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Zugangsprobleme beim digitalen Fernsehen : Vortrag vor dem Gesprächskreis Politik und Wissenschaft des Forschungsinstituts der Friedrich-Ebert-Stiftung am 9. Oktober 1997 / Bernd Holznagel. - [Electronic ed.]. - Bonn, 1997. - 26 S. : graph. Darst. = 57 Kb, Text. - (Gesprächskreis Politik und Wissenschaft : Reihe: Recht und Politik). - ISBN 3-86077-681-9
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2000

© Friedrich-Ebert-Stiftung


INHALT




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Vorwort

[Seite der Druckausg.: 3]

Wir haben Herrn Prof. Dr. Bernd Holznagel, LL.M., Münster, sehr dafür zu danken, daß er seinen stark beachteten Vortrag in der Reihe Recht und Politik unseres Gesprächskreises Politik und Wissenschaft mit dieser Veröffentlichung einem größeren Publikum zur Verfügung stellt.

Die Veranstaltung, aus der dieser Vortrag erwachsen ist, wurde möglich durch die freundlichen Unterstützung von Frau Prof. Dr. Herta Däubler-Gmelin, MdB, stellvertretende Vorsitzende der SPD. Ihr gilt unser besonderer Dank.

Gerhard Stümpfig
Leiter des Forschungsinstituts

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l. Einleitung

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„Wundersame Kanalvermehrung" - mit solchen und ähnlichen Schlagworten ist das digitale Fernsehen in der letzten Zeit massiv belegt worden. Verspricht es doch eine ungeahnte Vielzahl neuer Kanäle, völlig neue Formen der Programmvermarktung und die Verwandlung des Fernsehers in ein Multimedia-Terminal. Damit sollen nicht nur Fernsehdienste genutzt werden können. Auch der Zugang zum Internet, zu Online-Diensten und zur virtuellen Videothek soll damit möglich werden - um nur einiges zu nennen. Technisch machbar wird all dies, indem die Inhalte beim digitalen Fernsehen in komprimierter Form übermittelt werden. Auf diese Weise wird nicht mehr wie bei der analogen Technik pro Sender eine Frequenz belegt. Vielmehr teilen sich verschiedene Inhalte einen Kanal. So benötigt man einerseits deutlich weniger Frequenzen, so daß zusätzliche Kapazitäten für neue Angebote frei werden. Andererseits kann die Übertragung digitaler Fernsehsignale mit anderen Informationen gekoppelt werden. Dadurch kann ein einziges Sendesignal z.B. gleichzeitig Teletextdaten, Computersoftware, Telefongespräche und eben Fernsehsignale enthalten.

In rechtlicher Hinsicht wirft digitales Fernsehen eine ganze Reihe von Problemen auf. Diese Problemstellungen und die dazu mittlerweile entwickelten Lösungsansätze sind hier zu beschreiben und zu kommentieren. Man hat es dabei allerdings mit einem äußerst komplexen Sachgebiet zu tun. Die folgenden Ausführungen sind deshalb in zweierlei Hinsicht zu begrenzen: Zum ersten sollen nur diejenigen Rechtsprobleme angesprochen werden, die für das digitale Fernsehen besonders charakteristisch sind. Nicht behandelt werden deshalb etwa Aspekte des Jugendschutzes oder der Kontrolle von Werbung und Sponsoring, und auch Fragen der Kabelbelegung sollen keine Erwähnung finden. [Fn 1: Zu letzteren jüngst etwa Bartosch, Digital Video Broadcasting (DVB) im Kabel, Computer und Recht (CR) 1997, 517 ff.; Bullinger, Verbreitung digitaler Pay-TV-Pakete in Fernsehkabelnetzen, Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht (ZUM) Sonderheft 1997, 281 ff; Engel, Verbreitung digitaler Pay-TV-Pakete in Fernsehkabelnetzen, ZUM Sonderheft 1997, 309 ff.; Gersdorf, Regelungskompetenzen bei der Belegung digitaler Kabelnetze, Berlin 1996; Stettner, Der Kabelengpaß, München 1997; Wagner, Rechtsfragen digitalen Kabelfernsehens, Berlin 1996.] Zum zweiten

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wird bei der Behandlung der einzelnen relevanten Rechtsvorschriften neben dem Rundfunkstaatsvertrag nur auf nordrhein-westfälische und auf bayerische Normen zurückgegriffen. Denn die Vorgehensweisen beider Länder beim digitalen Fernsehen unterscheiden sich schon in ihren Ansätzen grundsätzlich und eignen sich deshalb auch für eine vergleichsweise Betrachtung verschiedener Regelungsmodelle in der Bundesrepublik. Hinsichtlich des bayerischen, auf DF 1 bezogenen Modells wird allerdings zu beachten sein, daß hier im Zuge der Einigung zwischen der Kirch-Gruppe und Bertelsmann tiefgreifende Veränderungen zu erwarten sind.

Gegenüber den genannten inhaltlichen Begrenzungen sind es wiederum zwei Aspekte, auf die an dieser Stelle besonders eingegangen werden soll. Zum einen soll der Blick nicht nur auf deutsche Vorschriften, sondern daneben auch nach Großbritannien gewandt werden. Denn dort verfolgt der Gesetzgeber beim digitalen Fernsehen ein grundsätzlich anderes Konzept als in der Bundesrepublik, woraus sich lohnende Anhaltspunkte für die hiesige Diskussion gewinnen lassen. [Fn 2: Eingehend zur britischen Rechtslage bereits Holznagel/Grünwald, Multimedia per Antenne, ZUM 1997,417 ff.] Den zweiten Schwerpunkt neben der Darstellung dieser britischen Regeln soll ein Beschluß der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten vom 17. Juni 1997 bilden. [Fn 3: DLM, Vorkehrungen zur Sicherung des chancengleichen Zugangs gegenüber technischen und Programmplattformen, zu finden im Internet unter http://www.alm.de.]
Darin sind Vorkehrungen zur Sicherung des chancengleichen Zugangs zum digitalen Fernsehen vorgesehen. Bemerkenswert ist nämlich, daß der entsprechende DLM-Beschluß deutliche Parallelen zu den britischen Vorschriften aufweist - insoweit schließt sich also der Kreis der Darstellung.

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II. Ausgewählte Problembereiche

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1. Überblick

Ein analoges Fernsehprogramm legt einen relativ kurzen Weg zurück, bevor es vom Studio des Veranstalters auf den Bildschirm des Zuschauers gelangt. Es wird zunächst in analoger Form produziert, dann direkt vom Veranstalter ausgestrahlt und schließlich vom Endgerät des Rezipienten bzw. von einer Kabel- oder Satellitenkopfstation unmittelbar empfangen.

Beim digitalen Fernsehen fällt dagegen auf, daß dort der Weg vom Veranstalter zum Rezipienten deutlich länger ist. Denn zunächst muß der Programminhalt in eine digitale Sendeform gebracht, also in eine computerlesbare Folge von Nullen und Einsen zerlegt werden. Das geschieht im sog. Multiplexverfahren, auf das im folgenden noch näher eingegangen wird. Die deutlich effizientere Frequenzausnutzung führt außerdem dazu, daß der Zuschauer beim Digitalfernsehen mit einem immensen Programmspektrum konfrontiert wird. Das weckt bei ihm ein gesteigertes Orientierungsbedürfnis. Weil herkömmliche Fernsehzeitschriften eine solche Programmfülle aber nicht mehr bewältigen können, sind beim digitalen Fernsehen elektronische Programmführer gefragt, die sog. Navigationssysteme. Schließlich ermöglicht die digitale Fernsehtechnik aber auch das Angebot von Pay-TV, also von Bezahl-Fernsehen, das auf einer Einzelabrechnung pro gesehenem Programm oder Einzelbeitrag beruht. Die Vermarktungsformen reichen dabei vom herkömmlichen Abo-Fernsehen à la Premiere über Pay-Per-View bis hin zu Video-On-Demand. Allen Pay-TV-Formen ist jedoch gemeinsam, daß der Zuschauer ein Angebot immer erst dann empfangen kann, wenn er vom Anbieter hierzu berechtigt wird. Digitales Pay-TV arbeitet deshalb mit einer besonderen Verschlüsselungstechnik, die man als Conditional-Access bezeichnet.

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Diese drei technischen Aspekte des digitalen Fernsehens (Multiplexing, Navigationssystem und Conditional Access) verbindet in rechtlicher Hinsicht ein zentrales Problem. [Fn 4: Vgl. Eberle, Digitale Rundfunkfreiheit: Rundfunk zwischen Couch-Viewing und Online-Nutzung, CR 1996, 193 (195); Holznagel, Rundfunkrecht in Europa, Tübingen 1996, 363 ff.] Denn derjenige, der hierüber allein verfügt, kann letztlich auch bestimmen, welches Programmangebot die von ihm besetzte Position auf dem Weg vom Veranstalter zum Rezipienten passieren darf - und welches nicht. So entscheidet der Multiplexbetreiber darüber, welche Programminhalte er in eine digitale Sendeform transformiert und dadurch für das digitale Fernsehen überhaupt erst nutzbar macht. Der Anbieter des Navigationssystems bestimmt, welche dieser Programmangebote er in seinen Navigator aufnimmt, so daß sie der Rezipient aus der Fülle der digitalen Fernsehsender auswählen kann. Und schließlich steuert der Inhaber des Conditional-Access, welches Pay-TV-Programm der Zuschauer entschlüsseln und sehen kann.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß die Bereiche Multiplexing, Navigationssystem und Conditional Access ein erhebliches Gefährdungspotential bergen. Denn aufgrund ihrer besonderen Entscheidungskompetenzen können ihre Inhaber sowohl den publizistischen als auch den ökonomischen Wettbewerb auf dem digitalen Fernsehmarkt nachhaltig beeinflussen. Man spricht deshalb auch von den „Gatekeepern" oder den „Flaschenhälsen" des digitalen Fernsehens. Vornehmliches Ziel aller Regelungsversuche im Bereich des digitalen Fernsehens muß es deshalb sein, die geschilderte Gatekeeper-Problematik durch die rechtliche Gewährleistung eines offenen Zugangs zu diesen Techniken zu überwinden. Denn nur wenn diese Schlüsselpositionen einer Vielzahl von Anbietern offenstehen, kann beim digitalen Fernsehen den Geboten der Meinungsvielfalt und des chancengleichen Wettbewerbs Folge geleistet werden. Die verschiedenen Lösungsversuche zu den einzelnen Gatekeeper-Problemen werden deshalb nun im einzelnen beschrieben.

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2. Multiplexing

a. Funktionsweise und Problemstellung

Das Multiplexing findet im sog. Play-Out-Center statt. Hier werden die einzelnen Inhalte digitalisiert und zu einem einheitlichen Transportdatenstrom gebündelt, dem sog. Datencontainer oder Multiplex. Bei der Übermittlung an den Rezipienten benötigt man dann pro Datencontainer nur jeweils eine Sendefrequenz. Je nach Bildqualität der einzelnen Angebote kann ein solcher Datencontainer bis zu acht Einzelprogramme enthalten. Der Rezipient muß das empfangene Multiplexsignal allerdings zunächst in ein analoges Signal zurückverwandeln, um es auf einem herkömmlichen Fernsehgerät sichtbar zu machen. Dafür braucht er eine sog. Set-Top-Box, in die ein entsprechender Konverter integriert ist. [Fn 5: Zum Multiplexing etwa Schrape, Digitales Fernsehen, München 1995, 11 ff.; Wagner a.a.O., 14.]

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Jeder Programmhersteller ist also auf den Zugang zu einem Play-Out-Center angewiesen, wenn er seine Inhalte im Digitalfernsehen verbreiten will. Besitzt er ein eigenes Play-Out-Center, ergeben sich demgemäß keine Zugangsprobleme. Zu solchen kann es dagegen kommen, wenn ein Veranstalter seine Sendesignale an das Play-Out-Center eines Dritten heranführen möchte, dieser aber nur seine eigenen Inhalte im Multiplexverfahren aufbereiten will.

Es stellt sich deshalb die Frage, ob ein Multiplexbetreiber durch sog. „Must-Carry-Rules" gesetzlich verpflichtet werden sollte, bei der Zusammenstellung seiner Datencontainer zumindest in einem bestimmten Umfang auch die Angebote Dritter zu berücksichtigen. [Fn 6: Vgl. etwa Hege, Offene Wege in die digitale Zukunft, Berlin 1995, 40 ff.; Kuch, Digitale Zukunftstechniken und ordnungspolitischer Regelungsbedarf, in: DLM (Hrsg.), Jahrbuch der Landesmedienanstalten 1993/94, Berlin 1994, 45 (50 f.); Ring, Rundfunk im Umbruch, ZUM 1996,448 (450).] Denn ohne eine solche Verpflichtung wird der Inhaber eines Play-Out-Centers zwangsläufig zum Gatekeeper, weil dann er allein entscheidet, welche Fernsehinhalte im Digitalfernsehen verwertet werden und welche nicht.

b. Regelungsansätze

aa. Rundfunkstaatsvertrag und DLM

Der neue Rundfunkstaatsvertrag von 1996 [Fn 7: Abgedruckt bei Bauer/Ory, Recht in Hörfunk und Fernsehen, Stand März 1997, Nr. 4.1.] enthält insoweit keine Regelungen. Ohnehin bezieht sich das Gesetzeswerk nur mit einer einzigen Norm auf das digitale Fernsehen, nämlich in § 53. Dieser jedoch hat nur Regelungen zu den Navigationssystemen und zum Conditional Access zum Gegenstand, auf die später einzugehen ist.

Auch die DLM hält sich in ihrem Beschluß vom Juni mit Regelungen zum Multiplexing zurück. Unter Punkt 2.2.1 heißt es dort vielmehr, daß ein Veranstalter bzw. Unternehmen grundsätzlich frei über die Belegung der Multiplexe und den Zugang zum Play-Out-Center entscheidet. Zugangssichernde Vorkehrungen zugunsten Dritter sollen danach erst dann getroffen werden, wenn weniger als drei Unternehmen Multiplex-Dienstleistungen anbieten und bundesweit mehr als 1,5 Mio. Haushalte

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digitales Fernsehen empfangen können. Bis dahin ist also seitens der DLM keine Gewährleistung eines offenen Zugangs zum Multiplexing als dem ersten zentralen Gatekeeper des digitalen Fernsehens vorgesehen.

bb. Nordrhein-Westfalen

Anders sieht die Rechtslage jedoch in Nordrhein-Westfalen aus. Auch die dort einschlägige 1. Medienversuchsverordnung [Fn 8: Abgedruckt bei Bauer/Ory a.a.O., Nr. 7.10.4.1.] vom November 1996 nennt zwar den Begriff des Multiplexes nicht. Sie spricht jedoch in § 3 Abs. 1 Nr. 4 vom „technischen Dienstleister" beim digitalen Fernsehen. Dazu zählt gemäß der Legaldefinition in § 3 Abs. 2 jeder, der ein technisches System betreibt, das der Übermittlung von Angeboten im Rahmen des digitalen Fernsehens dient. Weil der Betreiber des Play-Out-Centers mittels des Multiplexverfahrens aber genau dies tut, ist er ein technischer Dienstleister im Sinne der 1. MWO.

Eine rundfunkrechtliche Zulassung braucht er in Nordrhein-Westfalen allerdings nicht. Vielmehr genügt es, wenn er die Aufnahme seiner Tätigkeit der LfR anzeigt. Mit dieser Anzeigepflicht ist jedoch zweierlei verbunden: Einmal darf der Multiplexbetreiber nur an der digitalen Verbreitung von Programmen mitwirken, die ihrerseits rundfunkrechtlich zugelassen sind. Zum anderen muß er alle Angebote gleich behandeln. Ausdrücklich ist hierzu festgehalten, daß er seine Dienstleistungen allen Teilnehmern des Pilotprojekts zu chancengleichen und diskriminierungsfreien Bedingungen anzubieten hat.

In Nordrhein-Westfalen ist damit ein offener Zugang zum Multiplexing gewährt. Vor allem verbleibt dort aber die Multiplexbelegung insgesamt in den Händen der LfR, indem diese den verschiedenen Programmveranstaltern einzelne Kapazitäten unter Vielfaltsaspekten direkt zuordnet. Man ist hier also dem Gatekeeper-Problem in erster Linie dadurch begegnet, daß dem Multiplexbetreiber die Auswahlentscheidung hinsichtlich der Zusammenstellung der Datencontainer abgenommen wurde. Dennoch gibt es auch in Nordrhein-Westfalen Regelungslücken. Zum Beispiel erlaubt die digitale Technik, im Wege des Multiplexverfahrens nicht nur Rundfunkdienste zu übertragen, sondern innerhalb eines Datencontainers z. B. auch Computersoftware zu übermitteln. Kompetenzmäßig ist die LfR jedoch nur für die Beaufsichtigung von Rundfunk zu-

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ständig. Damit stellt sich die Frage, wie die Überwachung solcher rundfunkfremder digitaler Dienste in Nordrhein-Westfalen erfolgen soll. Über dieses Detail hinaus erscheint es aber ohnehin fraglich, welche Sanktionsmöglichkeiten der LfR zur Seite stehen, falls ein Multiplexbetreiber sich pflichtwidrig verhält. Denn da dieser nur anzeige-, nicht aber genehmigungspflichtig ist, scheitern zumindest die klassischen Sanktionsmöglichkeiten wie etwa ein Lizenzentzug.

cc. Bayern

Die Bayerische Landeszentrale für Neue Medien (BLM) hat im Juli 1996 einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit der DF 1-GmbH über die Veranstaltung von DF 1 als Pilotprojekt geschlossen. [Fn 9: Zuletzt abgedruckt in epd/medien Nr. 14 vom 26. Februar 1997,25 ff.]
. Auch dieses Vertragswerk beinhaltet ein Zugangsrecht für Dritte zum DF 1-eigenen Play-Out-Center in München-Unterföhring. Anders als in Nordrhein-Westfalen ist in Bayern jedoch nicht die Landesmedienanstalt für die Zusammenstellung der einzelnen Programmpakete zuständig, sondern DF 1 selbst, auch wenn in gewissem Umfang Must-Carry-Rules in den Vertrag eingegangen sind.

Grundsätzlich stellt sich auch hier die Frage nach der Tauglichkeit dieser Vorschriften im Lichte der geschilderten Gatekeeper-Problematik. Im Zuge der Einigung von Kirch-Gruppe und CLT/Ufa ist diese jedoch nicht mehr aktuell. Denn sollte es wirklich zu der offenbar geplanten Fortsetzung des DF 1-Programms in einem Gemeinschaftsprojekt unter dem Dach von Premiere kommen, dann dürfte sich damit auch der DF 1-Vertrag als solches erledigt haben. Das macht es hinfällig, heute darüber zu spekulieren, inwieweit die Vorschriften dieses Vertrages Dritten dazu verhelfen könnten, die Zugangsprobleme zum DF 1-Multiplexing zu überwinden.

Viel interessanter ist dagegen die Kooperationsvereinbarung von Kirch und Bertelsmann. Über deren Inhalt liegen jedoch selbst den Landesmedienanstalten keinerlei verbindliche Informationen vor. Bekannt geworden ist lediglich ein undatiertes Papier, das am 2. August vom Evangelischen Pressedienst veröffentlicht wurde. [Fn 10: Siehe epd/medien Nr. 59 vom 2. August 1997,26 ff.] Zum Multiplexing heißt es darin, daß die Dienstleistungen des Play-Out-Centers auch künftig von

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der bisherigen DF 1-Dienstleistungstochter BetaResearch erbracht werden sollen, an der sich die CLT/Ufa allerdings paritätisch beteiligen wird. Gleichzeitig wurde jedoch vereinbart, daß die Deutsche Telekom AG in ihren Kabelnetzen eine „programmanbieterneutrale technische Plattform" betreiben wird, ohne allerdings selbst zum Contentprovider zu werden. Zu dieser Plattform sollen sodann alle Anbieter digitaler Programme zu gleichen Bedingungen Zugang erhalten.

Vor diesem Hintergrund stellt sich vor allem die Frage, in wessen Händen das Multiplexing nun wirklich liegen soll. Denn auch bei der digitalen Plattform der Telekom wird es sich letztlich um ein Play-Out-Center handeln, auch wenn an dieses aus Sicht der Telekom nur anbieterfremde Programme herangeführt werden. In die sensible Funktion des Multiplexers wird die Telekom gleichwohl geraten. Entgegen seinem Wortlaut bestätigt diese Einschätzung letztlich sogar das Kooperationspapier selbst. Denn die darin enthaltende grafische Aufbereitung der zukünftigen Aufgabenverteilungen sieht das Multiplexing nicht nur bei der BetaResearch, sondern auch als „technologische Funktion" der Deutschen Telekom AG vor.

dd. Großbritannien

In der Bundesrepublik kann damit die Frage des offenen Zugangs zum Multiplexing sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht als noch weitgehend ungeklärt angesehen werden. Anders dagegen die Rechtslage in Großbritannien, wo diesbezüglich mit dem neuen Rundfunkgesetz von 1996 [Fn 11: Broadcasting Act 1996, Chapter 55, im Internet erhältlich unter http://www.hmso.gov.uk/acts/acts1996/.] ein völlig anderer Weg beschritten wurde. Denn dort hat man es nicht wie etwa in Nordrhein-Westfalen bei einer reinen Anzeigepflicht für die Betreiber eines Play-Out-Centers belassen. Sie benötigen nach britischem Recht vielmehr eine rundfunkrechtliche Genehmigung. Auf dieser Grundlage muß der Multiplexbetreiber dann bedeutend strengere Lizenzauflagen erfüllen und Verhaltenspflichten beachten als etwa ein analoger kommerzieller Rundfunkveranstalter oder ein Anbieter eines digitalen Einzelprogramms.

Die britischen Multiplexlizenzen werden nach Vielfaltsaspekten vergeben. Entscheidend ist danach, welches Angebotsspektrum ein Bewerber

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mit seinen Einzelprogrammen abdecken kann. Die aus deutscher Sicht wohl bedeutsamste Lizenzauflage dürfte in den Must-Carry-Rules zugunsten der sog. Public-Service-Anbieter bestehen. Zu diesen zählen in Großbritannien zum einen die beiden Programme der BBC, zum anderen aber auch die kommerzielle ITV-Kette, der Minderheiten- und Kulturkanal Channel 4 und der seit Anfang 1997 sendende private Channel 5. Nach dem Broadcasting Act von 1996 haben sie allesamt einen Anspruch auf jeweils einen halben Multiplex. Diese Kapazitäten muß ihnen der Multiplexlizenznehmer einräumen. Gegenüber allen weiteren Veranstaltern ist er verpflichtet, den Zugang zum Multiplexing zu angemessenen, chancengleichen und nichtdiskriminierenden Bedingungen zu gewähren. Verstößt ein britischer Multiplexbetreiber gegen seine Lizenzauflagen, kann die Independent Television Commission ihm ein Bußgeld auferlegen, seine auf 12 Jahre erteilte Lizenz zeitlich verkürzen oder sie ihm bei einem entsprechend schwerwiegenden Verstoß sogar entziehen.

Der Gatekeeper-Problematik begegnet dieser britische Ansatz in mehrfacher Hinsicht. Schon durch die Vergabe der Multiplexlizenzen anhand von Vielfaltskriterien wurden Möglichkeiten geschaffen, auf ein ausgewogenes Meinungsspektrum beim digitalen Fernsehen hinzuwirken. Denn es werden nur diejenigen Bewerber das Ausschreibungsverfahren bestehen, die ein möglichst breites Spektrum an Meinungen durch ihre Einzelangebote abdecken können. Weiterhin fallen die Must-Carry-Rules positiv ins Gewicht. So wurde in Großbritannien verhindert, daß der Start des digitalen Fernsehens von Anfang an ohne die etablierten landesweiten Fernsehveranstalter erfolgt, die sich zumeist über Jahrzehnte die Anerkennung der Zuschauer verdient haben. Insgesamt ist bei der Betrachtung der britischen Regeln im übrigen zu beachten, daß digitales Fernsehen dort terrestrisch verbreitet werden soll, wovon bei uns bislang noch keine Rede ist. [Fn 12: Siehe aber Verband privater Rundfunk und Telekommunikation e.V. (VPRT), Digitales terrestrisches Fernsehen DVB-T, Bonn 1996.]


3. Navigationssysteme

a. Funktionsweise und Problemstellung

Das Navigationssystem ist die Programmzeitschrift des digitalen Fernsehens. Sein Betreiber sammelt zunächst die zugrundeliegenden Pro-

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grammdaten der berücksichtigten Fernsehangebote, also etwa Ablaufpläne oder redaktionelle Hintergrundinformationen. Diese werden dann als Teil des „gemultiplexten" Datencontainers an die Set-Top-Box der Rezipienten übermittelt. Mittels einer besonderen Empfangssoftware wird das Navigationsangebot schließlich auf dem Fernsehschirm des Zuschauers in Form eines Menüs dargestellt, wie es aus dem Computerbereich von graphischen Benutzeroberflächen bekannt ist. Der Nutzer kann sich dann durch die Anwahl eines Menüpunkts unmittelbar in ein Fernsehprogramm seiner Wahl einblenden. Angesichts von etwa 200 digitalen Kanälen wird er sich dabei an bestimmten thematisch sortierten Gruppen orientieren, wie etwa „Historienfilme", „Soap Operas" oder „Dokumentationen". [Fn 13: Zur Funktionsweise der Navigationssysteme etwa Hege a.a.O., 39 f.; Holznagel, Probleme der Rundfunkregulierung im Multimedia-Zeitalter, ZUM 1996, 16 (24); Libertus, Grundversorgungsauftrag und elektronische Benutzerführungssysteme, ZUM 1996, 394 (395).]

Zumindest theoretisch sind zwei verschiedene Arten von Navigationssystemen denkbar. Zum einen könnte jeder Betreiber eines Play-Out-Centers ein individuelles Nutzerführungssystem entwickeln und dort dann nur seine eigenen Programme verzeichnen. Vor allem aus Zuschauersicht weit sinnvoller scheint es jedoch, wenn ein zentrales Navigations-

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System nicht nur die hauseigenen Angebote des jeweiligen Betreibers auflistet, sondern wenn sich der Zuschauer hierdurch einen Überblick über alle digitalen Fernsehprogramme verschaffen kann.

Vor diesem Hintergrund wird schnell deutlich, wo im Bereich der Navigationssysteme die zu überwindenden Zugangsprobleme liegen. Denn genau wie beim Multiplexing wird ein Anbieter eines Navigationssystems bestrebt sein, den Nutzern vorwiegend seine selbstproduzierten Programme anzubieten. Im Extremfall kann das dazu führen, daß bestimmte Angebote in die Programmlisten des Navigationssystems überhaupt nicht aufgenommen werden, so daß sie vom Rezipienten gänzlich unbeachtet bleiben. Für die betroffenen Veranstalter bedeutete eine solche Situation das wirtschaftliche Aus, und aus einer Häufung solcher Fälle würden sich für die Meinungsvielfalt untragbare Konsequenzen ergeben. Darüber hinaus kann ein Anbieter seine eigenen Programme aber auch gezielt auf den vorderen Listenplätzen des Navigationssystems plazieren, oder er hebt sie durch eine besondere optische Gestaltung (Farbe, Schriftgröße) aus seinem sonstigen Angebotsspektrum heraus. Insgesamt sind die Navigationssysteme also deshalb besonders gefährlich, weil sie nicht nur Orientierungshilfe für den Zuschauer sind, sondern zugleich auch Marketinginstrument für den jeweiligen Veranstalter.

b. Regelungsansätze

aa. Bundesrepublik

§ 53 Abs. 2 des Rundfunkstaatsvertrags bestimmt, daß die Betreiber eines Navigationssystems alle Rundfunkangebote zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen in ihr Senderverzeichnis aufnehmen müssen. Eine weitergehende Ausgestaltung des freien Zugangs enthält der Rundfunkstaatsvertrag dagegen nicht. Allerdings ist festgelegt, daß die Anbieter von Navigationssystemen gegenüber der zuständigen Landesmedienanstalt anzeigepflichtig sind. In ihrem Positionspapier vom Juni diesen Jahres hat sich die DLM außerdem vorbehalten, die in § 53 Abs. 2 RStV normierte Offenheitsverpflichtung bei gegebenem Anlaß in Form von Auflagen zu konkretisieren.

In Nordrhein-Westfalen ist man bei der Frage der Navigationssysteme über den Rundfunkstaatsvertrag hinausgegangen. Hier sind die Anbieter von Navigationssystemen nicht anzeige-, sondern vielmehr zulassungs-

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pflichtig. Mit der Zulassung sind zwei Verhaltenspflichten verbunden. Zum einen müssen alle Angebote im Navigationssystem unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dargestellt werden, wofür eine gleichgewichtige, gleichrangige und gleichdifferenzierte Darstellung erforderlich ist. Besondere optische Hervorhebungen einzelner Angebote wären damit unzulässig. Zum zweiten ist bei der Gestaltung des Navigationssystems der öffentlich-rechtliche Grundversorgungsauftrag zu beachten. Jedenfalls für die Programme von ARD und ZDF besteht damit in Nordrhein-Westfalen eine Zugangsberechtigung zu jedem Navigationssystem.

Eine solche gesonderte Zulassungspflicht für den DF 1-Navigator T.O.N.I. (Tele-Online-Navigations-Instrument) sieht der öffentlich-rechtliche Vertrag aus Bayern nicht vor. Auch hier war jedoch festgelegt worden, daß DF 1 sein Navigationssystem so gestalten muß, daß alle digitalen Angebote dem Nutzer gleichrangig dargestellt werden. Interessanter als diese vertragliche Offenheitsverpflichtung ist infolge der aktuellen Entwicklung jedoch auch in diesem Zusammenhang das Kooperationspapier von Bertelsmann und Kirch. Zur Frage der Navigationssysteme heißt es darin jedoch nur, daß künftig die Deutsche Telekom AG eine programmanbieterneutrale elektronische Benutzerführung im Kabel anbieten wird. Dies kann nur im Rahmen der technischen Plattform der Telekom erfolgen. Deshalb dürften insoweit die bereits dargestellten Grundzüge eines chancengleichen Zugangs zu dieser Plattform entsprechend gelten, die zwischen den Unternehmen offenbar in der Frage des Multiplexing vereinbart wurden. Unabhängig davon stellt sich allerdings das Problem, ob die Telekom überhaupt zum Betrieb eines Navigationssystems befugt ist. Denn zumindest die genannten Regelungen im Rundfunkstaatsvertrag legen den Schluß nahe, daß die Navigationssysteme zumindest im weiteren Sinne unter den Rundfunkbegriff fallen. Hierfür spricht auch, daß es sich bei einem solchen Angebot immerhin um eine grafisch aufbereitete Verbreitung programmbezogener Informationen handelt. Ein Tätigwerden der zumindest derzeit noch teilweise im Staatseigentum befindlichen Telekom als Rundfunkveranstalterin dürfte mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Staatsferne des Rundfunks jedoch schwerlich vereinbar sein.

bb. Großbritannien

In Großbritannien sind durch den Broadcasting Act von 1996 neben den Multiplexbetreibern auch die Anbieter von Navigationssystemen als

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Rundfunkdienste lizenzpflichtig geworden. Die ITC hat hierzu einen eigenen Kodex beschlossen, nach dessen Maßgabe sie diese Lizenzen beaufsichtigen will. [Fn 14: ITC, Draft ITC Code of Conduct on Electronic Programme Guides, London 1996.]
Danach ist der Betreiber eines Navigationssystems insbesondere verpflichtet, Free-TV-Programme und Pay-TV-Angebote innerhalb des Navigationssystems gleich zu behandeln. Dadurch ist vor allem die Gefahr einer Diskriminierung der Public-Service-Sender zugunsten des Bezahlfernsehens gebannt. Außerdem darf ein Anbieter eines Navigationssystems seine eigenen Programme gegenüber fremden Angeboten optisch nicht besonders hervorheben. Sollte die Marktentwicklung darüber hinaus nicht nur ein zentrales, veranstalterübergreifendes Navigationssystem hervorbringen, sondern vielmehr eine Anzahl anbieterspezifischer Systeme, dann darf kein Veranstalter einen Betreiber daran hindern, seine zugrundeliegenden Programmdaten zur gleichen Zeit mehreren Betreibern zur Verfügung zu stellen. Allgemein besteht schließlich die Pflicht, Verträge über die Aufnahme in ein Navigationssystem nur zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen abzuschließen.

Ergänzt wird dieses rundfunkrechtliche Regelungsinstrumentarium in Großbritannien dadurch, daß hinsichtlich der technischen Abwicklung der Navigationssysteme auch der Telekommunikationsaufsichtsbehörde OFTEL eine Regulierungsbefugnis zugestanden wurde. In Erfüllung dieser Aufgabe will OFTEL dabei einerseits auf größtmögliche Neutralität in der optischen Darstellung der Navigationssysteme hinwirken. Andererseits soll die optimale Bedienerfreundlichkeit für die Nutzer gewährleistet werden. [Fn 15 Vgl. OFTEL, The Regulation of Conditional Access for Digital Television Services, London 1997, §§ A. 115 ff.]


4. Conditional Access

a. Funktionsweise und Problemstellung

Der Begriff des Conditional Access bezeichnet zunächst eine besondere Technik, mit der ein digitales Pay-TV-Programm verschlüsselt wird. So kann der Anbieter steuern, welches seiner Programme wann und von wem zu empfangen ist, indem er einen entsprechenden Entschlüsselungscode an die zugangsberechtigten Zuschauer übermittelt. Die eigentliche

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Freischaltung besorgt dann eine sog. Smart-Card, die zu diesem Zweck von den Rezipienten in die Set-Top-Box geschoben wird. Zum Conditional Access zählen jedoch nicht nur das rein technische Verschlüsselungsverfahren und die Freischaltung der Smart-Cards. Zumindest nach der englischen Terminologie werden hierunter vielmehr auch die administrativen Dienstleistungen beim Pay-TV gefaßt, also etwa die Entgegennahme und Bearbeitung von Abonnement-Wünschen sowie die Verteilung der individuellen Smart-Cards an die Kunden.

Weil jede Form der Pay-TV-Vermarktung ein Conditional-Access-System voraussetzt, liegt es auf der Hand, daß der Inhaber dieser Verschlüsselungstechnik einen erheblichen Wettbewerbsvorsprung gegenüber denjenigen hat, die über dieses technische Know-How nicht verfügen. Angesichts der damit drohenden Gefahren für einen fairen Wettbewerb hat bereits 1995 eine europarechtliche Richtlinie zu den Fragen des Conditional Access Stellung genommen. [Fn 16: Richtlinie 95/47/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 über die Anwendung von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen, Abl. Nr. L 281 vom 23. November 1995.]
Darin heißt es, daß die Anbieter von Diensten mit Zugangsberechtigung (also von Conditional-Access-Diensten) allen Rundfunkveranstaltern diese Dienste zu chancengleichen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen anbieten müssen.

b. Regelungsansätze

aa. Rechtliche Voraussetzungen in der Bundesrepublik

Durch § 53 Abs. 1 des neuen Rundfunkstaatsvertrags ist diese gemeinschaftsrechtliche Vorgabe in der Bundesrepublik zumindest ansatzweise umgesetzt worden. Allerdings beschränkt sich die Vorschrift im wesentlichen darauf, den Wortlaut der EG-Richtlinie zu wiederholen. Eine Konkretisierung des damit nur abstrakt formulierten Zugangsrechts nimmt sie jedoch nicht vor. Kaum aufschlußreicher sind auch die nordrhein-westfälischen Regelungen. § 6 der 1. MVVO greift zwar die Anzeigepflicht für die Betreiber von Conditional-Access-Systemen als „technische Dienstleister" auf. Als solche sollen sie auch verpflichtet sein, Rundfunkveranstalter und sonstige Anbieter digitaler Dienste gleich zu behandeln und ihre Dienstleistungen zu chancengleichen und diskri-

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minierungsfreien Bedingungen anzubieten. Auch in Nordrhein-Westfalen fehlt jedoch eine weitere Ausgestaltung dieses Gleichbehandlungsgebots. Der bayerische DF 1-Vertrag schließlich nimmt auf das von DF 1 verwendete Conditional-Access-System überhaupt keinen unmittelbaren Bezug. Allerdings hat sich die DF 1-GmbH verpflichtet, „im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren" an der Entwicklung einer Set-Top-Box mitzuarbeiten, mit der die Nutzer das gesamte digitale Angebot empfangen, also auch jedes Pay-TV-Programm eines Dritten entschlüsseln können.

bb. Großbritannien

In Großbritannien wurde die EG-Richtlinie dagegen zum Anlaß genommen, auch für den Bereich des Conditional-Access ein umfangreiches Regelwerk zu schaffen. Zunächst einmal wurden Conditional-Access-Dienste dort als Telekommunikationsdienste qualifiziert. Auf der Grundlage einer Rahmengenehmigung des Wirtschaftsministers [Fn 17: Department of Trade and Industry (DTI), Class Licence for the Running of Telecommunications Systems for the Provision of Conditional Access Services, London 1997.] müssen ihre Anbieter jetzt eine Reihe von Lizenzauflagen beachten, deren Einhaltung von der Telekommunikationsaufsichtsbehörde OFTEL überwacht wird.

Die wichtigste dieser Lizenzauflagen ist auch hier die gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, daß Conditional-Access-Dienstleistungen zu angemessenen, chancengleichen und nichtdiskriminierenden Bedingungen allgemein anzubieten sind. Darüber hinaus wird OFTEL seiner Aufsichtstätigkeit allerdings eigene Richtlinien [Fn 18: Siehe zum Nachweis Fußn. 15.] zugrunde legen, durch die das abstrakte Gleichbehandlungsgebot eine wesentliche Konkretisierung erfahren hat. Diese Richtlinien enthalten eine Fülle von Verhaltenspflichten für die Conditional-Access-Betreiber. Exemplarisch soll hier jedoch nur eine dieser Pflichten dargestellt werden, die zugleich die Innovationsfähigkeit des britischen Modells besonders gut zum Ausdruck bringt. [Fn 19: Weitergehend insoweit Holznagel/Grünwald, ZUM 1997,417 (421 ff.).]

Gemeint ist das Prinzip des sog. Unbundling von Conditional-Access-Dienstleistungen. Danach wird in Großbritannien der Begriff des Condi-

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tional-Access zunächst strikt als Sammelbegriff für alle technischen und kundenbezogenen Dienstleistungen im Zusammenhang mit Pay-TV verstanden. Nach dem Prinzip des Unbundling ist sodann jeder Conditional-Access-Betreiber verpflichtet, diese einzelnen Dienstleistungen auf Wunsch auch separat anzubieten.

Dieser Grundsatz kommt immer dann zur Anwendung, wenn ein Veranstalter zwar die Conditional-Access-Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters nutzen will, sie jedoch nicht in ihrer Gesamtheit benötigt. Das wäre zum Beispiel bei einem Veranstalter der Fall, der bereits im analogen Pay-TV-Geschäft tätig ist. Dieser Veranstalter wäre nämlich sicherlich nicht an den abonnentenbezogenen Conditional-Access-Diensten eines Dritten interessiert, sondern würde nur die technische Komponente des Conditional-Access nutzen wollen. Eine Abtretung der Abonnenten-Betreuung an einen Dritten hätte für ihn sogar den entscheidenden Nachteil, daß dieser dann Zugang zu den personenbezogenen Abonnentendaten erhalten und diese möglicherweise für eigene Pay-TV-Aktivitäten nutzen könnte. Als Konsequenz daraus würde der Veranstalter si-

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cherlich von seinem Pay-TV-Vorhaben vollständig Abstand nehmen. Getreu dem Prinzip des Unbundling kann er in Großbritannien jedoch vom Conditional-Access-Betreiber verlangen, daß dieser ihm die gewünschten technischen Dienste separat anbietet. Er entgeht dadurch also einer Knebelung durch eine umfassende Abnahmeverpflichtung hinsichtlich aller Conditional-Access-Dienste des Anbieters.

cc. Aktuelle Entwicklung

Durch das DLM-Papier zum chancengleichen Zugang vom 17. Juni hat die Offenheitsklausel des § 53 RStV erstmals eine wirkliche Konkretisierung erfahren. Vor allem weist der DLM-Beschluß deutliche Parallelen zur eben geschilderten britischen Rechtslage auf. So sollen danach alle Veranstalter u.a. durch folgende Vorkehrungen zur Offenheit gegenüber Dritten verpflichtet werden: Transparenz der Bedingungen, getrennte Kostenrechnungen für die einzelnen Dienstleistungen, organisatorische Trennung der Dienstleistungen in einen administrativen und einen technischen Teil sowie die Mitwirkung an Verfahren, die den Empfang aller Angebote über jede Set-Top-Box ermöglichen. Weiterhin sollen die Unternehmen auf die Bündelung von Dienstleistungen verzichten, die auch einzeln bezogen werden können. Hierin findet sich das aus Großbritannien schon bekannte Prinzip des Unbundling wieder, das soeben erläutert wurde. Insgesamt erscheinen diese DLM-Vorgaben als ein Schritt in die richtige Richtung. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit es den Landesmedienanstalten gelingen wird, sie gegenüber den Conditional-Access-Anbietern wirksam zu implementieren. Das erscheint insbesondere mangels der gesonderten Lizenzpflicht für Conditional-Access-Dienste fraglich.

Hinsichtlich des Conditional-Access finden sich schließlich auch in der Kooperationsvereinbarung zwischen DF 1 und Premiere einige Regelungen. Danach soll der Deutschen Telekom AG ein uneingeschränktes Verfügungsrecht über das Conditional-Access-System im Kabel eingeräumt werden. Zunächst scheint sich das jedoch nur auf die technische Seite des Conditional Access zu beziehen, denn gleichzeitig wollen Kirch-Gruppe und CLT/Ufa Dienste im Zusammenhang mit der Abonnentenverwaltung etc. selbst erbringen. Andererseits ist jedoch vorgesehen, daß auch die Telekom solche administrative Dienstleistungen „optional" erbringen wird. Dann wäre es auch dritten Programmanbietern freigestellt, dieses Angebot der Telekom wahrzunehmen oder selbst die ent-

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sprechenden Aufgaben zu erfüllen. Dies verspricht auf den ersten Blick auch nach dem geplanten Zusammenschluß von DF 1 und Premiere einen offenen Zugang zum Conditional Access. Fraglich bleibt allerdings weiterhin, mit welcher rechtlichen Handhabe die Landesmedienanstalten auf der Einhaltung dieser Vereinbarungen bestehen wollen, zumal dem Gemeinschaftsprojekt noch nicht einmal eine Sendelizenz erteilt wurde, ganz zu schweigen von etwaigen Auflagen bzgl. des Conditional Access.


5. Konzentrationskontrolle

a. Problemstellung

Alle bisher dargestellten Rechtsprobleme bezogen sich auf den Zugang zum digitalen Fernsehen. Abschließend soll nun jedoch der Bereich der medienrechtlichen Konzentrationsbegrenzung angesprochen werden. Hierbei geht es im Kern darum, die Meinungsvielfalt zu gewährleisten, indem der Besitz von Medieneigentum einem einzelnen Unternehmen nur innerhalb bestimmter Grenzen gestattet wird. Gemessen wird der Medienbesitz eines Unternehmens dabei neuerdings anhand seiner Marktanteile auf dem Fernsehsektor. Insgesamt darf ein einzelnes Unternehmen danach hierzulande nicht mehr als 30 Prozent des gesamten Fernsehmarktes kontrollieren. [Fn 20: Vgl. statt vieler zuletzt nur Engel, Medienordnungsrecht, Baden-Baden 1996, 48 ff.; Hess, Medienkonzentrationsrecht nach dem neuen Rundfunkstaatsvertrag, Archiv für Presserecht (AfP) 1997, 680 ff.; Stock, Konzentrationskontrolle in Deutschland nach der Neufassung des Rundfunkstaatsvertrages, in: Stock/Röper/Holznagel, Medienmarkt und Meinungsmacht, Berlin/Heidelberg 1997, 1 (11 ff).]

Die Berechnung dieses Marktanteils erfolgt anhand von Einschaltquoten. Wenn deren repräsentative Erhebung ohnehin schon Anlaß genug gibt, die Zuverlässigkeit des Zuschaueranteilsmodells in Frage zu stellen, [Fn 21: So etwa Stock a.a.O., 43 f.] dann gilt dies in der Verbindung mit digitalem Fernsehen sozusagen doppelt. Denn hinter der grundsätzlichen Verlässlichkeitsproblematik taucht hier plötzlich die Frage auf, wie etwa die Einschaltdauer eines digitalen Abrufdienstes (Pay-Per-View, Video-On-Demand) ermittelt werden soll. Schließlich läßt sich ein solches digitales Angebot nicht mehr auf einen bestimmten Nutzungszeitraum beziehen, so daß es unmöglich ist, eine wöchentliche oder monatliche Einschaltquote etwa für einen Vi-

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deo-On-Demand-Dienst zu bestimmen. Ohne Einschaltdauer aber kein Marktanteil, und ohne Marktanteil keine Konzentrationskontrolle im Sinne des Zuschaueranteilsmodells. Zwar ist DF 1 mit seinen derzeit etwa 40.000 Abonnenten von einem nennenswerten Gesamtmarktanteil noch weit entfernt. Zumindest mittelfristig scheint aber angesichts der aufgezeigten Regelungslücke eine Anpassung der deutschen Antikonzentrationsregeln an die technischen Gegebenheiten des digitalen Fernsehens auf jeden Fall geboten. [Fn 22: In diesem Sinne bereits Henle, DLM-Konzentrationsbericht, in: Die Landesmedienanstalten (Hrsg.), Die Sicherung der Meinungsvielfalt, Berlin 1995, 9 (81 f.).]

b. Britischer Regelungsansatz

In Großbritannien ist eine solche Anpassung bereits erfolgt. Zwar wurde auch dort 1996 ein Zuschaueranteilsmodell eingeführt, das die bis dahin geltenden, äußerst komplexen Antikonzentrationsregeln ablöste. Dieses Marktanteilsmodell mit einer zulässigen Obergrenze von 15 Prozent pro Unternehmen gilt grundsätzlich auch für digitale Fernsehdienste. Allerdings hat man diesbzgl. Sonderregeln geschaffen, mittels derer die Konzentrationskontrolle im digitalen Sektor ergänzt wurde. [Fn 22: In diesem Sinne bereits Henle, DLM-Konzentrationsbericht, in: Die Landesmedienanstalten (Hrsg.), Die Sicherung der Meinungsvielfalt, Berlin 1995, 9 (81 f.). Fn 23: Dazu Holznagel/Grünwald, Britisches Medienkonzentrationsrecht im Wandel, in: Stock/Röper/Holznagel, Medienmarkt und Meinungsmacht, Berlin/Heidelberg 1997,109 (135 ff.).]

Diese Vorschriften lassen sich auf zwei Grundstrukturen reduzieren. Zum einen gilt für die Betreiber der sechs in Großbritannien geplanten Multiplexe, daß sich höchstens drei von ihnen in der Hand eines einzelnen Unternehmens befinden dürfen. Zum anderen wurde hinsichtlich der digitalen Einzelangebote ein spezielles Punktsystem zur Marktanteilsberechnung entwickelt. Auf der Grundlage dieses Systems werden zunächst jedem digitalen Einzelangebot grundsätzlich zwei Punkte zugewiesen. Nur einen Punkt erhalten allerdings Angebote, deren technische Reichweite auf maximal die Hälfte der Einwohner beschränkt ist, die im Verbreitungsgebiet des jeweiligen Multiplexes wohnen. Ebenfalls nur einen Punkt erhalten außerdem Angebote, deren wöchentliche Sendezeit (nicht Einschaltdauer!) zwischen 12 und 50 Stunden beträgt, während digitale Fernsehdienste mit einer Sendezeit von weniger als 12 Stunden pro Wochen gar nicht vom Punktsystem erfaßt werden.

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Die eigentliche Konzentrationsbegrenzung erfolgt in Großbritannien dann dergestalt, daß eine Obergrenze der pro Unternehmen zulässigen Punkte bestimmt wurde, in Anbetracht des erst im Aufbau befindlichen digitalen Fernsehmarktes handelt es sich dabei jedoch um eine relative Begrenzung. Beträgt nämlich das Volumen der insgesamt vergebenen Punkte nicht mehr als zehn, darf ein einzelnes Unternehmen höchstens zwei davon kontrollieren. Wurden dagegen bis zu 24 Punkte verteilt, erhöht sich der jeweils zulässige Einzelwert auf vier Punkte, und bei mehr als 25 vergebenen Punkten ist bestimmt, daß ein Unternehmen maximal 25 Prozent davon auf sich vereinen darf. Auf diese Weise steht in Großbritannien bereits für die Aufbauphase des digitalen Fernsehens ein flexibles Regulierungsmodell zur Verfügung, um übermäßigen Konzentrationsentwicklungen von Beginn an entgegenzuwirken.

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III. Ausblick

Ein abschließendes Schlußwort muß zunächst einmal davon ausgehen, daß die wirtschaftliche Entwicklung des digitalen Fernsehens noch völlig offen ist. Sie wird in der Bundesrepublik derzeit von der Ungewißheit über den Inhalt der Einigung zwischen Kirch-Gruppe und CLT/Ufa sowie über die künftige Rolle der Telekom beim digitalen Fernsehen bestimmt. Insoweit sind nicht nur die rundfunkrechtlichen Grundlagen unklar, indem - wie gesehen - das geltende Recht nur wenig Ansatzpunkte für eine wirksame Zugangskontrolle bietet. Vielmehr ist nach wie vor zweifelhaft, ob nicht deutsche oder europäische Kartellbehörden dem geplanten Zusammenschluß noch entgegentreten werden. In Großbritannien ist dagegen noch gar kein digitaler Sender gestartet, und es bleibt dort abzuwarten, welchen Einfluß der analoge Pay-TV-Monopolist Rupert Murdoch auch in diesem neuen Marktsegment gewinnen wird. [Fn 24: Insoweit skeptisch insbesondere Krönig, Wieder die Nase vorn: Murdoch beherrscht auch das britische Digital-TV, epd/Kifu Nr. 87 vom 6. November 1996, 8 ff.; Steemers, Digitale Medienpolitik in Großbritannien, Media Perspektiven 1996, 402 (406).]

Angesichts der geschilderten Einzelprobleme scheint aber hierzulande schon jetzt weiterer Regelungsbedarf beim digitalen Fernsehen zu bestehen. Das legen zum einen die Regelungslücken innerhalb der bestehenden Vorschriften nahe, wie sie hier in den Bereichen der Zugangskontrolle und der Konzentrationsbegrenzung zu konstatieren waren. Verstärkt wird dieser Eindruck eines Regelungsdefizits durch den Blick auf die weitaus ausdifferenzierteren britischen Regelungen zu den einzelnen Sachgebieten. Unabhängig von den wirtschaftlichen Marktchancen des digitalen Fernsehens kann damit zumindest festgehalten werden, daß es in der Bundesrepublik - anders als in Großbritannien - eine wirkliche digitale Rundfunkordnung noch nicht gibt. Es bleibt zu hoffen, daß sie in absehbarer Zeit ausgearbeitet wird.


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