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TEILDOKUMENT:


[Seite der Druckausg.: 33]



Judit Kiss
Ungarn




Die wichtigsten Prinzipien und Ziele der entwicklungspolitischen Strategie Ungarns

Obwohl Ungarns wirtschaftliches Potential und der Entwicklungsstandard hinter dem der derzeitigen Mitglieder der Europäischen Union (EU) zurückliegt, bemüht sich Ungarn als Mitglied der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und als Mitglied des Entwicklungshilfeausschusses der OECD (Development Assistance Committee – DAC), seine eigene Politik der Entwicklungszusammenarbeit zu formulieren. Während die EU früher kaum auf den Aufbau eines unabhängigen Systems der Entwicklungszusammenarbeit in den Beitrittsländern gedrängt hat, legte sie im Jahr 2000 die Aufgaben zum Aufbau entsprechender Institutionen für die Kandidaten fest. Zur gleichen Zeit erhöhten sowohl Geber- als auch Empfängerländer der Druck auf Ungarn, sich aktiver am Prozess der Entwicklungszusammenarbeit zu beteiligen. Aber der Aufstieg vom Empfänger- zu einem effektiven Geberland braucht Zeit.

Die Politik der Entwicklungszusammenarbeit in ein integraler Bestandteil der Außen- , Wirtschafts- und Finanzpolitik Ungarns. Sie sollte jedoch nicht nur die Interessen des Geberlandes sondern auch die der Empfängerländer und der EU berücksichtigen. Gleichzeitig sollte sie in die Politik der Entwicklungszusammenarbeit der EU integriert werden.

Die wichtigsten Ziele der ungarischen Strategie der Entwicklungszusammenarbeit sind die folgenden:

  • Sicherung des internationalen Friedens und der Sicherheit sowie Schaffung regionaler Stabilität;
  • Förderung der nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in den Entwicklungsländern, unter besonderer Berücksichtigung der am wenigsten entwickelten Länder;
  • Verteidigung der Menschenrechte und des Prinzips der Gleichberechtigung; Stärkung der demokratischen Institutionen und der Zivilgesellschaft; Verbesserung der Situation nationaler Minderheiten;
  • Steigerung der Wohlfahrt der Ungarn in den Nachbarländern, Unterstützung ihrer eigenen Identität;
  • Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung unter besonderer Berücksichtigung der Grundbedürfnisse, Gesundheit und Bildung;
  • Eintreten für good governance
  • Schutz der Umwelt und der Natur;
  • aktive Rolle in den internationalen Entwicklungshilfeinstitutionen;
  • Mitgliedschaft im DAC/OECD.

Die oben genannte Liste spiegelt keine Rangfolge wider. Die Ziele bedürfen einer umfassenderen Betrachtung: es sollte ein Gleichgewicht zwischen nationalen Verpflichtungen, Erwartungen und nationalen Möglichkeiten sowie zwischen den globalen und nationalen Interessen erreicht werden.

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Die wichtigsten Prioritäten der Entwicklungspolitik

Die ungarische Politik der Entwicklungszusammenarbeit basiert auf außenpolitischen und wirtschaftlichen Überlegungen. Die Prioritäten der Außenpolitik sind die Euro-Atlantische Integration, die regionale Stabilität und das Problem der ungarischen Minderheiten, die in den Nachbarländern leben. Folglich betreffen die Hauptzielsetzungen der ungarischen Politik der Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe die Länder der Region, obgleich Ungarn auch Entwicklungshilfe im "klassischen Sinn", d.h. auch für Entwicklungsländer zur Verfügung stellt. Die wichtigsten Zielgruppen sind Entwicklungsländer in der Nähe Ungarns, im Nahen Osten und Zentralasien sowie zusätzlich die Länder, mit denen die OECD und die EU zusammenarbeiten. Ungarn plädiert dafür, die geographische Verteilung der Entwicklungshilfe flexibel zu handhaben, sie veränderten Bedingungen anzupassen und von Zeit zu Zeit zu überarbeiten. Langfristige, projektbezogene Entwicklungshilfe sollte den Ländern mit stabilen politischen und wirtschaftlichen Systemen, die auf dem Boden der Demokratie stehen, gewährt werden.

Zusammen mit den außenpolitischen Überlegungen sollten wirtschaftliche Interessen bei entwicklungspolitischen Entscheidungen berücksichtigt werden. Im Falle der Nachbarländer erfordern es die wirtschaftlichen und Außenhandelsinteressen Ungarns, zur Stabilität und zur Entwicklung der Region beizutragen. Im Rahmen des Stabilitätspaktes für Südosteuropa bot Ungarn Zuschüsse an, d.h. Hilfsleistungen, die von den Ländern der Region nicht zurückgezahlt werden müssen. Die Ungarische Eximbank eröffnete die Möglichkeit für vergünstigte Kredite in Höhe von 100 Millionen EURO. Für diese Länder ist technische Hilfe (Bildung, Weiterbildung und Entsendung von Fachleuten) die beste Form der Entwicklungszusammenarbeit, die auch ungarischen Investitionen unmittelbar fördern kann,.

Die Hilfe für Entwicklungsländer sollte auf außenpolitischen, wirtschaftlichen und humanitären Überlegungen beruhen. Obwohl die ungarische Präsenz in der Dritten Welt sowohl auf der Ebene der Regierung als auch der Unternehmen seit Beginn der Transformation deutlich zurückgegangen ist, sprechen einige ungarische Interessen für eine Wiederbelebung der Beziehungen. Der Rahmen für die Entwicklungszusammenarbeit sollte auf bestehenden persönlichen Kontakten und langfristigen Traditionen aufbauen. Für die Bereitstellung von Krediten sollten wirtschaftliche Gründe in Erwägung gezogen werden, da einige Entwicklungsländer (Angola, Äthiopien, Nicaragua, Sudan und Jemen) gegenüber Ungarn "eingefrorene" ausstehende Schulden angehäuft haben. Ein Schuldenabbau oder eine Abschreibung kommt jedoch nur für sehr hoch verschuldete Länder in Frage.

Der Schwerpunkt der ungarischen Entwicklungszusammenarbeit sollte in den folgenden Sektoren und Gebieten liegen, in denen Ungarn komparative Vorteile hat:

  • Weitergabe der Erfahrungen Ungarns hinsichtlich der politischen und wirtschaftlichen Transformation, insbesondere des Aufbaus demokratischer Institutionen, der Marktwirtschaft, der Privatisierung, der Unterstützung der kleinen und mittelständigen Unternehmen, good governance usw.
  • Intellektuelles Kapital und auf wissensbasierte Hilfe (Know-how, Software usw.);
  • Graduierten- und Postgraduierten-Ausbildung, Weiterbildung;
  • Gesundheit (Planung und Bau von Krankenhäusern, Geburtenkontrolle und Kontrolle von Epidemien usw.);
  • Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie (Verbesserung des Saatgutes, Tierzucht, Pflanzenschutz, Aufforstung, Biotechnologie, Agrometeorologie, Dienstleistungen für die Landwirtschaft (z.B. Boden- und Wasserproben, Laboranalysen), Planung von

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    Bauernhöfen und industriellen Anlagen für die Lebensmittelherstellung, Weiterbildung der landwirtschaftlichen Techniker und Facharbeiter usw.);

  • Wasserversorgung (Planung von Wasserreservoirs und Dämmen, Kläranlagen, Entwässerungsanlagen, Landgewinnung usw.);
  • Ausbau der Infrastruktur;
  • Umweltschutz.


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Der gegenwärtige Stand der Entwicklungszusammenarbeit in Ungarn

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat die ungarische Entwicklungspolitik keine dauerhafte institutionelle Grundlage. Vor der Transformation wurde die ungarische Entwicklungshilfe, vor allem technische Hilfe, durch TESCO, eine Regierungsinstitution, die sich auf technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern spezialisiert hat, durchgeführt. In dieser Zeit unterschrieb Ungarn Vereinbarungen über technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit mit 57 Entwicklungsländern, hauptsächlich auf der Grundlage ideologischer und politischer Überlegungen. Das Hauptziel der Abkommen war es, eine Grundlage für den Export von Dienstleistungen zu schaffen. Dieses Ziel wurde jedoch nur in einigen Ländern erreicht (Syrien, Irak, China, Vietnam und Mongolei).

In den 90er Jahren wurde die Entwicklungspolitik Ungarns auf einer ad-hoc-Basis und in einer dezentralisierten Art und Weise geführt:

  • Ungarn gewährte öffentliche Entwicklungshilfe (ODA) über multilaterale Kanäle durch verschiedene internationale Organisationen (IWF, Weltbank, UN-Institutionen) und in Form von finanziellen Beiträgen, obligatorischen Mitgliedsbeiträgen und freiwilligen Spenden bereit. 1999 stellte Ungarn multilaterale Hilfsleistungen im Wert von 4,6 Millionen USD (US-Dollar) zur Verfügung. Drei Millionen dieser Summe waren Ungarns finanzieller Beitrag zum Haushalt der Internationalen Entwicklungsgesellschaft (IDA) der Weltbank.
  • Die Höhe der öffentlichen bilateralen Hilfe (Stipendien für ausländische Studierende in Ungarn, Entsendung und Empfang von Fachleuten, Beratungstätigkeit) überschritt Ende der 90er Jahre 370.000 USD.
  • Was die humanitäre Hilfe betrifft, so ist es schwer, das genaue Ausmaß zu bestimmten, da die zentralen Haushaltsmittel (430.000 USD) durch Spenden von Nicht-Regierungsorganisationen (NRO’s), Kirchen und einzelnen Personen ergänzt wurden.
  • 1999 stellte Ungarn sieben Millionen USD als öffentliche Hilfe (Official Aid – OA) für die außerhalb Ungarns lebenden ungarischen Minderheiten durch das Ungarische Büro für Minderheiten außerhalb Ungarns zur Verfügung.

Man kann aus den oben aufgeführten Statistiken ablesen, dass die Gelder, die für die Entwicklungszusammenarbeit von Ungarn ausgegeben wurden, sehr bescheiden waren und sind, und die derzeitige öffentliche Entwicklungshilfe, die auf bilateraler Basis bereitgestellt wird, sehr gering ist.



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Die wichtigsten strategischen Fragen der Entwicklungszusammenarbeit

Eines der größten Dilemmas ist, ob man Hilfe für eine große Anzahl von Ländern zur Verfügung stellen soll oder die begrenzten Mittel auf ausgewählte Bereiche und Projekte konzentrieren soll, um die bilateralen Beziehungen zu entwickeln. Die Erfahrungen kleiner

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Länder zeigen, dass man den Weg der Spezialisierung im Bereich der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit gehen sollte, um komparative Vorteile wahrzunehmen. Ungarn kann allerdings durch seine Beteiligung an der internationalen Arbeitsteilung in der Entwicklungszusammenarbeit und an internationalen Projekten auf mehr Länder zugehen und die Wirksamkeit seiner Entwicklungshilfeaktivitäten steigern.

Was die Form der Entwicklungszusammenarbeit betrifft, so empfiehlt es sich, von einfachen, leicht überschaubaren Formen der Zusammenarbeit zu komplexeren überzugehen. Erstens sollte der technischen Hilfe (Bildung, Weiterbildung, Weitergabe der Transformationserfahrungen)Vorrang gegeben werden, da sie geringe Kosten verursacht, und dort wo Ungarn sein intellektuelles Potential einsetzen kann. Zweitens kann die Unterstützung für die ungarischen Exporte von Waren und Dienstleistungen gesteigert werden, wobei die internationalen Verpflichtungen und Regeln einzuhalten sind. Mittelfristig sollte sich die ungarische Entwicklungszusammenarbeit in den kommenden 5-10 Jahren in Richtung auf Projekthilfe, die mehr Mittel und eine entwickelte Infrastruktur für die Entwicklungszusammenarbeit erfordert, ausgeweitet werden.

Finanzielle Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit können durch bilaterale und/oder multilaterale Kanäle überwiesen werden. Die Erfahrung anderer Geberländer zeigt, dass der Anteil der bilateralen Kanäle auf Kosten der multilateralen Kanäle zunimmt, da die bilaterale Hilfe den politischen und wirtschaftlichen Interessen der Geberländer besser und unmittelbarer dient und direkte Beziehungen mit den Empfängerländern herstellt. Bei der multilateralen Hilfe werden die Geber "unpersönlich" und haben wenig Einfluss darauf, wie die Gelder eingesetzt werden. Die multilaterale Hilfe kann jedoch vorteilhaft für die Geberländer sein, wenn ihre finanziellen Mittel die eigenen ergänzen und auf diese Art und Weise größere Projekte finanziert werden können. Obwohl Ungarn sich nicht aus der multilateralen Hilfe zurückziehen will (nicht zuletzt erlauben dies die internationalen Verpflichtungen nicht), so strebt es doch eine Verstärkung der bilateralen Hilfe an. Darum möchte Ungarn seine bilateralen Hilfsleistungen schneller als seine Beiträge zu internationalen Institutionen steigern, und sich einem Verhältnis zwei zu eins zugunsten der bilateralen Hilfe annähern.

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Die Finanzierung der Entwicklungszusammenarbeit

In Ungarn wird die Entwicklungszusammenarbeit meistens vom zentralen Staatshaushalt finanziert; eine stärkere Beteiligung an den Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit seitens der NRO’s und großen Unternehmen, die wirtschaftliche Interessen in den Entwicklungsländern haben, wird jedoch angestrebt.

Bezüglich des Ausmaßes der finanziellen Mittel, die für die Entwicklungszusammenarbeit bestimmt sind, sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

  • Sie sollten das internationale Prestige und die moralischen Werte des Landes widerspiegeln.
  • Sie sollten zwar im Einklang mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Landes stehen, sollten aber auch ausreichend sein, um die Ziele der Entwicklungszusammenarbeit des Landes zu realisieren.
  • Ungarn sollte sich - was den Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttoinlandsprodukt (BIP) angeht - dem Niveau der OECD- und EU-Länder annähern.
  • Der Wert der Entwicklungshilfe sollte deutlich höher als in den vorangegangenen Jahren liegen, als er noch auf der Grundlage von ad-hoc-Entscheidungen und auf dezentralisierter Basis gewährt wurde.

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  • Die Mittel für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit sollten schneller als die Mittel für multilaterale Hilfe wachsen.

Der tatsächliche Umfang der Entwicklungshilfe wird jährlich vom Finanzministerium in Zusammenarbeit mit dem Außenministerium und dem Wirtschaftsminister unter angemessener Berücksichtigung des Verhältnisses der Entwicklungshilfe zum BIP der OECD- und der EU-Länder festgelegt. In Kenntnis des Budgets für die Entwicklungszusammenarbeit des Landes werden die Anforderungen der Empfängerländer geprüft und die konkreten Programme für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit ausgearbeitet.

1999 gab Ungarn 12,4 Millionen USD für die Entwicklungszusammenarbeit aus, das sind 0,025% des BSP des Landes. 2000 stieg der Haushalt für Entwicklungszusammenarbeit um 70%, aufgrund des höheren Ansatzes für die akademische Ausbildung der ungarischen Minderheiten im Ausland.

1999 belief sich die ODA Ungarns auf 5,4 Millionen USD. Von dieser Summe wurden 85%, d.h. 4,6 Millionen USD für die Erfüllung multilateraler Verpflichtungen ausgegeben, während 15% (800.000 USD) in bilaterale Hilfsleistungen und humanitäre Hilfe flossen. 7 Millionen USD wurden für die OA zur Unterstützung ungarischer Minderheiten im Ausland ausgegeben.

Um die gegenwärtigen 0,25% an Hilfsleistungen im Verhältnis zum BIP auf dem Niveau der OECD-Länder erzielen zu können, müsste Ungarn sein Budget für die Entwicklungszusammenarbeit auf 121 Millionen USD steigern. Um den EU-Durchschnitt zu erreichen, müsste Ungarn jährlich 151 Millionen USD für die Entwicklungszusammenarbeit ausgeben. Wenn man von einem Aufholzeitraum von 15 Jahren ausgeht, müsste Ungarn seinen Haushalt für die Entwicklungszusammenarbeit um 10 Millionen USD pro Jahr steigern.

Im Haushaltsplan für 2003 werden voraussichtlich ca. 3,5 Millionen USD als Beitrag für die IDA und den IMF bereitgestellt. Der Anteil an multilateraler Hilfe wird durch den Beitrag zum Europäischen Entwicklungsfonds gesteigert. Der ungarische Beitrag wird auf ca. 13-15 Millionen USD geschätzt.

Gleichzeitig würde Ungarn - dem Beispiel anderer Geberländer folgend – den Anteil und den Wert bilateraler Entwicklungshilfe gerne vergrößern. Vorläufigen Schätzungen zufolge wird Ungarn 2003 6,32 Millionen USD für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit ausgeben, also ca. 01% seines dann zu erwartenden BIP. Dieser Betrag wird durch die humanitäre Hilfe, die vom Außenministerium finanziert wird, und Zuschüsse in Form verbilligter Kredite ergänzt.

Um die Strategie und die Aktivitäten der ungarischen Entwicklungszusammenarbeit zu vereinheitlichen, ist es notwendig, die Verteilung der Entwicklungsgelder zu konzentrieren. Diese Aufgabe fällt - mit Ausnahme des multilateralen Bereichs der Entwicklungszusammenarbeit - in Ungarn dem Außenministerium zu. Mit Ungarns derzeitigem finanziellem Beitrag zum IWF und zur Weltbank befasst sich der Finanzminister. Es wäre empfehlenswert, dass er auch für Ungarns zukünftigen finanziellen Beitrag zum Europäischen Entwicklungsfonds verantwortlich ist. Die Hilfsleistungen, die der ungarischen Minderheit im Ausland gewährt werden, werden aus dem Haushalt des Außenministeriums durch das Amt für die im Ausland lebenden Ungarn finanziert.

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Der notwendige Aufbau der Institutionen

Um eine ungarische Strategie zur Entwicklungszusammenarbeit zu schaffen und sich an der EU-Entwicklungszusammenarbeit zu beteiligen, sind entsprechende Institutionen notwendig. Gemäß den Empfehlungen der EU sollte zu diesem Zweck ein spezielles Ministerium oder eine separate Abteilung mit professionellen, erfahrenen Regierungsbeamten aufgebaut werden. Die Abstimmung zwischen der Entwicklungszusammenarbeit Ungarns und der EU sollte gesichert sein.

In den führenden Geberländern und in der EU wird die Entwicklungspolitik von den Außenministerien durchgeführt. Da die Entwicklungspolitik ein integraler Bestandteil der Außenpolitik eines Landes ist, sollte sie auch in Ungarn vom Außenministerium formuliert und teilweise auch umgesetzt werden. Unter der Aufsicht des leitenden (administrativen) Staatssekretärs wird eine besondere Abteilung (auf längere Sicht hin ein Amt) aufgebaut, die folgende Aufgaben haben wird:

  • Maßnahmen zur Umsetzung der Entwicklungspolitik des Landes (Planung, Aufgaben im In- und Ausland, Kontrolle, Evaluierung).
  • Abstimmung der Maßnahmen zur Entwicklungszusammenarbeit zwischen den Ministerien.
  • Verwaltung der finanziellen Mitteln auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe.
  • Maßnahmen der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit (UN).
  • Vorbereitung mittelfristiger Strategien und jährlicher Aktionspläne.
  • Ausarbeitung von Vorschlägen für regionale und strukturelle Prioritäten.
  • Erarbeitung und Umsetzung einer Kommunikationsstrategie für die ungarische Gesellschaft.
  • Ausarbeitung von Vorschlägen für das Personal (Beamte, unabhängige Experten, Freiwillige).
  • Sicherung des Prinzips der Transparenz und Verantwortlichkeit auf allen Gebieten der Entwicklungszusammenarbeit.
  • Vorbereitung eines Jahresberichtes für die Regierung.

Die Kosten für den Aufbau der Institutionen werden aus dem Haushalt des Außenministeriums abgedeckt.

Die Richtlinien für die Strategie zur Entwicklungszusammenarbeit werden von einem Ministerialausschuss unter Vorsitz des Außenministers umrissen. In diesem Ausschuss sind alle beteiligten Ministerien vertreten. Seine Hauptaufgabe wird es sein, den Umfang der finanziellen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit festzusetzen und geographische und sektorale Prioritäten vorzuschlagen. In Zusammenarbeit mit dem Ministerialausschuss wird auch eine Expertengruppe ihre Arbeit beginnen.

Später wird ein Beirat zur Entwicklungszusammenarbeit die Arbeit des Ministerialausschusses unterstützen. Dieser wird aus Vertretern der Verwaltung, der Zivilgesellschaft und Forschungsinstitutionen bestehen. Auch der Aufbau einer spezialisierten professionellen Institution wird erwogen.

Die oben skizzierten organisatorischen Strukturen werden aufgebaut, um eine ODA-konforme Entwicklungszusammenarbeit ins Lebens zu rufen, insbesondere um die bilateralen Aktivitäten auszuweiten. Um eine effektive und transparente organisatorische Struktur aufzubauen,

[Seite der Druckausg.: 39]

ist ein Registrierungssystem notwenig, das alle Formen, sowohl der offiziellen als auch die nicht-offiziellen Entwicklungszusammenarbeit erfasst. Die Bedingungen für die Bereitstellung internationaler statistischer Daten sollten gesichert sein.

Die Aus- und Weiterbildung von Fachleuten, die sich auf Entwicklungszusammenarbeit spezialisieren, verdient besondere Aufmerksamkeit. Dies gilt umso mehr, als Ungarn nach dem Beitritt zur EU Experten der Entwicklungszusammenarbeit in den Entwicklungsausschuss der EU entsenden muss. Zu Beginn wird die Nachfrage nach Experten für die Entwicklungszusammenarbeit gemäßigt sein und kann durch die akademische Ausbildung im Land gedeckt werden. Auch die ungarischen Vertretungen im Ausland sollten eine aktive Rolle bei der Umsetzung der Entwicklungspolitik Ungarns übernehmen.

Um Ungarns Rolle als Geberland vorzubereiten, kann das Land die internationalen Unterstützung nutzen, die es wie alle Transformationsländer erhält. Unter der Schirmherrschaft des Entwicklungsprogramms der UN (UNDP) ist ein spezielles Projekt für den Aufbau einer Datenbank der Institutionen und des Personals, für die Weiterbildung von Fachleuten der Entwicklungszusammenarbeit im In- und Ausland sowie für die Vorbereitung einer Kommunikationsstrategie geplant.

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Der Außenhandel Ungarns mit den Entwicklungsländern

Als Folge der Umorientierung des ungarischen Außenhandels auf die Industrieländer und vor allem auf die Länder der EU [Während 1990 36,4% der ungarischen Exporte in die EU gingen, erreichte der Anteil ungarischer Exporte in die EU 10 Jahre später 75% und der Anteil der Industrieländer betrug 83,5%.] ging der Anteil der Entwicklungsländer deutlich zurück, obwohl das Volumen des Außenhandels mit ihnen zunahm. Der Rückgang betraf vor allem die

Tabelle 1: Ungarns Exporte in Entwicklungsländer

Jahr

Gesamte Exporte

(Millionen USD)

Exporte in
Entwicklungsländer
(Millionen USD)

Anteil der
Entwicklungsländer
an den gesamten
Exporten (%)

1990

9.768,4

772,7

7,9

1991

10.186,9

856,6

8,4

1992

10.705,1

570,7

5,3

1993

8.906,9

483,7

5,4

1994

10.700,8

419,9

3,9

1995

12.867,0

500,6

3,9

1996

13.144,7

475,7

3,6

1996 *

15.703,7

503,5

3,2

1997

19.099,9

509,4

2,7

1998

23.005,3

745,4

3,2

1999

25.012,5

784,6

3,1

2000

28.091,9

898,8

3,2

* = [1996 wurde eine neues statistisches System eingeführt. Seitdem werden auch die Aktivitäten der Freihandelszonen in die statistischen Daten zum Außenhandel mit aufgenommen.]

Quelle: Eigene Berechnungen auf der Grundlage von Daten des Statistischen Jahrbuches für den Außenhandel 2000, Zentrales Statistisches Amt Ungarns, Budapest 2001.

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Exportseite: zwischen 1990 und 1996 fielen die Exporte in die Entwicklungsländer von 772,7 Millionen USD auf 475,7 Millionen USD, und der Anteil der Entwicklungsländer an den ungarischen Exporten von 7,9% auf 3,6%. Obwohl die ungarischen Exporte in die Entwicklungsländer seit 1996 von 503,5 Millionen USD auf 898,8 Millionen USD im Jahr 2000 wuchsen, stagnierte der Anteil der Entwicklungsländer auf dem Niveau von 3,2% (siehe Tabelle 1).

Was die Importe Ungarns aus der Dritten Welt betrifft, war der Rückgang nicht so deutlich wie bei den Exporten. Obwohl die Importe Ungarns aus den Entwicklungsländern Anfang der 90er Jahre ein wenig zurückgingen, wuchsen sie in der Mitte der 90er Jahre um das Dreifache. Folglich erreichte der Anteil der Entwicklungsländer an den Importen Ungarns den gleichen Anteil wie vor dem Systemwechsel mit 9,7% im Jahr 2000 (siehe Tabelle 2).

Tabelle 2: Ungarns Importe aus Entwicklungsländern

Jahr

Gesamte Importe
(Millionen USD)

Importe aus
Entwicklungsländern
(Millionen USD)

Anteil der
Entwicklungsländer
an den gesamten
Importen (%)

1990

8.822,8

856,9

9,7

1991

11.382,1

900,1

7,9

1992

11.078,9

466,3

4,2

1993

12.530,3

547,2

4,4

1994

14.553,8

655,0

4,5

1995

15.466,3

856,2

5,5

1996

16.208,9

921,0

5,7

1996

18.143,7

1091,3

6,0

1997

21.234,0

1504,7

7,1

1998

25.706,4

2146,6

8,4

1999

28.008,2

2442,1

8,7

2000

32,079.5

3151.4

9.8

Quelle: Eigene Berechnungen auf der Grundlage von Daten des Statistischen Jahrbuches für den Außenhandel 2000, Zentrales Statistisches Amt Ungarns, Budapest 2001.

Da die Importe Ungarns aus den Entwicklungsländern stetig anstiegen, während die Exporte schwankten, obgleich auch sie anstiegen (siehe Schaubild 1), zeigte die Handelsbilanz Ungarns mit den Entwicklungsländern ein deutlich steigendes Defizit (siehe Tabelle 3). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind mehr als 55% des ungarischen Handelsbilanzdefizits auf den Handel mit den Entwicklungsländern zurückzuführen. Daher ist es in Ungarns wirtschaftlichem Interesse, den Handel mit den Entwicklungsländern wiederzubeleben, Märkte in der Dritten Welt zurückzugewinnen und seinen seine Handelsbilanz auszugleichen.

[Seite der Druckausg.: 41]

Schaubild 1: Ungarns Außenhandel mit Entwicklungsländern (USD Millionen)

Undisplayed Graphic

Quelle: Eigene Berechnungen auf der Grundlage von Daten des Statistischen Jahrbuches für den Außenhandel 2000, Zentrales Statistisches Amt Ungarns, Budapest 2001.

Tabelle 3: Ungarns Außenhandelsbilanz mit Entwicklungsländern

Jahr

Gesamt-
Handelsbilanz
(Millionen USD)

Handelsbilanz mit
Entwicklungsländern
(Millionen USD)

Anteil der
Entwicklungsländer
an der
Gesamthandelsbilanz (%)

1990

945,6

-84,2

1991

-1.195,2

-43,5

3,6

1992

-373,8

104,4

1993

-3.623,4

-63,5

1,8

1994

-3.853,0

-235,1

6,1

1995

-2.599,3

-355,6

13,7

1996

-3.064,2

-445,3

14,5

1996

-2.440,0

-587,8

24,1

1997

-2.134,1

-995,3

46,6

1998

-2.701,1

-1.401,2

51,9

1999

-2.995,7

-1.657,4

55,3

2000

-3.987,5

-2.252,6

56,5

Quelle: Eigene Berechnungen auf der Grundlage von Daten des Statistischen Jahrbuches für den Außenhandel 2000, Zentrales Statistisches Amt Ungarns, Budapest 2001.

Die Warenstruktur des ungarischen Außenhandels mit den Entwicklungsländern ist auf der Exportseite durch den hohen Anteil an Fertigwaren und Maschinen sowie Transportausrüstung bestimmt. Gegenwärtig machen diese beiden Warengruppen beinahe 90% der ungarischen Exporte aus (siehe Tabelle 4). Fast die Hälfte der Exporte der Warengruppen "Maschinen und Transportausrüstung" setzt sich aus Büromaschinen und Geräten der elektronischen Datenverarbeitung zusammen, während 26% aus elektrischen Maschinen, Apparaten und Geräten bestehen.

[Seite der Druckausg.: 42]

Tabelle 4: Die Warenstruktur von Ungarns Exporten in Entwicklungsländer (2000)

Warengruppen

Tausend USD

%

I. Lebensmittel, Getränke, Tabak

87.484

9,7

0. Lebensmittel und lebende Tiere

86.640

9,6

1. Getränke und Tabak

844

0,1

II. Rohstoffe

8.319

0,9

III. Brennstoffe, elektrische Energie

5.855

0,7

IV. Fertigwaren

183.461

20,4

5. Chemische Erzeugnisse

91.390

10,2

6. Bearbeitete Waren, nach Beschaffenheit gegliedert

44.047

4,9

8. Verschiedene Fertigwaren

46.846

5,2

V. Maschinen und Transportausrüstung

613.722

68,3

75. Büromaschinen und automatische Datenverarbeitungsmaschinen

306.948

34,1

77. Andere elektrische Maschinen, Apparate, Geräte usw.

162.435

18,1

Gesamte Exporte

898.842

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen auf der Grundlage von Daten des Statistischen Jahrbuches für den Außenhandel 2000, Budapest 2001.

Die Warenstruktur der Importe Ungarns aus den Entwicklungsländern wird durch einen hohen Anteil an Fertigwaren charakterisiert: nahezu Dreiviertel der Importe bestehen aus Maschinen und Transportausrüstung, 14% sind Fertigwaren. Innerhalb der Warengruppe der Maschinen ist die Kategorie der "elektrischen Maschinen, Apparate und Geräte" die wichtigste Warengruppe, die 32,6% der gesamten Importe Ungarns aus der Dritten Welt ausmacht (siehe Tabelle 5).

Tabelle 5:
Die Warenstruktur der ungarischen Importe aus den Entwicklungsländern (2000)

Warengruppen

Tausend USD

%

I. Nahrungsmittel, Getränke, Tabak

24.858

7,9

0. Nahrungsmittel und lebende Tiere

235.454

7,5

1. Getränke und Tabak

13.204

0,4

II. Rohstoffe

69.453

2,2

2. Rohstoffe, außer Brennstoffe

59.700

1,9

4. Tierische und pflanzliche Öle, Fette und Wachse

9.753

0,3

III. Brennstoffe, elektrische Energie

76

0,0

IV. Fertigwaren

445.475

14,1

5. Chemische Erzeugnisse

49.319

1,6

6. Bearbeitete Waren, nach Beschaffenheit gegliedert

172.583

5,5

8. Verschiedene Fertigwaren

223.565

7,2

V. Maschinen und Transportausrüstung

2.387.722

75,7

71. Kraftmaschinen und -ausrüstungen

119.682

3,8

75. Büromaschinen und automatische Datenverarbeitungsmaschinen

650.441

20,6

76. Geräte für Nachrichtentechnik usw.

421.289

13,4

77. Andere elektrische Maschinen, Apparate, Geräte usw.

1.026.383

32,6

Gesamte Importe

3.151.434

100,0

Quelle: Eigene Berechnungen auf der Grundlage von Daten des Statistischen Jahrbuches für den Außenhandel 2000, Zentrales Statistisches Amt Ungarns, Budapest 2001.

[Seite der Druckausg.: 43]

Was die regionale Struktur des ungarischen Außenhandels mit den Entwicklungsländern betrifft, so sind die zehn führenden Exportmärkte (in absteigender Reihenfolge): Singapur (mit 25,1% von Ungarns Gesamtexporten in die Entwicklungsländer), Taiwan (9,5%), Brasilien (6,6%), Mexiko (5,9%), Südkorea (4,3%), Iran (3,6%), Malaysia (3,2%), Ägypten (2,9%), Saudi Arabien (2,7%) und Hong Kong (2,3%). Im Jahr 2000 nahmen die zehn führenden Märkte rund 64% der ungarischen Exporte in die Entwicklungsländer auf. Die zehn wichtigsten Importmärkte sind: Südkorea (mit einem Anteil der Gesamtimporte Ungarn aus den Entwicklungsländern von 10,86%), Taiwan (7,2%), Singapur (5,6%), Hong Kong (4,8%), Mexiko (3,8%), Malaysia (3,6%), Brasilien (2,2%), Thailand (1,4%), Indonesien (0,6%) und Uganda (0,5%). Im Jahr 2000 kamen 40% der gesamten Importe Ungarns aus den Entwicklungsländern aus diesen zehn führenden Partnerländern. Die oben angeführten Zahlen zeigen, dass die Konzentration des Handels mit den Entwicklungsländern in Ungarn nur sehr gering ist, vor allem auf der Importseite.

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Der Einfluss des EU-Beitritts auf die Beziehungen Ungarns zu den Entwicklungsländern

Im Dezember 2000 schloss Ungarn das Kapitel 26 der Beitrittsverhandlungen über die Außenwirtschaftsbeziehungen. In diesem Kapitel verpflichtete sich Ungarn zur Annahme des acquis im Bereich der Außenwirtschaftsbeziehungen ohne Übergangszeit, d.h. vom Augenblick des Beitritts an. Ungarn ist sich der Tatsache bewusst, dass es nach dem Beitritt alle internationalen Verpflichtungen der EU übernehmen und es alle internationalen Vereinbarungen, die im Widerspruch zum acquis stehen, außer Kraft setzen muss. Dazu zählen auch die Freihandelsabkommen, die Ungarn 1992mit den CEFTA-Staaten (Mitteleuropäische Freihandelszone, Central European Free Trade Agreement), 1993mit den EFTA-Staaten (Europäische Freihandelszone, European Free Trade Association), 1997 mit der Türkei und Israel und 1998 mit Estland und Litauen unterzeichnet hat.

Was die Beziehungen Ungarns zu den Entwicklungsländern angeht, so wendet Ungarn bereits das Allgemeine Präferenzsystem (GSP) an, so dass es keine Probleme hat, das Präferenzsystem der EU und die Verpflichtungen des Lomé-Abkommens zu übernehmen.

Ungarn hofft, dass sich nach dem Beitritt – als Folge der Anwendung des Präferenzsystems der EU, der Übernahme der Verpflichtungen des Lomé-Abkommens, der Teilnahme an der Entwicklungszusammenarbeit der EU und der Schaffung einer eigenen Entwicklungspolitik – die Beziehungen mit den Entwicklungsländern wiederbeleben und sich die Handelsbilanz mit diesen Ländern ausgleicht.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2002

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