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4. Die Entscheidungen von ECOSOC und Generalversammlung zum Sozialgipfel-Follow-up


Seit dem Weltsozialgipfel fanden eine Reihe zwischenstaatlicher Treffen und Tagungen statt, die sich mit der Umsetzung der Kopenhagen-Beschlüsse befaßten.

So veranstaltete die ILO hierzu am 9. Juni 1995 ein informelles Treffen (Informal Tripartite Meeting) auf Ministerebene. Dabei wurde die Führungsrolle der ILO im Folgeprozeß betont, soweit es um die Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpotitik sowie die Förderung von Arbeitnehmerrechten geht [Fn 23: vgl. ILO Doc. GB.264/5, November 1995 ("Action to be taken by the ILO in giving effect to the Declaration and Programme of Action adopted by the World Summit for Social Development"), paras. 3-5.].
Gleichzeitig wurde die übergeordnete Koordinationsrolle des ECOSOC im Folgeprozeß anerkannt.

Die Kommission für soziale Entwicklung diskutierte bei ihrer regulären Tagung im April 1995 ihre Rolle im Sozialgipfel-Follow-up. [Fn 24: vgl. UN Doc. E/1995/24 ("Report of the Commission for Social Development on its thirty-fourth Session"), Kap. l, Sect. E.]
Die Ergebnisse blieben vage und wurden von Seite beteiligter NGOs und Vertreter des UN-Sekretariats als enttäuschend bezeichnet. Sie bildeten dennoch die Grundlage für die Beratungen des ECOSOC über das Follow-up.

Der ECOSOC befaßte sich bei seiner Jahrestagung im Juli 1995 in Genf mit zwei Aspekten des Folgeprozesses. Er nahm direkt zur künftigen Rolle der Kommission für soziale Entwicklung Stellung und diskutierte darüber hinaus, wie die Folgeprozesse aller Weltkonferenzen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich koordiniert werden können.

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen griff auf ihrer 50. Tagung im Herbst 1995 diese Themen auf und verabschiedete am 22. Dezember 1995 eine Entschließung zur Umsetzung der Kopenhagen-Ergebnisse ("Implementation of the Outcomes of the World Summit for Social Development"). Darin werden nochmals zentrale Aussagen aus den Dokumenten von Kopenhagen hervorgehoben und institutionelle Folgemaßnahmen beschlossen. Besonders betont wird die künftige Aufgabe der Kommission für Soziale Entwicklung.

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4.1 Die Rolle der Kommission für soziale Entwicklung

Die einzige Resolution, die der ECOSOC 1995 im direkten Kontext zum Weltsozialgipfel verabschiedete, beschäftigt sich mit der künftigen Rolle der Kommission für soziale Entwicklung. [Fn 25: un Doc. E/1995/L64 vom 28. Juli 1995.]

Die Kommission wurde seit ihrer Gründung im Jahr 1946 von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. Sie ist eine der neun Fachkommissionen des ECOSOC, vergleichbar der Men

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schenrechtskommission oder der Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD). Die Fachkommissionen sind zwischenstaatliche Einrichtungen, das heißt ihre Mitglieder sind Staaten, vertreten durch die jeweiligen Regierungen. Zu den 32 Mitgliedern der Sozialentwicklungskommission, die vom ECOSOC für jeweils 4 Jahre gewählt werden, gehört auch Deutschland. [Fn 26: Hintergrundinformationen zur Sozialentwicklungskommission finden sich in UN Doc. E/CN.5/1995/8 vom 6. April 1995 ("Follow-up to the World Summit for Social Development. Note by the Secretariat"). Das Doku mentenkürzel "CN.5" steht für die Sozialentwicklungskommission.]
Bislang trat die Kommission nur alle zwei Jahre für zwei Wochen zusammen.

Der Entschließung des ECOSOC zufolge soll die Kommission künftig eine größere Rolle im Bereich sozialer Entwicklung spielen. Sie soll den ECOSOC bei der Überprüfung der Umsetzung der Kopenhagen-Beschlüsse unterstützen und sich regelmäßig mit Fragen befassen, die im Zusammenhang mit dem Follow-up und der Umsetzung der Erklärung und des Aktionsprogramms von Kopenhagen stehen. Dazu soll sie

  1. durch den Austausch von Informationen und Erfahrungen und die Diskussion dringender Fragen die internationale Verständigung über soziale Entwicklung verbessern;
  2. dem ECOSOC Empfehlungen zum Thema soziale Entwicklung vorlegen;
  3. praktische Maßnahmen ausarbeiten, um die Empfehlungen des Weltsozialgipfels zu unterstützen.

Zu diesem Zweck sollte ihr Mandat erweitert und der Zusammenhang von sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung in der Arbeit der Kommission künftig stärker berücksichtigt werden.

Diese Forderung war zuvor bereits bei einem Seminar der UNO erhoben worden, das sich mit der Einbeziehung der Zivilgesellschaft in das Follow-up des Sozialgipfels befaßte [Fn 27: Vgl. United Nations: Report of the Seminar on the Involvement of the Civil Society in the Follow-up to the Social Summit (Mohonk Mountain House, New York, 22-23 June 1995).].
Die rund 40 Teilnehmer von UNO, NGOs und Regierungen widmeten sich ausführlich der neuen Rolle der Kommission für soziale Entwicklung und betonten, daß sich in ihrer Agenda künftig der Zusammenhang zwischen der Globalisierung der Weltwirtschaft und den strukturellen Ursachen sozialer Probleme widerspiegeln sollte [Fn 28: Ebd. para 35.].

Darüber hinaus sahen sie in der Kommission die geeignete Institution, der die Regierungen und UN-Organisationen, einschließlich der Bretton-Woods-lnstitutionen, über ihre Aktivitäten bei der Umsetzung des Kopenhagener Aktionsprogramms berichten sollten. Und auch die NGOs könnten der Kommission Berichte über ihre Aktivitäten und ihre Analysen der Politik der Regierungen im Follow-up vorlegen.

In der Entschließung des ECOSOC wird ausdrücklich hervorgehoben, daß die Debatten der Kommission für "Experten und die Hauptakteure der Zivilgesellschaft" geöffnet werden sollen. In welcher Form dies geschehen soll, ist allerdings noch ungeklärt. In jedem Fall können sich NGOs mit Konsultativ- oder Rosterstatus beim ECOSOC an den Sitzungen der Kommission aktiv beteiligen.

Die zu erwartende Aufwertung der Kommission darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß sie ihrem Status entsprechend auch zukünftig keine politischen Entscheidungsbefugnisse haben

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wird. Sie kann bestenfalls Empfehlungen aussprechen und Initiativen ergreifen, die dann in anderen Gremien umgesetzt werden müssen.

Im Mai 1996 (voraussichtlich 21.-30.5.1996) findet eine Sondersitzung der Kommission in New York statt, auf der über Mandat und Aufgabenbereiche, die Häufigkeit der Sitzungen und die künftige Arbeitsweise beraten wird. Auch die Berichtspraxis der Kommission soll aus diesem Anlaß überprüft werden.

Im Mittelpunkt der Sondersitzung wird die Ausarbeitung eines Mehrjahresprogramms (multi-year Programme) stehen, mit dem praktisch die internationale Begleitung und Überwachung des Sozialgipfel-Follow-up bis zum Jahr 2000 strukturiert wird.

Inhaltlicher Schwerpunkt dieser Sitzung wird das Thema "Strategien und Aktionen zur Beseitigung der Armut" sein.

Welche Themen im Rahmen des Mehrjahresprogramms in den darauffolgenden Jahren auf der Tagesordnung stehen, wird auch von der Arbeitsteilung abhängen, die mit den anderen Fachkommissionen des ECOSOC, die im Follow-up der Weltkonferenzen aktiv sind, vereinbart wird.

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4.2 Die Koordination der Folgeprozesse

In den Folgeprozessen der Weltkonferenzen der letzten Jahre spielen die Fachkommissionen des ECOSOC eine wichtige Rolle. Ihre Sitzungen sind gewissermaßen die kontinuierliche Fortsetzung der Vorbereitungstagungen (der PrepComs) zu den Weltkonferenzen. Sie sind der Ort, wo die Überprüfung und Weiterentwicklung der jeweiligen Konferenzergebnisse praktisch stattfinden kann. Für NGOs bilden ihre Sitzungen den PrepComs vergleichbare zentrale Anlässe für Politikbeobachtung, Lobbying und eigene Positionsbestimmung. Dies galt bisher vor allem für die CSD.

Die Fachkommissionen des ECOSOC im Follow-up der Weltkonferenzen

  • Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED), Rio 1992
    Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD)

  • Weltmenschenrechtskonferenz, Wien 1993
    Menschenrechtskommission (CHR).

  • Internationale Konferenz über Bevölkerung und Entwicklung (ICPD), Kairo 1994
    Kommission für Bevölkerung und Entwicklung (CPD).

  • Weltgipfel für Soziale Entwicklung (WSSD), Kopenhagen 1995
    Kommission für soziale Entwicklung.

  • Vierte Weltfrauenkonferenz (FWCW), Peking 1995
    Kommission für die Rechtsstellung der Frau (CSW)


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Der ECOSOC hat auf seiner Jahrestagung darüber beraten, wie die Folgeprozesse der Weltkonferenzen koordiniert werden können. Das schließt die Frage ein, wie die Arbeit der Fachkommissionen besser aufeinander abgestimmt werden kann. Grundlage der Beratungen war ein Bericht des Generalsekretärs, in dem unter anderem aus der Fülle von Erklärungen und Aktionsprogrammen gemeinsame Themen identifiziert wurden [Fn 29: un Doc. E/1995/86 vom 9. Juni 1995 ("Coordinated follow-up to major international Conferences in the eco nomic, social and related fields. Report of the Secretary-General"). Analysiert werden in diesem Bericht die Ergebnisse folgender sechs Konferenzen: Weltkindergipfel 1990, UNCTAD XIII 1992, UNCED 1992, Welt-menschenrechtskonferenz 1993, Weltbevölkerungskonferenz 1994 und Weltsozialgipfel 1995.].

In dem Bericht werden zwölf gemeinsame Themen aufgelistet, die zu vier Themengruppen zusammengefaßt werden. An dieser Struktur werden sich vermutlich der ECOSOC und seine Fachkommissionen im weiteren Follow-up der Weltkonferenzen orientieren [Fn 30: un Doc. E/1995/86, paras. 57-59.] :

Group l: The enabling environment

  1. A stable macroeconomic policy framework conducive to development;
  2. External debt and finance for development;
  3. International trade and commodities;
  4. Science and technology;
  5. Participation, democracy, human rights, accountability and partnership with major groups and non-governmental organizations;
  6. Promoting social integration.

Group II: Basic social Services for all; primary health care, nutrition, education, safe water and sanitation, population and shelter

Group llI: Access to sustainable livelihoods, full employment and family incomes

  1. Access to productive occupational opportunities and full employment;
  2. Eradication of poverty and hunger

Group IV: Environment and natural resources

Cross-sectoral issues:

Gender equality, equity and empowerment of women;
Africa and special categories of countries



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Diese thematische Strukturierung diente bereits als Grundlage, um die Zusammenarbeit zwischen den Organisationen des UN-Systems in den Folgeprozessen der Weltkonferenzen zu verbessern. Das Administrative Committee on Coordination (ACC), dem die Leiter aller UN-Programme und Fonds, sämtlicher Sonderorganisationen, einschließlich IWF und Weltbank, sowie der WTO angehören, beschloß auf seiner Sitzung am 12. und 13. Oktober 1995, vier Arbeitsgruppen (Inter-Agency Task Forces) zur UN-übergreifenden Koordination einzusetzen. Ihre Aufgabenbeschreibung orientiert sich stark an der Einteilung im ECOSOC-Report. Allgemeines Ziel der Task Forces soll es sein, die Staaten bei der nationalen Umsetzung der Konferenz-Beschlüsse zu unterstützen [Fn 31: Vgl. UN Press Release ORG/1207 vom 17. Oktober 1995. Neben den vier neuen Task Forces existiert für die systemweite Koordination im Bereich Umwelt und Entwicklung weiterhin das Inter-Agency Committee on Sustainable Development.].

Inter-Agency Task Forces

  1. Basic Social Services for All

    Chair: UN Fund for Population Activites (UNFPA)
    Participants: UNESCO, UNICEF, WHO, United Nations Fund for Women (UNIFEM), HABITAT.

  2. Full Employment and Sustainable Livelihoods for All

    Chair: ILO
    Participants: UNDP, International Fund for Agricultural Development (IFAD), UN Industrial Development Organization (UNIDO), World Food Programme (WFP), Food and Agriculture Organization (FAO).

  3. Enabling Environment for People-Centred Sustainable Development

    Chair: Word Bank
    Participants: UNCTAD, UNDP, IMF, UNICEF, technical agencies.

  4. Empowerment and Advancement of Women (to be established later)


Besonders bemerkenswert ist, daß sich auch Weltbank und IWF an der Arbeit der Task Forces beteiligen. Darauf verweist auch UNO-Generalsekretär Boutros-Ghali ausdrücklich:

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"l am pleased to call attention to the promising dose partnership that is being forged between the United Nations, the Bretton Woods institutions, and the other specialized agencies, to ensure that these Conferences have a real, lasting impact on the alleviation of poverty in all regions of the world." [Ebd.]


Wie das Arbeitsprogramm dieser Task Forces aussieht, und welche substantiellen Ergebnisse von der neuen "Partnerschaft" zwischen UNO und Bretton-Woods-Institutionen zu erwarten sind, ist derzeit noch ungewiß.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Mai 2000

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