reich verletzte einen Vertrag nach dem andern, - all dies, ohne dass der Völkerbund ernsthaft eingriff.

Trotzdem darf man aus dieser Erfahrung nicht schliessen, der Versuch, durch den Völkerbund den Frieden zu organisieren, sei an sich verfehlt gewesen und die Friedenssicherung sei vielleicht eine Utopie. Der Schritt, den der Völkerbund über die Haager Schiedsgerichtsbarkeit hinaus getan hat, lag durchaus in der Richtung, die durch die Erfahrung gewiesen war, und er führte zudem erheblich weiter, als blosse Kongress-Diskussionen in Friedenszeiten je geführt hätten. Aber auch dieser Schritt ging nicht weit genug; und daran ist der Völkerbund gescheitert.

Der Völkerbund hatte die Aufgabe, Garantien zu schaffen für die Anwendung der Schiedsgerichtsbarkeit und für die Durchführung ihrer Schiedssprüche. Er glaubte, diese Garantien zu geben durch gewisse Verpflichtungen, die er seinen Mitgliedern auferlegte. Aber auch in seiner Satzung hing die Durchführung dieser Bedingungen von der Bereitschaft jeder Regierung ab. Diese Bereitschaft war nicht nur dadurch gehemmt, das sie in ernsten Streitfällen von den Verteidigern des Friedens Opfer forderte, sondern auch durch das Misstrauen, die Andern würden sich um solche Opfer drücken.

In Genf fehlte die Organisierung einer Macht, gross genug, widerstrebende Mitgliedstaaten zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen zu zwingen und damit den willigen Staaten die Sicherheit zu geben, dass sie nicht im Stich gelassen würden. Solange dieser Schritt nicht nachgeholt wird, kann das Werk der Friedenssicherung nicht gelingen. Dieser Schritt aber verlangt, dass die an einem solchen Friedenswerk beteiligten Staaten den Anspruch aufgeben, keine Macht über sich zu dulden, die ihnen verbindliche Entscheidungen auferlegen und deren Durchführung erzwingen kann. Die Sicherung friedlicher internationaler Beziehungen fordert von den beteiligten Staaten also den Verzicht auf den Souveränitätsanspruch. Es ist nicht schwer zu sehen, dass es der Widerstand gegen diesen Verzicht war, der die bisherigen Friedensbemühungen entscheidend hinderte.

Die Auflösung und Verwirrung, die auch dieser zweite Weltkrieg über das Völkerleben gebracht hat, wird uns nach seinem Abschluss voraussichtlich eine Chance geben, die Widerstände gegen eine bessere internationale Ordnung an der Wurzel zu packen. Soll diese Chance nicht verpasst werden, so müssen wir uns schon vorher verständigen, woher diese Widerstände stammen, und wie ihre Ueberwindung vorbereitet werden kann.

Auf diese Frage lässt sich zunächst sagen, dass die Forderung, auf die staatliche Souveränität zu verzichten, auf einen begreiflichen Widerstand stossen wird, solange nicht geklärt ist, wie jene Organisation aussehen wird, der die Staaten sich unterstellen sollen. Wie weit werden die Befugnisse dieser Organisation reichen, und welche Sicherungen können gegen den Missbrauch der ihr anvertrauten Macht getroffen werden? Hier fragt es sich z. B., wie weit auf wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Gebieten des öffentlichen Lebens die inneren Angelegenheiten eines Staates in Wahrheit auch zwischenstaatliche Beziehungen berühren und zu einer Kriegsgefahr werden können. Eine nationalistisch verhetzende Erziehung; die Unterdrückung bürgerlicher Freiheiten: Währungsmanöver und die Ausnutzung inländischer Land- und Industriemonopole können den Frieden gefährden, obwohl sie unmittelbar nur in die Vorgänge des eigenen Landes eingreifen. Die Abwehr derartiger Gefahren ist daher keine bloss innere Angelegenheit, sondern gehört zum Aufgabenbereich jener internationalen Instanz. Auf der andern Seite kommt es bei der Prüfung, auf welchen Gebieten mit internationalen Konflikten zu rechnen ist, darauf an, die Gesetzgebung der Staaten nicht unnötig zu schematisieren. Wo aber liegt hier die Grenze?

Andere dringende Probleme betreffen die Organisation und Führung des internationalen Heeres und die Ersetzung der nationalen Heere durch Polizei, die zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung hinreichen. Es fragt sich ferner, welche Aufgaben sich aus den Nachkriegsverhältnissen ergeben und welche Uebergangsmassnahmen dem europäischen Völkerleben den Weg zu friedlichen und rechtlichen Zuständen wieder öffnen können.

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Niemand wird bestreiten, dass die Bearbeitung solcher Fragen sorgfältige Untersuchungen nötig macht. Aber dies reicht nicht hin zur Erklärung des Widerstandes, der von jeher gegen Bemühungen gerichtet worden ist, eine Organisation des Völkerfriedens auf Kosten der Souveränitätsansprüche durchzusetzen. Es ist noch niemals der Wille zum Fortschritt am Nichtgelöstsein einer Organisationsfrage gescheitert. Es war vielmehr umgekehrt: Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen war gehemmt durch den Widerstand gegen den Gedanken einer Aufhebung der Souveränität. Solche Studien bleiben daher auf die langsam wachsenden Kreise derer beschränkt, die die Notwendigkeit eines Fortschritts in dieser Richtung eingesehen haben.

Ein grösseres Hindernis als die sachlichen Probleme sind die wirtschaftlichen und politischen Interessen, die beim Aufbau des Friedenswerkes verletzt, wenn nicht preisgegeben werden müssten. Der deutsche Grossgrundbesitz z.B. lebt seit langem nur noch von der Kriegsbereitschaft Deutschlands, um derentwillen der Weg in die Getreide-Autarkie offen gehalten wurde. Die Rüstungsindustrie lebt von der Unsicherheit im Völkerleben, die es immer noch möglich macht, den Wahlspruch zu Geld zu machen: "Wenn du den Frieden willst, rüste zum Krieg!" Europäische Regierungen sträuben sich, den Schein unbeschränkter Macht zu opfern, den die Souveränität den Staatsregenten verleiht.

Zu den unmittelbaren Interessen, die sich einer Beseitigung der internationalen Anarchie widersetzen, tritt als weitere erhebliche Hemmung jedes Versuchs, den Frieden zu organisieren, das Misstrauen hinzu, der Verhandlungspartner sei in Wahrheit gar nicht bereit, die übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen. Die Völkerbundskonferenzen, die sich mit der europäischen Abrüstung und den imperialistischen Vorstössen Japans, Italiens und Deutschlands befassten, haben gezeigt, welche unheilbare Lähmung von diesem Misstrauen ausgehen kann.

Und doch würden all diese Interessen, die zu Gunsten irgend einer Kaste, Klasse oder "Volksgemeinschaft" die ganze Menschheit mit neuen Weltkriegen bedrohen, diese verheerende Wirkung nicht haben können, wenn sie offen zu Tage lägen. Wenn jeder, der sich gegen den Wahnsinn auflehnt, eine solche Gefahr zu dulden, ja unbegrenzt wachsen zu lassen, in dem Eigennutz kleiner Machtgruppen die entscheidenden Saboteure des Weltfriedens erkennen müsste, dann wäre deren Macht bald gebrochen. Aber hier, wie auch sonst, verbirgt sich politischer Eigennutz hinter politischen Theorien, die als erbärmlich oder als utopisch erscheinen lassen, was bei vorurteilsloser Betrachtung als selbstverständliche Vorbedingung menschenwürdiger Verhältnisse erkannt wird. Selbst wo solche Lehren die Oeffentlichkeit nicht völlig darüber hinwegtäuschen, welche Interessen sich gegen den geforderten Fortschritt wenden, da reichen sie doch oft hin, die grosse Schar derer, denen dieser Fortschritt den Weg zu einem besseren Leben öffnen könnte, ideologisch unsicher zu machen und damit ihre Kampfkraft zu lähmen, und die wenigen, die sich nicht blenden lassen, als Schwärmer, wenn nicht gar als die Verächter heiliger Ideale hinzustellen.

So steht vor den Verteidigern der staatlichen Souveränität schützend das Dogma, dem gemäss die Ehre, vielleicht gar die Existenz eines Staates an die Aufrechterhaltung seiner Souveränität gebunden seien. Deutsche Staatsrechtslehrer der vergangenen fünfzig Jahre haben die unrühmliche Aufgabe übernommen, dieser Lehre, die Presse, Schule und Kirche beherrschte, den Schein einer wissenschaftlichen Begründung zu geben. Nur wenige Forscher haben sich diesem verhängnisvollen Unwesen widersetzt und die sophistischen Trugschlüsse, mit denen dabei gearbeitet wurde, in ihrer Hohlheit aufgedeckt.[51]

Aber das Dogma der Souveränität hat Anhänger auch ausserhalb Deutschlands. Seine politische Wirksamkeit zeigt sich überall da, wo die Staatssouveränität als selbstverständlich vorausgesetzt wird, und alle Bemühungen, durch eine geeignete Entwicklung des Völkerrechts den Frieden zu sichern, von vornherein unter der Bedingung stehen, dass dieser Machtanspruch nicht angetastet werden darf. Eine solche stillschweigende Beschränkung liegt z.B. vor in der kurzen, sonst interessanten und aufschlussreichen Schrift des englischen Völkerrechtlehrers Arnold D. McNair[52]: "War and treaties."[53] Diese im Herbst 1940 zuerst erschienene Broschüre prüft sorgsam das bisherige völkerrechtliche Vertragswesen daraufhin, welche Verbesserungen an ihm angebracht werden könnten und sollten, um es zu einem brauchbareren Werkzeug für die friedliche Schlichtung internationaler Konflikte zu machen. Sie tut das im Hinblick auf die Chance, die sich voraussichtlich beim Ende des Krieges wieder einmal bieten wird, einen neuen entscheidenden Vorstoss zur Friedenssicherung zu machen, einen Vorstoss, der aus den Erfahrungen der bisherigen Versuche lernt und deren Mängel überwindet. Und doch rühren diese Untersuchungen nicht einmal an die Frage, wie denn das geforderte verbesserte Vertragsrecht seinerseits gesichert werden kann, und das heisst, welche Machtmittel bereitgestellt werden sollten, um böswilligen Friedensstörern und Vertragsbrechern gegebenenfalls mit Gewalt das Handwerk zu legen.

Es liegt durchaus im Sinn jener Souveränitätslehre, den Gedanken an eine Preisgabe der Souveränität gar nicht erst aufkommen zu lassen, sondern ihn von vornherein als absurd abzuweisen. Man hat sich, um das nachzuweisen, vielfach auf die blosse Logik berufen. Einer der offiziellen Vertreter Deutschlands auf der ersten Haager Friedenskonferenz - der übrigens von der deutschen Regierung dorthin delegiert wurde, obwohl er von Anfang in öffentlich gegen das geplante Haager Friedenswerk polemisiert hatte, - der Münchner Völkerrechtslehrer Karl von Stengel[54], bringt dieses Argument auf die folgende einfache Form: Daraus, dass "das Völkerrecht Staaten voraussetzt, d.h. selbständige und unabhängige, einer höheren Gewalt nicht unterworfene Gemeinwesen", "ergibt sich von selbst, dass die Souveränität der

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Staaten die Grundlage des Völkerrechts ist und auch bleiben muss." Der ganze Betrug dieser Beweisführung liegt in den beiden Worten "das heisst." Sie sanktionieren die staatliche Souveränität durch eine blosse Begriffserklärung und legen dabei in Wahrheit doch nur eine juristische Terminologie fest, deren Uebereinstimmung mit dem Sprachgebrauch nicht einmal untersucht wird. Was Stengel beweist, ist nichts anderes, als dass, im Sinne dieser Terminologie, Staaten, die sich zum Zweck der Friedenssicherung zu einer internationalen Organisation zusammenschliessen und in ihr auf die eigene Souveränität verzichten, künftig nicht mehr als "Staaten" zu bezeichnen wären. Ueber die Zweckmässigkeit einer solchen Namensänderung lässt sich streiten. Wie man sich aber auch zu ihr stellt, ein Argument gegen die Möglichkeit und Notwendigkeit dieses Friedenswerkes ist sie auf gar keinen Fall.

Wie aber konnten überhaupt Menschen auf derartige Wortspielereien hereinfallen und sich durch sie von den dringendsten Aufgaben des öffentlichen Lebens abdrängen lassen? Die Antwort ist einfach genug: Sie waren selber verworren und unsicher in ihren Anschauungen vom Wesen und von den Aufgaben des Staates.

Unser auf die Entwicklung der Erfahrungswissenschaften so stolzes Zeitalter möchte auch diese Anschauungen durch blosse Berufung auf die Erfahrung klären. Die Erfahrung aber belehrt den Staatsbürger nur darüber, dass der Staat den Anspruch erhebt, Gesetze zu erlassen und durch sie seine Bürger zu verpflichten, und dass die organisierte Staatsmacht mehr oder weniger vollkommen die Befolgung dieser Gesetze garantiert, und das heisst, ihre Durchführung gegebenenfalls erzwingt. Jeder einzelne, an den dieser Anspruch ergeht und der sich dieser Macht unterstellt sieht, steht damit vor der Frage, ob, wie weit und aus welchen Gründen er den staatlichen Anspruch, ihn zu verpflichten und zur Gesetzesbefolgung zu nötigen, als berechtigt anerkennt, und bei der Prüfung solcher Gründe lässt ihn die blosse Erfahrung im Stich. Wer an diese Frage herangeht ohne eine eigene, klare und begründete Ueberzeugung von dem, was Recht ist und was die Pflicht von ihm fordert, wird daher leicht dazu gedrängt, hier nach einem mystischen Zusammenhang zwischen Macht und Recht zu suchen.

Eben diesem Bestreben kommt die Lehre von der Souveränität entgegen. Sie nimmt dem Fragenden die schwierige Prüfung ab, ob es denn wirklich das Recht sei, wofür die Staatsmacht eintritt, und lehrt ihn statt dessen, gerade in der Macht des Staates den Grund seines Rechtsanspruchs zu sehen. Auf die Frage: Mit welchem Recht erlässt der Staat verbindliche Gesetze? antwortet sie ihm: Mit dem Recht der souveränen, keine höhere Gewalt über sich duldenden Macht. Sie verkündet, dass Ehre und Würde eines Staates in nichts anderem zu suchen seien als in dieser Souveränität, kraft derer er seine Bürger verpflichtet, sich selber aber keiner anderen Instanz beugt. Und sie brandmarkt daher jeden als einen Verräter an der nationalen Ehre, der die Preisgabe der staatlichen Souveränität zu Gunsten der Anerkennung und Sicherung internationaler Rechtsansprüche fordert.

Lassen wir aber einmal alle diese tönenden Phrasen beiseite und halten uns an den nackten Kern dieser Lehre von der Souveränität, dann bleibt uns nur ihre blinde Anbetung der Gewalt, für deren Betätigung sie überhaupt keine rechtlichen Schranken anerkennt. Sie leugnet also in Wahrheit jedes Recht, und muss schon darum unweigerlich mit allen Bestrebungen in Konflikt geraten, deren Ziel es ist, im Staats- und Völkerleben dem Recht wieder Geltung zu verschaffen.

Konsequent angewandt worden ist diese Lehre in der Politik der totalitären Staaten: Hitler ist entschlossen, sich nicht durch rechtliche Anforderungen in der Anwendung seiner Macht einschränken zu lassen. Aber auch in den anti-totalitären Staaten zeigt das Souveränitätsprinzip seine Wirkung in einer zwar versteckteren, aber darum nicht weniger gefährlichen Weise: Die Vertreter dieser Staaten sind noch immer nicht entschlossen, solche rechtlichen Forderungen im Völkerleben durchzusetzen und eine dafür geeignete Macht aufzubauen. Ob aber das Pochen auf die Souveränität zur offnen Missachtung vertraglicher und sonstiger internationaler Rechte führt, oder dazu, solche Rechtsbrüche hinzunehmen, ohne eine wirksame und dauernde Gegenwehr gegen sie zu organisieren - in beiden Fällen bringt es im Grunde nur den Unglauben gegenüber solchen Rechtsforderungen zum Ausdruck und zugleich das Verlangen, die eigene, solchen Forderungen nicht unterstellte Haltung trotzdem mit einem gewissen Schein des Rechts zu umgeben. Wo dieser Unglaube überwunden und die Notwendigkeit rechtlicher Beziehungen im öffentlichen Leben nicht nur in Worten zugegeben, sondern als Richtlinie für die Gestaltung dieser Beziehungen anerkannt wäre, da müsste der angebliche Grundsatz der Souveränität von selber als eine törichte Anmassung entfallen. Er würde dann derselben erstaunten Ablehnung begegnen, mit der man heute schon den Anspruch eines Menschen behandeln würde, der in der ihm überlegenen Staatsmacht und seiner Verpflichtung, die Gesetze des Staates zu achten, eine Verletzung seiner persönlichen Ehre und Würde sehen wollte.

Wir sind mit diesen Betrachtungen auf eine der tiefsten Hemmungen gestossen, die das Werk der Friedenssicherung gebremst haben: auf die Unsicherheit über den rechtlichen Charakter und damit über die Bedeutung dieser Aufgabe. Es mehren sich heute die Stimmen, die auf diesen Mangel hinweisen und eine stärkere Durchdringung des politischen Feldes mit ethisch-rechtlichen Erwägungen fordern. Darauf kommt es in der Tat an. Nur müssen wir uns darüber klar sein, dass dazu mehr gehört als die Bereitschaft, in der Beurteilung des politischen Geschehens rechtliche Wertungen überhaupt wieder ernst zu nehmen und in den Vordergrund der Betrachtungsweise zu rücken. Was not tut, ist vielmehr der Kampf gegen die Unsicherheit und Verworrenheit, die heute noch in der Oeffentlichkeit herrschen, sobald es sich um die begründete Entscheidung einer Rechtsfrage handelt.

Auch der Kampf für den Frieden kann erfolgreich geführt werden nur als ein Kampf ums Recht. Er kann aber diesen Charakter nur haben, wenn die, die ihn führen, eine begründete und geklärte Ueberzeugung davon haben, welche Rechtsforderung sie hier vertreten und worin deren Bedeutung für das Leben der Völker liegt.

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Kurt Doberer[55]:

Petroleum

Vor mir liegen Zeitungen aller Länder aus dem letzten Vorkriegsjahr. Unter Ueberschriften wie: "Hitlers motorisierter Krieg ohne Oel" und: "Deutschlands Fehlbetrag an Erdöl" wird mit Zahlen versucht nachzuweisen, wie unmöglich jeder Krieg für Hitler sei, und wie seine mechanisierte Aufrüstung in Verbindung mit der Petroleum-Frage vollständig Bankrott gemacht habe. Eine Zeitung, die besonders vorsichtig operiert, rechnet aus, dass "in ein oder zwei Jahren" die Achsenmächte sich immerhin einen Blitzkrieg von sechs Monaten gestatten könnten.

Auf welchen Grundlagen konnte dieser gigantische Selbstbetrug - der nicht nur die Wunschträume der deutschen demokratischen Emigration, sondern auch die "nüchternen Berechnungen" der Fachleute aller Länder darstellte - überhaupt geboren werden?

Da war zuerst die Erfahrung des vorigen Weltkrieges. Auf einer gewaltigen Petroleum-Welle waren die Alliierten im letzten Kriegsjahr zum Siege gelangt. Obwohl die Motorisierung der deutschen Armee verglichen mit dem heutigen Stand der Entwicklung nur unbedeutend war, so hatte doch der Verlust der rumänischen Oelfelder im Jahre 1918 bedeutet, dass der Krieg auch dank der Erschöpfung der deutschen Benzinvorräte für die Luftwaffe und den Transportpark ein Ende fand.

Diese Erfahrung allein genügte natürlich nicht, die Unmöglichkeit eines deutschen mechanisierten Krieges zu beweisen. Sie bildete aber die trügerische Wand, an der die Fachleute begannen, ihre Zahlenreihen anzuheften. Da wiesen sie an Hand von Multiplikationen und Additionen nach - und die Multiplikationen und Additionen stimmten, nur die Voraussetzungen nicht -, wie sich in einem modernen Krieg der Petroleum-Friedensbedarf aller Beteiligten verdoppeln, ja verdreifachen müsste. Selbst die deutsche Zunft der Experten blies in dasselbe Horn. Man wies haargenau, im "Deutschen Volkswirt"[56] z. B., nach, wie gross der Petroleumbedarf einer Grossmacht in einem Jahre Krieg sein müsste, und kam zu der Menge von 12,65 Millionen Tonnen. Es ist heute klar, dass die entscheidenden deutschen Stellen solche "Berechnungen" nie ernst genommen haben. Auf die Aufrüstungsbereitschaft des Auslandes aber hatten diese Zahlen eine äusserst gefährliche Wirkung: Die Illusionen über die deutsche "Schwäche" stiegen.

Schlussfolgerungen in den demokratischen Ländern waren, dass die Achsenmächte ihre Berechnungen doch sicherlich in einer für sie günstigen Weise frisierten und die Schwierigkeiten kleiner darstellten als sie waren. Während also die Deutschen bereits einen übertrieben grossen Petroleumbedarf angenommen hatten, begannen die nicht-deutschen Sachverständigen, noch einen politischen Unglaubwürdigkeitszuschlag zu machen. Dieser Zuschlag wäre nach unten richtig gewesen, wurde aber auf die verkehrte Seite gemacht. Und so erschienen noch andere "Berechnungen" eines deutschen Petroleumbedarfs im Kriege mit über zwanzig Millionen Tonnen jährlich.

Deutschland hatte im Vorkriegsjahr einen Bestand an Personenkraftwagen von über einer Million. Bei einer Durchschnittsfahrleistung von 12.000 Kilometern im Jahr und von zwölf Litern Benzin für je 100 Kilometer ergibt das allein einen Benzinverbrauch von eineinhalb Millionen Tonnen. Solche Posten addierten die "Experten" einfach zum Kriegsbedarf der Armee hinzu - ohne zu bedenken, dass im Kriegsfall Länder wie Deutschland den Gebrauch von Privatkraftwagen beinahe abschaffen können. - Was denn auch wirklich geschah!

In Bezug auf alle anderen nichtmilitärischen Kraftfahrzeuge wurde vergessen, dass es ein Dutzend verschiedener Methoden gibt, das Benzin an dieser Front (wo man keine Hochleistungen verlangt) zu ersetzen. Deutschland verwendet dafür Leuchtgas, Methan und Klärgas, Propan, Butan und Ruhrgasöl, Holzgas, Holzkohlengas, Koksgas und Anthrazitgas.

Ein weiterer Irrtum war es, auszurechnen, dass die Kohleverflüssigung, und besonders die finanziellen Ausgaben für die Errichtung der Anlagen dafür, Nazi-Deutschland zum Bankrott treiben müsse. Nichts dergleichen ist eingetreten, und heute hat die Erzeugung künstlicher Treibstoffe in Deutschland die auch von den günstigen Schätzungen gesteckten Grenzen noch überschritten.

Wir haben eine ganze Reihe von Berechnungsfehlern gezeigt. Addiert geben sie eine fühlbare Veränderung des Bildes. Trotzdem müssen wir zugeben, dass dies alles nur Fehler zweiter Ordnung waren. Alle Berechnungen werden im wesentlichen von einer ganz anderen Seite über den Haufen geworfen. Keiner sagte voraus, und keiner konnte voraussagen, dass materielle und psychologische Umstände es Hitler erlauben würden, die erste Phase des gewaltigen Ringens als Perlikko-Perlakko-Krieg zu führen. Wie im Puppenspiel gewinnt Kasper-Hitler seine Raufhändel, weil er seine Widersacher vorher zu der Perlikko-Perlakko-Methode bewegen konnte. Wenn Kasper "Perlikko" sagt, wird angefangen zuzuschlagen; und wenn er "Perlakko" sagt, dann muss aufgehört werden. Mit dieser Methode hat Kasper schon in unserer Jugendzeit seine Blitzkriege im Puppentheater gewonnen. Und gerade auf diese einfache Weise erzielte Hitler seine Erfolge. Es war ihm erlaubt worden, nur zuzuschlagen, wenn er genug Petroleum für den gerade geplanten motorisierten Einzelschlag gesammelt hatte. Es war ein Krieg, wo es dem Teilnehmer erlaubt worden war, seine Siege im Wege der Teilzahlung zu erringen. - Dadurch sind natürlich alle Petroleum-Berechnungen zu Spielereien geworden.

Mit der siegreichen Luftschlacht über England im Herbst 1940 und mit dem siegreichen Vorstoss der Engländer durch Libyen sind die geistigen Wirkungen französischer Maginot-Vorstellungen erledigt worden. Zurück blieben nur materielle Gründe, die eine Daueroffensive in diesem Zeitpunkt im notwendigen grossen Masstab nicht gestatteten. Keine Atempausen geben! Das ist das ganze Geheimnis, wie man die grosse Schwäche Hitlers an der Petroleum-Front sichtbar machen kann. Nur zusammen mit der Parole: Keine Atempause! wird der oft vorgebrachte

( Fortsetzung auf Seite 24)

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K. F.[57]:

Die Verkehrs-Front

Die starke Belebung des Verkehrs im vergangenen Jahrhundert war verbunden mit einer Abwanderung von der Landstrasse zur Schiene.

In den sechziger Jahren begannen sich die einzelnen deutschen Länder für den Bau und Betrieb von Eisenbahnen zu interessieren. Die bisher betriebenen hatten eine zu gute Rente abgeworfen, die statt in die Tasche des Aktienbesitzers in den Staatssäckel fliessen sollte. Bald wurden unter Führung Preussens strategische Gesichtspunke in der Verkehrspolitik Deutschlands ausschlaggebend. Dabei wurde auch der Versuch unternommen, die Ländereisenbahnen zu vereinigen, um den "militärischen Bedürfnissen" besser Rechnung tragen zu können. Der Versuch scheiterte, weil die Beteiligten die Ueberschüsse aus dem Betrieb ihrer Bahnen nicht mehr missen wollten. Der Hauptteil dieser Betriebsüberschüsse floss in den Heeresetat. Im Jahre 1913 führte die Verwaltung der preussisch-hessischen Staatsbahn mehr als 900 Millionen Mark an den Heeresetat ab.

Erst 1924 entstand unter dem Druck der Verhältnisse die "Deutsche Reichsbahn"[58] Alle Ländereisenbahnen wurden zu einem Sondervermögen des Reiches zusammengeschlossen und nach einheitlichen Richtlinien verwaltet und betrieben. Militärische Bedürfnisse schieden hierbei völlig aus: um so stärker traten privatwirtschaftliche Anforderungen hervor. Die Reichsbahn gliederte sich in Dienststellen - Amtsbezirke - Direktionsbezirke und die Hauptverwaltung mit dem Generaldirektor an der Spitze. Die Reichsbahn war ein selbständiges Unternehmen, und das Reich hatte nur geringes Einspruchsrecht in bestimmt umgrenzten Fragen. Jetzt ist die Reichsbahn, unter Beibehaltung des Sondervermögens, wieder zu einer unmittelbaren Reichsbehörde geworden. Generaldirektor ist der Reichsverkehrsminister.

Dem Reichsverkehrsministerium (RVM) ist eine Wasserstrassenabteilung angegliedert. Diese ist für den Bau und die Unterhaltung der Binnenwasserstrassen zuständig. Der Verkehr auf den Wasserstrassen wird von Privatgesellschaften betrieben und unterliegt nicht der Beförderungspflicht.

Ueber die Kontrolle der "Reichsautobahn-Gesellschaft"[59] durch das RVM ist eine weitgehende Koordinierung von Schienen-, Wasser- und Strassenverkehr erfolgt. Der "von Haus zu Hausverkehr" bevorzugt die Landstrasse, also das Auto.

Diese starke Zentralisierung gestattet eine straffe Lenkung des gesamten Verkehrsstromes. Um diesen möglichst flüssig zu halten, sind jeweils mehrere aneinander grenzende Direktionsbezirke einer Oberzugleitung unterstellt. Diese sind dem RVM gegenüber verantwortlich. Im Kriege sind bei den Direktionen und Oberzugleitungen Linienkommandanturen eingerichtet, die der Obersten Heeresleitung gegenüber verantwortlich sind. Die Anweisungen der Linienkommandanturen gehen jedem anderen Verkehrsbedürfnis vor. Die Fahrplandurchführung wird daher in solchen Fällen labil. Aus dem "planmässigen" Betrieb wird der "ausserplanmässige," ein Notbetrieb. Es werden Anschlusszeiten an den Strassenverkehr und Umschlagzeiten für den Wasserverkehr verschoben und damit nicht mehr berechenbar. Mit steigender Unmöglichkeit, Güter und Personen pünktlich zu befördern, wächst die Unsicherheit in Wirtschaft und Gesellschaft. Nur stärkste Inanspruchnahme von Mensch und Material kann die schlimmsten Folgen dieses Ausnahmezustandes mildern, nicht aber beseitigen. Der ständig steigende Abnutzungsprozess in den Verkehrsbetrieben wirft schwere Probleme für die Nachkriegszeit auf.

Die Reichsbahn bewältigt etwa 60 bis 70 % aller anfallenden Transporte. Sie unterliegt als grösster Verkehrsträger allein der Beförderungspflicht. Anlage, Betriebsmittelpark und Personalkörper müssen auf jede mögliche Verkehrsspitze eingerichtet sein. Solche entstehen nicht nur im Wirtschafts- und Gesellschaftssektor, sondern auch durch Witterungseinflüsse: Vereisung oder Wassermangel bei den Binnenwasserstrassen; Schneeverwehungen oder Ueberschwemmungen auf der Landstrasse; oder politische Massnahmen; Benzinmangel; Aufmärsche; Umsiedlungen; Standortsverlagerungen; Evakuierungen und Krieg. Dem betriebssicheren Zustand der Reichsbahn kommt daher besondere Bedeutung zu. Der Begriff "Betriebssicherheit" umfasst sowohl den technisch einwandfreien Zustand der Bahnanlagen und Betriebsmittel, als auch den Ausbildungsstand und die soziale Lage des Personals.

Ohne Zweifel stand Deutschland auf dem Gebiet der Betriebssicherheit seines Verkehrswesens mit an der Spitze aller Staaten mit gleicher Verkehrsdichte. Dieser Zustand dürfte sich geändert haben. Die Rüstungswirtschaft und die Kriegsanforderungen haben starke Verkehrsverlagerungen und erhöhte Verkehrsanforderungen mit sich gebracht. Der vorhandene betriebsfähige Betriebsmittelpark beläuft sich in Grossdeutschland, abzüglich des Reparaturstandes, auf etwa 20.500 Lokomotiven aller Gattungen, 50.000 Personenwagen, 17.000 Gepäckwagen und 450.000 Güterwagen aller Art. Dieser Betriebsmittelpark ist sowohl zahlenmässig als auch technisch den Anforderungen der durch den Krieg bedingten Verkehrsspitze auf die Dauer nicht gewachsen. Es herrscht starker Laderaummangel. Er soll durch "Leihen" von belgischen und französischen Waggons sowie Heraufsetzen des Ladegewichts bei gedeckten Güterwagen von 7,2 t auf 8,2 t und bei offenen von 10[-]15 t auf 20 t behoben werden.

Noch ungünstiger dürfte der Zustand der Zugförderungsmittel sein. Von der Leistungsfähigkeit des Lokomotivparkes ist der gesamte Zugbetrieb in hohem Masse abhängig. Hier aber macht sich die Verwendung von Ersatzmetallen, fettarmem Oel und minderwertigem Brennstoff am fühlbarsten bemerkbar. Nach allgemeiner Schätzung bedarf die Reichsbahn zur Bewältigung der heute an sie gestellten Anforderungen einer Steigerung der Zugkraft um etwa 50%. Dies wäre durch eine Erweiterung des Lokomotivparkes oder Verstärkung der Lokomotivtypen zu erreichen. Beides ist zur Zeit aber nur in sehr beschränktem Ausmass möglich.

Dem gleichen Abnutzungsprozess unterliegt der Oberbau, also die Schienen- und Weichenanlage. Unter normalen Verhältnissen müssen pro Jahr mindestens

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6 % der Gleis- und Weichenanlagen ausgewechselt werden. In den letzten acht Jahren ist aber das Oberbauprogramm nie ganz erfüllt, sondern der Erneuerungssatz bis auf drei Prozent herabgedrückt worden. Obwohl der Oberbau der deutschen Reichsbahn zu den stärksten Europas zählt, bleibt eine so starke Herabsetzung der Erneuerungs- und Auswechselungsquote bei ständig steigender Abnützung nicht ohne nachteilige Folgen auf die Betriebssicherheit und Verkehrsschnelligkeit.

Ausserordentlicher Abnutzung unterliegt der rund 900.000 Köpfe zählende Personalkörper der deutschen Reichsbahn. Der ausserplanmässige Betrieb bedingt Verschiebung und Verlängerung der Dienstschichten und damit Verknappung und Unregelmässigkeit der Ruhezeiten. Das Einziehen technisch vorgebildeten Personals in den Militärdienst und die Abkommandierung eingespielten Personals in die besetzten Gebiete trägt nicht zur Erhöhung des Leistungsstandes des Personalkörpers bei. Der Krankenstand steigt trotz Erschwerung der Krankmeldung. Die Anforderungen zur Erlangung einer Beamtenstelle mussten stark herabgesetzt werden, um dem Personalmangel zu begegnen.

Die kriegsbedingten Anforderungen an die Reichsbahn führten zu schärfster Drosselung des privaten Güter- und Personenverkehrs. Eine Ablenkung auf die Wasser- oder Landstrasse ist wegen Rohstoff- und Treibstoffmangel nicht möglich. Aber neben den rein militärischen Transporten ist die Aufrechterhaltung eines bestimmten Verkehrsvolumens unerlässlich, soll nicht ein Verkehrschaos zu militärischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruchserscheinungen führen. Mit allen Mitteln müssen daher Bahnhofsüberfüllungen, Rückstauungen der Züge auf der Strecke, Zugverspätungen, Störung des Lokomotivumlaufes und dadurch verursachte erhöhte Verknappung von Zugkraft vermieden werden. Und so muss unter Missachtung von Mensch und Material eine weitere verschärfte Durchorganisierung des gesamten Betriebsablaufes erfolgen. Diese erstreckt sich im wesentlichen auf

1. Schnellste Ueberführung schadhafter Lokomotiven in das Ausbesserungswerk. 2. Peinlichste Untersuchung des Zustandes des Wagenparkes, der Bremseinrichtungen und Achslager. 3. Schärfste Wagenkontrolle. 4. Volle Auslastung des Wagenparkes. 5. Bereitstellung ausreichender Lade- und Entladekräfte. 6. Dauernde Beaufsichtigung der Zugabfertigung auf den Bahnhöfen. 7. Ständige Ueberwachung der Zugbildung. 8. Restlose Ausnützung aller Lücken im Fahrplan, um möglichst viel Züge auf der Strecke durchzubringen. 9. Rechtzeitige Vormeldung von Verspätungen. 10. Beseitigung der Nacht- und Sonntagruhe. 11. Beseitigung von Betriebspausen auf den Zugbildungsbahnhöfen. 12. Ansiedlung des Personals in unmittelbarer Nähe der Bahnanlagen, um jederzeit auf dienstfreie Bedienstete zurückgreifen zu können. Diesen Spannungszustand an der Zerreissgrenze entlang elastisch zu erhalten, ist eine Frage von Leben und Tod für das Dritte Reich.

Das Verkehrswesen im Dritten Reich ist mehr denn je zum Versorgungsapparat für Heer und Volk geworden. Es ist, wie gesagt, bis zum Reissen angespannt. Mit diesem so empfindsam gewordenen Zubringe- und Verteilungsmittel im Rücken, lässt Hitler seine Armeen in die Weiten und Tiefen Russlands einmarschieren. Je tiefer der Einmarsch erfolgt, umso empfindlicher wird die Nabelschnur Transport, die Armeen und Versorgungsbasis miteinander verbindet. Die Verkehrs- und Transportmöglichkeiten sind für ihn in Russland noch begrenzter als im Reich. Nicht nur ist das Verkehrsnetz viel weitmaschiger, auch die technischen Vorrichtungen sind anders als dort. Der russische Oberbau hat grössere Spurweite als der deutsche. Wohl sind an einigen Grenzbahnhöfen Senkdrehscheiben erstellt, um Achsen für Güter- und Personenwagen auswechseln zu können. Aber deutsche Lokomotiven können auf russischem Gebiet nur Verwendung finden, wenn der Oberbau auf die entsprechende Spurweite umgelegt wird. Gleichzeitig müsste dieser wesentlich verstärkt werden, um das Befahren mit schweren Maschinen in einer bestimmten Grundgeschwindigkeit zu gestatten.

Da auch die Strassenverhältnisse in Russland andere sind als im Reich, dürften die Schwierigkeiten für die östliche Kriegführung auf diesem Gebiet keine kleinen sein. Ob Versorgungsschwierigkeiten durch Lufttransporte behoben oder gemildert werden können, bedarf einer besonderen Untersuchung.

In Russland sind grosse Anstrengungen gemacht worden, das Eisenbahnnetz auszubauen und den Betriebsmittelpark zu vervollkommnen. So wurden seit 1939 allein 3.000 km neue Bahnstrecken, und zwar doppelgleisig, gebaut. Zur gleichen Zeit wurden 8.000 neue und moderne Lokomotiven, 15.000 neue Personenwagen und nicht weniger als 225.000 Güterwagen in Bau gegeben. Die Tragfähigkeit der neuen Waggons ist erhöht worden, um sowohl dem Laderaummangel abzuhelfen, als auch die Nettolast der Züge zu erhöhen zwecks voller Ausnutzung der neuen Lokomotivtypen. Der Verkehr ist sehr stark, da so gut wie kein Leerlauf des Wagenparkes zu verzeichnen ist. Die Ausnutzung des Personals ist nicht so stark wie im Reich, da in Russland auf einen Betriebskilometer 16,3 Köpfe entfallen, während im Reich nur 13,2, also 19 % weniger, zur Unterhaltung, Verwaltung und Inbetriebhaltung eines Betriebskilometers gebraucht werden.

Der Personalkörper beläuft sich in der USSR bei der Eisenbahnverwaltung auf 1.510.000 Köpfe. Es herrscht Mangel an gut ausgebildetem Personal. Die Nachfrage nach gelernten Arbeitern ist sehr stark. In Universitäten, Colleges und Freizeitkursen werden Tausende von Eisenbahnern ausgebildet und geschult, sodass mit einer ständigen Steigerung des Leistungsstandes des Personalkörpers gerechnet werden kann.

Der Ueberfall Hitlers auf Russland stellt grosse Anforderungen an das gesamte Verkehrssystem auch in diesem Riesenreich. Es sind dieselben Probleme zu lösen, wobei zu beachten ist, dass im Dritten Reich infolge Vorkriegs- und Kriegswirtschaft Raubbau am Verkehrsapparat stattfand, während in Russland in derselben Zeit noch Aufbau des Verkehrsapparates möglich war. Und dann wird sich erweisen müssen, was geeigneter ist die ungeheuren Anforderungen, die der moderne Krieg an das gesamte Verkehrssystem stellt, zu meistern: Terror und Organisation oder: Begeisterung und Improvisation.

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Willi Eichler:

Russland im Krieg

Die russische Oktober-Revolution hatte den berechtigten Wunsch eines grossen tyrannisierten Volkes: frei und gerecht leben zu dürfen, nur scheinbar erfüllt, wie wir seit langem wissen. Der ehemalige Sowjet-Staat, gedacht als ein Staat, der unter tätiger Mithilfe aller Staatsbürger regiert werden sollte, und in dem es dank der Beseitigung des blossen Profitstrebens keine wirtschaftliche Ausbeutung mehr geben sollte, war ein Staat geworden, wie andere heute existierende Staaten auch. Ja man kann sogar sagen, ohne ihm zu nahe zu treten, dass es manche Staaten gab, die besser waren als er, obwohl das kapitalistische Prinzip in ihnen keineswegs beseitigt worden war.

Die Gründe für das Absacken eines gross angelegten und kühn begonnenen Unternehmens solcher Art in eine routinierte "Liquidation" jeder fortschrittlichen Initiative sind mannigfaltig und können auf keinen Fall in einigen kurzen Sätzen dargestellt werden. Wir wollen als blosse These, deren Begründung wir uns für später aufheben müssen, hinstellen, dass einer der Hauptgründe darin liegt, dass man die Bedeutung des Menschen für den Fortschritt allgemein unterschätzte. Der Mensch war immer, und ist vor allem: "mehr, als man von ihm gehalten". Es ist nicht genug, zuzugeben: "die Menschen machen ihre Geschichte selber", wenn man sogleich hinzufügt, sie machten sie "aber nicht aus freien Stücken". Sie sind gewiss von Umständen abhängig - welche nichtssagende Plattheit -, aber die Gestaltung dieser Umstände ist gewiss eine Aktion, an der sie zum grossen Teil "aus freien Stücken" teilnehmen können.

Politikern mit einer Ueberzeugung, die den Menschen als blosses Werkzeug seiner Umwelt betrachtet, musste die Gestaltung eines gerechten Gemeinwesens als blosses Organisationsproblem erscheinen. Aus einem Teil der Aufgabe, die Welt nach Ideen zu gestalten, einer Aufgabe, die den "Materialisten" Lenin[60] durchaus beherrschte und ohne deren gewaltigen Antrieb die grosse Oktober-Revolution nicht möglich gewesen wäre, wurde das Zentralproblem gemacht: Die zweitrangige Aufgabe, das Leben auch zu organisieren, beherrschte alles; Elektrifizierung wurde geradezu als Symbol der Freiheit empfunden und offen proklamiert. So versank die schöpferische Aktivität der ersten Jahre, der "grossen Initiative," in der organisierten Geschäftigkeit der letzten, des Kleinen Konformismus.

Gerechterweise soll man hinzufügen, dass es der neue Staat nicht leicht hatte. Er hatte nicht nur die Gegner zu Hause vor sich, sondern auch viele, und mächtigere, woanders. Aber wir wollen ja auch heute nicht erörtern, wer Schuld an der Entwicklung hatte, und welcher Teil dieser Schuld auf die einzelnen Schuldigen zu verteilen ist - es soll hier nur gesagt werden, was man an Tatsachen sehen konnte.

Was die Erstarrung der glühenden Lava des Durstes nach Gerechtigkeit in den toten Basalt der bürokratischen Geschäftigkeit innenpolitisch bedeutete, wollen wir ausser Acht lassen - Höhepunkt jener Entwicklung war die "Liquidation" der alten Kampfgenossen der neuen Führung.

Aussenpolitisch war zunächst der Eindruck geblieben, dass Russland den Kurs des Fortschritts steuerte. Es sah offenbar, dass das Aufkommen Hitlers Krieg bedeutete (obwohl es selber nichts gegen dieses Aufkommen getan, ja durch die Politik seiner Kominternparteien Hitler begünstigt hatte), und war damals der Anführer im Kampf für die kollektive Sicherheit, für den unteilbaren Frieden. Es trat sogar dem vorher geschmähten Völkerbund bei. Aber es hatte schon so wenig Kredit bei den Massen, deren Anwalt es im übrigen hätte werden können, dass es mehr mit den "Palästen" als mit den "Hütten" gehen musste. Statt im Kampf gegen den Faschismus die Massen hinter eine eindeutige Parole zu sammeln, war die russische Aussenpolitik schliesslich ganz ins Fahrwasser der traditionellen Diplomatie geraten. Litwinoff[61] begrüsste öffentlich die Rückkehr des Saargebiets in das hitlerische Deutschland, und Russland nahm schliesslich das verschlagene "Prinzip" der Aussenpolitik an, den Krieg dadurch zu vermeiden, dass man das eigene Land raushält und dafür die "Andern" in Kriege verwickelt. Da die meisten Menschen, die heute lesen können, auch schon 1939 im August lesen konnten, können wir uns hier damit begnügen, auf den Text des deutsch-russischen Paktes hinzuweisen, der in jenen Tagen abgeschlossen wurde. Es war nicht etwa ein blosser, üblicher Nichtangriffspakt, was uns damals die Freunde der Sowjet-Union erzählen wollten. Die "Frankfurter Zeitung" plauderte damals in der Hitze der überwältigenden Freude über den gelungenen Streich des "Führers" aus, was sie vielleicht bei ruhigerer Ueberlegung gern im Busen bewahrt hätte. Sie schrieb damals in einem Kommentar zu dem gerade abgeschlossenen Pakt, sie freue sich, dass der "Begriff des Angreifers" (wie er sonst in Nichtangriffspakten verwandt worden war) ersetzt wurde durch den des "Gegenstand kriegerischer Handlungen seitens einer dritten Macht werden". Und um jeden Zweifel zu zerstreuen, warum der Pakt abgeschlossen worden war, schrieb, der Korrespondent der Zeitung damals:

"Die politische Bedeutung dieser Formulierung und ihre Anwendung auf die konkreten Möglichkeiten der gegenwärtigen Situation springt in die Augen."

Die "gegenwärtige" Situation war damals: die polnisch-deutsche Spannung wegen Danzigs, und die "konkreten Möglichkeiten" waren ein Krieg, bei dem Deutschland durch jenen Pakt die Sorge abgenommen worden war, es müsste unter Umständen nach zwei Seiten kämpfen. - Ohne jenen Pakt wäre der Krieg damals wahrscheinlich nicht ausgebrochen, und vielleicht wäre Nazideutschland zusammengebrochen, ohne die Welt in diesen neuen Krieg verwickeln zu können.

Der Krieg verlief anders, als die meisten, wahrscheinlich anders, als alle dachten. Es war keinem die Möglichkeit geblieben, blosser Zuschauer zu bleiben. Es war aus mit dem neutralen Geschäft - Dummheit und Feigheit wurden durch den Gang der Ereignisse schwer bestraft.

Die Erinnerung an die Fehler und Schwächen des Sowjet-Staates, die uns natürlich sehr nahe gingen, weil wir am Kampf um die Freiheit selber beteiligt

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und also interessiert sind, kann selbstverständlich in keiner Hinsicht dazu verführen, heute etwa in den Schlachtruf einzufallen: Die Russen bekommen heute nur die Quittung für ihr damaliges Verhalten. Sie bekommen von Hitler, was zu erwarten war - lassen wir sie also sitzen. Das wäre nicht nur menschlich falsch, denn die russischen Arbeiter und Bauern sind zum Teil nicht für die Sünden ihrer Regierungen verantwortlich. Aber es wäre vor allem auch eine politische Torheit grössten Stils, wie es durch Churchill und Eden in ihren Reden genügend klargestellt worden ist. Hitler ist so wenig Antibolschewist wie er antibritisch ist. Er benutzt solche ismen als Propagandawalze für die, die es gern hören wollen. Er ist auf Macht aus, und wenn es für diesen Zweck gut ist, sich als Antibolschewist aufzuspielen, dann tut er das. Und wenn es sich in seinen Augen lohnt, das britische Empire zum Weltfeind Nummer Eins zu stempeln, dann ist er auch dazu bereit.

Keine Hitlerrede kann vertuschen, dass die Interessen Englands und Russlands in dieser Sache die gleichen sind: Hitler-Deutschland muss vernichtet werden. Es ist das Interesse aller anständigen Leute überall, auch derer in Deutschland selber.

Es ist selbstverständlich dass jeder mit Genugtuung den Abschluss des Paktes zwischen der britischen und der russischen Regierung (vom 12. Juli 1941) zur Kenntnis genommen hat. Er zeigt, dass der Gegner wirklich als der Hauptfeind behandelt werden soll.

Wenn darüber Einigkeit herrschen sollte und wenn also niemand etwas gegen eine tatkräftige Unterstützung der Russen durch alle Freunde der Freiheit einwenden sollte, so ist heute leider um so weniger klar, dass damit nicht bewiesen ist, dass Russland ein sozialistischer Staat oder auch nur in dem besonderen Sinn des Wortes ein Arbeiterstaat sei. Es verteidigt seine Grenzen, wie das vorher viele andere Staaten taten, die auch keine Arbeiterstaaten waren, und die das auch gar nicht sagten.

Diese Feststellung soll in keiner Weise die Bereitschaft madig machen, den Russen zu helfen. Wir stimmen gern in den Ruf ein: Alle Hilfe für Russland! Aber wir wollen nicht die Propaganda für die kommunistischen Parteien mitmachen, die heute gern sagen möchten, dass also Stalin nun doch auf die Seite der Antihitlerkämpfer getreten sei und dass also nun gezeigt worden sei, wie richtig er operiert habe. Im Gegenteil, und auch Stalins eigene Argumentation in einer grossen Rede kürzlich zu Gunsten seines Paktes mit Hitler war sehr ärmlich: Wir müssen darauf bestehen, dass Stalins Politik Hitler gegenüber in jeder Richtung falsch war. Wir müssen darauf bestehen, weil wir nicht möchten, dass er uns in irgend einer Hinsicht irgend wann einmal als Ratgeber in politischen Dingen vorgesetzt werde.

Man ist darauf aus, Russland als einen besonderen Staat hinzustellen, "weil man vielleicht meint, die antikriegerische Haltung der Arbeiter in den von Hitler unterdrückten Ländern werde besonders heftig reagieren, wenn der Arbeiterstaat angegriffen sei. Für die Anhänger der kommunistischen Parteien mag das zutreffen, obwohl es nicht einmal dafür völlig sicher ist. Aber die meisten andern Arbeiter waren schockiert, als sie hörten, dass Stalin dem Hitler zu

( Fortsetzung auf Seite 24)

G. F. Green[62]:

The Bureaucrats of Britain

When the British Civil Service is the subject of newspaper comment, it is rarely represented in a good light. Since the beginning of the war it has had to carry its share of the additional strain which has been placed on all sections of the community to make good the follies and neglect of past administrations and to put the country in a good state of defence against Hitler.

But the contribution made by the Civil Service tends to be lost sight of under a barrage of hostile criticism by ill-informed and often interested persons who have an axe of their own to grind. Civil Servants, it is complained, are too numerous and too inelastic, having a tendency to run to paper and to avoid making responsible decisions.

The peace-time strength of the Civil Service was 400,000, and since the war began it has increased to at least 500,000. Unquestionably, this is a large number, but Civil Servants have no greater responsibility than other sections of the community for the creation of this vast administrative machine. Indeed, there are far too many institutions in being which keep a critical eye on the spending of public money to encourage Civil Servants to attempt any unjustifiable increase in their own numbers. Therefore, to challenge the size of the bureaucracy to-day is to attack not so much the Civil Service as the whole social system which it serves.

A mere recital of the various Government Departments in which Civil Servants are employed shows the extent to which the State has to coerce its citizens in peace time to observe some semblance of equity between themselves. The Ministries of Health, Labour and Mines, the Home Office (which administers the Factory Acts) and the Assistance Board employ between them many thousands of Civil Servants whose whole function it is to offset the iniquities of the economic system which cannot of itself assure a reasonable living for everybody.

The Defence Ministries employ some tens of thousands more to provide coercive forces for the settlement of actual and potential disputes between nations which could be more cheaply dealt with if the will to reason and arbitrate was made a more potent force in world affairs.

Under war conditions when the State is necessarily controlling the supply and distribution of labour, goods and services, and organising the war machine, there are reasonable grounds in any case for increasing the size of the bureaucracy. But even then, it could be made smaller than it is if it were not necessary to employ special branches of the Civil Service to detect, prosecute and otherwise disarm the pirates and buccaneers who are conspiring to evade the finance and rationing regulations, and to make the war more costly for the nation as a whole. At all times, the higher the standard of public morality, the fewer are the occasions when the State must intervene to create a bureaucratic apparatus in the interests of justice to protect the weaker members from the predatory aggressiveness of the strong.

As conditions are to-day, there is something in the

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charges of inelasticity which are levelled at the Civil Service. Traditional usage and reliance on precedents as a guide to action undoubtedly tend to develop a lack of initiative. Responsible Civil Servants would be the first to admit that practices which in peace time the Civil Service is obliged to follow, and which can reasonably be upheld as being in the public interest do tend to make it unadaptable when thrown into the hurly burly of war-time administration and improvisation. The Civil Service, however, has had the good sense to go a very long way to meet this justified criticism, and many peace-time functions and operations are being quietly sidestepped.

Broadly speaking, the structure of the Civil Service comprises a bottom tier made up of the clerical and allied classes and minor technicians, then an executive class with rather higher functions superimposed thereupon with a proportionately smaller administrative and professional class at the top of the pyramid. It is only a matter of 40 to 50 years since appointments to the Civil Service were still largely a matter of patronage unrelated to capacities or merit. It was a great advance when entry to the Civil Service was made conditional upon the passing of open competitive examinations.

Theoretically, it is possible - and cases do occur - for Civil Servants who began their career in the bottom tier to climb to the highest administrative posts. In practice, the avenue of promotion from all classes to those above could be appreciably wider. As conditions are today the secondary schools and elementary schools provide the material for the bottom tier whilst the executive and administrative classes, where not recruited from the ranks below, are staffed by direct entrants from the Public Schools and Universities.

It is often complained, and rightly so, that the higher branches of the Civil Service are filled by the relatives of the most powerful elements in British society. The Diplomatic Corps and Consular Service, for example, have never been open to entrants from public competitive examinations. Indeed no one could be appointed to the Diplomatic Corps who did not have an independent income. It is a widely held view in the Civil Service that this state of affairs has been harmful to the national interests, and the recent announcement of the Foreign Secretary that the entrants to this Service will, in future, be recruited by competitive examinations can only be welcomed as an overdue but healthy innovation.

In spite of this "caste" system, however, it may be said with some justification, that Britain's wealth and long experience of a stable form of democratic government has enabled her to afford and develop a bureaucratic administration with unique characteristics. Its strength rather than its weakness needs emphasising, for it could, with advantage, be taken as a model by those countries which have still before them the task of building up a civil administration which is as far as possible efficient and free from corruption. One of the most remarkable features of the British Civil Service is the tradition of personal probity which permeates its ranks.

The definition by Mr. Gladstone[63] that the function of a Civil Servant is to be "the servant of the public" has been so woven into the traditions of the Civil Service that one may speak of it as having become a creed. When we recall that the maximum annual salary of the first Civil Servant in the country, namely, the Permanent Secretary to the Lords Commissioners of the Treasury, who is accountable for the control of this vast bureaucracy of 500,000, is £ 3,500, it must be conceded that honour and the desire for service are not an unimportant concern of its personnel. It is interesting to read an extract from a memorandum prepared some years ago defining in what way the Civil Servant is expected to conduct himself:

"The first duty of a Civil Servant is to give his undivided allegiance to the State at all times and on all occasions when the State has a claim on his services. With his private activities the State is in general not concerned, so long as his conduct therein is not such as to bring discredit upon the Service of which he is a member. But to say that he is not to subordinate his duty to his private interests, nor to make use of his official position to further those interests, is to say no more than that he must behave with common honesty. The Service exacts from itself a higher standard, because it recognises that the State is entitled to demand that its servants shall not only be honest in fact, but beyond the reach of suspicion of dishonesty. It was laid down by one of His Majesty's Judges in a case a few years ago that it was not merely of some importance but of fundamental importance that in a Court of Law justice should not only be done, but should manifestly and undoubtedly be seen to be done; which we take to mean that public confidence in the administration of justice would be shaken if the least suspicion, however ill-founded, were allowed to arise that the course of legal proceedings could in any way be influenced by improper motives. We apply without hesitation an analogous rule, to other branches of the public service. A Civil Servant is not to subordinate his duty to his private interests; but neither is he to put himself in a position where his duty and his interests conflict. He is not to make use of his official position to further those interests; but neither is he so to order his private affairs as to allow the suspicion to arise that a trust has been abused or a confidence betrayed. These obligations are, we do not doubt, universally recognised throughout the whole of the Service; if it were otherwise, its public credit would be diminished and its usefulness to the State impaired."

It is a good thing, when considering the evolution of the British Civil Service, to remember that it is made up of individuals with hopes, ambitions and convictions concerning their role in the community which are not very dissimilar from those of other sections of the people. The popular but erroneous idea that Civil Servants are highly paid owes its origin to the inventive ingenuity of publicists who regard it as their duty to the taxpayers in times of economic crisis to advocate that their employees should suffer wage cuts. The facts are that just before the outbreak of war

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half the Civil Servants were being paid less than £ 3 a week, seventy per cent. were receiving less than £ 4 and only one in five was receiving more than £ 5 a week. If it were not for the patient and untiring work of the Civil Service trade unions the standards of remuneration would be substantially lower.

Quite often Civil Servants are put in the position of having to operate legislation passed by Parliament which appears to them to be harsh and unconscionable. A typical case was the Means Test, a prying and inquisitorial test applied to the unemployed who had exhausted their statutory entitlement to unemployment benefit. It was the unpleasant duty of the Civil Servants employed by the Assistance Board to act as the buffer between the unfortunate sections of the public who experienced the rigours of this unemployment legislation and the Government of the day responsible for it.

It is paradoxical to insist on the one hand that Civil Servants should observe a high standard of personal integrity and objectivity and, on the other to place them in such a position of administering as a duty legislation which affronts both these virtues in them. Too many compromises of this nature cannot fail to produce cynicism, and may even lead to a form of corruption more insidious and destructive of public good than the worst Tammany Hall[64] administration.

To take an analogy from military circles, we find the French Commanders in Syria defending that country against the British Forces out of loyalty to the Vichy Government, because it happens to be the Government of the nation to which they have formally pledged their services. In so conforming, they are betraying justice and abetting injustice. The British Civil Servant is, of course, not bound to continue in the service of the State when Governments act in a way which he considers to be unjust or contrary to his convictions, but considerations of expediency more often than not compel him to compromise with his conscience. Actually, any guarantee that a bureaucracy will act morally and objectively in spheres of administration is only possible when the Government is itself disposed to act justly and to see that justice is done in all spheres. In those circumstances Civil Servants would not only be encouraged to be honest in the administration of public affairs, but could be legitimately expected to conform as a condition of their employment.

Nevertheless, in spite of the undermining dangers to which reference has been made, it may be said with justification that the present personnel of the British Civil Service is concerned to discharge its duties in a fair-minded and honest manner, and is remarkably free from the elements of corruption.

Viewed as a whole, the Civil Service is a representative cross-section of society, and the contributions of its personnel to the cultural, social and political activities of the community are quite as creditable. It can be said without equivocation that the bulk of Civil Servants are not only willing, but are anxious to serve a Government and people who are prepared to establish and maintain a social system based essentially on justice in every sphere, and many are themselves labouring in their private capacity to that end.

The charges that Civil Servants tend to run to paper and take a long time in making decisions are also true. But, here again, the causes largely lie outside themselves. Any Minister responsible for a Government Department is liable at any time to be directly questioned by any voter through the mouth of his Member of Parliament. Reference to Hansard[65] will bear witness to the amount of Parliamentary time which is consumed, even in the midst of a life and death struggle against Hitler, by the people's exercise of this right. But the practical effect of this liability is that Departments must be organised to record and keep the necessary data to make it possible for facts to be certified and an answer furnished to the questioner.

Similarly, on the accounting side any spending Department is liable to have its judgment questioned in respect of the disbursement of public moneys from four different quarters. There is, first of all, the accounting section of the Department itself. Then there is the Exchequer and Audit Department which audits the accounts of all Government Departments. Finally, there are the Public Accounts Committee and Parliament to be satisfied. The Public Accounts Committee is a House of Commons Committee with powers so wide that it can demand the production of any relevant document and the personal attendance of the Minister without his permanent officials to explain and justify any item of public expenditure. These functions of the Public Accounts Committee are thoroughly exercised as any Departmental chief who has gone through the experience will testify.

The care and consideration which is given to cases before Departmental rulings or decisions are given is not so much due to the constitutional inability of Civil Servants to make up their minds. It arises from the fact that once Parliament has passed legislation the responsibility for its administration rests with Civil Servants who are fully aware that, once the decision has been given, it constitutes a precedent for the determination of similar cases in the future. Thus, Civil Servants are frequently required to act as jurists, interpreting certain aspects of the law of the land and against whose decisions there is no appeal in the ordinary Courts because, under the Constitution, no would-be litigant can sue the Crown and Government Departments are deemed to have acted for the Crown. Where public money is involved, which is usually the case, this responsibility ought not to be and is not treated lightly.

But, if it is a good thing in peace time to preserve these relations between Public, Parliament and the Civil Service, there is a case for a less meticulous handling of public business in a time of war. Many Civil Servants are aware of this, and their trade unions have played a conspicuous part in supporting the public demand where it is legitimate for less red tape and a wider distribution of responsibilities and powers of decision. The conceding of such a demand, however, would deeply disturb the existing structure of the bureaucracy.

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Books

Is Germany a Hopeless Case? [(W.B.[66 ])]

When war broke out Mr. Chamberlain[67] declared that we were fighting the evil of Hitlerism, not the German people. Since then this attitude has largely disappeared from official circles. The Hun has replaced the Nazi in ministers' speeches and Sir Robert Vansittart[68] has told us that we must always think of the Germans in the plural, that we must think of them as butcher birds.

But prolonged mental and material privations will make it increasingly difficult to discriminate between inveterate enemies and potential allies among the Germans. "There is danger", says Dr. Gilbert Murray[69] in his introduction to Rudolf Olden's[70] little volume[71] "as war continues and causes of embitterment multiply, that our just hatred of the traditional Prussian militarism, and still more of its perversion in Nazi methods, may be indiscriminately extended to all those seventy million Germans with whom our children will have to live on peaceful terms".

Dr. Olden tries to answer two questions: whether the Germans have in fact an untameable lust for conquest, and whether there is, behind the Germany that has launched this horrible succession of wars, another Germany capable and desirous of cultivating the arts of peace. They are, of course, old, old questions, and there were times when they were asked with almost equal anxiety about other countries and other peoples.

He traces the tortuous struggle for the unification of Germany since the Thirty Years War, through the wars of Frederick the Great[72], Napoleon and the Wars of Liberation. Frederick's legacy was the Prussian Army and a Prussia that was merely its headquarters, universally hated and feared amongst the Germans.

Patriotic enthusiasm for a free and united Germany, stirred by the French Revolution, was narrowed into nationalism by the defeat Prussia suffered in 1806. The literary-patriotic Germany combined with the Prussian Army against Napoleon. The great French despot was defeated, the smaller Prussian despotism remained, strong enough to crush the Revolution of 1848.

German liberalism sealed its fate when it allowed itself to be seduced by Bismarck[73], who by military victories created the Reich of which they had always been dreaming. Fascinated by the mighty spectacle that seemed to bring fulfilment of their hopes, they did not see that this was not the free German unity they had desired, but merely a Greater Prussia dominated by the Junkers, by the forces of militarism and nationalism to which a rapidly developing industry presently added a new and powerful urge for territorial expansion and new markets.

Those who tried to oppose this development, the progressive Liberals, the Catholic Centre Party, and above all the Social Democrats, were "enemies of the State" then as they are now. It mattered little that the Social Democratic Party grew steadily until it became the strongest group in the Reichstag; for the government was dependent on the Kaiser and the Army, not on that powerless imitation of a parliament.

There was a dependable method of dealing with the Opposition and with the critical attitude of the educated public towards the noisy arrogance of the ruling caste - to spread the myth of encirclement by envious nations, to provoke international friction, and finally, by an appeal to patriotism, to drown all voices of dissent in the name of national unity so vital in the supreme emergency: war.

The German political system, rigidly precluding any real self-government, never enabled men to develop that spirit of independence and civic courage which is such an outstanding characteristic of English political life. During the South African War, Englishmen opposed to it were called "pro-Boers " and bore the reproach. But who wanted to be denounced as "traitor to the Fatherland " in 1914?

In 1939 there was no longer a Reichstag that took votes, only a Nazi zoo. All organised opposition had long been liquidated. They who had been the State under the Weimar Republic (without ever being conscious of it) were now, in the Third Reich, once again its hunted enemies, more powerless than ever before. They had allowed the citadels of political, economic, and military power to remain in the hands of the sworn foes of democracy. The republican façade merely hid the "military-financial-industrial groups" which, as Ambassador Dodd[74] has rightly pointed out, drove Germany into war in 1914.

The attempt was made to establish the Republic on a firmer basis by finding a place for it in the European order, but it received very little aid or encouragement abroad. It was the enemies of German democracy who enjoyed the active sympathy of influential circles abroad. Olden rightly emphasises this point.

"Enquire all over Europe, among the peoples which after the Great War wanted to establish a democratic order, or have actually done so! You will get the same answer everywhere: the diplomats and generals sent to us always dine with our enemies, hunt with our enemies, get their information from our enemies, and believe what our enemies say. Because our enemies, even if they were often murderers, were 'gentlemen."'

After 1933 this attitude became even more obvious. Many a gentleman, returning from a pilgrimage to the Third Reich, assured us that Hitler was only restoring Germany's self-respect. The Anglo-German Naval Agreement, the march into the Rhineland, the occupation of Austria, the detailed preparation of the Czech crisis - all this happened with the toleration of the Western Powers.

"Peoples, like children, learn by the treatment they experience. What lessons have the Germans been taught? That power is everything, and that, however brutal, the will to power is still praiseworthy and admirable."

"Who was I", wrote Sir Nevile Henderson[75], "to condemn the Nazis off-hand or before they had finally proved themselves incurable?" But Sir Horace Rumbold[76], who departed from Berlin in 1933, had already realized quite clearly that the Hitler Government had only one programme, the revival of militarism, and that Hitler's protestations of peace merely meant that he needed time to prepare for an aggressive policy.

Sir Robert Vansittart thinks that Sir Nevile Henderson's remark is "characteristic of the attitude of

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scores of thousands of kindly souls who wanted to believe the best." It reminds one of Stresemann's[77] remark, quoted by Olden: "For the last ten years Europe has been suffering from gentlemen who mean well."

But, of course, it is not merely a question of kindness and charity. Speaking of the attitude of the Western Governments to developments in Central Europe, Olden says:

"It really almost looked as if the upper class on one side was anxiously concerned to restore the half-destroyed upper class on the other side - the class with which it had been wont for generations past to wage war, to conclude peace, and again wage war."

Have we not here perhaps an explanation of the inability or unwillingness to understand the nature of the German problem to-day? Clearly, once the German Army is defeated and the Nazi regime smashed, the solution is not indiscriminate repression of "the Germans", but the destruction of those social forces inside Germany, "the military-financial-industrial groups", whose domestic policy is repression and whose foreign policy is war.

Sir Robert[78] thinks that Germans will have to learn to pray anew, to ask pardon of mankind for the agonies they have inflicted on it. He mentions an old Russian saying that one only learns to pray from the heart on the sea in winter. If that is the proposed remedy it must be said that nations on the sea in winter have not usually confined themselves to prayer and accepted their predicament as a divinely ordained fate. Historical experience has shown them to be in the habit of rather more violent reactions.

In one of those rare moments when Sir Robert drops his robe as counsel for the prosecution, he says that if there is to be peace, the Germans who do not believe in the gospel of force and fraud will have to predominate over those who do. But if we want the decent Germans to prevail, if we want them to become a weapon against Hitler, we must show them that we believe in their existence. We must assure them of our readiness to help them in freeing themselves from those elements in Germany who have always used force and fraud quite as much against their own people as against other nations.

W. B.

Offensive against Germany [(N.L.)]

Sebastian Haffner[79], one of the editors of "Die Zeitung,"[80] has written a book which makes some proposals how to fight against Hitler more effectively (Secker & Warburg[81]; price 2s.). It is on the whole a good and interesting little book, and well worth reading.

He emphasizes the importance of the psychological factor in overcoming the Nazis, and points out that it is not enough to counteract defeatism by saying that "We are not interested in the possibilities of defeat; they do not exist"; we must also solve the problems of how to win the war.

This war, he says, cannot be won by military measures alone. It is essential also to break the will of resistance of the German people. Hitler himself has shown that he recognises the value of this weapon of moral and political warfare as he prepared the ground for all his military victories by weakening the morale and will of resistance of his victims beforehand.

To achieve this aim, Haffner makes some constructive proposals, such as distributing leaflets over Germany on a far larger scale than has been attempted hitherto, which should contain news from the outside world for which the German people are starving. If this were done at regular intervals, repeating the same slogans, they would be more likely to make an impression on the people. He suggests also that it would be extremely valuable to smuggle political books or even a well run anti-Hitler newspaper into Germany and there must, he says, be ways and means of doing so.

The value of radio propaganda, he thinks, is very great, and he regrets that the British Government does not take sufficient advantage of this weapon.

In formulating the contents of the propaganda sent to Germany one must, as Haffner rightly points out, take into account the national characteristics and temperament of the German people. They are highly imaginative and attracted by ideas. Hitler has given them something to stir their imagination in his victorious march through Europe. He has given them a new idea for which to fight in the form of his New Order in Europe. Britain however has a far easier task in this sphere if she would only take advantage of her opportunities. She could fire their imagination with the prospects of a free Germany, free not only from Hitler but also from those people who oppressed them before he came into power. She could present them with the fine idea of a new European order, based on peace, security and freedom for the whole of Europe, which would be realised if Britain won the war, in contrast to the organised slavery of a Europe based on the rule of the Gestapo.

It is no good, he says, promising the German people or the rest of the peoples of Europe for that matter, the restoration of the status quo before Hitler came on the scene. That has proved bankrupt over and over again. No one is ready to sacrifice their lives for such an aim. People would "rather bear the ills they have, than fly to others they know not of".

Haffner rightly feels very strongly about the treatment of the German political refugees in England, which is the worst form of propaganda we could make to the German people. Not only should these refugees never have been interned, but they should be put in the vanguard of the moral offensive against Germany.

The book finishes up with a description of Haffner's conception of the new European order which should be set up. This part is unfortunately not so well thought out as the rest of the book. He over-simplifies the task of creating a really united Europe. He says that Britain should command the European nations to unite and form a single European leadership. We can agree that it would be desirable to achieve a united Europe, but not by the means that Haffner suggests. The European nations are not yet united, and the fact that Britain commands them to unite does not solve the problem but would only mean that they were united under the domination of Great Britain. They must unite of their own accord and it is the task now of the British Government to make widespread propaganda for a federation of European states under the auspices of a Federal European Government.

N. L.[82]

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"European Revolution." How to win the Peace? [(W-er.)]

Es ist eine von den meisten politisch Gebildeten längst begriffene Wahrheit, dass der Krieg gegen Hitler entscheidend nur gewonnen werden kann durch eine europäische Revolution. Diese Revolution muss sowohl die sozialen Verhältnisse in jedem einzelnen Lande erheblich verändern als auch die Beziehungen zwischen den Staaten selber auf eine völlig neue Grundlage stellen. Den Frieden sichern kann nur, wer mindestens die hauptsächlichsten Mängel unserer heutigen Gesellschaft beseitigt, die immer wieder zum Kriege treiben. Dazu gehören: militaristischer Geist sowohl als eine auf Kriegsindustrie und Autarkie-Wahnsinn aufgebaute Nationalwirtschaft. Dazu gehören aber auch hart verwurzelte Vorurteile über die Rolle des Staates und über die Möglichkeiten eines wahren Völkerbundes.

In einer zusammengedrängten, aber klar übersichtlichen Darstellung behandelt Mary Saran[83] in ihrer soeben erschienenen Arbeit (International Publishing Company[84], London, W.1, 6d.) all diese Fragen und beantwortet sie überzeugend und zur Vergleichung mit entgegenstehenden Meinungen herausfordernd.

Ihr kleines Buch enthält eine Reihe sehr aktueller Hinweise auf die Notwendigkeit des Krieges an zwei Fronten, d.h. des Kampfes für die Freiheit nach allen Seiten, von denen aus sie in Gefahr steht, beseitigt zu werden. Das Buch ist weder utopisch noch fatalistisch, sondern enthält eine realistisch-sozialistische Lösung der dringendsten internationalen Probleme für unsere Zeit.

W-er.

"My dear Churchill" [(Hck.)]

Wir Sozialisten stehen heute in einem Kampf an zwei Fronten. An der ersten kämpfen wir gegen Hitler zusammen mit so mächtigen Bundesgenossen wie Churchill und Roosevelt.

Schwerer ist der Kampf an der anderen Front. Ein Kampf, der immer nur soweit vorgetrieben werden darf, dass er die Kampfkraft gegen den äusseren Feind nicht schwächt. Populus[85], der unter dem Titel: "My dear Churchill" (bei Gollancz[86], 2. 6 sh.) ein kleines Buch veröffentlicht, und der in seinem Urteil ungewöhnlich unabhängig ist von den geläufigen Parteilinien, zeigt Möglichkeiten für diesen Kampf an jener anderen Front. Die Uebersicht über eine Reihe von sozialen Vorrechten vermittelt einen Eindruck über die Grösse sozialistischer Ziele. Populus sieht eine Chance für ihre Verwirklichung darin, dass eine Reihe dieser Vorrechte zu Hemmungen einer wirklichen Kriegführung geworden sind. Er schreibt darüber:

"As long as the essential Instruments of production are left in profitseeking hands, it will remain impossible to apply them with full effectiveness. Each vested interest will continue to play its own game, with a view to consolidating its position for continued profitmaking after the war."

Der Druck des Krieges liefert also den Sozialisten ein starkes Argument für ihre Sache: Manche sozialistischen Massnahmen sind heute schon notwendig zur vollen Mobilisierung der Kampfkraft des englischen Volkes gegen die Nazis. Aber Populus sieht die Situation zu einfach, wenn er meint:

"Only socialism can withstand the Nazis, only socialism can make us strong enough to win the war."

Nicht nur, dass es durchaus möglich ist, auch durch eine nur teilweise Erfüllung sozialistischer Forderungen die Kampfkraft Englands erheblich zu steigern und dann Hitler zu besiegen, es kann auch leicht die trügerische Hoffnung erweckt werden, der Krieg und der Trieb zur nationalen Selbsterhaltung würden England schon zum Sozialismus treiben. Populus macht eine Reihe inner-politischer Vorschläge zur Behebung der gewissen politischen Apathie der Arbeiterschaft. Leider macht er nicht Gebrauch von der Möglichkeit, gerade jenes Teilziel der Sozialisten in den Vordergrund zu rücken, für das heute am ehesten gekämpft werden kann; die Organisierung eines wirklichen Friedens.

Dieses Ziel drängt sich heute Jedem als wertvoll auf, der nicht geradezu am Kriege verdient. Und es hat zudem viele und mächtige Bundesgenossen, viel mehr und viel mächtigere als der Sozialismus. Dass Populus sich dieses Ziels nicht annimmt, liegt sicherlich daran, dass er einen Völkerbund nur dann für unterstützungswürdig hält, wenn er aus lauter sozialistischen Staaten besteht, oder wenn wenigstens verhindert wird, dass nicht-sozialistische Staaten einen erheblichen Einfluss auf ihn ausüben.

Wie schwer ein solcher Völkerbund auch zu schaffen sein mag, - für den Frieden, der auf dem Wege zum Sozialismus unerlässlich ist, und der heute viele auch nicht-sozialistische Kräfte auf seiner Seite hat, sich einzusetzen, ist gewiss die Aufgabe, die am meisten Möglichkeiten der Verwirklichung bietet.

G. Hck.[87]

"No Friend of Democracy" [(W-er.)]

Ist die katholische Kirche für oder gegen den Faschismus, für oder gegen den Krieg, für oder gegen den Frieden? Man würde mit dem Wort eines alten deutschen Parlamentariers am liebsten sagen: "Nichts Genaues weiss man nicht!" Das Buch von Edith Moore[88] (International Publishing Company, London, W.1. 1 sh.) zeigt anhand blosser katholischer Quellen viele Begünstigungen, deren sich faschistische Bestrebungen und Staaten seitens der katholischen Kirche oder mancher ihrer Würdenträger zu erfreuen hatten. Die Antwort aus katholikenfreundlichen Kreisen, dass man viele Beispiele finden könnte, wo Katholiken sich gegen faschistische Staatsmänner ausgesprochen hätten, kann dem gegenüber nur teilweise befriedigen; weil die Kirche als ein internationales weit verbreitetes Gebilde natürlich nicht überall die gleiche Politik betreiben kann.

Für alle, die darauf aus sind, die gesellschaftliche Funktion der katholischen Kirche klar zu durchschauen, und die vor allen Dingen ihre politische Bedeutung erforschen möchten, ist das vorliegende Buch ein äusserst wertvolles Hilfsmittel.

W - er.

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(Fortsetzung des Aufsatzes: "Petroleum!")

Grundsatz, die Zeit sei mit den Demokratien, wirklich eine Wahrheit.

Was sind selbst die rumänischen Oelfelder für Hitler, wenn die Demokratien durch stete Angriffe die deutsche Kriegsmaschine zwingen, diese Felder im Raubbau auszubeuten? Was sind die rumänischen Oelquellen, wenn keine Aussicht besteht, sie durch Petroleum aus dem Irak zu ergänzen?

Und nun können wir Zahlen überzeugen lassen. Es sind deutsche Schätzungen deutscher Zeitschriften. Während die rumänische Oelausbeute in den Jahren 1928 bis 1936 von 4,2 Millionen Tonnen auf 8,7 Millionen anstieg, fällt sie seit diesem Jahr stetig. Die rumänischen Oelquellen beginnen zu versiegen. Noch geht der Abstieg langsam. Die Produktion an Rohöl fällt 1937 auf 7,2 Millionen Tonnen; 1938 auf 6,87; 1939 weiter auf 6,25 Millionen Tonnen. Aber selbst die Produktionszahlen geben kein wirkliches Bild des Absturzes, weil diese Ziffern erreicht wurden nur mit rasenden Anstrengungen, die Produktion zu erhöhen. Bereits 1937 waren 60.000 Meter Bohrungen mehr abgeteuft worden als 1936. Das war eine Erhöhung der Bohrtätigkeit um dreissig Prozent. Aber während 1936 noch auf jeden erbohrten Meter 26,5 Tonnen Oel entfielen, waren es 1937 nur noch 18,25 Tonnen. Das ist ein Ertragsrückgang um 31 Prozent. Es bedeutet, dass die wildesten Anstrengungen der Deutschen eine Produktionserhöhung in Rumänien kaum mehr erreichen werden, dass sie aber auf alle Fälle diese Anstrengungen mit einem immer schärferen proportionalen Rückgang der Produktion bezahlen. Der volle Einsatz der amerikanischen Tank- und Flugzeugproduktion auf dem Schlachtfeld, der Hitler zwingen würde, das Gleiche zu tun, macht die gegenwärtige deutsche Treibstofflage hoffnungslos und treibt seine Produktion einer raschen Erschöpfung zu.

Um aber zum Schluss noch einmal mit aller Schärfe zu zeigen, dass in jedem anderen Fall der Einfluss der deutschen Erdöllage auf den Kriegsablauf nicht wesentlich ist, möchte ich zu bedenken geben, dass 350.000 Tonnen Benzin genügen, um 500 zweimotorige deutsche Bomber ein Jahr lang täglich zum Bombenangriff auf England einsetzen zu können.

(Fortsetzung des Aufsatzes: ,,Russland im Krieg")

Kriegsruhm verhalf und die ganze Welt in einen Krieg zu stürzen half. Sie möchten zwar auch heute nichts gegen die Sowjet-Union unternehmen: Aber sie haben auch kein Bedürfnis, sich von ihr beraten zu lassen oder ihr verfehltes Beispiel der letzten zwanzig Jahre nachzuahmen. Sie halten die Parole für richtig: Hände weg von Sowjet-Russland! Aber sie sind nicht weniger überzeugt, dass man der Sowjet-Union raten sollte: Hände weg, Sowjet-Russland!

Die Propaganda sollte allerdings einen anderen Punkt bedenken, der den Eintritt Russlands in den Krieg wirklich zu einer besonders wichtigen Sache macht:

Hitler hat nach dem Zusammenbruch Frankreichs keinem so mächtigen Gegner gegenübergestanden wie jetzt der Sowjet-Union. Und, wenn er etwa diesen besiegt hätte, dann gibt es keinen nennenswerten mehr in Europa ausser England selber. Es kommt also für den Sieg über Hitler alles darauf an, zu verhindern, dass er Russland und England getrennt bekämpfen kann. Alle Kräfte, die sich überhaupt gegen Hitler mobil machen lassen, müssen jetzt mobil gemacht werden. Es kommt jetzt darauf an zuzuschlagen, wie das vor einigen Tagen auch Oberst Knox[89] sagte, als er über Möglichkeiten sprach, Hitler eine Niederlage beizubringen.

Nicht, weil Russland ein Arbeiterstaat ist, sondern weil es ein relativ mächtiger Staat ist, deshalb soll jetzt die Arbeiterschaft der ganzen Welt gegen Hitler besonders aufgerufen werden. Nicht weil Stalin siegen soll, kämpfen wir, sondern weil Hitler untergehen soll.

[Impressum]

Die "Renaissance" erscheint monatlich. Sie kostet: pro Nummer 6d.; im Jahr (portofrei) 6 sh. Alle Anfragen, die "Renaissance" betreffend, Abonnements, Zusendungen von Material bitten wir zu richten an

Willi Eichler, 24 Mandeville Rise, Welwyn Garden City, Herts.

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Published by Renaissance Publishing Co. (G. F. Green)[90], 24 Mandeville Rise, Welwyn Garden City, Herts. Editor: Willi Eichler. Printed by The Guardian Press[91] (T. U. all depts.), Guardian House, 644, Forest Road, E.17.






Editorische Anmerkungen


1 - Hitler, Adolf (1889-1945), Vorsitzender der NSDAP (1921-1923, 1925-1945), Führer und Reichskanzler (1933-1945), Oberbefehlshaber der Wehrmacht (1941-1945), Hauptverantwortlicher für die nationalsozialistische Gewaltherrschaft, den Zweiten Weltkrieg und den Völkermord, Selbstmord (1945).

2 - ,,Deutsche Allgemeine Zeitung", zwischen November 1918 und April 1945 zweimal täglich in Berlin erschienene Tageszeitung; Vorgänger: ,,Norddeutsche allgemeine Zeitung", erschien von 1861 bis 1918 - im gleichen Rhythmus - ebenfalls in Berlin.

3 - Ford, amerikanische Industriellendynastie: Henry Ford (1863-1947), Gründer der Ford Motor Company (1903), deren Präsident von 1903 bis 1919 und von 1943 bis 1945; sein Sohn Edsel Bryant Ford (1893-1943), Präsident von 1919 bis 1943; dessen Sohn Henry II Ford (1917-1987), Präsident von 1945 bis 1960 (danach Vorsitzender des Verwaltungsrats).

4 - ,,Stefani-Agentur", italienische Presseagentur.

5 - Napoleon I., Napoleone Buonaparte (1769-1821), Kaiser der Franzosen, Brigadegeneral (ab 1794), Oberbefehlshaber der Italienarmee (1796), nach Siegen in den ,,Französischen Revolutionskriegen" Aufstieg zur Macht, Sturz des ,,Direktoriums" (oberste Regierungsbehörde Frankreichs von 1795 bis 1799), Erster Konsul mit starker persönlicher Macht (1799), Konsul auf Lebenszeit (1802), danach ,,Kaiser der Franzosen" (1804-1814/15), zahlreiche Eroberungskriege, bis sich die Völker Europas (zunächst Spanien) gegen die napoleonische Herrschaft zur Wehr setzten (ab 1807), nach der Niederlage bei Waterloo (18. Juni 1815) nach Sankt Helena verbannt.

6 - Churchill, Sir Winston (1874-1965), britischer Politiker (Liberale Partei, Konservative Partei), mehrfach Mitglied der britischen Regierung (ab 1906), Premierminister (1940-1945, 1951-1955).

7 - Roosevelt, Franklin Delano (1882-1945), amerikanischer demokratischer Politiker, 32. amerikanischer Präsident (1933-1945), mit Churchill am 14. August 1941 Verkündung der ,,Atlantik Charta", im Dezember 1941 (Pearl Harbor) Eintritt in den Zweiten Weltkrieg, der zur Niederlage der Achsenmächte führte.

8 - Gröber, Conrad (1872-1948), katholischer Theologe, Erzbischof von Freiburg i.Br. (ab 1932), anfangs um Ausgleich mit dem nationalsozialistischen Regime bemüht, später dessen Gegner.

9 - Preysing, Konrad Graf (1880-1950), katholischer Theologe, Bischof von Berlin (ab 1935), Kardinal (ab 1946), führende Persönlichkeit des katholisch-kirchlichen Widerstands gegen die NS-Kirchenpolitik.

10 - ,,Frankfurter Zeitung", 1856 gegründete Tageszeitung (zunächst ,,Frankfurter Handelszeitung", dann - seit 1866 - ,,Frankfurter Zeitung und Handelsblatt"), galt in der Weimarer Republik als eine der wichtigsten liberalen Tageszeitungen und nach 1933 als Aushängeschild der bürgerlichen Presse in NS-Deutschland. 1943 eingestellt.

11 - Stalin, Jossif Wissarionowitsch, eigentlich Dschugaschw - li - (1879-1953), Bolschewik (seit 1903), mehrfach in Verbannung (1907-1917), Volkskommissar für Nationalitätenpolitik (1917-1923), Generalsekretär der KPdSU (1922-1953), Vorsitzender des Rats der Volkskommissare bzw. des sowjetischen Ministerrats, d.h. Ministerpräsident (1941-1953), Alleinherrscher, Hauptverantwortlicher für die kommunistische Gewaltherrschaft und millionenfachen Mord an politischen Gegnern.

12 - W-er (d.i. Willi Eichler (1896-1971), Pseudonyme: Werner Buchholz, Ernst Friesius, Martin Hart (MH), W. Reinhart (W.R.), SPD (1919-1925), Privatsekretär des Göttinger Philosophen Leonard Nelson (1923-1927), nach dessen Tod neben der formellen Vorsitzenden Minna Specht auf Grund seiner Bedeutung im öffentlichen Auftreten und in den Publikationen des ISK wichtigster Repräsentant des ISK, Herausgeber des theoretischen Parteiorgans ,,isk - Mitteilungsblatt des Internationalen Sozialistischen Kampf-Bundes" (ab 1929) und Chefredakteur von ,,Der Funke" (1932/1933), einer gegen den Nationalsozialismus gerichteten Berliner Tageszeitung. 1933 Emigration nach Frankreich, hier Aufbau einer Auslandszentrale des ISK zur Unterstützung der illegalen ISK-Gruppen im Reich, außerdem Herausgeber der so genannten ,,Reinhart-Briefe" (ab Oktober 1933) und des theoretischen ISK-Organs ,,Sozialistische Warte" (Mai 1934-1940). Ausweisung aus Frankreich (1938), nach kurzem Aufenthalt in Luxemburg Emigration nach Großbritannien (1939), in London unbestrittene Führungsfigur des ISK. Hier u.a. Mitarbeiter der BBC-,,Sendung für den deutschen Arbeiter", Herausgeber der Zeitschrift "Renaissance" (1941) sowie - zusammen mit Willi Heidorn (= Werner Hansen) - des Informationsdienstes "Germany speaks" (1940, 1942) bzw. dessen Nachfolgeblatts "Europe speaks" (1942-1945). Unter seiner Federführung Beitritt des ISK zur ,,Union deutscher sozialistischer Organisationen in Großbritannien" (einem Zusammenschluss der SOPADE mit drei sozialistischen Splittergruppen), deren Exekutivmitglied er wurde. Nach dem Krieg Auflösung der drei Splittergruppen und Zusammenschluss in der SPD. Rückkehr nach Deutschland (1946), Chefredakteur der ,,Rheinischen Zeitung" in Köln (1946-1951) sowie Herausgeber der Monatszeitschrift ,,Geist und Tat" (1946-1971), NRW-MdL (1947-1948), Mitglied des Frankfurter Wirtschaftsrats (1948/1949), MdB (1949-1953), besoldetes Mitglied des Parteivorstands der SPD (1952-1958), Vorsitzender der SPD-Kommission zur Erarbeitung eines neuen Grundsatzprogramms (ab 1955) und federführender Autor des Godesberger Programms (1959), hauptamtliches Vorstandsmitglied der Friedrich-Ebert-Stiftung (1958-1971). Mit Susanne Miller verheiratet.

13 - Rens, Jef (1905-1985), belgischer Gewerkschafter, stellv. Generalsekretär der belgischen Gewerkschaftskommission (ab 1938), später Kabinettschef unter Premierminister Paul-Henri Spaak, während des Zweiten Weltkriegs Exil in Großbritannien, dort Generalsekretär des belgischen Ausschusses für die Nachkriegsaufgaben und Berater der belgischen Exilregierung, nach dem Krieg stellv. Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamts in Genf (ab 1951), für das er schon 1938, 1941 und ab 1944 gearbeitet hatte.

14 - Halifax, Edward Frederick Lindley Wood, 1. Earl of Halifax (1881-1959), britischer konservativer Politiker, Vizekönig von Indien (1925-1931), Außenminister (1938-1940), Botschafter in Washington (1941-1946).

15 - Eden, Sir Robert Anthony, Earl of Avon (1897-1977), britischer Außenminister (ab 1935), Rücktritt aus Protest gegen die Appeasement-Politik Chamberlains mit Hitler (1938), Staatssekretär für die Dominions (1939-1940), Kriegsminister (1940), erneut Außenminister (1940-1945 und 1951-1955), Premierminister und Führer der Konservativen Partei (ab 1955), Rücktritt wegen der Suez-Krise (1957).

16 - R. Ha, Autorenzeichen von R[ené Bertholet] und Ha[nna Bertholet]. René Bertholet (1907-1962), Pseudonym Pierre Robert (P.R.), Schweizer, Besuch des ISK-Landerziehungsheims Walkemühle (1928-1931), Gewerkschaftsfunktionär und -journalist in Frankreich, illegale Arbeit in Deutschland (1933), Verhaftung und Zuchthaus (bis 1936), Leiter der ISK-Gruppe in Paris, im Zweiten Weltkrieg in der Résistance, enge Verbindungen zu Eichler, den er regelmäßig mit Nachrichten, vor allem aus Deutschland und Frankreich, versorgte, als Repräsentant des Schweizer Arbeiter-Hilfswerks Aufenthalt in Deutschland (1945), nach dem Krieg Mitinitiator von Siedlungsprojekten in Brasilien. Hanna Bertholet-Fortmüller (1901-1970), Sekretärin des ISK (1927-1930), Eintritt in das ISK-Landerziehungsheim Walkemühle (ab 1931), redaktionelle Tätigkeit bei der ISK-Tageszeitung ,,Der Funke", Exil: Frankreich (ab 1934), dort Heirat mit René Bertholet, so dass sie Schweizerin wurde, Schweiz (ab 1941), dort ISK-Verantwortliche und an der Koordinierung des ISK-Nachrichtennetzes Beteiligte. Nach dem Krieg: Rückkehr nach Deutschland.

17 - Vigne, Arthur (1898-1972), Bergarbeiter, französischer Gewerkschafter, Mitglied in KPF und CGT, Sekretär der Einheitsgewerkschaft der Bergarbeiter im Département du Gard, zeitweise Kontakt zu NS-Vertretern des Deutschen Bergarbeiterbundes, Verhaftung im Juli 1941, Verurteilung zu 20 Jahren Gefängnis, Internierung in Frankreich, später Deportation in die Konzentrationslager Dachau und Buchenwald, nach der Befreiung Präsident des Verwaltungsrats der Steinkohlebergwerke der Cevennen und Mitglied des Vorstands im Verband der französischen Elektrizitätswerke, später auch noch Kommunalpolitiker (1953-1955).

18 - Légay, Kléber (1889- 1949), Bergarbeiter, französischer Gewerkschafter und Sozialist, zunächst Berater, dann Präsident der nordfranzösischen Bergarbeitergewerkschaft in der CGT, Mitglied des Exekutivkomitees des IGB, während der Okkupation Option für die Vichy-Regierung und Unterstützung von Belin und Dumoulin, als Präsident der Einheitsgewerkschaft der Bergarbeiter starke Betonung einer ,,Volksgemeinschaft" (i.S. einer Arbeitsfront), nach der Befreiung möglicherweise Flucht nach Deutschland, aber wahrscheinlich bis 1949 zurückgezogenes Leben in einer französischen Kleinstadt, Rehabilitation (1947).

19 - Dumoulin, Georges (1877-1963), Bergarbeiter, Sekretär des französischen Gewerkschaftskartells im Département du Nord, Sekretär der CGT, Funktionär im Büro der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO, 1924-1932), während der Okkupation Arrangement mit dem Vichy-Regime, Übernahme von Funktionen in der Vichy-Regierung sowie in der RNP, Ernennung durch Pétain zum Mitglied des Nationalrats, nach der Befreiung Verurteilung in Abwesenheit zum Tode, später Rehabilitation (1951).

20 - Roy, Marcel Lucien (1902-1976), Mechaniker, französischer Gewerkschafter, Sekretär der Metallarbeitergewerkschaft in der CGT, während der Okkupation rückhaltlose Unterstützung der Gewerkschaftsbewegung unter der Vichy-Regierung und enge Zusammenarbeit mit den Deutschen, Ernennung zum Mitglied des Nationalrats, Mitgründer des ,,Centre syndicaliste de propaganda" (RSP, 1941), das sich bald mit Béats RNP verband, nach der Befreiung lebenslanger Ausschluss aus allen gewerkschaftlichen Funktionen (1944), gleichwohl nach dem Zweiten Weltkrieg publizistisch in Gewerkschaftszeitungen tätig.

21 - Froideval, Raymond Léonce Saturnin (1897-1978), Schlosser, Sekretär des Pariser Gewerkschaftsbüros der Schlossergewerkschaft, während der Okkupationszeit Kabinettschef von René Belin, später Minister für Industrieproduktion und Arbeit der Vichy-Regierung, nach der Befreiung Verurteilung wegen Kollaboration zu 10-jährigem Entzug der Bürgerrechte, später amnestiert, gewerkschaftliche Funktionen bis 1978.

22 - ,,L'Atelier", französische Wochenzeitung. Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden.

23 - V. H., das ist wahrscheinlich V[alentin] H[artig]. Hartig, Valentin (,,Valtin", 1889-1980), Lehrer sowie Partei- und Gewerkschaftsfunktionär, USPD, gewerkschaftliche Bildungsarbeit (1923-1930), Verwaltungssekretär der Internationale der öffentlichen Dienste zunächst in Berlin (1930-1933), dann in Paris (1933-1940), Sprachlehrer am Deutschen Institut in Paris (1940-1944), möglicherweise Kontaktmann zwischen der deutschen Botschaft in Paris und kollaborationswilligen CGT-Funktionären, Rückkehr nach Deutschland (1944), Leiter der städtischen Fremdsprachenschule in Leipzig (bis 1948), nach Verhaftung und Flucht in den Westen Lehrtätigkeit in Hamburg.

24 - B.: Die Initiale konnte nicht entschlüsselt werden.

25 - Lefranc, Georges (1904-1985), Professor für die Geschichte der Arbeiterbewegung, französischer Gewerkschafter und Sozialist, zeitweise Leiter des Bildungswesens der CGT, während der Okkupation Zusammenarbeit mit der Vichy-Regierung und deren Zeitungen, nach der Befreiung 6 Monate Haft und Ausschluss aus der Universität, später wieder publizistisch tätig.

26 - ,,L'Oeuvre", französische Tageszeitung, erschien seit 1915 in Paris, kooperierte nach ,,Renaissance" mit der deutschen Besatzungsmacht.

27 - Déat, Marcel (1894-1955), französischer Philosophieprofessor, Publizist und Politiker, sozialistischer Funktionär in Reims, Parlamentsabgeordneter (1926-1928, 1932-1936, 1939-1942), Luftfahrtminister (1936), Austritt aus der SFIO, Gründer und Führer des ,,Parti socialist de France" (1933), während der Okkupation Befürworter einer Kollaboration mit Deutschland und Gründung des ,,Rassemblement National Populaire" (RNP), Minister für ,,Arbeit und Solidarität" in der Vichy-Regierung unter Laval (ab März 1944), nach der Befreiung Flucht aus Paris nach Deutschland, Österreich und Italien (1944), in Abwesenheit Verurteilung zum Tode (keine Vollstreckung der Strafe).

28 - Belin, René (1898-1977), französischer Gewerkschaftsfunktionär, Generalsekretär der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes (1930-1932), Sekretär und zweiter Mann der CGT (1933-1940), in der Vichy-Regierung zunächst Minister für Industrieproduktion und Arbeit (1940-1941), danach Staatssekretär für Arbeit (1941-1942), nach der Befreiung Frankreichs Flucht in die Schweiz (1944), Einstellung der Ermittlungen wegen Kollaboration mit NS-Deutschland (1949), Bürgermeister von Lorrez-le-Bocage (1959-1965).

29 - ,,Au Travail", französische Gewerkschaftszeitung, die nach ,,Renaissance" unter der Devise einer ,,Wiedergeburt" der französischen Gewerkschaftsbewegung im Rahmen der Nationalen Revolution des Marschall Petain stand. Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden.

30 - Bertin, Louis (1910-1962), französischer Gewerkschafter, Vorsitzender des Gewerkschaftskartells des Départements Haute-Savoie, Gründer und Direktor der Gewerkschaftszeitung ,,Au Travail", die in der Okkupationszeit von 1940-1944 erschien, Zusammenarbeit mit der Vichy-Regierung, nach eigenem Bekunden um die französische Gewerkschaftsbewegung zu retten, nach der Okkupation Ausschluss auf Lebenszeit von allen Gewerkschaftsfunktionen (1944), posthum Rehabilitation (Dezember 1962).

31 - Pétain, Philippe (1856-1951), französischer Marschall und Politiker, Oberbefehlshaber (1917), Generalinspekteur der Streitkräfte und Vizepräsident des Obersten Verteidigungsrates (1922-1931), Kriegsminister (1934), Abschluss des Waffenstillstandsabkommens mit Hitler-Deutschland (Juni 1940), als Chef der Vichy-Regierung nach eigenem Verständnis Doppelstrategie aus Widerstand und Kollaboration gegenüber Deutschland (1940-1944), Internierung (1944), vom französischen Obersten Gerichtshof Verurteilung zum Tode (1945), Aussetzung der Strafe und Festungshaft.

32 - ,,L'Effort", französische Tageszeitung, die nach ,,Renaissance" demjenigen Teil der Sozialistischen Partei zuneigte, der eine Zusammenarbeit mit der deutschen Besatzungsmacht befürwortete. Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden.

33 - Blum, Léon (1872-1950), französischer Sozialist, Ministerpräsident (1936-1937), Verhaftung durch die Vichy-Regierung (1940), Internierung in deutschen Konzentrationslagern (1943-1945), erneut Ministerpräsident (1946-1947).

34 - M.: Die Initiale konnte nicht entschlüsselt werden.

35 - Gaulle, Charles de (1890-1970), französischer General und Politiker, nach der Niederlage gegen Hitler-Deutschland an der Spitze des Freien Frankreich, von Großbritannien aus Organisator des Widerstands gegen Deutschland (,,Résistance", ab 1940), Teilnahme an der Befreiung Frankreichs, Ministerpräsident (1945-1946), zeitweiser Rückzug aus dem politischen Leben, erneut Ministerpräsident (Mai bis Dezember 1958), Verfassungsänderungen zu Gunsten einer Präsidialdemokratie, Staatspräsident (1958- 1969).

36 - ,,Temps Nouveau", französische katholische Zeitung, die sich nach ,,Renaissance" offen gegen Kollaboration mit den deutschen Besatzern aussprach. Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden.

37 - Hackelsberger, Albert (1879-1940), Industrieller, MdR (1932 gewählt, Zentrum), blieb in der NS-Zeit als so genannter ,,Hospitant" der NSDAP im Reichstag des Einparteienstaats (bis September 1938), Verhaftung durch die Gestapo (1938), Tod in Haft.

38 - Goebbels, Paul Joseph (1897-1945), NS-Politiker, Reichsminister für Propaganda und Volksaufklärung (1933-1945) und ,,Generalbevollmächtigter für den totalen Kriegseinsatz" (1944-1945), federführende Beteiligung an der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, Selbstmord (1945).

39 - Chaumex, André (1874-1955), französischer Journalist in führenden Positionen (Journal des Débats, La Gazette des Beaux-Arts, Le Gaulois, La Revue de Paris, Le Figaro, La Revue des deux mondes), Mitglied der Académie française (1930).

40 - ,,New York Times", 1851 in New York gegründete Tageszeitung mit landesweiter Verbreitung.

41 - Buozzi, Bruno (1881-1944), italienischer Gewerkschaftsfunktionär mit Verbindung zur antifaschistischen Bewegung, Verhaftung durch die Gestapo in Paris (1941), auf Antrag italienischer Behörden Auslieferung an Italien, nach der Befreiung Italiens vom Faschismus Ernennung durch die Regierung Badoglio zum Kommissar der Industriearbeitergewerkschaft (1943), Verhaftung im Norden Italiens durch die SS (1944).

42 - Miglioli, Guido (1879-1954), italienischer Politiker und katholischer Gewerkschafter, Emigration (1926) nach Belgien, Frankreich und UdSSR, Mitglied des ,,Komitees gegen Krieg und Faschismus" in Paris, dort Verhaftung durch die Gestapo (1941), Befreiung aus dem Gefängnis (1943), nach dem Zweiten Weltkrieg an der Spitze der ,,Christlichen Bewegung für den Frieden", Leitung der Wochenzeitschrift ,,Nuova Terra", Annäherung an die Democrazia Cristiana (DC), von der er sich aber schon bald wegen deren Antikommunismus und Rechtsruck wieder abwendete.

43 - Chettini, nach "Renaissance" früherer Offizier des italienischen Heeres, der 1941 in Paris verhaftet und dann an Italien ausgeliefert wurde. Weitere biographische Angaben konnten nicht ermittelt werden.

44 - Diotalevi, nach "Renaissance" Anarchist und Leiter der Union Syndicale Italienne, Verhaftung in Paris und Auslieferung an Italien (1941). Weitere biographische Angaben konnten nicht ermittelt werden.

45 - Bernieri, nach "Renaissance" Italienerin, die 1941 in Paris verhaftet und dann an Italien ausgeliefert wurde. Weitere biographische Angaben konnten nicht ermittelt werden.

46 - Doriot, Jacques (1898-1945), Metallarbeiter, französischer Politiker, Kommunist (1920-1934), Parlamentsabgeordneter (1924-1937), Bürgermeister von Saint-Denis (1931-1937), Unterstützung der NS-Politik und Ausschluss aus der Kommunistischen Partei (1934), Gründer und Vorsitzender des ,,Parti populaire français" (1936-1945), der Marschall Pétain unterstützte, Mitglied des Nationalrats von Vichy, Meldung als Freiwilliger, um auf deutscher Seite an der russischen Front zu kämpfen (1941-1944).

47 - Laval, Pierre (1883-1945), französischer Politiker, Außenminister (1932, 1934-1936), Ministerpräsident (1931-1932, 1935-1936, ab 1942), im Zweiten Weltkrieg Eintreten für eine Zusammenarbeit mit Deutschland (ab 1940), nach dem Krieg wegen Kollaboration mit Deutschland zum Tode verurteilt und hingerichtet (1945).

48 - Belin, M, gemeint ist René Belin, der in der angegebenen Zeit Staatssekretär für Arbeit der Vichy-Regierung war.

49 - H., M., das ist M[artin] H[art], Pseudonym von Willi Eichler.

50 - Franco Bahamonde, Francisco (1892-1975), spanischer General und Politiker, Militärputsch gegen die republikanische Regierung (1936), dadurch Auslösung des Spanischen Bürgerkrieges, an dessen Ende - mit deutscher und italienischer Hilfe - der Sturz der republikanisch-sozialistischen Regierung stand (März 1939), danach (bis zu seinem Tod) an der Spitze eines diktatorischen, faschistischen Regierungssystems, Annäherung an den Westen (ab 1945).

51 - [Fußnote im Original:] Vergleiche insbesondere Leonard Nelsons warnendes und anklagendes Buch: "Die Rechtswissenschaft ohne Recht," das er 1917, mitten im ersten Weltkrieg, veröffentlichte. [Leonard Nelson (1882-1927), Professor in Göttingen (seit 1919), Gründer des ,,Internationalen Jugend-Bundes" (IJB, 1917), der sich nach dem Ausschluss aus den sozialdemokratischen Organisationen als ,,Internationaler Sozialistischer Kampf-Bund" (ISK, 1925) konstituierte. Umbildung der Kant'schen Transzendentalphilosophie, welche in der Selbstbeobachtung die letzte unmittelbare Erkenntnisquelle sieht (,,Neufriesische Schule"); Streben nach einer wissenschaftlichen Ethik und Politik nach den Grundsätzen des liberalen Sozialismus, gestützt auf Konzeptionen Franz Oppenheimers. Sehr problematische Einstellung zur Demokratie; Befürwortung des Führerschaftsprinzips.]

52 - McNair, Arnold Duncan (1885-1975), britischer Professor für Internationales Recht in Cambridge.

53 - [Fußnote im Original:] Nr. 37 der "Oxford Pamphlets an World Affairs."

54 - Stengel, Karl von (1840-1930), Professor des Verwaltungsrechts in Breslau (ab 1881), dann für Staatsrecht, Völkerrecht und Rechtsphilosophie in Würzburg (ab 1890), danach in München (ab 1895), Delegierter der deutschen Regierung auf der Haager Friedenskonferenz (1899).

55 - Doberer, Kurt Karl (1904-1993), deutscher Journalist und Politiker, SPD (1927), Exil: ČSR (1933), Großbritannien (1938), dort Tätigkeit bei der BBC, Rückkehr nach Deutschland (1949).

56 - ,,Deutscher Volkswirt", deutsche Wirtschaftszeitung, nach ,,Renaissance" ,,das ernsthafteste deutsche Wirtschaftsblatt", das allerdings nicht weit abseits der offiziellen Meinung NS-Deutschlands in Wirtschaftsfragen stand. Weitere Angaben konnten nicht ermittelt werden.

57 - F., K., möglicherweise (mit umgedrehten Initialen) [F]ritz [K]ramer, Pseudonym von Hans Jahn. Jahn, Hans (1885-1960), Autorenzeichen möglicherweise umgedreht: K.F., Sekretär im Vorstand des Einheitsverbandes der Eisenbahner Deutschlands (ab 1927), zusammen mit der ITF Aufbau einer illegalen Organisation in Deutschland (1933-1935), Emigration: Niederlande (1935), Belgien (1936; hier Zusammenarbeit mit ISK und ITF), Luxemburg (1938), Großbritannien (1940), Gründung eines ,,Gewerkschaftlichen Freiheitsbundes" als Vertretung der illegalen Betriebsorganisationen im Reich, Mitarbeit in der Landesgruppe deutscher Gewerkschafter in Großbritannien, Rückkehr nach Deutschland (1945), Mitgründer (1947) und Vorsitzender (1949-1959) der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, Präsident der ITF (ab 1956) und SPD-MdB (ab 1949).

58 - ,,Deutsche Reichsbahn", Staatsbahnen des Deutschen Reichs zwischen 1920 und 1945.

59 - ,,Reichsautobahn-Gesellschaft", vom Reichsverkehrsministerium kontrollierte Gesellschaft (,,Unternehmen Reichsautobahnen"), die 1933 als Körperschaft des öffentlichen Rechts und Zweigstelle der Deutschen Reichsbahn für den Bau und Unterhalt der deutschen Reichsautobahnen gegründet wurde.

60 - Lenin, Wladimir Iljitsch, Deckname für W.I. Uljanow (1870-1924), russischer Revolutionär und Politiker, Organisator des ,,Kampfbundes zur Befreiung der Arbeiterklasse" (1895), Verhaftung (1895), Verbannung (1897-1900) und Exil, u.a. in Deutschland, der Schweiz, Großbritannien und Frankreich (1900-1905, 1907-1917), dort Entwicklung des Konzepts einer revolutionären Kaderpartei, was die Spaltung von der russischen Sozialdemokratie zur Folge hatte (1903), Entwicklung der kommunistischen Staatsdoktrin (,,Diktatur des Proletariats", 1917), nach der Oktoberrevolution Vorsitzender des Rates der Volkskommissare, d.h. Chef der Regierung Sowjetrusslands bzw. ab 1922 der UdSSR (1917 bis 1924), Gründung der Komintern (1919).

61 - Litwinow (auch Litwinoff), Maxim Maximowitsch (1876-1951), sowjetischer Politiker und Diplomat, Volkskommissar des Äußeren (1930-1939), Vertreter der UdSSR beim Völkerbund (1934-1938), Mitglied des ZK der KPdSU (1934-1941), Botschafter in Washington (1941-1943).

62 - Green, George Frederick (1908-1989), britischer Gewerkschafter, Inhaber von ,,Renaissance Publishing Co. (G.F. Green)", Mitglied der Socialist Vanguard Group (SVG), der britischen Sektion des ISK, nach dem Zweiten Weltkrieg Generalsekretär der Civil Service Clerical Association (CSCA, 1955-1965) und Mitglied des Generalrats im Dachverband der britischen Gewerkschaften (TUC).

63 - Gladstone, William Ewart (1809-1898), konservatives Mitglied des Unterhauses (ab 1832), mehrere Ministerämter (1843-1846, 1852-1855, 1859-1866), Übertritt zur liberalen Partei (1859) und deren Vorsitzender (1867-1874), Premierminister (1868-1874, 1880-1885, 1886, 1892-1994).

64 - "Tammany Hall" ist der Sitz der Tammany Societies in New York. Tammany Societies sind 1783/1789 gegründete patriotische Gesellschaften aus der Zeit der amerikanischen Revolution, benannt nach einem Häuptling der Delawaren. In New York wurden die Tammany Societies um 1830 zum Kern der Organisation der demokratischen Partei, die häufig in Korruptionsskandale verwickelt wurde, aber auch politische Führungsarbeit leistete.

65 - ,,Hansard" = amtliches britisches Parlamentsprotokoll.

66 - B., W.: Die Initialen konnten nicht entschlüsselt werden.

67 - Chamberlain, Arthur Neville (1869-1940), britischer konservativer Politiker, mehrere Ministerämter in der britischen Regierung (1923-1937), Premierminister (1937-1940), Symbolfigur der ,,Appeasement"-Politik.

68 - Vansittart, Lord Robert (1881-1957), britischer Politiker und Regierungsberater, Veröffentlichung der deutschfeindlichen Broschüre ,,Black record: Germans past and present" (1941).

69 - Murray, [George] Gilbert (1866-1957), britischer Philologe und Schriftsteller australischer Herkunft, Professor in Glasgow (1899-1936), danach in Oxford.

70 - Olden, Rudolf (1885-1940), Jurist, Journalist und Publizist, u.a. "Friede und Neuer Tag" (Wien), ,,Berliner Tageblatt", ,,Reich" (Saarbrücken), ,,Weltbühne". Exil in Großbritannien (ab 1934), dort zahlreiche Buchveröffentlichungen (z.B. ,,Is Germany a Hopeless Case?"), unter dem Vorsitz von Heinrich Mann Sekretär des Anfang 1934 gegründeten Exil-PEN in London, Einsatz für die Gründung eines deutschen Buchclubs im Exil, Tod auf dem Weg in die USA, als sein Schiff von deutschen U-Booten torpediert wurde.

71 - [Fußnote im Original:] Rudolf Olden: " Is Germany a Hopeless Case?" (Allen and Unwin. 4s. 6d.). [,,Allen and Unwin", britischer Verlag].

72 - Friedrich II., der Große (1712-1786), König in Preußen bzw. von Preußen (1740-1772), das er nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) zur europäischen Großmacht führte.

73 - Bismarck, Otto von (1815-1898), preußischer Ministerpräsident (1862-1871) und Reichskanzler (1871-1890).

74 - Dodd, William Edward (1869-1940), amerikanischer Historiker und Diplomat.

75 - Henderson, Nevile Meyrick (1882-1942), britischer Diplomat, Botschafter in Berlin (1937-1939), Verfechter der Appeasement-Politik _ Chamberlains.

76 - Rumbold, Sir Horace George Montagn (1869-1941), britischer Diplomat.

77 - Stresemann, Gustav (1878-1929), Staatsmann, Nationalliberale Partei (ab 1903), Gründer und Vorsitzender der DVP (ab 1918), MdR (1907-1912, 1914-1918, 1920-1929), MdNV (1919-1920), Reichskanzler (August bis November 1923), Außenminister (ab 1923), Friedensnobelpreis (1926).

78 - Sir Robert = Sir Robert Vansittart.

79 - Haffner, Sebastian, eigentlich Reimund Pretzel (1907-1999), Rechtsanwalt und Journalist (u.a. ,,Vossische Zeitung"), Emigration nach Großbritannien (1938), hier Mitarbeiter von ,,Die Zeitung" und (ab 1942) ,,Observer", ab 1954 in Deutschland journalistisch und publizistisch tätig (zahlreiche Bücher und Artikel für den ,,Stern").

80 - ,,Die Zeitung", deutschsprachige Zeitung in Großbritannien, herausgegeben u.a. von Sebastian Haffner, erschien von 1941 bis 1945, z. T. in Miniaturformat auf Dünndruckpapier gedruckt und über Deutschland von der Royal Air Force abgeworfen.

81 - ,,Secker & Warburg", britischer Verlag.

82 - L., N., das ist N[ora] L[oewi]. Loewi-Henry, Nora (geb. 1914), Mitglied der Socialist Vanguard Group (SVG), der britischen Sektion des ISK, nach der Internierung ihres Vetters Walter Fliess Übernahme der Leitung der vegetarischen Gaststätte (,,Vega"); nach dem Zweiten Weltkrieg Arbeit als Sozialarbeiterin, lebt heute in London.

83 - Saran, Mary, gesch. Hodann (1896-1976), Publizistin, Mitglied von IJB und ISK, Emigration nach Großbritannien (1933), hier Mitarbeit in der Socialist Vanguard Group (SVG), der britischen Sektion des ISK, Redakteurin des ,,Socialist Commentary" (ab 1941), Herausgeberin von "Europe speaks" (ab 1945).

84 - ,,International Publishing Company", britischer Verlag.

85 - Populus, Pseudonym von George Douglas Howard Cole (1889-1959), britischer Historiker und Ökonom, Mitglied der Fabian Society, Autor von mehr als 100 Büchern zur sozialen Frage, u. a. das in "Renaissance" besprochene Buch ,,A Short History of the British Working Class Movement", Band 1: 1789-1848.

86 - Gollancz, Victor (1893-1967), Sir (seit 1965), britischer Verleger und Schriftsteller, Gründer des ,,Verlags Victor Gollancz" in London (1927) und des sozialistischen ,,Left Book Club" (1936), Herausgeber der ,,Left News", im Zweiten Weltkrieg Einsatz gegen deutschfeindliche Bestrebungen in Großbritannien (Vansittartismus), nach dem Krieg Befürworter einer Verständigung mit Deutschland, Friedenspreis des Deutschen Buchhandels (1960).

87 - Hck., das ist [Gustav] H[e]ck[mann]. Heckmann, Gustav (1898-1996), Mitglied von IJB und ISK (ab 1926), Lehrer des ISK-Landerziehungsheims Walkemühle (1927-1931), Mitarbeiter der ISK-Tageszeitung ,,Der Funke" (bis Febr. 1933), Exil: Dänemark (1933), Großbritannien (1938), nach dem Zweiten Weltkrieg Professor an der Pädagogischen Hochschule Hannover.

88 - Moore, Edith (gestorben 1950), britische Publizistin, dreijährige Schulung im ISK-Landerziehungsheim Walkemühle, Mitglied der Socialist Vanguard Group (SVG), der britischen Sektion des ISK, als Autorin spezialisiert auf die beiden Themen ,,Freiheitskampf des indischen Volkes" und ,,politischer und moralischer Einfluss der römisch-katholischen Kirche", Autorin des Buchs "No Friend of Democracy", Mitarbeiterin der Fabian Society in Sheffield/Großbritannien.

89 - Knox, Oberst: Weitere biographischen Angaben konnten nicht ermittelt werden.

90 - ,,Renaissance Publishing Co. (G.F. Green)", Verlagshaus von ,,Renaissance" mit → G.F. Green als Verantwortlichem.

91 - ,,The Guardian Press", britisches Druckerei- und Verlagshaus, in dem auch ,,Renaissance" gedruckt wurde.



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