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[Seite der Druckausg.: 14 (Fortsetzung)]

3. Zum Ausmaß internationaler Abfallströme

In einer der wenigen umfassenden Studien zu globalen Abfallströmen kam die International Maritime Organisation im Jahre 1995 zu dem Ergebnis, daß bereits das Wissen über die Gesamtmenge der bei Produktion und Konsum anfallenden gefährlichen Abfälle spärlich ist (IMO 1995). Begründet ist dies weniger in der Absicht, sensible Daten geheim zu halten, sondern vor allem in ungeeigneten Methoden der Datenerhebung. Immerhin existieren einige Schätzungen. Das Sekretariat der Basler Konvention geht beispielsweise davon aus, daß weltweit jährlich mehr als 400 Millionen Tonnen gefährliche Abfälle produziert werden, wovon ungefähr 10 Prozent international gehandelt werden (SBC 1997, 1). [ Etwas niedrigere Angaben für den Handel innerhalb der OECD-Staaten finden sich in OECD (1997b) und OECD (1994). Siehe auch Tabelle 1.]

Hierauf gehen wir im nächsten Abschnitt kurz ein, gefolgt von einer Zusammenfassung der Datenverfügbarkeit. Anschließend werden die vorhandenen Informationen über internationale Abfallströme zusammengefaßt und bewertet. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern. In den folgenden Statistiken wird als Abgrenzungskriterium alternativ die Zugehörigkeit zur OECD oder zur Gruppe der Anlage-VII-Staaten herangezogen. Letztere umfaßt die OECD, EG und Liechtenstein, und diesen Ländern wurde 1995 mit Entscheidung III/1 der Dritten Vertragsstaatenkonferenz zur Basler Konvention verboten, gefährliche Abfälle in Länder zu exportieren, die nicht in Anlage VII aufgeführt sind (siehe Abschnitt 5.1). Gesondert eingegangen wird schließlich auf die Abfallverbringung von und nach Deutschland sowie auf die illegale Verbringung gefährlicher Abfälle. [ Die folgenden Ausführungen und insbesondere das verwendete Datenmaterial beruhen stark auf einer Studie vom Mai 1999, die „Environmental Resources Management„ (ERM) für das Sekretariat der Basler Konvention durchgeführt hat (ERM 1999). Als Informationsquelle dienten im wesentlichen die im Rahmen der nationalen Berichtspflichten für die Jahre 1993-1995 beim Sekretariat der Basler Konvention eingegangenen Angaben. Zur Ergänzung wurden drei Quellen der OECD herangezogen (OECD 1997a, 1997b und 1999). ]

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3.1 Datenverfügbarkeit und Datenqualität

Informationen über die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle lassen sich im wesentlichen aus zwei Quellen ableiten. Zum einen sind dies allgemeine Statistiken über den Warenhandel, die von den einzelnen Staaten erhoben und anschließend von internationalen Institutionen wie UNCTAD oder EUROSTAT zusammengefaßt und ausgewertet werden. Die dort bei der Erhebung von Handelsdaten verwendete Klassifizierung erlaubt jedoch oftmals keine Unterscheidung der gefährlichen Abfälle von anderen Produkten in derselben statistischen Kategorie. Hier ist das Aggregationsraster zu grob, zumal es sich bei gefährlichen Abfällen um sehr spezifische Produkte handelt, deren Abgrenzung selbst für die Zwecke der Basler Konvention nicht immer einfach ist (siehe Abschnitt 5.2).

Ein weiteres Problem ist, daß vor allem in Entwicklungsländern statt des mengenmäßigen Umfangs der Handelsströme häufig nur deren Geldwert erfaßt wird. Dieser ist bei Abfällen zumeist sehr gering und fällt daher oftmals unter die Grenzwerte für die statistische Erfassung, ungeachtet der Menge und Toxizität der Abfälle. So überrascht es nicht, daß die Angaben im Export- und Importland über dieselben Warenströme in vielen Fällen stark voneinander abweichen. [ Für eine recht ausführliche Darstellung der Probleme bei der Erhebung von Daten über die internationale Abfallverbringung siehe ERM (1999, Annex I).] Doch selbst Mengenangaben für die gehandelten gefährlichen Abfälle können irreführend sein, da beispielsweise die Konzentration der toxischen Stoffe aber auch die Eignung

[Seite der Druckausg.: 15]

der Lagerstätten oder Recyclinganlagen für die ökologische und gesundheitspolitische Beurteilung der Handelsströme wichtig sind.

Mehrere Institutionen – insbesondere das Sekretariat der Basler Konvention, die Working Group on Waste Management Policy der OECD und die World Customs Organization – arbeiten an einer Verbesserung der Informationslage, aber dies wird wohl noch einige Zeit beanspruchen (OECD 1998a, 6). Immerhin hat die OECD einen „International Waste Identification Code" aufgestellt und in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten Daten für den Zeitraum 1989 – 1993 erhoben, die allerdings noch einige Inkonsistenzen aufweisen und daher mit Vorsicht zu interpretieren sind. [ So warnt der 1997er OECD-Bericht zum grenzüberschreitenden Handel mit gefährlichen Abfällen: „Other difficulties lie in the differences of approaches and scope between national regulations. A number of countries only control the exports of hazardous wastes at the national level and rely on domestic regulations to ensure proper control of the imports; exact and comparable import data is therefore difficult to obtain. Furthermore, data provided by some countries refers to the total authorisations granted for exports or imports, and not necessarily to the actual amount of wastes moved during a particular year" (OECD 1997b, 8).] Hervorzuheben ist auch der jüngst gefaßte Beschluß der OECD-Arbeitsgruppe, das mit dem Abfallklassifizierungssystem unter der Basler Konvention konfligierende Green-Amber-Red System der OECD an die Vorgaben der Basler Konvention anzupassen. [ Vergleiche UNEP/CHW/C.1/4/7.]

Eng zusammenhängend hiermit sind Bemühungen um eine internationale Harmonisierung der Klassifizierung von Abfällen in nationalen und internationalen Kontrollsystemen und Zollcodes. Hierdurch würde die Kontrolle internationaler Abfallströme erheblich vereinfacht. Zugleich wäre eine Grundlage für die Erhebung aussagekräftiger Daten über den Umfang des internationalen Handels mit gefährlichen Abfällen geschaffen. Die Technische Arbeitsgruppe und das Sekretariat bemühen sich insoweit um eine Abstimmung mit der World Customs Organization (WCO), dem United Nations Committee of Experts on the Transport in Dangerous Goods (UNCETDG), der IMO sowie der OECD. [ Siehe UNEP/CHW/WG.4/15/3.]

Die zweite Informationsquelle sind Daten, die speziell für die Quantifizierung der internationalen Verbringung gefährlicher Abfälle erhoben wurden – zumeist um den Berichtspflichten entsprechend des Basler Übereinkommens, der EG-Abfallverbringungsverordnung oder des OECD-Ratsbeschlusses nachzukommen. In Deutschland ist hierfür die Anlaufstelle Basler Übereinkommen am Umweltbundesamt zuständig.

Allerdings sind für die Jahre 1993 bis 1995 lediglich 18 bis 27 Vertragsparteien der Basler Konvention ihren Berichtspflichten nachgekommen. Nur 18 Prozent der Nicht-Anlage-VII-Staaten haben überhaupt für eines der drei Jahre Daten übermittelt, bei den Anlage-VII-Staaten waren es immerhin 70 Prozent (ERM 1999, 8 und Tabelle 3.1.2a). Besonders den Entwicklungsländern fehlen oftmals die Kapazitäten, um die erforderlichen Daten zu erheben. Aufgrund der geringen Anzahl berichtender Länder ist zudem eine Abgleichung der Export- und Importdaten nur in den wenigsten Fällen möglich, was die Verläßlichkeit der Informationen weiter beeinträchtigt. So sollten die folgenden Ausführungen denn auch mit Vorsicht betrachtet werden.

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3.2 Grenzüberschreitende Abfallverbringung innerhalb der OECD

Wesentliche Ergebnisse für den Handel mit gefährlichen Abfällen innerhalb der OECD sind in Tabelle 1 zusammengefaßt. Es läßt sich ablesen, daß sowohl der absolute Umfang der Exporte als auch ihr Anteil an der Gesamtproduktion gefährlicher Abfälle leicht rückläufig sind; allerdings stiegen die Exportmengen 1995 wieder an. Interessant ist auch, daß der Anteil der zur Weiterverarbeitung bestimmten Abfälle zunimmt.

[Seite der Druckausg.: 16]

Tabelle 1: Export gefährlicher Abfälle innerhalb der OECD

1990

1991

1992

1993

1994

1995

Gesamtexporte „gefährlicher Abfälle„ aus OECD-Staaten (in Tonnen)

1.801.108

1.941.317

1.425.962

1.396.470

1.065.000

1.433.000

Durchschnittlicher Anteil der Exporte an der Gesamtproduktion gefährlicher Abfälle (in %)

k. A.

6.0

4.2

4.3

k. A.

k. A.

Durchschnittlicher Anteil*, der in Endlagerung geht (in %)

53,1

51,3

49,8

41,6

k. A.

k. A.

Durchschnittlicher Anteil*, der wiederverwendet wird (in %)

46,9

48,7

50,2

58,4

k. A.

k. A.

Davon (in %):

  • Recycling/Wiedergewinnung von Metallen und Metallverbindungen

42,6

19,7

51,0

51,5

k. A.

k. A.

  • Verwendung als Brennstoff zur Energiegewinnung

9,5

2,4

7,9

10,3

k. A.

k. A.

  • Recycling anorganischer Materialien

7,5

61,8

12,1

8,9

k. A.

k. A.

* Diese Durchschnitte basieren lediglich auf Daten aus jenen Ländern, für die eine Unterscheidung zwischen Endlagerung und Wiederverwendung möglich ist.

Quellen: Für die Jahre 1990-1993: OECD (1998a, 22 und 66); basierend auf Daten aus OECD (1993, 1994, 1997b). Für die Jahre 1994-1995: ERM (1999, Tabelle 3.1.5c); basierend auf Daten aus OECD (1997a) und USA Export Daten der Environmental Protection Agency (EPA).

Für Deutschland liegen Angaben für den Zeitraum 1994-1996 vor, die in Tabelle 2 wiedergegeben sind. Frühere Daten lassen sich nicht zum Vergleich heranziehen, da mit dem Inkrafttreten der EG-Abfallverbringungsverordnung eine veränderte Klassifikation und Definition gefährlicher Abfälle zur Anwendung kommt (Umweltbundesamt 1997, 444). Auch der starke Anstieg der Gesamtexporte – und zwar insbesondere der von gemäß dem Basler Übereinkommen als gefährlich eingestuften Abfälle von 336.445 auf 821.718 Tonnen – läßt sich zu großen Teilen hierauf zurückführen.

Ungeachtet dessen besteht auch für Deutschland ein starker Trend, daß Abfallexporte vermehrt zur Weiterverwertung bestimmt sind. Innerhalb von nur zwei Jahren wuchs deren Anteil an den Gesamtexporten von etwas mehr als 50 Prozent auf über 90 Prozent. Außerdem zeigt ein Vergleich mit den in Tabelle 1 angegebenen Gesamtexporten aus OECD-Staaten, daß der Anteil Deutschlands an den gesamten statistisch erfaßten internationalen Abfallverbringungen mit 30 bis 50 Prozent beträchtlich ist. Zwar ist der Vergleich verschiedener Datenquellen aufgrund der oben angeführten Probleme mit Vorsicht zu betrachten, doch ein Vergleich der Anzahl der deutschen Exporte mit der Gesamtzahl der Exporte jener Staaten, die

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ihren Berichtspflichten im Rahmen der Basler Konvention nachgekommen sind, ergibt einen ähnlich hohen Anteil (siehe Tabelle 3).

[Seite der Druckausg.: 18]

Tabelle 2: Grenzüberschreitende Abfallverbringung aus Deutschland, in Tonnen
Bestimmungsland 1994 1995 1996

Belgien

157.385

216.195

185.151

Brasilien

105

--

--

Bulgarien

9.866

--

138

China

--

496

924

Dänemark

36.654

50.710

55.697

Estland

--

--

1.945

Finnland

1.423

556

2.722

Frankreich

122.243

247.897

209.241

Großbritannien

37.404

34.498

41.701

Indien

--

3.661

1.216

Israel

--

35

39

Italien

24

2.484

112.791

Kanada

121

1.256

216

Kasachstan

--

676

584

Korea, Süd

--

--

193

Kroatien

5.970

8.284

19.598

Litauen

--

935

--

Luxemburg

--

22.694

58.222

Malaysia

--

--

309

Mexiko

--

--

440

Niederlande

90.224

167.253

175.938

Norwegen

2.963

12.564

13.728

Österreich

3.452

8.192

6.480

Polen

2.861

18.831

14.699

Portugal

--

1.212

610

Rumänien

--

--

93

Schweden

--

37.393

42.710

Schweiz

19.542

29.745

25.014

Slowakei

1.246

22.907

27.972

Slowenien

--

1.459

--

Spanien

23.374

31.995

44.008

Tschechien

4.198

108.460

94.086

Ukraine

--

110

243

Ungarn

8.185

44.089

49.221

USA

542

23.144

34.149

Weißrußland

--

1.812

--

Summe

527.782

1.099.543

1.220.078

Davon zur Verwertung

280.706

938.642

1.107.895

Davon zur Beseitigung

247.076

160.901

112.183

Davon Siedlungsabfälle
(nach LAGA-Gruppe91)

8.203

32.369

28.943

Davon gefährliche Abfälle
(nach Basler Übereinkommen)

336.445

740.272

821.718

Quelle: Umweltbundesamt, Anlaufstelle Basler Übereinkommen (http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-daten/daten/gav/sta.htm); Stand: 08.06.1998.

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Tabelle 3: Importe und Exporte gefährlicher Abfälle in Anlage-VII- und Nicht-Anlage-VII-Staaten, 1993-1995

Gesamtzahl der belegten Exporte

Exporte in Nicht-Anlage-VII-Staaten

Gesamtzahl der belegten Importe

Importe aus Nicht-Anlage-VII-Staaten

Finnland

11

0

46

3

Deutschland

201

0

134

7

Griechenland

4

0

1

0

Luxemburg

51

0

0

0

Niederlande

48

0

19

0

Portugal

2

0

0

0

Spanien

15

0

17

1

Schweden

27

0

9

0

Großbritannien

20

1

222

7

Tschechien

0

0

0

0

Ungarn

0

0

0

0

Island

19

0

0

0

Japan

2

0

1

1

Mexiko

0

0

2

0

Norwegen

35

0

12

0

Summe

435

1

463

19


Quelle: ERM 1999, Tabelle 3.1.5b; basierend auf Angaben des Sekretariats der Basler Konvention, die im Rahmen der nationalen Berichtspflichten eingingen.

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3.3 Legale und illegale Abfallverbringung zwischen OECD- und Nicht-OECD-Staaten

Zum weitaus größten Teil gingen die deutschen Exporte gefährlicher Abfälle in andere OECD-Staaten, insbesondere in die angrenzenden Benelux-Länder (Tabelle 2). Dies ist durchaus repräsentativ für die gesamte Gruppe der Anlage-VII-Staaten, wie Tabelle 3 zeigt. Beschränkt auf die dort angeführten Länder ging nur 1 Export (von 453) in ein Nicht-Anlage-VII-Land, und in umgekehrter Richtung gab es 19 Importe aus Ländern, die nicht in Anlage VII aufgeführt sind. Schließt man auch jene Fälle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle mit ein, für die lediglich aus dem Importland oder dem Exportland Informationen vorliegen, erhält man allerdings substantiell höhere Werte (ERM 1999, Tabelle 3.1.5d). Beispielsweise berichtet Deutschland für den Zeitraum 1993-1995 insgesamt 7 Eporte in Nicht-Anlage-VII-Staaten und 11 Importe aus dieser Gruppe.

Auffällig ist, daß die Importe aus Nicht-Anlage-VII-Staaten die Exporte dorthin übersteigen. Umweltpolitisch ist dies durchaus sinnvoll, denn die Kapazitäten und das technische Know-how für einen angemessenen Umgang mit gefährlichen Abfällen ist in den Anlage-VII-Staatenn sicherlich größer. Zudem konzentrieren sich die Exporte in Nicht-Anlage-VII-Staaten auf einen eng begrenzten Bereich von Stoffen, typischerweise Metallschrott, der als Rohmaterial für Produktionsprozesse verwendet wird (ERM 1999, 14).

Die These vom Süden als ‚Müllkippe‘ des Nordens wird zumindest von diesen Daten also nicht gestützt. Inwiefern hierin bereits ein Erfolg der Basler Konvention zum Ausdruck kommt,

[Seite der Druckausg.: 20]

Tabelle 4: Vorhaben für die Verbringung gefährlicher Abfälle aus OECD- in Nicht-OECD-Staaten

1989

1990

1991

1992

1993

Gesamt

Anzahl der tatsächlich durchgeführten
Transporte

5

16

30

155

72

278

Anzahl der im Importland zurückgewiesenen Transporte

31

41

28

25

10

135

Anzahl der im Exportland gestoppten oder ins Exportland zurückgeschickten Transporte

7

18

7

27

16

75

Anzahl der ergebnislos vorgeschlagenen oder geplanten Transporte

1

3

4

13

14

35

Anzahl der aufgegeben Exporte oder solche mit unbekannten/anderen Ergebnissen

25

28

29

48

14

144

Anzahl der gesamten bekannten Exportpläne

69

106

98

268

126

667

Quelle: Krueger 1996; basierend auf Greenpeace Database of Known Hazardous Waste Exports from OECD to non-OECD Countries, 1989 – March 1994. Entnommen aus OECD (1998a).


läßt sich allerdings nur schwer bestimmen. Außerdem ist es natürlich wichtig, die nicht in den offiziellen Statistiken auftauchenden Fälle der illegalen Abfallverbringung zu berücksichtigen.

Eine den Zeitraum 1989-1993 betreffende und somit etwas ältere Zusammenstellung der Exportvorhaben für gefährliche Abfälle in Länder außerhalb der OECD ist in Tabelle 4 wiedergegeben. Auch dort fällt auf, daß die Anzahl der gesamten bekannten Exportpläne während des Zeitraums 1989-1993 mit 667 Fällen relativ gering ist, zumal hiervon am Ende weniger als die Hälfte tatsächlich verwirklicht wurde.

Montgomery (1995, 6ff) kommt in seiner Auswertung der Greenpeace Datenbank für die Jahre 1970 bis 1990 zu noch geringeren Zahlen. Für die Entwicklungsländer mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 1.840 US-$ zählt er 103 Exportvorhaben für gefährliche Abfälle, von denen aber nur 16 tatsächlich durchgeführt wurden. In der Hälfte dieser Fälle wiederum protestierten die Importländer nach Aufdeckung des Handels und zwangen die Exportstaaten zur Rücknahme der Abfälle. Für Länder mit einem mittleren Einkommen kommt Montgomery auf 98 geplante und 41 durchgeführte Handelsvorhaben mit gefährlichen Abfällen.

Die Greenpeace Datenbank, auf denen die vorangegangenen Angaben beruhen, wird im allgemeinen als verhältnismäßig gut bewertet – zumindest gibt es keine bessere Quelle für den Zeitraum, bevor die Berichtspflicht unter der Basler Konvention begann. Beispielsweise bezeichnet UNEP (1994, 335) sie als zuverlässige Schätzung für den Export gefährlicher Abfälle in Entwicklungsländer. Strittig ist allerdings, inwieweit die Greenpeace Datenbank ein umfassendes Bild liefert oder nur die Spitze des Eisbergs darstellt.

Montgomery (1995, 13ff) bezweifelt die von vielen Nichtregierungsorganisationen vertretene These von der „Spitze des Eisbergs„, und selbst wenn man die kriminelle Energie der „Abfall-Broker" als hoch einschätzt, gibt es hierfür plausible Gründe. Zum einen werden die Firmen, bei denen gefährliche Abfälle anfallen, zunehmend für deren Verbleib haftbar gemacht, so daß sie zur Abwendung möglicher Klagen von sich aus ein Interesse an einem verantwortlichen Umgang mit den Abfällen haben. Zum anderen erscheint die illegale Entsorgung innerhalb der einzelnen OECD-Länder und der EU oftmals weniger riskant als deren Export in Entwicklungsländer. Denn die Kontrolle der internationalen Handelsströme und deren Ver-

[Seite der Druckausg.: 21]

schiffung unterliegt – nicht zuletzt Dank der Basler Konvention – inzwischen einem recht ausgefeilten Kontrollsystem.

Letztlich liegt es jedoch in der Natur des illegalen Handels, daß dessen Umfang nicht genau bestimmt werden kann. Wie im folgenden gezeigt wird (Abschnitt 4.2.1), wurde in der Basler Konvention immerhin der Begriff des illegalen Abfallhandels erstmals definiert, und seiner Vermeidung wurde hohe Priorität zugesprochen. So erstellt das Sekretariat der Konvention einen jährlichen Bericht zu illegalem Abfallhandel und kooperiert hierbei mit anderen Organisationen der Vereinten Nationen, Interpol, der World Customs Union, den Sekretariaten der regionalen Konventionen zur Abfallverbringung, Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace und dem Basel Action Network sowie Industrieorganisationen. Ungeachtet dessen gibt es unseres Wissens keine systematische Zusammenfassung der diesen Institutionen bekannten Fälle illegaler Abfallverbringung. [ Siehe hierzu ERM (1999, Annex II). Interpol berichtet für 1997 von 27 Fällen der Umweltkriminalität und für 1998 von 16 Fällen. Allerdings ist der Inhalt dieser Fälle vertraulich und es ist nicht möglich, hieraus irgendwelche Schlüsse über das Ausmaß der illegalen Abfallverbringung zu ziehen.]

Ein Bereich, der bislang weder im politischen Diskurs noch beim Entwurf des rechtlichen Rahmens für den internationalen Handel mit gefährlichen Abfällen eine große Rolle gespielt hat, ist die Abfallverbringung zwischen einzelnen Entwicklungsländern. Politisch läßt sich dies aus der Verknüpfung des Basler Übereinkommens mit dem Nord-Süd-Konflikt erklären, unter dem Gesichtspunkt des Umwelt- und Gesundheitsschutzes ist diese Vernachlässigung jedoch kaum zu rechtfertigen. Denn es gibt a priori keinen Grund zu der Annahme, daß mit Importen gefährlicher Abfälle aus anderen Entwicklungsländern angemessener umgegangen wird als mit solchen aus Industrieländern.

Die Dynamik der internationalen Abfallströme, das Exportverbot und die weitgehende Ausrichtung des im folgenden diskutierten Regelungsrahmens auf die Nord-Süd-Problematik könnten dieses Thema schon bald weit stärker als bisher in den Vordergrund rücken. Denn während die Verbringung gefährlicher Abfälle aus OECD- in Nicht-OECD-Staaten auf relativ niedrigem Niveau stagniert oder rückläufig ist, zeigen neuere Erhebungen einen substantiellen Anstieg des Handels der Entwicklungsländer untereinander (ERM 1999, 14-15 und Tabelle 3.1.5f).


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 1999

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