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Zukunftsentwürfe



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Arbeit für alle

Unter der Überschrift „Arbeit teilen. Neue Arbeits(zeit)modelle" veranstaltete das Landesbüro Brandenburg eine Fachkonferenz. Vorrangiges Thema waren neue Arbeitszeitmodelle, die in Ostdeutschland angesichts der immer noch wachsenden Arbeitslosigkeit eine besondere Brisanz haben.

Die RednerInnen stellten laufende Modellprojekte aus der Privatwirtschaft und dem öffentlichen, speziell dem kommunalen Sektor vor. Anhand dieser Erfahrungsberichte zeigte sich, daß die Umgestaltung herkömmlicher Arbeitszeitmodelle und Arbeitsabläufe nicht nur positiv auf die Beschäftigungsquote wirkt, sondern durch verbesserte Organisation und mehr Teamarbeit auch zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens beitragen kann.

Gerade Frauen interessieren sich oft für neue Arbeitszeitmodelle, um Beruf und Familie, Fortbildung und andere Interessen leichter in Einklang bringen zu können. Viele Männer teilen dieses Bedürfnis inzwischen. Gleichzeitig befürchten sie aber, daß vor allem Modelle etabliert würden, die mit besonders niedrigen Einkommen die privaten Haushalte weiter belasten würden.

Ein Vorbild ist auf diesem Gebiet die Stadt Frankfurt/Oder: Hier hat die Stadtverwaltung mit Zustimmung der Beschäftigten ab Oktober 1997 die 38- statt der bisherigen 40-Stunden-Woche eingeführt, allerdings ohne Lohnausgleich. Den MitarbeiterInnen werden als Gegenleistung für fünf Jahre ihre Arbeitsplätze garantiert. Fürs erste ist der geplante Arbeitsplatzabbau damit gestoppt. Darüber hinaus bekommen ungefähr 75 Auszubildende, die kaum Chancen für eine Anstellung hatten, die Aussicht auf einen festen Arbeitsplatz in der Verwaltung.

In Brandenburgs Wirtschaft könnte die Einführung von Mobilzeit und anderen Varianten der Flexibilisierung bis zu 30.000 neue Arbeitsplätze schaffen, prognostizierte das Progreß-Institut für Wirtschaftsforschung in Teltow. Zusätzlich könnten auf diesem Wege weitere Kündigungen vermieden werden. Allerdings zeigt die Untersuchung auch, daß es im öffentlichen Dienst aufgrund überalterter und festgefahrener Strukturen bei der Umsetzung moderner Arbeitszeitmodelle noch erhebliche Defizite gibt.

Bisher werden diese Vorschläge vor allem von Gleichstellungsbeauftragten unterstützt, die sich deswegen häufig in schwierigen Auseinandersetzungen mit Vorgesetzten und Führungskräften befinden. Die TeilnehmerInnen, Gleichstellungsbeauftragte, Personalratsvorsitzende und AmtsdirektorInnen aus brandenburgischen Verwaltungen, bestätigten diese Einschätzung.

Im Schlußgespräch kristallisierte sich für zukünftige Seminare der Wunsch heraus, die Veranstaltungen gezielt auf den kommunalen Sektor auszurichten. Gleichstellungsbeauftragten könnten mit diesem Zuschnitt weitere Strategien und Argumentationshilfen an die Hand gegeben werden. Die Umstrukturierung bestehender Arbeitsverhältnisse zur Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze bekäme damit neue Impulse.

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Alterssicherung in Europa

Drei Frauengenerationen aus fünf Ländern diskutierten im Oktober auf Einladung der Fritz Erler Akademie über Geschlechterverhältnisse und Alterssicherungsmodelle in Europa. In Zusammenarbeit mit Dr. Mechthild Veil vom Herausgeberinnen-Kreis der Feministischen Studien wurde für das diesjährige Freudenstädter Forum Solidarität der Generationen das Thema „Geschlechterverhältnis und Alterssicherung - nur ein deutsches Problem?" ausgewählt.

Dr. M. Veil eröffnete das Forum mit einer Defizit-Analyse des deutschen Alterssicherungssystems und seiner Konsequenzen für verschiedene Frauengenerationen in den alten und neuen Ländern. Dieser Beschreibung des negativen Ist-Zustandes stellte Hille Maurus, Wahlkreismitarbeiterin der Vorsitzenden des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung Ulrike Mascher, die Vorschläge der SPD-Rentenreformkommission gegenüber. Die deutschen Momentaufnahmen wurden ergänzt durch „Länderberichte" zu den in europäischen Nachbarstaaten diskutierten Reformmodellen.

Dr. Christopher Prinz vom Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung in Wien präsentierte die Ergebnisse einer Studie, die er im Auftrag des österreichischen Frauenministeriums erstellt hatte. Forschungsgegenstand waren Möglichkeiten, „neue Wege der eigenständigen Alterssicherung von Frauen" zu beschreiten, ohne im Rahmen des dem deutschen nahe verwandten österreichischen System weitere Kosten zu verursachen. Es wurde außerdem untersucht, welche Auswirkungen die vorgeschlagenen Modelle auf verschiedene Gruppen von Frauen haben würden (berufstätige Ehefrauen, Hausfrauen, Spätgeschiedene, Alleinerziehende). Zum Abschluß dieses Blocks berichtete Dr. Hannelore Jani vom Altersforschungsinstitut in Prais über aktuelle Entwicklungen der französischen sécurité sociale.

Als Personifizierung des direkten Zusammenhangs der Kämpfe von Frauen um Gleichberechtigung und den Auseinandersetzungen um ihre eigenständige soziale Sicherung trat Dr. Emilie Lieberherr aus Zürich auf. Die Gewerkschafterin und Frauenrechtlerin hat alle Nachkriegskämpfe um das Frauenstimmrecht in der Schweiz mit ausgefochten, wurde als erste Frau in die Zürcher Stadtregierung gewählt und hat dort über Jahre die soziale Arbeit der Stadt geprägt. Sie hat als Mitglied des Ständerats, der zweiten Kammer des Berner Parlaments, die für die eigenständige Alterssicherung der Frauen so entscheidende 10. Revision der AHV (Arbeitslosen-Hilfe-Verordnung) mitgestaltet. Schließlich hat sie nach ihrer aktiven Zeit als Politikerin in Stadt, Kanton und Bund das Amt der Präsidentin des Schweizerischen Rentnerverbandes übernommen. In ihrem Referat warb Dr. Lieberherr dafür, daß sich die Frauengenerationen nicht auseinanderdividieren lassen dürften. Ihre politischen und sozialen Interessen könnten nicht getrennt betrachtet werden.

Einen besonders starken Eindruck hinterließ der Beitrag über soziale Rechte der Frauen in Schweden: Unterstützt von Kay Förster, der Tochter Alva Myrdals, veranschaulichte die 80jährige Frauen- und Altersrechtlerin Tullia von Sydow, Mutter des gegenwärtigen schwedischen Verteidigungsministers, die grundlegenden Unterschiede zwischen dem schwedischen und dem deutschen System: Er liegt darin, ob ein Sozialstaat die Gleichheit der Geschlechter als eine seiner Grundlagen und eines seiner vorrangigen gesellschaftspolitischen Ziele betrachtet, oder ob Gleichheit, Gleichstellung und Gleichberechtigung nur einige unter vielen Maßstäben sind, die man nachträglich an ein System der Alterssicherung anlegt, um seine Plausibilität, wenn schon nicht seine Legitimität zu belegen.

Zum Abschluß faßte Dr. Kirsten Scheiwe vom Mannheimer Institut für Europäische Sozialforschung die Forderungen der jüngeren Frauengenerationen mit ihren „Patchwork-Lebensläufen" zusammen. Neben dem Zugang zur Erwerbstätigkeit, den Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik für Frauen sichern müssen, bleibt der Zugang zu einer eigenständigen Alterssicherung entscheidend für die soziale Gleichheit von Frauen und Männern. Ein Zugang, der Frauen nicht das Erreichen männlicher Standard-Erwerbs-Verläufe abverlangt, die auch viele Männer heute und erst recht in Zukunft nicht erfüllen können.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1998

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