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[Seite der Druckausg.:22] 5. Das neue Russland im Kontext des internationalen Staatensystems Während die Sowjetunion bekanntlich auf der internationalen Bühne stark polarisierend wirkte, also bedingungslose Anhänger wie geopolitische Gegner hatte, sind nach Meinung der heutigen außenpolitischen Elite die Beziehungen Russlands zu seiner Außenwelt keineswegs eindeutig.
Aus einer Auswahl von 24 Staaten wurden 16 als Russland gegenüber mehr oder weniger freundschaftlich gesinnt bezeichnet. Freilich ist erwähnenswert, dass die Frage nach dem Kriterium der Freundschaftlichkeit bei einer Reihe von Ländern zu erheblichen definitorischen Schwierigkeiten unter den Experten führte. Dies gilt in erster Linie für russische Nachbarn aus dem ehemaligen Ostblock sowie aus der ehemaligen UdSSR, wie, Aserbaidschan, Usbekistan, Polen, Tschechien und Ungarn. Unter den westlichen Staaten gehören dazu Großbritannien und Japan. Die gängige These von der außenpolitischer Isolation des Landes findet bei der außenpolitischen Elite keinen Anklang. Unter den Experten dominiert im Gegenteil der Standpunkt, dass andere Staaten im großen und ganzen positiv gegenüber Russland eingestellt sind. Eine Ausnahme sind die russisch-amerikanischen Beziehungen. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl derer, die die Beziehungen zwischen den USA und Russland als nicht freundschaftlich bezeichnen, mehr als verdoppelt (von 22% auf 59%). Hierfür gibt es viele Gründe; ein wesentlicher ist die Balkankrise von 1999 und der Kosovo-Krieg, die nach Meinung der relativen Mehrzahl der Experten (42%) zu einem neuen Kräfteverhältnis in der Welt führte, das von der Dominanz der USA geprägt ist. Nicht geteilt wird die Annahme, die Balkankrise habe erstens dazu geführt, dass sich Europa von den USA distanzierte, und zweitens Voraussetzungen für eine engere politische Union zwischen Russland und Europa geschaffen (diesen Aussagen stimmen je- [Seite der Druckausg.:23] weils 19% der Experten zu). 13% sind mit der Aussage einverstanden, dass der Krieg auf dem Balkan die Schwäche Russlands illustrierte und seine außenpolitische Isolation verschärfte. Im übrigen wird die These von der neuen Dominanz der USA vor allem von den Traditionalisten/Eurasiern und in beträchtlich geringerem Maße von den Westlern geteilt. Letztere beurteilen die Perspektiven der Entwicklung Europas und die Möglichkeiten einer engeren Zusammenarbeit zwischen Russland und dem vereinigten Europa deutlich optimistischer (siehe Tabelle 14). Tabelle 14 Einfluss der Balkankrise von 1999 auf das internationale und außenpolitische Klima, Traditionalisten/Eurasier und Westler (in %)
Ein anderer Grund für die Abkühlung der russisch-amerikanischen Beziehungen liegt nach Meinung von Experten in den ersten Schritten der neuen US-Regierung unter Präsident George Bush. Eine Mehrheit der Experten (55%) befürchtet, dass die Außenpolitik der USA gegenüber Russland noch schonungsloser werden wird als die Politik der Clinton- Administration (diese Ansicht wird ungefähr im gleichen Umfang von den Analytikern mit 58%, wie den Praktikern mit 53% vertreten). Zum Vergleich: Lediglich 13% der Befragten denken, dass der außenpolitische Kurs der USA gegenüber Russland keine Veränderungen erfahren wird. Und immerhin meinen 10%, dass die USA wahrscheinlich Russland ignorieren werden. Diese Gruppe zählt augenscheinlich zu den isolationistischen Kräften des Landes, weil sie daran die Hoffnung knüpft, dies sei letzten Endes für Russland von Nutzen.
Eine geradezu gegensätzliche Tendenz ist nach Auffassung der Experten in den russisch-deutschen Beziehungen zu beobachten. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Zahl derer, die Deutschland zu den freundschaftlich gesinnten Ländern zählen verdreifacht (von 19% auf 52%), während der Anteil jener Experten, die Deutschland als nicht freundschaftlichen Staat ansehen, in etwa konstant blieb (10% im Jahre 1996 und 13% im Jahre 2001). [Seite der Druckausg.:25] Der heutige Stand der russisch-deutschen Kooperation wird überaus positiv beurteilt. Beurteilung der russisch-deutschen Kooperation (in %)
Allerdings ist die Stimmung unter den Analytikern, von denen ein Großteil zu den Europa- oder auch Deutschland-Fachleuten zählt, bei weitem nicht so entspannt. Sie teilen sich faktisch in zwei gleich große Lager und 46% von ihnen sehen Probleme, die das russisch-deutsche Verhältnis trüben könnten. Eine nicht geringe Anzahl der Experten hat von sich aus folgende mögliche Probleme in den deutsch-russischen Beziehungen erwähnt:
© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2001 |