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[Seite der Druckausg.: 61]



Dagmar Luuk

Berlin

Ost-West / Nord-Süd

Zusammenfassung der Diskussion in der Arbeitsgruppe

David Budhoo, Sprecher der Bretton Woods Reform Organisation, Przemlyslaw Deszczynski von der Universität Posen in Polen, Ramesh Jaura, der Chefredakteur von Inter Press Service, Bonn, sowie Christoph Matschie, Markus Meckel und Gerd Weisskirchen, Abgeordnete im Deutschen Bundestag, waren die Referenten dieses Forums, das von Dagmar Luuk, Aktionskreis Nord-Süd der SPD in Berlin, moderiert wurde.

Ihre Eingangsstatements und die folgende Diskussion ließen erkennen, daß der Abbau des Ost-West-Konfliktes nicht mit gleichsam zwingender Logik eine Veränderung im Nord-Süd-Gefälle nach sich zieht. Die Chance ist offenbar gegeben, aber die reale Politik der Industriestaaten und der von ihnen dominierten Institutionen deuten weder auf die Bereitschaft hin, sie zu nutzen, noch auf den Willen zum Umdenken.

Die Diskussion zeigte auf, welche unterschiedlichen Hoffnungen und Befürchtungen der Zusammenbruch des kommunistischen Machtgefüges in den (und für die) Staaten der Dritten Welt auslöst. Thematisiert wurden aber auch konkrete Forderungen an die entwicklungspolitisch Handelnden im Norden.

Zusammengefaßt wurden folgende Themen besprochen:

  • Die immense Bedeutung des Ost-West-Konfliktes für das Verhältnis zwischen Nord und Süd, wobei die sogenannten Hallstein-, Dulles- und die Breshnew-Doktrin als unbestreitbarer Beleg für eine Ausdehnung des System-Kon-

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    fliktes auf die Entwicklungsländer genannt wurde. Die Verantwortung dafür lag sowohl bei den westlichen Staaten, als auch bei der UdSSR. Allerdings hat dieser Konflikt auch dazu geführt, daß der Süden in der Blockfreienbewegung eine Stimme hat. Übereinstimmend wurde festgestellt, daß die wichtigste Trennungslinie der Welt heute zwischen Arm und Reich verläuft bzw. zwischen den Staaten, die jeweils mehr oder weniger an dem bestehenden weltwirtschaftlichen Ungleichgewicht rühren können. Umstritten blieb, ob die osteuropäischen, ehemals kommunistischen Staaten, zum "armen Süden" oder zum "bestimmenden Norden" gehören werden.

  • Belastet durch interne ökonomische Probleme und die Aufgabe, den Systemwandel in Osteuropa abzusichern, haben die Industrienationen den Nord-Süd-Konflikt noch nicht auf Platz 1 der weltpolitischen Agenda gesetzt. Parallel dazu ist keine Aktivität in Richtung von Veränderungen beim IWF, innerhalb der Weltbank und in bezug auf die Konzeption von Entwicklungshilfe zu erkennen. Veränderte Prioritäten und Strategiediskussionen in den Industrieländern wurden für erforderlich gehalten, denn es besteht die Gefahr, daß Untätigkeit und Unwilligkeit im Norden den Nord-Süd-Konflikt nicht entschärfen, sondern anheizen.

  • Begleitend wurde in dem Abbröckeln des Ost-West-Konfliktes eine neue Gefahr für die Dritte Welt gesehen. Der Kapitalismus ist durch den Zusammenbruch der sozialistischen Staaten als überlegenes ökonomisches Modell gefestigt, was dazu führen kann, daß den Entwicklungsländern erneut ein Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell aufoktroyiert wird. Allerdings wurde auch die Möglichkeit gesehen, daß der Zusammenbruch des Kommunismus die demokratischen Kräfte in den Entwicklungsländern stärken könnte.

  • Die osteuropäischen Staaten können von den westlichen Industrienationen bevorzugt werden. Sie können aber auch einen Lerneffekt erzeugen, indem sie ein Beispiel der Schwierigkeiten von "Entwicklung" aufzeigen, das

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    vermehrtes Verständnis für die Schwierigkeiten der Entwicklungsländer hervorrufen könnte und ebenso eine Einsicht, teilen zu müssen, herstellen kann.

  • Aus den problematischen Zukunftsprognosen ergeben sich verschiedene Forderungen an die politisch Handelnden. Für die Dritte Welt wurde gefordert, nicht zu sehr auf Signale aus dem Norden zu setzen, sondern sich auf eigene Kraft und Stärke zu besinnen. Und für die Industrienationen steht zweifelsohne zunächst eine Bewußtseinsänderung an, die den Nord-Süd-Konflikt zum beherrschenden weltpolitischen Thema macht und in gemeinsamen Kraftanstrengungen, ähnlich der KSZE-Konferenz, ebenso wie in Strukturveränderungen der Entwicklungshilfepolitik mündet.

In der Diskussion wurden überwiegend grundsätzliche Veränderungen angemahnt, die Bedeutung des Gestaltungswillens stärker betont als mögliche Entwicklungen. Tatsache ist, daß sich durch die Verwässerung bzw. die Auflösung des Ost-West-Konfliktes nichts an der wirtschaftlichen Vormachtstellung des Nordens geändert hat. Wie sich der Zusammenbruch des Kommunismus auf das Nord-Süd-Verhältnis auswirken wird, hängt wesentlich von den politisch Handelnden und ihren Zielvorstellungen ab. Zwangsläufigkeiten gibt es nicht.

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© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2002

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