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TEILDOKUMENT:
Internationaler Workshop
Am 1./2. Juni veranstaltete die FES den internationalen Workshop "Früherkennung und Vermittlung gewaltsamer Konflikte - Chancen für Prävention." Mehr als 50 Teilnehmer aus Politik, Wissenschaft, den Medien, Kirchen und anderen Nicht-Regierungsorgansationen (NROs) diskutierten über die Chancen für eine bessere Früherkennung und Vermittlung gewaltsamer Konflikte. In seiner Eröffnungsrede wies Staatsminister Harald Schäfer u.a. darauf hin, es sei bei diesem Thema notwendig, einen langen Atem zu haben und keine überzogenen Erwartungen zu entwickeln. Für die Prävention sei der Ausbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ein entscheidender Faktor. Gegenwärtig existieren 31, fast alle innere, bewaffnete Konflikte. Viele weitere gesellschaftliche Auseinandersetzungen können in organisierte Gewalt umschlagen. Vereinte Nationen, Regionalorganisationen, und auch die Bundesregierung und zivilgesellschaftliche Kräfte sind zu einem aktiven Beitrag zu Früherkennung, Vermittlung und Friedenskonsolidierung aufgerufen.
Konflikte
Gleich eingangs wurde betont, daß Konflikte an sich nichts Negatives sind. Sie werden es erst dann, wenn sie in organsierte Gewaltanwendung umschlagen, weil sich eine oder mehr Konfliktparteien hiervon eine schnelle Durchsetzung ihrer Interessen erwartet. Die Existenz und Schwere von Konflikten wird uns durch die Medien vermittelt; deren Berichterstattung spiegelt nicht die objektive Auswahl, z.B. nach der Schwere des Konfliktes, wieder, sondern entwickelt sich unter den besonderen Bedingungen der Medienarbeit, wie z.B. Zugang zum Konfliktort, Vermarktung von Konflikten und anderer Faktoren. Aus der Gesamtzahl von Konflikten erfahren wir über einige mehr als über andere, abhängig von der - in diesem Sinn - dramatisierenden Medienberichterstattung. Von allen Konflikten wird es nur einen bestimmten Prozentsatz geben, der lokalen und auch internationalen Konfliktvermittlungsversuchen zugänglich ist. Es wäre eine wichtige Aufgabe der Forschung, die Kriterien für erfolgreiche Konfliktvermittlng (KV) und die Erfahrungen mit weniger erfolgreichen bzw. gescheiterten KV-Bemühungen zusammenzutragen und diese in gedrängter, gut lesbarer Form den auf diesem Gebiet arbeitenden NROs zur Verfügung zu stellen. Es ist auch wichtig, über Früherkennung und Prävention hinaus die Bereiche "Faktoren für Kriegsbeendigung" und "Aufgaben der Friedenskonsolidierung" zu studieren. Insgesamt zeigte sich großes Interesse des Workshops, den Konfliktprozeß in seinen Phasen genauer kennenzulernen, um besser zu verstehen, in welcher Phase welche staatlichen und zivilgesellschaftlichen KV-Versuche mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg stattfinden können. Gleichzeitig wurde aber auch vor zu großen Erwartungen gewarnt, schnell etwas ausrichten zu können. Notwendig seien ein langer Atem, sorgfältig konzipierte Schritte und vor allem die Stärkung oder der Wiederaufbau lokaler KV-Kapazitäten; internationaler VM könne nationale Bemühungen stärken, sollte sie aber nur dann (zeitweilig) zu ersetzen versuchen, wenn dies unumgänglich ist.
Fälle: Burundi, Liberia und Venezuela
Der rote Faden dieser drei Beispiele war der zunehmende Verlust des staatlichen Gewaltmonopols, das rechtsstaatlich ausgeübt werden sollte; Folge ist sowohl eine Zunahme staatlicher Übergriffe gegenüber der Bevölkerung, als auch, bei einem Zerfall des Staates, der steigenden Gewaltanwendung zwischen Bevölkerungsgruppen (Milizen). Zahlreiche Ursachen und Beschleunigungsfaktoren für bewaffnete Konflikte wurden diskutiert, darunter - die Verschärfung wirtschaftlich-sozialer Krisen, die sich in politische Krise transformieren, - der Verlust der Legitimität traditioneller politischer Institutionen, - Konflikte über Ressourcen, die ethnisch inszeniert und legitimiert werden, - schwere Menschenrechtsverletzungen, die zu einer Lage, führen können, in der die KV-Verhandlungen mit den hierfür politisch und militärisch Verantwortlichen, den Tätern, geführt werden müssen; hier kann es zu Zielkonflikten bei der KV kommen, z.B. Herbeiführung eines baldigen Waffenstillstandes, Verringerung der Menschenrechtsverletzungen und dem Versuch, die Täter zur Verantwortung zu ziehen u.a.). Bei der KV ist zu fragen, ob als Lösungsversuche ausschließlich demokratische Verfahren wie z.B. Wahlen angemessen sind, oder ob auch zeitlich begrenzte Pakt-Lösungen (Kolumbien, Venezuela in den 50er Jahren) bzw. Arrangements einer Machtteilung zwischen ethnischen Gruppen ihren Platz in der KV haben sollten.
Akteure
Zu den unmittelbaren Akteuren sind zu rechnen: Intergovernmental Organizations wie UN und Regionalorganisationen, internationale NROs wie International Alert sowie Regierungen und zivilgesellschaftliche Kräfte einzelner Länder. Viele haben in den letzten Jahren umfangreiche Erfahrungen in KV, Kriegsbeendigung und Friedenskonsolidierung sammeln können. Alle haben bestimmte Vorteile und Nachteile. Es wäre daher wichtig, genauer zu analysieren, welche Akteure in welcher Phase der KV am ehesten erfolgreich waren und aus welchen Gründen. Allgemein läßt sich sagen, daß bei kurzfristiger KV, die zu einem Waffenstillstandsabkommen führen soll, Staaten erfolgreicher sind, während sich bei langfristiger Konfliktbearbeitung und Versöhnungsbemühungen häufig NROs spezialisiert haben. Deutsche NROs, besonders kirchliche Werke, fördern in ihrer Entwicklungszusammenarbeit eine Reihe von Projekten der KV und Versöhnung, z.B. in Südafrika, dem Horn von Afrika, dem Nahen Osten und Zentralamerika. Auch für das BMZ könnte die Förderung solcher Projekte in Zukunft von Interesse sein. Auf dem Gebiet der Früherkennung und KV hat es bisher nur eine mangelhafte Kooperation gegeben, anders als in den Bereichen Menschenrechte und humanitäre Soforthilfe, wo es unter den NROs und zwischen NROs und Bundesregierung eine enge Zusammenarbeit gibt. Zwar existieren Kontakte zu einzelnen Ländern wie Burundi, aber es fehlt gemeinsames strategisches Nachdenken, Prioritätensetzung, Aufgaben und Rollenbestimmung, um eine größtmögliche Synergie zu erreichen. Hierbei muß auch bedacht werden, daß es reale Interessenunterschiede unter NROs und zwischen NROs und Staat geben kann. Diese können Ausdruck einer unterschiedlichen Konfliktbeurteilung sein, wer die Täter und wer die Opfer sind, aber auch Folge des Wunsches nach Protagonismus, visibility in der Medienberichterstattung und des Wettbewerbes um Spendengelder. Von einem Vertreter des AA wurde auch betont, daß es durchaus Dinge gebe, wo man die NROs nicht dabei haben möchte bw. Informationen, die man nicht weitergeben könnte.
Der wichtigste mittelbare Akteur: Die Medien (oder "Bilder zwingen zum Handeln")
Krisenberichterstattung ist in den Medien eine ausgeprochen attraktive berufliche Aktivität und fördert die Karriere. Sie baut auf dem Gedanken auf, daß Krisen schon ihrer Natur nach Erklärung(-smodelle) verweigern. Die Bedingungen der Arbeit führen weiterhin zu einer Auswahl der Krisensituation (Bosnien, Somalia, aber nicht Südsudan; der Irak in den Händen des allein zugelassenen CNN). Vor Ort konkurrieren die Konfliktparteien um die "richtige" Interpretation ihrer Aktivitäten durch die Medien. Aktuelle Berichterstattung verlangt nach schnellen Entscheidungen, wem zu glauben sei. Auch besteht eine scharfe internationale Konkurrenz zwischen den Medien. Eine ausführliche, qualitativ gute, weltweit repräsentative Berichterstattung ist unter diesen Bedingungen nur schwer möglich. Manche Krisenfälle fallen weitgehend aus ihr heraus. Gleichzeitig nimmt die Berichterstattung einen starken, wenn nicht entscheidenden Einfluß auf die Entscheidungsträger in der Politik und beeinflußt den Druck der Öffentlichkeit.
Früherkennung
Zwar gibt es über die meisten Konflikte zahlreiche Informationen, aber das Niveau ist sehr unterschiedlich. Während es für einige Teilnehmer insgesamt mehr als genügend Informationen gab, betonten andere, ein systematisches Früherkennungssystem bewaffneter Konflikte sei notwendig, das eine rapide Verschlechterung von Ländersituationen anzeigt. Da es bis heute fehlt, werden Konflikte oft zu spät wahrgenommen und bearbeitet. Zur Forderung nach militärischer Intervention ist es dann nur ein kurzer Schritt; diese hat sich jedoch selten als ein Instrument auch nur zur Konflikteindämmung bewährt. Meist existieren aktuelle, allgemeine Informationen, aber es fehlen Informationsverarbeitungskapazitäten und die Sammlung spezifischer Informationen, die zur Früherkennung entscheidend sind.
Konfliktvermittlung
Darüber hinaus wurde eine zunehmende Müdigkeit bei internationalen und nationalen politischen Entscheidungsträgern festgestellt, überhaupt noch neue Konflikte zur Kenntnis zu nehmen und Maßnahmen zur Lösung zu diskutieren. Hier bedarf es in Zukunft eines deutlich besseren systematischen Informations- und Erfahrungsaustausches zwischen Regierungen und NROs (auch unter NROs!), um zu einer besseren, gemeinsamen Zusammenarbeit, einer Rollenteilung, und zu einer Übereinstimmung zu kommen, welche Akteure die führende, koordinierende Aufgabe übernehmen sollen. Es wurde auch deutlich, daß weder die Bundesregierung noch die NROs alle Konflikte bearbeiten können. Vielmehr gilt es, solche Konflikte aufzugreifen, bei denen deutsche Erfahrungen besonders hilfreich sein können. In anderen Fällen können vor allem staatliche oder private Vermittler anderer Länder unterstützt werden.
Fazit und Schlußfolgerungen
Zum Abschluß wurden einige Forderungen an Forschung, Politik und NROs formuliert. Ü Forschung: Besonders wichtig wäre eine Bestandsaufnahme über - den Konfliktprozeß selbst und an welchem Punkt Bemühungen um KV besonders aussichtsreich sind (entry point), - die Glaubwürdigkeit und Leistungsfähigkeit von Akteuren wie internationale staatliche und private Organisationen, einzelne Regierungen, zivilgesellschaftliche Akteure wie die Kirchen und die Arbeit der Vermittler, - welche Faktoren zu einer Verschärfung und Beschleunigung des Konfliktgeschehens beitragen, - welche Konfliktvermittlungsbemühungen in der jüngsten Zeit erfolgreich waren und welches die Gründe hierfür sind. Angesichts der kaum noch zu übersehenden Publikationsfülle wäre es besonders hilfreich, wenn die Ergebnisse dieser und anderer Fragen (die mit den NROs vorher identifiziert werden sollten) in kurzen, "verdichteten" Strategiepapieren zugänglich gemacht werden könnten. Ü Politische Öffentlichkeit: Eine zentrale Aufgabe wird auch sein, den politischen Willen so zu stärken, daß systematisch bewaffnete Konflikte frühzeitig erkannt werden und die Verpflichtung akzeptiert wird, zu einer friedlichen Lösung beizutragen. Ü NROs: Zum Thema Früherkennung und Prävention gibt es bisher keine zufriedenstellende Koordination, weder unter den deutschen NROs noch zwischen NROs und der Bundesregierung. Es wurde daher gefordert, daß deutsche NROs besser zusammenarbeiten und ein Netzwerk aufbauen sollten, übrigens auch mit internationalen Partnern. Aus dem Kreis der Teilnehmer schlug man vor, daß das Forum Menschenrechte eine solche Koordinationsfunktion wahrnehmen könnte. Wolfgang S. Heinz © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-bibliothek |