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Carlos García und Alfred Stoll
Im Schatten der Weltwirtschaft
- Der Fall Mexiko


Die Textil- und Bekleidungsindustrie Mexikos war - wie der gesamte Industriesektor - über Jahrzehnte hinweg im Rahmen einer protektionistischen Wirtschaftspolitik durch hohe Zollschranken gegen die Weltmarktkonkurrenz geschützt. Der Beitritt zum GATT im Jahre 1986 leitete eine außenwirtschaftliche Öffnung ein, die von der jetzigen Regierung unter Präsident Carlos Salinas de Gortari mit Nachdruck vorangetrieben wird. Verhandlungen zwischen den USA, Kanada und Mexiko über eine Freihandelszone wurden im August 1992 abgeschlossen. Mit Chile wurde bereits ein Freihandelsabkommen unterzeichnet. Weitere Abkommen sind mit anderen zentral- und lateinamerikanischen Staaten geplant.

Nach der außenwirtschaftlichen Öffnung war die mexikanische Industrie, bedingt durch die langwährende Abschirmung der Weltmarktkonkurrenz, im Vergleich zu anderen Industrieländern technologisch rückständig. Auf niedrigem Produktivitätsniveau wurden Güter geringer Qualität zu vergleichsweise hohen Produktionskosten hergestellt. Auf der anderen Seite drängten vor allem aus den USA und Asien hochwertige und preisgünstige Produkte auf den nationalen Markt. Dies führte zu einer Abnahme des Anteils des Textil- und Bekleidungssektors an der gesamten verarbeitenden Industrie: 1980 betrug der Anteil knapp 11 Prozent, für 1992 schätzt man nur noch einen Anteil von acht Prozent (s. Grafik I).

Grafik I: Anteil der Textil- und Bekleidungsindustrie

am Nettoproduktionswert der verarbeitenden Industrie

(Graphik nicht enthalten)

Zum anderen erwirtschaftet der Sektor ein zunehmendes Außenhandelsdefizit (s. Grafik II).

Grafik II: Außenhandel des Textil- und Bekleidungssektors

(in Mio Dollar)

(Graphik nicht enthalten)

Die Gesamtzahl der Betriebe im Textilsektor lag 1990 bei ca. 2.200, hiervon waren 86 Prozent Kleinbetriebe mit maximal 49 Arbeitskräften. Von den etwa 170.000 Arbeitskräften dieses Sektors sind lediglich 10 bis 15 Prozent Frauen. Dieser Anteil entspricht einem Gesamtanteil der in der verarbeitenden Industrie Tätigen von fünf Prozent. Durch immer weitere Unternehmenszusammenschlüsse und der vertikalen Integration von Produktionsprozessen wird in den nächsten Jahren mit einem Rückgang der Betriebe und Beschäftigten gerechnet. Die Produktionsanlagen sind zum größten Teil völlig veraltet; nur wenige Betriebe verfügen über moderne Anlagen.

Der Anteil der Textil- und Bekleidungsindustrie am Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt ca. 2,5 Prozent. Beide Sektoren beschäftigen ca. 27 Prozent der Arbeitskräfte. Gut 290 Lohnveredelungsbetriebe (Maquiladoras), die fast ausschließlich im Konfektionsbereich arbeiten und ca. sechs Prozent des BIP erwirtschaften, wurden 1990 mit 42.000 Beschäftigten registriert.

Aufgrund der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit den USA und Kanada sind ca. 3.800 Unternehmen sowie Klein- und Mittelbetriebe mit ca. 100.000 Arbeitsplätzen in ihrer Existenz gefährdet. Die Gewerkschaften befürchten, daß die notwendige Erhöhung von Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit vor allem zu Lasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen und der Druck auf diese zunehmen wird. Es wird als notwendig betrachtet, die Produktivität des Sektors durch Modernisierung des Maschinenparks zu erhöhen. Es wird erwartet, daß durch den Abschluß des Freihandelsabkommens in- und ausländische Investitionen gefördert werden. Das Handelsministerium hat ein spezifisches Programm zur Förderung des Textil- und Bekleidungssektors in Zusammenarbeit mit Unternehmervertretern ausgearbeitet.

Besonders im Textilsektor werden die Arbeitsbeziehungen nicht durch die zwischen Unternehmer und Gewerkschaften ausgehandelten Haustarifverträge (Contratos Colectivos) geregelt, sondern durch Branchentarifverträge zwischen Arbeitgebern und Branchengewerkschaften (Contratos Ley). Die Branchentarifverträge werden im Gesetzesanzeiger durch Veröffentlichung rechtskräftig. Von der Unternehmerseite wird kritisiert, daß aufgrund globaler Vereinbarungen die Branchentarifverträge die Flexibilisierung der Arbeitsbeziehungen blockieren.

Im Unterschied zum Textilsektor werden im Bekleidungssektor Tarifverträge auf Unternehmensebene zwischen Arbeitgeber und Betriebsgewerkschaften vereinbart. In der Mehrzahl der Betriebe des Textilsektors sind Gewerkschaften vertreten, die wiederum auf nationaler Ebene in einer Branchengewerkschaft zusammengeschlossen sind. In der Bekleidungsindustrie hingegen sind wegen der kleineren Betriebsgrößen in den meisten Unternehmen überhaupt keine Gewerkschaften vertreten. Insbesondere die Arbeitnehmerinnen in den Betrieben des informellen Sektors haben keinen gewerkschaftlichen Schutz. In fast allen Betrieben, in denen eine anerkannte Gewerkschaft existiert, ist die Zwangsmitgliedschaft aller Beschäftigten üblich.

In der Textilindustrie, in der überwiegend männliche Arbeitskräfte beschäftigt sind, entspricht das Niveau der Löhne und Sozialleistungen aufgrund des Branchentarifvertrages etwa dem Durchschnitt des verarbeitenden Gewerbes und liegt über den gesetzlichen Mindestnormen. In der Bekleidungsindustrie hingegen, in der vor allem Frauen beschäftigt sind, liegen die Löhne und Sozialleistungen um bis zu 60 Prozent unter dem Niveau anderer Branchen des verarbeitenden Gewerbes. Der durchschnittliche Stundenlohn in der Bekleidungsindustrie lag 1991 bei umgerechnet knapp einer Deutschen Mark.

In fast allen Klein- und Kleinstbetrieben werden die gesetzlichen Mindeststandards bei weitem nicht erreicht und es herrschen häufig menschenunwürdige Arbeitsbedingungen. Gravierende Probleme hinsichtlich der Arbeitsbedingungen sind: schlechte Be- und Entlüftung der Arbeitsräume, staubhaltige Luft, starke Geräuschbelästigung, hohe Temperaturen, schlechte Beleuchtung, unzureichende Sanitäreinrichtungen, minderwertige Werkzeuge, fehlende oder minimale Sicherheitsvorkehrungen etc. Darüber hinaus sind Arbeiterinnen häufig sexuellen Belästigungen und körperlicher Gewalt ausgesetzt.

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Literatur:

Bundesstelle für Außenhandelsinformationen.

Branchenbild: Mexiko: Bekleidung, März 1992, Köln.

Branchenbild: Mexiko: Textilien, März 1992, Köln.

Bancomer, Panorama economico, 1er Bimestre, 1992, Mexiko.

Nacional Financiera, El Mercado de Valores, Nr. 4, 15.2.92, Mexiko.

El Financiero, 13.5.1992, Mexiko.

La Jornada, 24.5.1992, Mexiko.


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