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TEILDOKUMENT: 4. Finanzierung als ein zentrales Gründerproblem
[Seite der Druckausg.: 51 (Fortsetzung)]
4.1 Bankenfinanzierung und öffentliche Fördermittel - Das Problem der Sicherheiten
Hilfestellung für Gründer durch Beratung und Qualifizierung gibt es in der Innovationsregion Ulm/Neu-Ulm genügend, es mangelt jedoch an der finanziellen Unterstützung der Vorhaben, so der Tenor der Diskussion während der Fachkonferenz. Die Gründer vermissen auf ihre Bedürfnisse angepaßte Konzepte -gleich welcher Finanzierungsart. Ohne Sicherheiten erhalte ein Gründer keinen Kredit, die Banken seien zu wenig risikobereit, so die Kritik mehrerer Existenzgründer. Obwohl er teilweise persönlich bei den entsprechenden Stellen bekannt war, habe er bei vier Banken weder Gründungsberatung noch eine Finanzierung in der Größenordnung von 300-400 TDM bekommen, schilderte ein Unternehmer seine Erfahrungen. Die Kreditinstitute hätten kein Interesse an der Finanzierung von Existenzgründungen. Einige Gründer hatten positivere Erfahrungen gemacht: Der Geschäftsführer der WITec GmbH hatte mit seinem Vorhaben und einem Kapitalbedarf von [Seite der Druckausg.: 52] 250 TDM ebenfalls bei vier Banken vorgesprochen, davon seien drei bereit gewesen, das Vorhaben zu finanzieren. Einen Bankkredit bis zu 500 TDM würden die Banken auch ohne größere Sicherheiten gewähren, wenn der Antragsteller keine Schulden habe, nur bei darüber liegenden Größenordnungen werde es schwierig, meinte der Geschäftsführer der TFU GmbH. In den letzten Jahren habe sich viel bewegt, und die Banken seien aktiver, als aus rein betriebswirtschaftlichen Überlegungen sinnvoll wäre. Der geschäftsführende Gesellschafter der Tescom GmbH bekräftigte diese Einschätzung. Seine Bank sei bis 300 TDM zu einer Kreditvergabe ohne große Sicherheiten bereit. Allerdings, so der Geschäftsführer der TFU GmbH, setze die Kreditvergabe zwei Bedingungen voraus. Die erste sei ein fundiertes Konzept; an dem es bei einigen Gründern aber entscheidend mangele. Dies sei um so bedauerlicher, als Existenzgründungsberatung, u.a. zur Erstellung eines Konzepts, subventioniert werde, lediglich ein Restbetrag sei vom Gründer selbst aufzubringen. Wenn einem Gründer diese Restinvestition noch zu kostspielig erscheine, sei ihm nicht zu helfen. Die zweite Voraussetzung sei die Bereitschaft, für die eigene Idee finanziell einzustehen. Wer sein Eigenkapital nicht in sein Vorhaben einbringen und z.B. sein Haus nicht zur Besicherung stellen wolle, glaube selbst nicht recht an sein Vorhaben und könne nicht erwarten, daß ein Geldgeber Vertrauen in sein Projekt setze und ihm ungesichert Kapital zur Verfügung stelle. Ein bestimmter Eigenbetrag sei unabdingbar, meinte auch der Oberbürgermeister der Stadt Ulm. Wenn außerdem das Konzept stimme, sei eine Finanzierung seiner Erfahrung nach machbar. Der Kreisgeschäftsführer des Bundesverbands Mittelständische Wirtschaft in Neu-Ulm stimmte im Prinzip zu, hielt aber entgegen, "man müsse sich mit Haut und Haaren verpfänden". Eine Bank gebe einen Kredit über 500 TDM nur, wenn mindestens die gleiche Summe an Sicherheiten geboten werden könne, behauptete ein Unternehmer. [Seite der Druckausg.: 53] Der Geschäftsführer der TFU GmbH konterte mit einem Gegenbeispiel: Wenn Gründer aus der Hochschule kämen, seien das üblicherweise Teamgründungen von zwei oder drei Personen. Bei einer Finanzierungssumme von 500 TDM seien 15% Eigenkapital notwendig, demnach 75 TDM. Diese müßten nicht bar vorliegen, sondern ließen sich auch anhand von Sacheinlagen wie Auto, Computer oder Büroeinrichtung darstellen, so daß diese Hürde durchaus zu bewältigen sei. Über das Eigenkapitalhilfe-Programm der Deutschen Ausgleichsbank, einem öffentlichen Förderprogramm, das nicht besichert werden muß, werde das Eigenkapital von 15% auf bis zu 40% der Gesamtsumme aufgestockt. D.h. bis zu 25% kommen aus der Eigenkapitalhilfe, das wären in diesem Beispiel 125 TDM. Rechne man hier nur mit 100 TDM Eigenkapitalhilfe, verbliebe eine noch zu finanzierende Restsumme von 325 TDM, führte der Geschäftsführer der TFU GmbH weiter aus. Dafür gebe es diverse Bundes- und Landesprogramme mit meist 40% Haftungsfreistellung, so daß effektiv noch 200 TDM zu besichern wären. Diese Besicherung ließe sich z.B. durch Überschreibung der gekauften Geräte an die Bank bewerkstelligen. Üblicherweise seien Kreditinstitute der Auffassung, daß drei junge Unternehmer, selbst wenn die Existenzgründung scheitere, einen Kredit in Höhe von 200 TDM in irgendeiner Form abbezahlen könnten. Die Finanzierung würde ohne Besicherung des Hauses oder andere größere Sicherheiten funktionieren. Er habe schon erlebt, daß eine Bank drei Gründern einen Kredit über 300 TDM innerhalb von drei Tagen nur auf persönliche Sicherheit zur Verfügung gestellt habe. Lediglich ein Viertel der Kreditsumme habe er bei seiner Hausbank über persönliche Bürgschaften besichern müssen, berichtete der geschäftsführende Gesellschafter der Tescom GmbH. Daß Kreditinstitute eine gewisse persönliche Verpflichtung des Gründers voraussetzen, empfinde auch er als selbstverständlich. Es sei nur fair, wenn ein Gründer wenigstens für einen Teil des Kredits haftbar gemacht werde, stimmte ihm der Leiter der Produktentwicklung der Takata GmbH Ulm zu. Man bewahre ihn somit vor allzu leichtsinnigen Unter- [Seite der Druckausg.: 54] fangen. Außerdem müßten ansonsten die Konditionen, die eine Bank anbieten kann, deutlich schlechter ausfallen. Der Leiter der Abteilung Forschung, Entwicklung und Wirtschaftskontakte der Universität Ulm unterstrich noch einmal die Wichtigkeit eines ausgereiften Konzepts. Er erhielte des öfteren Ausarbeitungen, die deutliche Mängel zeigten. Es sei nicht verwunderlich, daß man mit diesen mangelhaften Konzepten bei der Bank kein Geld bekomme. Diese Erfahrung hatte auch der Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm gemacht. Viele Gründer glaubten, in der Kapitalbeschaffung läge die entscheidende Hürde. Die viel wichtigere Arbeit sei, ein fundiertes Konzept zu erstellen. Wenn dies vorliege, funktioniere auch die Kapitalbeschaffung. Der Geschäftsführer der TFU GmbH und der Oberbürgermeister der Stadt Ulm teilten diese Auffassung, während mehrere Unternehmensgründer Zweifel anmeldeten: Ein gutes Konzept sei zwar Voraussetzung, eine Finanzierung ohne entsprechende Sicherheiten oder Eigenkapital sei mit den Banken jedoch nicht machbar. Die Person des Unternehmensgründers werde zu wenig in die Bonitätsprüfung mit einbezogen, bemängelte der Professor der Fachhochschule Ulm. Sicherheiten entstünden nicht nur durch Investitionen, sondern auch durch "weiche" Faktoren, wie z.B. eine gute Ausbildung des Gründers. In Amerika gäbe es andere Kriterien, dort gelte die Person des Unternehmers als der entscheidende Faktor eines Vorhabens. Dies bedeute allerdings, daß jeder Gründer persönliche Öffentlichkeitsarbeit betreiben müsse. Das Bankenmodell funktioniere bei Existenzgründungen nicht, weil Banken rein wirtschaftliche Interessen haben, konstatierte der geschäftsführende Gesellschafter der SpeedForm GmbH. Für Kreditinstitute sei es völlig uninteressant, einen Gründer zu finanzieren, der mit einem Risiko von achtzig Prozent in den ersten drei Jahren mit seinem Vorhaben scheitere. Das Kapital ließe sich z.B. [Seite der Druckausg.: 55] am Aktienmarkt mit weniger Risiko gewinnbringend anlegen. Ein Bankangestellter, der dennoch Gründer finanziere, müsse sich vorwerfen lassen, er sei fehl am Platze. Schon mancher Kreditabteilungsleiter habe aus diesem Grunde seinen Job verloren, die Zurückhaltung der Banken in Sachen Existenzgründung sei darum verständlich. Als Gründer könne man sich demnach nicht auf Bankkredite stützen. Diese seien nur bei bestimmten Rahmenbedingungen sinnvoll, unter denen die Banken dann auch zur Finanzierung bereit seien. Den Kreditinstituten könne kein Vorwurf gemacht werden, sie würden teilweise sogar mehr tun, als aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll sei. Sie seien nur oft nicht die richtigen Ansprechpartner. Deswegen sei es zweckmäßig, den Risikokapitalgesellschaften mehr Möglichkeiten einzuräumen, Bankenfunktionen wahrzunehmen. Es sei ein Fehler im System, daß Risikokapitalgesellschaften keine Zwischenfinanzierungen vornehmen dürfen, wenn Banken diese wegen des zu hohen Risikos ablehnten. Es fehle schlicht der richtige Ansprechpartner für Gründer bei der Kapitalbeschaffung. Öffentliche Mittel würde ein Gründer zwar bekommen, führte der geschäftsführende Gesellschafter der SpeedForm GmbH weiter aus, aber diese würden viel zu langsam fließen. Im Falle seiner Firma seien Gelder, die im Dezember 1997 beantragt wurden und für Mai 1998 eingeplant waren, immer noch nicht verfügbar und würden es voraussichtlich erst im Januar 1999 sein. Dieser Liquiditätsengpass habe den jungen Betrieb beinahe die Existenz gekostet. Die Situation erinnere an eine Pflanze, die wegen Wassermangel einzugehen drohe -während der Gärtner daneben stehe und sich überlege, ob er sie noch gießen oder das Wasser lieber gleich aufsparen solle. Der Geschäftsführer des ifex relativierte, es habe in diesem Falle wahrscheinlich keine endgültige Zusage vorgelegen, sondern lediglich eine Unbedenklichkeitserklärung. Diese besage, daß man mit dem Projekt beginnen dürfe, die Prüfung aber noch andauere. Ein Mitarbeiter einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft beklagte, es sei auch bei öffentlichen Förderprogrammen nahezu unmöglich, ohne Sicherheiten Geld [Seite der Druckausg.: 56] zu erhalten, weil das Risiko auf die durchleitenden Banken abgewälzt werde. Es sei falsch, daß die Hausbanken für Gelder, die die öffentliche Hand zur Verfügung stelle, haften müßten. Fast alle Programme hätten 40% Haftungsfreistellung, manche 70%, entgegnete der Geschäftsführer der TFU GmbH. Der Geschäftsführer des ifex wies darauf hin, daß es inzwischen drei öffentliche Fonds gebe, die die volle Haftung übernähmen. 80% der Fördergelder gingen an Konzerne, nicht an kleine Firmen, bemängelte der Kreisgeschäftsführer des Bundesverbands Mitte/ständische Wirtschaft in Neu-Ulm. Dieses Verhältnis sei nicht sinnvoll, weil Konzerne im Gegensatz zu den kleinen Unternehmen nicht oder nicht im selben Maße auf die Fördergelder angewiesen sind. Mehrere Existenzgründer hatten den Eindruck, es sei einfacher, größere Kreditsummen - etwa in der Größenordnung von einigen Hundert TDM - zu erhalten als kleinere Summen von etwa 20 bis 80 TDM. Die Vorsitzende der Meisterinnen der städtischen Hauswirtschaft in Weißenhorn erklärte, daß in ihrem Bereich zur Existenzgründung üblicherweise wenige Zehntausend Mark benötigt würden. Fördergelder erhalte sie aber nicht, eine Bankenfinanzierung schon, aber es sei ein großer Unterschied, ob man einen Zinssatz von acht bis zwölf Prozent bei Bankkrediten oder einen weit darunter liegenden bei öffentlichen Geldern in Kauf nehmen müsse. Der Geschäftsführer des ifex gestand Probleme der öffentlichen Förderung bei kleinen Finanzierungsvolumina ein. Die Banken zeigten bei diesen geringen Summen kaum Interesse, weil sie für das Durchreichen der Anträge einen großen Aufwand und nur eine geringe Gewinnmarge hätten. Man habe dieses Problem allerdings erkannt und suche nach Lösungsmöglichkeiten. Es sei sehr viel Sensibilisierungsarbeit in Richtung Banken betrieben worden. Darüber hinaus sei man dabei, die Durchlauf- [Seite der Druckausg.: 57] zeiten und somit den Aufwand zu senken und plane, kleine Investitionsvolumina nicht mehr über Banken, sondern direkt zu bearbeiten. Allerdings zeige seine Erfahrung, daß viele der Personen mit geringfügigem Kapitalbedarf es nicht für nötig hielten, ein Konzept zu erarbeiten. Im hauswirtschaftlichen Bereich beispielweise sei natürlich kein derart ausführliches Konzept notwendig, wie es ein Technologieunternehmen vorlegen muß, aber dennoch sei auch hier eine Planung erforderlich. Es gebe nicht nur öffentliche Fördermittel in Form von Krediten, ergänzte der Leiter der Produktentwicklung der Takata GmbH Ulm die Diskussion um Fördergelder, sondern auch Zuschüsse, d.h. Gelder, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Die EU habe beispielsweise ein Programm mit einem Kapital von 330 Milliarden ECU eingerichtet, bei dem in der Regel einer von drei Anträgen genehmigt werde. Der Aufwand sei zwar exzessiv und es dauere lange, bis die Gelder fließen würden, aber die Mühe lohne sich dennoch.
4.2 Wagniskapital als Finanzierungsmittel
Der Begriff Wagniskapital taucht stets im Zusammenhang mit Existenzgründungen auf. Diese Popularität, so der Leiter der Produktentwicklung der Takata GmbH Ulm, erkläre sich durch die Tatsache, daß Wagniskapital Eigenkapital sei, für das der Gründer nicht haften müsse. Allerdings fördern Wagniskapitalgesellschaften nur ausgesuchte Unternehmen mit hohem Kapitalbedarf. Die Beträge gehen in die Millionen, die Anforderungen seien dementsprechend hoch, stellte der Oberbürgermeister der Stadt Ulm fest. Von zehn Existenzgründungen würden seiner Erfahrung nach acht bis neun zurückgewiesen. So mancher Gründer mache sich falsche Vorstellungen, weil er sein Projekt überschätze, so daß man ihn auf den Boden der Tatsachen [Seite der Druckausg.: 58] zurückholen und einen dem Vorhaben angepaßten Förderweg finden müsse, der meist ohne Wagniskapital auskomme. Der Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm bestätigte, daß es für ein normales Vorhaben niemals Wagniskapital geben werde. In den meisten Fällen gehe es vielmehr um eine übliche Bankenfinanzierung. Venture-Capital-Gesellschaften, so der Geschäftsführer der TFU GmbH, betreiben bei der Auswahl der förderungswürdigen Unternehmen ein regelrechtes "Rosinenpicken". Als Ansprechpartner gegenüber dem Gerling-Innovationsfonds habe er leidvolle Erfahrungen gemacht. Aus über 30 Vorhaben habe er die sechs aussichtsreichsten zur Förderung vorgeschlagen, es sei jedoch kein einziges Projekt finanziert worden. Dieses Verhalten kritisierte auch der geschäftsführende Gesellschafter der SpeedForm GmbH. In Amerika lägen die Verhältnisse anders, dort würden weitaus mehr Vorhaben gefördert, von denen naturgemäß ein großer Teil scheitere. Mit den erfolgreichen Projekten werde aber soviel Gewinn gemacht, daß sich das Verfahren insgesamt rentiere. In Deutschland erreichten Wagniskapitalgesellschaften teilweise über 30% Gewinnausschüttung, weil sie sich ausschließlich die "Filetstückchen" heraussuchten, und diese seien heißumkämpft. Wagniskapitalgeber würden händeringend nach aus ihrer Sicht rentablen Vorhaben suchen, anstatt die Meßlatte etwas niedriger anzusetzen. Der Geschäftsführer der TFU GmbH pflichtete dieser Darstellung bei, auch er wisse von Venture-Capital-Gesellschaften, die behaupten, sie verfügten über überschüssige Mittel, es gebe aber zu wenig aussichtsreiche Gründungsvorhaben. Ein Problem liegt nach Ansicht des Oberbürgermeisters der Stadt Ulm in der Vielzahl der Wagniskapitalgesellschaften, gerade in letzter Zeit würden sie wie "Pilze aus dem Boden" sprießen. Die Professionalität der einzelnen Organisationen ließe aber oft zu wünschen übrig. Diese Aussage bekräftigte der Geschäftsführer des ifex. Er erlebe des öfteren, daß Chancen-, Risiko- oder Wag- [Seite der Druckausg.: 59] niskapitalgesellschaften mit zwei oder drei Millionen Mark Kapital entstünden, die dann gleich beim ersten Biotechnologieunternehmen, das an sie herangebracht wird, einen Rückzieher machten. Nötig sei eine stärkere Bündelung, um z.B. einen Topf mit 40 bis 50 Mio. DM zu schaffen, mit dem sinnvoller gearbeitet werden könne. Es gebe aber auch Beispiele in der Region, die gut funktionierten, erwiderte der Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm und verwies als Beispiel auf den Chancenkapitalfond der Kreissparkasse Biberach sowie auf den Fonds der regionalen Banken im IHK-Bezirk Augsburg, bei dem die IHK Augsburg die Federführung hat. Wagniskapitalgesellschaften vergeben keine Kredite, sondern sie erwerben Unternehmensanteile. Die Einstellungen zu dieser Finanzierungsform sind sehr kontrovers. Der geschäftsführende Gesellschafter der SpeedForm GmbH äußerte Bedenken: Wenn genügend Gesellschaftsanteile zur Verfügung stünden, sei eine Finanzierung über Wagniskapital sinnvoll. Gefährlich werde es, wenn die Venture-Capital-Gesellschaft eine beherrschende Stellung einnehme, d.h. über 50% der Anteile halte. Zu beachten sei hier, daß der Unternehmensgründer, auch wenn er anfangs noch über die Mehrheit der Kapitalanteile verfüge, in jeder folgenden Finanzierungsrunde weitere Anteile verliere und so schnell bei nur noch 20 bis 30 Prozent angelangt sei. Ein anderer Existenzgründer hatte weniger Bedenken: Er gründe momentan mit einem Partner zusammen einen Betrieb im Bereich Biomedizintechnik. Für die ersten vier Jahre sei ein Kapitalbedarf von 4,5 Mio. DM ermittelt worden, der über einen Finanzierungsmix aus Eigenkapital, öffentlichen Geldern und Venture Capital finanziert werde. Man müsse bereit sein, Anteile abzugeben, in seinem Falle seien es 25% der Gesellschaftsanteile gewesen. Ein Unternehmensgründer, der Geld wolle, aber nicht bereit sei, Gesellschaftsanteile abzugeben, sei nicht "risikokapitalreif", bemerkte der Geschäftsführer der TFU GmbH. Für das Unternehmenswachstum sei es zwingend notwendig, eine - zumindest zeitweilige - Fremdbeteiligung in Kauf zu nehmen. Wenn ein Geldgeber Kapital in Millionenhöhe in ein Unternehmen investiere, sei es völlig normal, daß er auch ein [Seite der Druckausg.: 60] Mitspracherecht haben wolle, pflichtete ihm der Oberbürgermeister der Stadt Ulm bei. Einen "Akt der Nächstenliebe" könne man nicht erwarten. Wenn die Wagniskapitalgesellschaft die Mehrheit der Anteile halte, habe man aber in seinem Betrieb entscheidend an Einfluß verloren, warf der geschäftsführende Gesellschafter der SpeedForm GmbH ein. Man werde Dienstleister im eigenen Unternehmen und könne seine Visionen nicht mehr verwirklichen. Er wisse sogar von Fällen, in denen der Gründer in solchen Situationen durch einen Geschäftsführer ausgewechselt und mit einem minimalen Entgelt als Gesellschafter zwangsausbezahlt worden sei. Der Errichtung eines städtischen Wagniskapitalfonds stand der Oberbürgermeister der Stadt Ulm skeptisch gegenüber. Dies sei keine Aufgabe der Stadt, schließlich müsse sie über Ausgaben Rechenschaft gegenüber den Kontrollbehörden und letztlich gegenüber dem Steuerzahler ablegen. Bei derartigen Unterfangen seien größte Schwierigkeiten zu erwarten. Der Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm teilte diese Einstellung. Einer Kommune fehle sowohl die finanzielle Potenz als auch die Kompetenz hierzu. Städtisches Kapital ließe sich anderswo effektiver anlegen. Als Aufgabe der Stadt betrachtet der Oberbürgermeister der Stadt Ulm vielmehr die Förderung und Unterstützung von Einrichtungen wie z.B. der TFU GmbH. Deren Wirkungen strahlten in die Region aus und zögen Investoren bzw. Kapitalanleger an. An solchen Stätten lasse sich am ehesten ein Zusammentreffen von z.B. privaten Kapitalgebern und finanzierungsbedürftigen Unternehmen realisieren. Sich um diese Einrichtungen zu kümmern sei für eine Stadt sinnvoller und effektiver, als einen Minifonds aufzulegen. [Seite der Druckausg.: 61]
4.3 Einrichtung eines Regionalfonds und Förderung des Business-Angels-Konzepts
Weder Banken noch Wagniskapitalgesellschaften scheinen für viele Gründer, so ein Ergebnis der Diskussion, der richtige Ansprechpartner zu sein. Um dieses Problem auf regionaler Ebene zu lösen, schlug der geschäftsführende Gesellschafter der SpeedForm GmbH vor, einen Regionalfonds einzurichten, eventuell unter der Schirmherrschaft wichtiger Persönlichkeiten aus der Region. In diesen sollten Banken, vielleicht auch die Stadt, in erster Linie aber private Investoren, atypisch ihr Kapital zeichnen, das Gründern dann auf unbürokratischer Weise zur Verfügung gestellt werden solle. Der Bund biete hierfür Ausfallbürgschaften von 50%, mit den steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten ließe sich die Sicherheit auf 80% erhöhen. Derartige Investitionen in junge Unternehmen seien hoch profitabel und darüber hinaus für die regionale Wirtschaft sehr nützlich: Nicht nur die finanzierten Unternehmen würden Unterstützung erfahren, auch die gesamte Region, weil 80% des von Betrieben erwirtschafteten Kapitals zurück in die Region fließen würden. Vorbilder für Regionalfonds gebe es in Stuttgart, München, Frankfurt und sogar in kleineren Städten wie z.B. Günzburg, wo diese Maßnahmen auch gut funktionieren würden. Der Geschäftsführer der TFU GmbH versprach sich ebenfalls eine Verbesserung der Situation durch einen Regionalfonds, der nach seiner Ansicht ein regionaler Seed-Capitalfond sein solle. Wenn ein Unternehmen eine gewisse Reife habe und in seinen Entwicklungsmöglichkeiten beurteilt werden könne, gebe es ausreichende Finanzierungsquellen. Fehle diese Reife jedoch, sei die einzige Möglichkeit der persönliche Kontakt zu einem Kapitalgeber. Dieser Weg könne durch einen regionalen Fonds ermöglicht werden. [Seite der Druckausg.: 62] Echte steuerliche Vorteile für Privatinvestoren, die ihr Kapital in jungen Unternehmen anlegen wollen, forderte ein Vertreter einer Wirtschaftsförderungsinstitution. So könne die Motivation potentieller Investoren geweckt werden . Einen regionalen Seed-Capitalfond mit 10 oder 20 TDM-Stückelung schlug der Professor der Fachhochschule Ulm vor. Auf diese Weise könnten z.B. 50 oder 100 Existenzgründer unterstützt und dadurch eine ausreichende Risikostreuung erreicht werden. Die Bewilligungsprüfung solle sehr pragmatisch und unkonventionell, die Vorlage eines Konzepts jedoch Voraussetzung sein. Der Oberbürgermeister der Stadt Ulm bemerkte, die Stadt habe bereits einmal 250 TDM als Grundstock für einen Regionalfonds zur Verfügung gestellt, in der Hoffnung, daß Banken, Unternehmen und Privatpersonen ebenfalls Kapital einlegen würden. Es habe jedoch niemand mit investiert, weil ein Kapitalgeber bei dieser Konstruktion keinen direkten Einfluß darauf habe, wer das Geld erhalte. Zudem sei die Stadt durch dieses Vorgehen in die Kritik geraten und es sei die Frage gestellt worden, ob derartige Dinge in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen würden und wie über diese Ausgaben Rechenschaft abgelegt werden könne. Handlungsbedarf sieht der Oberbürgermeister der Stadt Ulm nicht im Bereich von Finanzierungen in Höhe von 10 bis 20 TDM, für diese Größenordnungen gebe es genügend andere Möglichkeiten. Bei einer Finanzierung in Millionenhöhe seien dagegen die Wagniskapitalgesellschaften angesprochen, das Handlungsfeld eines Regionalfonds liege demnach zwischen diesen beiden Bereichen. Die Stadt Ulm sei bereit, nochmals 250 TDM für einen solchen Fonds zur Verfügung zu stellen, aber aufgrund der bisherigen Erfahrungen sei er sehr skeptisch. Mehr verspreche er sich von der Ansiedlung eines Wagniskapitalfonds in der Region, der gleichzeitig eine Begleitung der Unternehmen [Seite der Druckausg.: 63] biete. Derartige Projekte existieren in Stuttgart und München, und er sei bestrebt, ein solches in Ulm ebenfalls zu realisieren. Eine andere Möglichkeit für Unternehmensgründer, eine Hilfestellung nicht nur finanzieller Art zu bekommen, stellt das Business-Angels-Konzept dar, das in den USA sehr verbreitet ist. Hier unterstützen Persönlichkeiten aus der Wirtschaft junge Unternehmen. Zum einen, indem sie Berater- und Fürsprecher des Gründers sind, zum anderen, indem sie Kapital in das Unternehmen einbringen, ohne Sicherheiten zu verlangen. Dieser Weg sollte nach Ansicht des Leiters der Produktentwicklung der Takata GmbH Ulm in Deutschland stärker als bisher gefördert werden, auch steuerpolitisch. Mit einem regional bekannten Fürsprecher z.B. bei der Bank vorzusprechen, sei seiner Erfahrung nach ein sehr erfolgversprechender Weg, pflichtete der Geschäftsführer des ifex bei. Diese Hilfestellung, so der Hauptgeschäftsführer der IHK Ulm, sei das Ziel der geplanten Gründerzirkel: Erfahrene Unternehmer sollen das Konzept prüfen und dann Fürsprecher des jungen Unternehmens werden, in diesem Modell jedoch ohne daß sie eine Bürgschaft übernehmen oder Kapital geben. Der Professor der Fachhochschule Ulm unterstützte das Business-Angels-Konzept und schlug vor, es mit einer Finanzierung durch einen Regionalfonds zu verbinden. Einer Innovationsregion würde ein derartiges Projekt gut entsprechen. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | July 2003 |