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[Seite der Druckausg.:14] 3. Nationale Interessen und Ziele der Außenpolitik Vergleicht man die Ergebnisse dieser und der anderen Studien, so zeigt sich, dass pragmatische, realistische Orientierungen bei der außenpolitischen Elite in den vergangenen fünf bis sieben Jahren imperiale Träume zurückgedrängt haben. Seit 1993 hat sich der Anteil etwa derer, die glauben, dass Russland in absehbarer Zukunft zu den fünf am höchsten entwickelten Staaten der Welt gehören kann, mehr als halbiert. Der Anteil der Befragten, die dafür eintreten, das Russland auf globale Ambitionen verzichten und sich auf die Lösung seiner inneren Probleme konzentrieren solle, stieg um das Sechsfache. Paradoxerweise wuchs aber auch die Anhängerschaft der Supermachtsideologie. Nicht erstaunlich ist, dass sich die meisten von ihnen unter den Anhängern der LDPR und KPRF befinden. Schon bemerkenswerter und bedenklicher ist, das diese Idee auch unter Experten, die jünger als 40 Jahre alt sind, zunehmend Anklang findet. Tabelle 6 Ziele, die Russland in den nächsten 10-15 Jahren anstreben soll und die im
Die außenpolitische Elite, besonders die Analytiker, haben sich offenbar damit abgefunden, dass Russland auf absehbare Zeit nicht zur ersten Liga der internationalen Gemeinschaft gehören wird. Freilich wird die Ansicht, dass Russland sich keine ehrgeizigen Ziele setzen soll, bei weitem nicht von allen geteilt. Jüngere Experten (unter 40 Jahre) sehen die russischen Perspektiven viel optimistischer. Im einzelnen sprechen sie sich 3,5 mal so oft wie ihre älteren Kollegen (über 60 Jahre) dafür aus, das Russland seine Stellung als Supermacht wieder erlangen solle. Unter den älteren Befragten wollen mit 40% drei mal so viele auf globale Ambitionen verzichten wie unter den jüngeren (siehe Tabelle 7). [Seite der Druckausg.:15] Tabelle 7 Ziele, die Russland in den nächsten 10-15 Jahren anstreben soll, die im
Zugleich werden die Unterschiede zwischen Traditionalisten/Eurasiern und Westlern deutlich. Bemerkenswert ist, dass jene Experten, die eine Integration Russlands in die westliche Gemeinschaft befürworten, insoweit zugleich isolationistische Positionen vertreten, als ein Drittel von ihnen davon überzeugt ist, dass Russland sich auf die Lösung seiner inneren Probleme konzentrieren solle. Außenpolitischer Aktionismus ohne eine materielle Basis wird von ihnen nicht befürwortet.(siehe Tabelle 8). Tabelle 8 Ziele, die Russland in den nächsten 10-15 Jahren anstreben soll und die den nationalen Interessen entsprechen, Unterscheidung nach Westlern und Traditionalisten/Eurasiern (in %)
[Seite der Druckausg.:16] An konkreten außenpolitischen Zielen werden in der Reihenfolge ihrer Gewichtung genannt (in %, Mehrfachnennungen) [ Anteil der Experten, die entsprechende Ziele als wichtig oder sehr wichtig für die russische Außenpolitik ansehen, in %.] :
Danach nimmt die Schaffung einer strategischen Partnerschaft mit führenden asiatischen Mächten und namentlich mit China nach wie vor einen zentralen Platz ein. Nahezu gleichrangig trat der Wunsch nach einem partnerschaftlichen, strategischen Verhältnis mit der Europäischen Union hinzu. In diesem Bereich der Westpolitik fand eine deutliche Umorientierung statt. Sie vollzog sich auf Kosten der strategischen Partnerschaft zu den USA. Auf die präzisierende Frage nach den Perspektiven der Zusammenarbeit Russlands mit den USA geht mit 55% die Mehrheit der Befragten davon aus, dass die Außenpolitik der USA sich gegen Russland verhärten wird. Auf europäische Seite fällt dagegen besonders ins Gewicht, dass sich die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland seit Jahren positiv entwickelt und russische transnationale Konzerne wie die sogenannten natürlichen Monopole (Gasprom, RAO EES usw.) auf die europäischen Märkte drängen. Dieser Wirtschaftsoptimismus hat keine politischen Illusionen genährt, ist aber zur Basis einer manifesten Hinwendung der russischen Politik nach Europa geworden. Traditionell äußerst widersprüchlich und schwierig gestaltete sich das Verhältnis zur Kooperation mit der NATO. So glauben 43% der Experten, dass man die partnerschaftliche Beziehung zur NATO ausbauen muss. 36% aber betonen, dass man sich der NATO-Osterweiterung widersetzen solle. Allen im allem ist im Verhältnis zur Nato ebenfalls ein zunehmender Realismus zu verzeichnen. Die Nato bleibt zwar in der russischen Perzeption ein Anachronismus des Kalten Krieges und damit Instrument der USA, um Europa im amerikanischen Orbit zu halten, aber ihre Bedrohlichkeit gegenüber Russland wird nicht mehr so pointiert gesehen. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | November 2001 |