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Pawel Baginski:
Polen


Im Jahr 1989 begann in Polen ein tiefgreifender Prozess der Systemtransformation. Die Strukturen der Planwirtschaft hatten ihre Ineffizienz bewiesen und waren nicht mehr zu reformieren. Die erste polnische demokratische Regierung legte die Grundlagen für eine Marktwirtschaft in dem Bewusstsein, dass dies zu Beginn einen Rückschritt des Lebensstandards mit sich bringen würde. Die sogenannte "Schock-Therapie" war eng mit dem Namen des Finanzministers Leszek Balcerowicz verbunden. Nach einigen Jahren waren die ersten positiven Auswirkungen dieser mutigen Entscheidungen zu beobachten, und Mitte der 90er Jahre wies die Wirtschaft Polens eine der höchsten jährlichen Wachstumsraten in Europa auf. Das schnelle Wachstum des Bruttosozialproduktes (BSP) wurde hauptsächlich vom privaten Sektor angetrieben. Dieser Transformationserfolg drückte sich auch in der Entscheidung für den Beitritt Polens zur Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(OECD) im Jahr 1996 und zur NATO im Jahr 1999 aus. 1998 begann die polnische Regierung mit den Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union (EU), die Ende 2002 beendet werden sollen, so dass Polen 2004 Mitglied der EU werden kann. Nach dem Beitritt zur EU wird Polen Zugang zu erheblichen Hilfemitteln haben, die, richtig verwendet, die Entwicklung des Landes weiter beschleunigen sollten.

Vom Standpunkt der geopolitischen und geostrategischen Nord-Süd-Beziehung aus gesehen, war Polen, wie andere mitteleuropäische Länder, Teil des "Nordens". Während der "Zeit des real existierenden Sozialismus’" wurden die kommunistischen Staaten (obwohl sie immer die Rolle eines Vermittlers zwischen den entwickelten westlichen Staaten und den Entwicklungsländern spielen wollten) vom "Süden" als ärmerer, weniger entwickelter Teil des entwickelten, reichen "Nordens" wahrgenommen. Wie auch immer, angesichts des Charakters der sozialistischen Wirtschaftssysteme, der Beschränkungen im Außenhandel sowie der geringeren Produktivität und des niedrigeren Lebensstandards waren die ehemaligen Ostblockstaaten nicht in der Lage, aktiv an den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Nord und Süd teilzunehmen. Allein die wirtschaftliche Transformation in den 90er Jahren und vor allem der bevorstehende Beitritt zur EU gibt ihnen die Gelegenheit, sich voll in die Weltwirtschaft zu integrieren. Dies fällt zusammen mit einer neuen, umfassenderen Beschäftigung mit den weltweiten Problemen in den 90er Jahren sowie dem wachsenden Engagement Polens bei den Vereinten Nationen (UN).

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Der Nord-Süd-Dialog in der Außenpolitik Polens



Vor 1989

Seit dem Zweiten Weltkrieg hat Polen die Zusammenarbeit mit Ländern auf allen Kontinenten, einschließlich der Entwicklungsländer gepflegt. Polen hat sich um den Ausbau intensiver wirtschaftlicher Beziehungen bemüht und im Rahmen der internationalen Organisationen und internationalen Konferenzen die multilaterale Anstrengungen unterstützt die komplexen globalen Probleme wie Umwelt, Bevölkerungsexplosion und die Kluft zwischen Nord und Süd zu lösen. Die Entwicklung der guten Beziehungen mit den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas waren durch zwei wichtige historische Faktoren ermöglicht worden: Polen hatte erstens niemals überseeische Kolonien; zweitens hatte Polen immer, zumindest in Erklärungen, das Selbstbestimmungsrecht der Entwicklungsländer unterstützt. Auf der anderen Seite hinderte in der Zeit des "real existierenden Sozialismus" die bescheidene Größe seiner Wirtschaft, sein sozialistisches Modell und sein Mangel an Erfahrungen auf dem Gebiet der Zu-

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sammenarbeit mit Ländern außerhalb Europas Polen daran, Beziehungen mit Entwicklungsländern aufzunehmen, die seinen Ansprüchen entsprachen, da sie seine Möglichkeiten überstiegen.

Die eigenen wirtschaftlichen Probleme und Einschränkungen in der Zusammenarbeit mit anderen Ländern (die aus der Politik des kommunistischen Polens resultierten, vor allem während der Zeit des Kriegsrechts in der ersten Hälfte der 80er Jahre) trieben Polen zu größeren Anstrengungen, um die wirtschaftlichen Sicherheit und vertrauensbildende Maßnahmen in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu fördern. Polen unterstützte und lancierte manchmal auch Vorschläge, die den Ideen der Neuen Weltwirtschaftsordnung sehr ähnlich, und die in den 70er Jahren in den Ländern des Südens sehr populär waren. Polen begrüßte insbesondere die Stabilisierung der Rohstoffpreise, den Technologietransfer in den Süden, die Reduzierung der Schulden, Handelspräferenzen für die am wenigsten entwickelten Länder und auch die Notwendigkeit, wirtschaftliche und soziale Faktoren der weltweiten Entwicklung miteinander zu verbinden.

Obwohl sie das allgemeine Konzept einer Steigerung des Volumens der Entwicklungshilfe mit den Ländern des Südens unterstützten, betonten die Verantwortlichen des kommunistischen Polens vor allen Dingen die Verantwortung der ehemaligen Kolonialmächte für die Entwicklung ihrer früheren Kolonien sowie der Notwendigkeit einer Umwidmung eines großen Anteils der Mittel, die das nukleare Rüstungswettrennen verschlang, zugunsten der Entwicklungshilfe. Mangels anderer Mittel bestand die Entwicklungspolitik Polens zu dieser Zeit hauptsächlich im Angebot von Investitionsgütern und technischem Know-how, Handelskrediten und Bildungsmöglichkeiten.

Es sollte hervorgehoben werden, dass Polen vor 1989 keine eigenständige souveräne Außenpolitik hatte und größtenteils die Interessen des kommunistischen Ostblocks in den Entwicklungsländern verfolgte. Das bedeutete, dass Polen Hilfsleistungen vor allem für diejenigen Länder des Südens bereitstellte, die den "sozialistischen Weg der Entwicklung" gingen und eine Politik führten, die auf die globalen Interessen der Sowjetunion ausgerichtet war. Allerdings können die Errungenschaften auf dem Gebiet der Beziehungen mit asiatischen, afrikanischen, lateinamerikanischen und karibischen Ländern in dieser Zeit (insbesondere beim Handelsaustausch) nicht vernachlässigt werden.


Nach 1989

Kurz nach dem Beginn der Transformation 1989 ließ das polnische Engagement in der Entwicklung des Nord-Süd-Dialogs nach. Einerseits geschah dies aus der Notwendigkeit heraus, alle Kräfte und Mittel zum Zweck der Systemtransformation zu bündeln. Andererseits musste Polen eine neue Grundlage seiner Beziehungen mit den nächsten Nachbarn schaffen und sich in den Euro-Atlantischen Institutionen, vor allem dem Europarat, der OECD und der EU verankern. Dies stellte eine große Herausforderung für die polnische Diplomatie dar. Die umfassende Transformation der polnischen Unternehmen benachteiligte den Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen mit den Ländern des Südens, weil sich die nun marktorientierten Firmen ihre Wettbewerbsfähigkeit zunächst auf dem westeuropäischen Markt beweisen mussten. Die enormen Kosten der Modernisierung des Landes zwangen die Verantwortlichen in Polen die bereits beschränkten Entwicklungshilfeaktivitäten weiter einzuschränken. Für Polen war es nun wichtig, in erster Linie selbst auswärtige Hilfe zu bekommen. In der ersten Hälfte der 90er Jahre wurde Polen wirtschaftliche Auslandshilfe zur Verfügung gestellt, vor allem in Form von Schuldenerlass sowie Zuschüssen und Darlehen für die Transformation von Unternehmen und Infrastrukturprojekten, die in Verbindung mit einer soliden und vernünftigen

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Innenpolitik zum Erfolg der polnischen Reformen beigetragen haben. Größtenteils und aufgrund dieser Aktivitäten wurde Polen zu einem Land mit einer gut funktionierenden Marktwirtschaft, die – nach Meinung der Europäischen Kommission– in der Lage ist, mittelfristig den Herausforderungen, die aus dem Beitritt zu EU resultieren, zu begegnen.

In der zweiten Hälfte der 90er Jahre begann Polen unter dem Einfluss des Wandels auf der internationalen politischen Bühne (wie der Weltkonferenzen, die unter der Schirmherrschaft der UN standen oder den Beitritt zur OECD) sowie der Schnelligkeit seines wirtschaftlichen Wachstums, die Probleme der Entwicklungsländer in den gesamten Außenbeziehungen stärker zu berücksichtigen. Das wirtschaftliche Wachstum erreichte eine Höhe von ca. 6-7% des Bruttosozialproduktes pro Jahr, das Land gewann das Vertrauen der ausländischen Investoren vollständig zurück und wurde von einigen westlichen Geberländern als Modell für die Nachbarländer angesehen. Zu dieser Zeit wurden die Grundlagen der heutigen polnischen Entwicklungspolitik gelegt.

Die Pläne für das wachsende Engagement in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit wurden durch Maßnahmen begleitet, die eine Erneuerung der politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Beziehungen mit vielen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas zum Ziel hatten. Die Erneuerung der Zusammenarbeit mit Lateinamerika basierte teilweise auf historischen Beziehungen mit diesem Kontinent (der für viele Jahre der letzte Zufluchtsort polnischer Emigranten war) sowie auf der wachsenden Bedeutung der Region im Kontext des geplanten Amerikanischen Freihandelsabkommens (American Free Trade Agreement). Die lateinamerikanischen Staaten waren auch immer mehr an Polen interessiert, vor allem aufgrund der Tatsache, dass Polen innerhalb der Institutionen der erweiterten EU eine ähnliche Stellung wie Spanien haben wird, das der traditionelle Partner dieser Region ist. Was Asien betrifft, so stellt die beeindruckende wirtschaftliche Entwicklung dieser Region (ungeachtet der zeitweiligen Krisen in den späten 90er Jahren) eine Chance für die polnischen Unternehmen und eine riesige Gelegenheit für eine Zusammenarbeit bei Investitionen dar. Was die afrikanischen Länder angeht, so schufen die Anstrengungen , die in den letzten Jahren auf die Beschleunigung der wirtschaftlichen Entwicklung und Reduzierung der Armut (siehe auch New Partnership for Africa’s Development – NEPAD) auf diesem Kontinent abzielten, schon jetzt einen fruchtbaren Nährboden für Polens zukünftige Teilnahme am Europäisch-Afrikanischen Dialog.

Obwohl die Euro-Atlantische Richtung für die polnische Außenpolitik weiterhin die wichtigste ist und bleibt, gibt es die zunehmend verbreitete Überzeugung, dass Polen es sich nicht leisten kann, keine intensiven Kontakte auf allen Ebenen mit dem Rest der Welt zu haben. Dies ist vor allem in einer Ära der Globalisierung und wachsenden wirtschaftlichen und sonstigen Interdependenz wichtig,.

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Die Entwicklungszusammenarbeit Polens

Im Mai 1999 bestätigte der damalige polnische Außenminister, Prof. Bronislaw Geremek, gegenüber den Abgeordneten des polnischen Parlaments, dass Polen allmählich seine Anstrengungen zur Lösung der weltweiten Entwicklungsprobleme verstärken würde. Das Hauptziel unserer Politik in diesem Bereich würde die Unterstützung des wirtschaftlichen, sozialen und politischen Fortschritts der Entwicklungsländer und der Transformationsländer sein. Minister Geremek kündigte auch den Beginn der Arbeiten an einer umfassenden Strategie zur Entwicklungszusammenarbeit an und betonte die Notwendigkeit des Aufbaus geeigneter institutioneller Mechanismen für die Verwaltung Umsetzung der Hilfe.

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In einer Ansprache vor der UN Generalversammlung bei der Millenniums-Sitzung am 15. September 2000 unterstrich der damalige Außenminister, Prof. Wladyslaw Bartoszewski, dass man ein neues Konzept für die Entwicklungszusammenarbeit brauche, und dass es keine wichtigere Herausforderung gäbe als die nachhaltige Entwicklung, einschließlich der Ausrottung der Armut vor allem in den am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries – LLDCs). Um Erfolge auf diesem Gebiet zu erzielen, sei es nach Aussage des Ministers erforderlich, das Prinzip der Solidarität in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen umfassend anzuwenden. Entwicklung und Ausrottung der Armut könnten nicht länger nur in technischen Kategorien betrachtet werden. Eine effiziente und kohärente Politik erfordere außer finanzieller und technischer Hilfe Anstrengungen in den Bereichen Bildung, Kultur, Good Governance, Gesetzgebung, demokratische Institutionen usw.. Bartoszewski stellte fest, dass Polen den Vorschlag der EU unterstützt, dass alle Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) (vor allem die hoch entwickelten unter ihnen) die Zölle und Kontingente auf die meisten Produkte, die von den am wenigsten entwickelten Ländern exportiert werden, abschaffen. Im Januar 2001 nahm die polnische Regierung das Dokument "Grundlagen für die Teilnahme Polens am Stabilitätspakt für Südosteuropa" an, in dem drei Ziele der Entwicklungszusammenarbeit mit der Region formuliert wurden: Stärkung des Demokratisierungsprozesses und der Respektierung der Menschenrechte, Unterstützung des wirtschaftlichen Stabilisierung und Weiterführung der humanitären Hilfe.

Der Außenminister informierte das polnische Parlament am 6. Juni 2001 über die Richtlinien der polnischen Außenpolitik und betonte, dass Polen den politischen Dialog mit (vom Standpunkt der polnischen Wirtschaftsinteressen) wichtigen Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas entwickeln würde und er diese gleichzeitig dazu ermuntere, in Polen zu investieren.

In seiner Erklärung während der Konferenz zur Finanzierung der Entwicklung in Monterrey im März 2002 unterstrich der stellvertretende polnische Premierminister und Finanzminister, Marek Belka, wie wichtig es sei, den Konsens von Monterrey anzunehmen, und hob hervor, dass die polnische Regierung und Premierminister Leszek Miller die Zusammenarbeit mit den Entwicklungsländern als eine der Prioritäten der Außenpolitik betrachten. Er fügte hinzu, dass Polen seine Hilfe für die Entwicklungsländer zunehmend steigern wolle und dabei einen holistischen Ansatz verfolge, der Handel, Schuldenabbau, technische Hilfe und private Investitionen umfasse.

Das Hauptziel der polnischen Entwicklungspolitik ist die Unterstützung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Entwicklungs- und Transformationsländer. Im besonderen sind die Entwicklungshilfeaktivitäten Polens auf den Wiederaufbau nach Kriegen, den verbesserten Schutz der Menschenrechte, die Förderung der Bildung individueller Fähigkeiten, die Förderung des Aufbaus von Institutionen der Gemeindeverwaltung, Stärkung der Zivilgesellschaft sowie der Bildungs- und Gesundheitssysteme ausgerichtet. In den kommenden Jahren beabsichtigt Polen, auch die Ziele und Prinzipien, die durch die internationale Gemeinschaft ausgearbeitet wurden, einschließlich der Millenniums-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals) stärker in seine Entwicklungspolitik zu integrieren. Kurzfristig sollte die Ausrottung der Armut den Schwerpunkt der umfassenden Strategie der polnischen Entwicklungszusammenarbeit bilden, und zwar auf der Grundlage von Partnerschaft, ownership und gegenseitiger Verantwortung von entwickelten Staaten und Entwicklungsländern.

Die Entwicklungshilfe, die von den polnischen Regierungs- und Nicht-Regierungs-Organisationen zur Verfügung gestellt wird, konzentriert sich auf die Balkanstaaten, andere Transformationsländer und ausgewählte Entwicklungsländer. Der Außenminister übernahm die an-

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fängliche Auswahl von Vietnam, Kasachstan und dem Jemen als bevorzugte Partner der Entwicklungszusammenarbeit. Bei der Auswahl der Empfängerländer wurden im wesentlichen folgende Faktoren in Betracht gezogen: bereits bestehende Projektvorschläge, die Intensität früherer Verbindungen mit Polen und die Aussichten, diese in Zukunft aufrechtzuerhalten, sowie die Existenz einer polnischen diplomatischen Vertretung im jeweiligen Land. Die meisten Hilfsprogramme, die hauptsächlich von Nicht-Regierungs-Organisationen (NRO’s) durchgeführt werden , wenden sich an Transformationsländer. Der fiskalisch große Anteil der Länder des Südens in der polnischen Entwicklungszusammenarbeit resultiert aus den wichtigen Initiativen zur Schuldenreduzierung, die das Finanzministerium gegenüber den jeweiligen Entwicklungsländern unternommen hat. Die meisten polnischen NRO’s, die in Entwicklungshilfeprojekte eingebunden sind, geben an, dass sie beabsichtigen, ihre Anstrengungen auf die Nachbarländer zu konzentrieren. Sie scheinen nicht sehr an der Arbeit in traditionellen Entwicklungsländern interessiert zu sein.

Zu Beginn des Aufbauprozesses des Systems der polnischen Entwicklungszusammenarbeit waren die Aktivitäten auf Stipendienprogramme, den Schuldenabbau, die Gewährung vergünstigter Darlehen und die Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen begrenzt. Seit 1999 haben das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und der Polnische Know-how-Fonds (Polish Know-how Fund, eine parastaatliche Organisation, die unter der Schirmherrschaft des Finanzministers eingerichtet wurde, um polnische Erfahrungen für die wirtschaftliche Transformation ins Ausland zu vermitteln) neue Formen der Entwicklungszusammenarbeit eingeführt. Diese neuen Aktivitäten bestehen in einer Reihe technischer Hilfsprojekte für Länder wie Vietnam, Albanien, Mazedonien und Jugoslawien. Diese Projekte konzentrierten sich auf die Übertragung der polnischen Erfahrungen mit der Systemtransformation, hauptsächlich in Form von Workshops und Konferenzen zu den verschiedenen Themen, die sich auf das Funktionieren marktwirtschaftlicher Institutionen (wie der Warschauer Börse, der Polnischen Börsenaufsicht (Polish Securities Commission) oder Versicherungsgesellschaften), die Reformen des polnischen Steuersystems, den Aufbau von Gemeindeverwaltungen und den Aufbau der Zivilgesellschaft bezogen. Weiter wurden Projekte in den Bereichen medizinische Versorgung (Kosovo, Kasachstan, Venezuela), Bildung (Kosovo, Albanien, Indonesien, Kambodscha, Vietnam) und Ausrottung der Armut initiiert.

Die humanitären Hilfsprogramme machen ebenfalls einen wichtigen Teil der polnischen Entwicklungshilfeaktivitäten aus. Im Jahr 2000 bestanden sie vor allem in der Nahrungsmittelhilfe (Mongolei, Moldawien), Lieferung von Medikamenten und medizintechnischer Ausrüstung (Libanon) und der Entsendung von Rettungsteams (Ungarn, Rumänien). Polen leistete 2001 wichtige humanitäre Hilfe für die Ukraine (nach einer verheerenden Flut), Indien, Peru und El Salvador, die durch schwere Erbeben betroffen waren. Polen beteiligte sich außerdem an den Aktivitäten der internationalen Gemeinschaft mit dem Ziel, Afghanistan wiederaufzubauen und den afghanischen Flüchtlingen im Iran und in Pakistan zu helfen. Generell waren im Jahr 2001 mehr als 100.000 USD (US-Dollar) für bilaterale Entwicklungshilfeprogramme für Afghanistan vorgesehen.

Seit dem Aufbau des Systems der Entwicklungszusammenarbeit hat Polen auch freiwillige Beiträge an die internationalen Organisationen wie das Welternährungsprogramm, an den Hochkommissar der UN für Menschenrechte, den Hochkommissar der UN für Flüchtlinge, das Internationale Rote Kreuz und andere geleistet. Polen hat auch für einige Jahre das internationale Hilfsprogramm zur Stillegung des Atomkraftwerks Ignalina in Litauen (Ignalina International Decommissioning Support Fund) mitfinanziert.

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Während der letzten vier Jahre ist die Entwicklungshilfe Polens trotz der zeitweiligen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums systematisch angestiegen. 1998 stellte Polen 28,91 Millionen USD für Hilfsleistungen an die Entwicklungsländer und Transformationsländer zur Verfügung, 1999 waren es 37,23 Millionen USD und 2000 39,59 Millionen USD. Im Jahr 2001 betrugen die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungshilfeprogramme und –projekte mehr als 43 Millionen USD, von denen mehr als 35 Millionen USD (81%) in die öffentliche Entwicklungshilfe für Entwicklungsländer (Official Development Assistance – ODA) flossen. Der Anstieg der Entwicklungshilfe, die für Asien bestimmt war, ist zum Teil auf die vergünstigte Darlehen für zwei Länder in dieser Region (Jemen und Vietnam) zurückzuführen.

Tabelle 1: Die Entwicklungshilfe Polens 1998 – 2001 (In Millionen USD)

Öffentliche Entwicklungshilfe – ODA

Bilateral

1998

1999

2000

2001

Europa

3,59

6,75

3,35

1,34

Afrika

1,71

1,05

0,9

0,67

Davon:





Nördliche Sahara

0,3

0,2

0,2

0,11

Südliche Sahara

1,0

0,7

0,6

0,56

Amerika

0,30

0,25

3,42

0,29

Davon:





Nord- und Zentral

0,2

0,1

0,1

0,17

Süd

0,1

0,2

3,4

0,12

Asien

8,08

6,59

5,13

28,40

Davon:





Mittlerer Osten

1,4

2,0

0,8

24,24

Süd- u. Zentralasien

1,7

2,1

2,3

2,26

Ferner Osten

2,7

1,1

1,5

1,90

Summe der bilateralen Hilfe

13,67

14,65

12,81

30,70


Multilateral





UN u. Sonderorganisationen

2,79

3,21

3,10

2,68

Weltbankgruppe

1,59

1,36

1,64

2,00

Andere Organisationen

0,68

1,10

11,01

0,16

Summe der multilateralen Hilfe

5,06

5,67

15,76

4,84






Summe ODA

18,75

20,32

28,57

35,54


Öffentliche Hilfe – OA

Schwellenländer



0,07



0,15



0,10



0,08

Mittel- und Osteuropa

10,09

16,76

10,92

8,22


Summe OA


10,16


16,91


11,01


8,30


Summe ODA und OA


28,91


37,23


39,59


43,84

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Entsprechend den Kriterien der OECD gewährte Polen im Jahr 2001 mehr als 90 Ländern Entwicklungshilfe. In der Mehrzahl der Fälle jedoch bestand diese Hilfe nur aus Stipendien. 2001 zählten Jemen, Litauen, Weißrussland, Kasachstan, Vietnam, die Ukraine und die Bundesrepublik Jugoslawien zu den wichtigsten Empfängerländern polnischer Entwicklungshilfe.

Obwohl Polen 1996 Mitglied der OECD geworden ist, ist es noch nicht Mitglied des Entwicklungshilfeausschusses der OECD (Development Assistance Committee – DAC), sondern nimmt an seiner Tätigkeit als Beobachter teil. Dies gibt uns die Möglichkeit, aus den reichen Erfahrungen der OECD auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit Nutzen zu ziehen. Die Mitarbeit im DAC erlaubt Polen, von der Erfahrung anderer OECD Geberländer zu profitieren sowie die Richtlinien und Empfehlungen anzuwenden, die in dieser Organisation ausgearbeitet und verabschiedet wurden. Die Vertreter Polens nehmen an Seminaren und Konferenzen teil, die von den verschiedenen OECD – Entwicklungsinstitutionen organisiert werden. Die vom OECD-Sekretariat veröffentlicht Dokumente, vor allem des Ausschusses für Entwicklungszusammenarbeit, sind von großer Bedeutung für die Erarbeitung der neuen polnischen Strategie für Entwicklungszusammenarbeit. Seit 1999 erstellt der Minister für Auswärtige Angelegenheiten jedes Jahr entsprechend den statistischen Anweisungen des DAC/OECD einen Bericht zur polnischen Entwicklungshilfe. Außerdem werden im jährlichen Bericht der OECD zur Entwicklungszusammenarbeit einige grundlegende Informationen über Polens Aktivitäten in diesem Bereich veröffentlicht. Polen versucht, in naher Zukunft ein Mitglied des DAC mit allen Rechten und Pflichten zu werden.

Das System der polnischen Entwicklungszusammenarbeit stark dezentralisiert und die Funktionen sind auf verschiedenen Institutionen aufgeteilt, darunter das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (verantwortlich für durch Zuschüsse finanzierte technische Hilfe und Ausbildungsprojekte), das Finanzministerium (hauptsächlich verantwortlich für die Finanzhilfe für Entwicklungsländer), die Ministerien für Bildung und Gesundheit sowie Durchführungsorganisationen und NRO’s. Bis zum Aufbau einer neuen Institution, die im Namen und Auftrag der Regierung der Polnischen Republik für Fragen der Entwicklungszusammenarbeit verantwortlich sein soll, fällt die zentrale Rolle in diesem Bereich in die Verantwortung des Fachbereichs "Vereinte Nationen" des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten. Dieser Fachbereich befasst sich mit den grundsätzlichen Richtlinien der Entwicklungszusammenarbeit Polens sowie mit der praktischen Aufsicht über die Entwicklungshilfeprojekte und –programme. Diese Projekte und Programme werden entweder vom Ministerium selbst umgesetzt oder, was häufiger der Fall ist, von NRO’s, die im Auftrag des Ministeriums handeln, indem sie öffentliche Zuwendungen für solche Zwecke umsetzen. Die polnischen Botschaften und Vertretungen bei den internationalen Organisationen sind ebenfalls in den Prozess der Durchführung von Projekten im Ausland eingebunden. Die Hilfsprojekte des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten werden über einen speziellen Haushaltstitel finanziert. Der Finanzminister stellt nach Absprache mit dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten den Durchführungsinstitutionen die entsprechenden Mittel zur Verfügung.

In den letzten Jahren wurden die Entwicklungshilfeleistungen auf der Grundlage des neuesten Modells des polnischen Systems der Entwicklungszusammenarbeit umgesetzt. 1999 wurde im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der erste Entwurf mit dem Titel "Die Strategie der Entwicklungszusammenarbeit" erarbeitet. Angesichts der Veränderungen in der weltweiten Entwicklungszusammenarbeit (einschließlich der Annahme der Entwicklungsziele für das Millennium (Millennium Development Goals) und der fortschreitenden Integration Polens in die Europäische Union (EU) werden die Arbeiten an einer neuen Version dieses Dokuments, das dem Parlament Ende 2002 zur Diskussion vorgelegt werden sollte, fortgeführt. Die Erfah-

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rungen der verschiedenen OECD-Länder wurden bei den Arbeiten an der neuen polnischen Entwicklungsstrategie ebenfalls berücksichtigt.

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Die Auswärtigen Beziehungen Polens und der Beitritt zur EU

In dem Dokument "Partnerschaft für die Mitgliedschaft", das im Laufe der Konsultationen mit den polnischen Behörden ausgearbeitet wurde, betonte die Europäische Kommission, dass hinsichtlich des Kapitels "Auswärtige Beziehungen" einige Vorbereitungen für den Beitritt getroffen werden müssen, wie die Übernahme verschiedener Handels- und Kooperationsabkommen der EU, multilateraler und bilateraler handelspolitischer Verpflichtungen und eigene handelspolitische Schutzmechanismen. Gleichzeitig muss die nationale Gesetzgebung in diesem Bereich, soweit sie damit nicht übereinstimmt, außer Kraft gesetzt werden. Es müssen weitere Vorbereitungen getroffen werden, damit beim Beitritt das Cotonou-Abkommen mit den AKP-Staaten (Afrika, Karibik und Pazifik) angewandt und Polen sich an der Finanzierung des Europäischen Entwicklungsfonds (European Development Fund) beteiligen kann. Die Zollgesetzgebung muss an die der EU angepasst sein und vollständig angewendet werden.

Was die Verhandlungen mit der EU betrifft, so ist die offizielle Position der Regierung die, dass Polen den acquis communautaire zum 31. Dezember 2002 (das erklärte Datum für die Bereitschaft zum Beitritt) annehmen und im Kapitel über die auswärtigen Beziehungen keine Übergangszeit beantragen wird. Das bedeutet, dass mit dem Beitritt zur EU alle Vereinbarungen zwischen Polen und dritten Ländern, die den Verantwortungsbereich der EU betreffen, gekündigt und durch bilaterale und multilaterale Vereinbarungen mit der EU ersetzt werden. Das gilt unter anderem für das Allgemeine Präferenzsystem (General System of Preferences – GSP), die Lomé-Abkommen und das Cotonou-Abkommen sowie für die Freihandelsabkommen zwischen der EU und Drittländern. Mit dem Beitritt wird der europäische acquis auf diesem Gebiet unmittelbar übernommen. Polen ist auch bereit, mit der EU zusammenzuarbeiten, um gemeinsame Positionen gegenüber Drittländern innerhalb der OECD und der Welthandelsorganisation (WTO) sowie bei internationalen Konferenzen vertreten.

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Der Handel mit den Ländern des Südens

Die Handelsbeziehungen Polens sind hauptsächlich auf die OECD-Länder ausgerichtet während die Länder Afrikas, Lateinamerikas und Asiens nicht stark vertreten sind. In einer zunehmend globalisierten Weltwirtschaft wird Polen jedoch an der Entwicklung seiner Handelsbeziehungen mit den Ländern aller Kontinente, vor allem jedoch mit denen, die für polnische Unternehmen gute Möglichkeiten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit bieten, sehr interessiert sein. Die polnische Handelspolitik ist durch die Mitgliedschaft in der WTO seit ihrem Beginn im Jahr 1995 sowie durch einige bilaterale Freihandelsabkommen geprägt. In den 90er Jahren schloss Polen Freihandelsabkommen mit einigen Entwicklungsländern, darunter Israel und der Türkei. Nach dem Beitritt zur EU werden die Regeln und Mechanismen der Gemeinsamen Handelspolitik der EU die obengenannten Vereinbarungen ersetzen.

Für Polens Handel ist Asien die wichtigste Region der Dritten Welt. Der Handel zwischen Polen und asiatischen Ländern (einschließlich des Mittleren Ostens, ohne Japan, Israel und Zypern) erreichte im Jahr 2001 ein Volumen von 5.315 Millionen USD. Davon machten die polnischen Exporte einen Wert von 954 Millionen USD, die Importe einem Wert von 4.363 Millionen USD aus, wodurch sich ein Handelsbilanzdefizit für Polen von 3.407 Millionen USD ergab. Asiens Anteil an den gesamten polnischen Exporten betrug 2,6%, und 8,7% an den Importen. Die Haupthandelspartner Polens in Asien sind China, Indien, Singapur, Thailand, Malaysia und die Südkorea.

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Der Handel zwischen Polen und Afrika erreichte 2001 ein Volumen von 953 Millionen USD. Polen hat Güter und Dienstleistungen nach Afrika im Wert von 518 Millionen USD exportiert und für 436 Millionen USD importiert. Der Handel mit Afrika war kein sehr wichtiger Faktor in unserer Handelsbilanz: 1,43% der weltweiten Exporte und 0,9% der gesamten Importe. Zu den führenden Handelspartnern zählen die nordafrikanischen Länder: Algerien, Marokko und Ägypten. Polen unterhält auch Handelsbeziehungen mit Nigeria, Liberia und der Elfenbeinküste.

In den letzten Jahren blieben die Handelsbeziehungen mit Lateinamerika stabil auf einem Niveau zwischen 970 und 1300 Millionen USD im Jahr. Die Exporte waren langsam aber sicher angewachsen und erreichten im Jahr 2001 einen Wert von 440 Millionen USD. Die Importe aus Lateinamerika waren viel schneller gestiegen, von 700 Millionen USD im Jahr 1998 auf 908 Millionen USD im Jahr 2001. Traditionell besteht der Löwenanteil dieser Handelsbeziehungen mit Brasilien, Mexiko, Venezuela und Argentinien.



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Schlussfolgerungen

Seit 1989 hat Polen seine diplomatischen und Handelsbeziehungen auf die Länder der nördlichen Hemisphäre konzentriert. Unsere Beziehungen zu Entwicklungsländern, einschließlich des Engagements bei der Lösung der weltweiten Entwicklungsfragen, waren in der ersten Hälfte der 90er Jahre stark eingeschränkt und sind bislang nicht wieder vollständig hergestellt. In diesem Zeitraum konkurrierte Polen, neben anderen Ländern Mittel- und Osteuropas, mit vielen südlichen Ländern darum, ausländische Entwicklungshilfe zu bekommen. Es ist offensichtlich, dass die Position der Länder des Südens in der polnischen Außenpolitik vor allem die Rolle, die diese Länder im internationalen politischen und wirtschaftlichen Gefüge spielen, wiederspiegelt. Aber viele wichtige Faktoren, wie die Globalisierung und vor allem die Integration in die EU, werden das polnische Engagement in vielen Regionen der Welt begünstigen. Die Mitgliedschaft in der wichtigsten wirtschaftlichen Organisation in der Welt wird Polen nicht nur eine aktivere Rolle auf der Weltbühne zuweisen, sondern auch den Spielraum für die Zusammenarbeit mit vielen Entwicklungsländern erweitern.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2002

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