FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:

ANHANG: DOKUMENTE
[von Kurt Schumacher]



[33.]
„Für uns gibt es aber keine Möglichkeit der Versöhnung mit dem Faschismus!"
Rede am 10.6.1933 vor der SPD-Reichstagsfraktion in Berlin


Zit. in: Erich Matthias/Rudolf Morsey (Hg.): Das Ende der Parteien 1933.
Darstellungen und Dokumente. Königstein/Ts. 1979, S. 263.

Dr. Schumacher, Stuttgart, meint, es sei zu den grundsätzlichen Bemerkungen Löbes über die Emigrantenpolitik [Löbe hatte für die illegale Arbeit der SPD in Deutschland plädiert („Wir dienen im Innern unserer Sache mehr!) und „zu der prinzipiellen Seite" der Emigration bemerkt: „Die Geschichte hat bewiesen, daß die Emigrationspolitik selten von entscheidender Wirkung gegen ein absolutistisches oder faschistisches Regime war." Vgl. Matthias/Morsey (Hg.), Das Ende der Parteien, S. 260f., die Zitate S. 261.] doch darauf hinzuweisen, daß es auch Beispiele in der Geschichte gäbe, die vom Erfolg der Emigrantenpolitik sprechen. Er brauche da nur an Lenin zu erinnern. (Zurufe: Nie ohne den Krieg und den deutschen Generalstab!) Im übrigen möchte er vermieden wissen, daß Kompetenzansprüche für die Führung nun moralisch zu untermauern versucht werden. Das gelte für beide Teile. Es werden für die innere Führung die verschiedensten Motive genannt. Dabei darf aber denn doch nicht vergessen werden, daß eigentlich die Partei - denn das ging aus dem Bericht von Westphal [Max Westphal hatte als Berichterstatter des Parteivorstandes vor Löbe gesprochen. Vgl. ebd., S. 255-260.] doch klar hervor - die drei Genossen vom Vorstand - nämlich Wels, Stampfer und Crummenerl - hinausgesandt hat. [Der Parteivorstand hatte am 4.3.1933 beschlossen, die drei Genossen dringend zu ersuchen, aus Berlin abzureisen. Friedrich Stampfer und der Hauptkassierer Siegmund Crummenerl (1892-1940) gingen hierauf über die Grenze, Wels am 10. Mai. Vgl. ebd., S. 257.] Ich habe den Eindruck, die Partei ist förmlich atomisiert. Eine Reihe von Funktionären schließen sich förmlich hermetisch gegen die Außenwelt ab. Aber auch bei den Mitgliedern nimmt man das wahr; es muß unbedingt noch mal der Versuch eines Ausgleichs mit den Genossen von draußen gemacht werden. Es muß doch möglich sein, umgehend den ganzen Vorstand zu einer Sitzung zusammentreten zu lassen. Die Berichte haben alle einen sehr persönlich gefärbten Standpunkt herausgekehrt. Prinzipiell bin ich der Auffassung, daß wir mit der Organisierung der illegalen Arbeit schon viel zuviel Zeit verloren haben. Wir dürfen nicht übersehen, daß der Faschisierungsprozeß, der beim Bürgertum seinen Höhepunkt bereits überschritten hat, beim Arbeiter erst beginnt. Man höre nur auf die Gespräche, die in Arbeiterkreisen geführt werden. Das herrschende System wird gerade dann, wenn es in größere Schwierigkeiten gerät, nur einen Ausweg haben: den Kampf gegen uns, und zwar mit größter Schärfe. Für uns gibt es aber keine Möglichkeit der Versöhnung mit dem Faschismus.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | August 2000

Previous Page TOC