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2. Systematisierung der Begriffe und Ziele

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[Seite der Druckausg.: 4(Fortsetzung)]

2.1 Die Begriffe

Im folgenden werden die wichtigsten hier verwendeten Begriffe vorgestellt und gegeneinander abgrenzt. Eine genauere Darstellung und Diskussion der verwirrenden Terminologie findet sich im Anhang.

Unter Vermögenspolitik werden hier alle Maßnahmen des Staates oder der Tarifparteien verstanden, die auf die Verminderung des Konzentrationsgrades der personellen Vermögensverteilung abzielen. Vermögen umfaßt Produktivvermögen, Immobilien und Geldvermögen. Ein Teil des Geldvermögens dient dem Ansparen auf Konsumgüter. Mitunter werden auch dauerhafte Konsumgüter zum Vermögen gezählt. Vennögenspolitik dient wiederum einer Vielzahl übergeordneter Ziele Investivlöhne und Gewinnbeteiligungen sind zwei Instrumente der Vennögenspolitik neben vielen anderen, u.a. der Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung, der allgemeinen Sparförderung, Investitionszuschüssen etc. (vgl. Molitor 1988).

Investivlöhne sind nach verbreitetem Verständnis Lohnbestandteile, die zum Sparen verwendet werden, soweit ihre Verwendung durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber für einen längeren Zeitraum geregelt sind (Schäfer/Rürup 1998, S.6). Teilweise werden Investivlöhne zusätzlich zum normalen Lohn vereinbart, teilweise sind sie Bestandteil des „Barlohns". Manche betrachten lediglich zusätzliche Löhne als Investivlöhne (vgl. Oberhauser 1978, 1982). Man kann zwischen betrieblichem Investivlohn, der im arbeitgebenden Unternehmen angelegt wird, und überbetrieblichem Investivlohn unterscheiden, der gemäß Abrede der Tarifvertragsparteien in einen Branchenfonds oder in einen überbetrieblichen Fonds zur Altersvorsorge einfließt. Investivlöhne werden auch als „aufgeschobene Gewinnbeteiligung" bezeichnet, da die Arbeitnehmer aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung am zukünftigen Gewinn des Unternehmens beteiligt werden.

Gewinnbeteiligungen sind Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber über gewinnabhängige Zahlungen des Arbeitgebers zusätzlich zum Festlohn. Bezugsgröße ist der Gewinn des arbeitgebenden Unternehmens, der Umsatz oder andere Parameter. Gewinnbeteiligungen in vermögenspolitischer Absicht erfolgen nicht bar zur freien Verwendung, sondern in Form von Aktien oder anderen Wertpapieren, entweder bezogen auf das arbeitgebende Unternehmen, auf andere Unternehmen oder eigens geschaffene Fonds. Zunehmend werden Gewinnbeteiligungen aber unabhängig von vermögenspolitischen Zielen diskutiert, damit umfassen sie auch gewinnbezogene Barausschüttungen an die Arbeitnehmer.

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Der von der OECD verwendete Begriff profit-sharing ähnelt den Gewinnbeteiligungen: Demnach muß die Mehrheit der Belegschaft eines Unternehmens beteiligt sein, der Anteil des auszuteilenden Gewinns muß vorab festgelegt und die Beteiligung muß auf lange Frist vereinbart sein (OECD 1995, S. 139). Fallweise vereinbarte Bonus-Zahlungen werden ausgeschlossen, ebenso leistungsbezogene Lohnanreizsysteme für bestimmte Arbeitnehmergruppen. Die OECD unterscheidet cash-based Systeme (Barauszahlung), share-based Systeme (es kommen Kapitalbeteiligungen am arbeitgebenden Unternehmen zustande) und deferred proßt-sharing. erst nach einer längeren Sperrfrist erhalten die Mitarbeiter Bargeld oder Kapitalbeteiligungen.

Kapitalbeteiligungen der Mitarbeiter, auch Mitarbeiterbeteiligungen oder employee ownership genannt, sind vom arbeitgebenden Unternehmen gratis oder zu Vorzugsbedingungen gewährte Eigenkapitalbeteiligungen oder eigenkapitalähnliche Beteiligungen (z.B. als stille Gesellschafter, Genußscheine); zu Marktpreisen erworbene Beteiligungen der Mitarbeiter können hinzugerechnet werden, ebenso Fremdkapitalbeteiligungen der Arbeitnehmer wie z.B. Mitarbeiterdarlehen an den Arbeitgeber (vgl. Hopfenbeck 1989, S. 382 ff.). In einem weiteren Begriff können auch Kapitalbeteiligungen an anderen Unternehmen hinzugerechnet werden

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat 1991 den Begriff PEPPER geprägt; Promotion of Employee Participation in Profits and Enterprise Results (PEPPER 1991) PEPPER-Systeme sind durch vier Merkmale bestimmt: (a) sie sind unternehmensbezogen bzw. „betriebsintern", (b) sie kommen der gesamten Belegschaft oder wenigstens einem großen Teil zugute, (c) sie werden regelmäßig und kontinuierlich gewährt, und (d) sie bieten den Arbeitnehmern eine direkte oder indirekte Beteiligung am Unternehmenserfolg, wobei der vereinbarte Grundlohn unverändert bleibt. Es wird zwischen geldmäßiger Gewinnbeteiligung und aufgeschobener Gewinnbeteiligung unterschieden; bei letzterer handelt es sich um eine Kapitalbeteiligung. Kapitalbeteiligungen am arbeitgebenden Unternehmen stehen im Vordergrund, aber die Verwendung von Gewinnbeteiligungen zur Beteiligung an anderen Unternehmen ist nicht ausgeschlossen. Die deutsche Variante der tarifvertraglich geregelten vermögenswirksamen Leistungen zählt nicht zu PEPPER. Allerdings hält die Kommission den von ihr gewählten Begriff nicht konsequent durch.

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2.2 Zielsysteme

Sowohl die Vermögenspolitik in der Bundesrepublik Deutschland als auch Gewinn- und Kapitalbeteiligungen der Arbeitnehmer, PEPPER-Systeme und profit-related pay werden mit einer Vielzahl von Zielsetzungen begründet. Kaum ein anderer Politikbereich scheint gleichzeitig der Erreichung so vieler und so unterschiedlicher Ziele zu dienen. Dieser bunte Strauß läßt sich in fünf Schwerpunkte klassifizieren (vgl. Abb. l), wobei sich in der deutschen, aber auch in der internationalen Diskussion die Schwerpunkte auf die sozialpolitischen Ziele und die unternehmensbezogene Ziele verschoben haben, während die verteilungspolitischen Ziele in den Hintergrund gerie-

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ten. Von der Realisierung der unternehmensbezogenen Ziele wird häufig zugleich die Annäherung an gesamtwirtschaftliche Ziele erwartet

Sozialpolitische Ziele

Diesen Zielen sind die Förderung des Wohneigentums und der Ausbau der privaten Altersvorsorge zuzuordnen, wobei das Ziel der Förderung des Wohneigentums zugleich auch ein Unterziel des Ziels Altersvorsorge ist. In fast allen Begründungen politischer Kräfte zur Förderung des Vermögens breiter Bevölkerungsschichten, insbesondere auch der Beteiligung von Arbeitnehmern am Produktivvermögen, spielt der Ausbau privater Altersvorsorge eine zentrale Rolle, und dies angesichts der Sorgen um die Zukunft der gesetzlichen Rentenversicherung in zunehmenden Maße.

Unternehmensbezogene Ziele

Die Gewährung gewinnabhängiger Zusatzeinkommen und die Vermögensbildung durch Arbeitnehmerbeteiligungen am arbeitgebenden Unternehmen entspricht häufig unternehmensbezogenen Zielen. Die Ablehnung überbetrieblicher Fondslösungen wird oft mit der Unvereinbarkeit mit einzelbetrieblichen Zielen begründet. Im Zentrum der unternehmensbezogenen Ziele stehen die Steigerung der Arbeitsproduktivität sowie der Motivation, die Schaffung von Leistungsanreizen, die Verminderung der Fluktuation der Arbeitnehmer und die Förderung der Humankapitalbildung, die Flexibilisierung der Arbeitskosten sowie - mit eher untergeordnetem Stellenwert - die Mobilisierung von Kapital Dies alles soll zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beitragen

Gesamtwirtschaftliche Ziele

Zum einen soll durch Gewinn- und Kapitalbeteiligungen die gesamtwirtschaftliche Produktivität gesteigert werden. Insbesondere in den angelsächsischen Ländern wird dieses Ziel besonders stark betont. Produktivitätssteigerung wird als makroökonomisches Ziel gesehen, da sie den Verteilungsspielraum vergrößert und nach vorherrschender Meinung durch stärkeres Wirtschaftswachstum den Wohlstand einer Volkswirtschaft erhöht. Ferner erhofft man sich - zumindest von einigen Varianten - beschäftigungsfördernde Effekte. Die Beschäftigungswirkung steht bei Weitzman und anderen Verfechtern der Lohnflexibilisierung ganz im Vordergrund, weniger dagegen bei denjenigen, die Gewinn- und Kapitalbeteiligungen als Instrumente der Vermögenspolitik verstehen Schließlich soll durch Investivlöhne, Gewinn- und Kapitalbeteiligungen ein Beitrag zur Preisniveaustabilität geleistet werden: Produktivitätssteigerungen wirken kostensenkend, zudem erhofft man sich eine Entspannung im Lohnkonflikt zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Wird die Beteiligungspolitik zur Altersvorsorge verwendet, können die Alterssicherungssysteme entlastet werden, wodurch die Lohnnebenkosten sinken oder langsamer steigen.

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Verteilungspolitische Ziele

Im Zentrum der verteilungspolitischen Überlegungen im Rahmen der Vermögenspolitik steht die Veränderung der Einkommens- und Vermögensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer, zum einen durch eine gezielte Sparförderung unterer Einkommensgruppen, zum anderen durch die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen. In der traditionellen deutschen Diskussion wurden Investivlöhne als Mittel zur Erweiterung des inflationsneutralen Verteilungsspielraums über die produktivitätsorientierte Lohnpolitik verstanden. Dadurch ergäbe sich simultan eine Verbesserung der Einkommens- und der Vermögensverteilung zugunsten der Arbeitnehmer.

Abbildung l: Zielsetzungen der Gewinn- und Kapitalbeteiligung der Arbeitnehmer


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Demokratie- und gesellschaftspolitische Ziele

Die Konzentration des Vermögens, insbesondere des Produktivvermögens, führt zur Konzentration wirtschaftlicher und auch politischer Macht in immer weniger Händen. In der Diskussion der 60er und 70er Jahre über eine stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen stand - im Gegensatz zu heute - die macht- und ordnungspolitische Zielsetzung im Mittelpunkt. Arbeitnehmer sollten durch ihre Beteiligung mehr betriebliche und überbetriebliche Mitbestimmung durchsetzen und auf die strategischen Entscheidungen der Unternehmen Einfluß gewinnen können. Konsequenterweise wurde dieser Zielsetzung das Instrument der überbetrieblichen Arbeitnehmerfonds - vor allem in Schweden - zugeordnet, die die Beteiligungen der Arbeitnehmer bündeln sollten, um so Einfluß auf Unternehmensentscheidungen zu gewinnen. Bei der Vermögenspolitik steht damit die Produktivvermögensbeteiligung der Arbeitnehmer im Zentrum. Andererseits wurde mit der „Sozialen Marktwirtschaft" im Verständnis von Ludwig Erhard zugleich eine Gesellschaft der „Teilhaber", eine Art „Volkskapitalismus" angestrebt.


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