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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausgabe: 35 / Fortsetzung] 5. Beispiele für die Umsetzung fahrradfreundlicher Verkehrskonzepte: die Städte Erlangen (Bay.) und Troisdorf (NRW) Erlangen: "Wir müssen alle miteinander auskommen" Die allgemeine Ausgangssituation Erlangens ist von einem starken Bevölkerungs- und damit auch Verkehrswachstum seit 1940 geprägt. Die Einwohnerzahl von damals ca. 39.000 ist bis heute auf 102.000 gestiegen. Erlangen hat rund 80.000 Arbeitsplätze, von denen allein 25.000 bei der Siemens AG als größtem Arbeitgeber der Stadt angesiedelt sind. Zusammen mit den 20.000 an der Universität Erlangen immatrikulierten Studenten kommen auf diese Weise täglich ca. 50.000 Berufs- und Ausbildungspendler zusammen, wobei v.a. der Studentenanteil eine relativ große Zielgruppe für ein fahrradfreundliches Verkehrskonzept darstellt. Die topographischen Gegebenheiten mit ihren nur geringen Höhenunterschieden sind günstig für den Fahrradverkehr. Die Stadt wird vom Überschwemmungsgebiet des Regnitz-Tals in zwei Teile geteilt, wobei die vorhandenen Radwege die vergleichsweise schnellste Verbindung zwischen dem Westen (überwiegend Wohnfunktionen) und dem Osten (City, Arbeitsplätze) der Stadt sind. Die Straßentalübergänge dagegen weisen große Verkehrsprobleme auf. Während der Sommermonate pendeln jeden Tag bis zu 10.000 Fahrradfahrer zwischen beiden Hälften der Stadt. Der systematische Aufbau eines Fahrradverkehrskonzeptes wurde 1972 unter dem damals neugewählten Oberbürgermeister Dr. Hahlweg begonnen, der sich massiv für eine Wende in der städti- [Seite der Druckausgabe: 36] schen Verkehrspolitik einsetzte. Der bisher überstarke Anteil des motorisierten Individualverkehrs wurde zugunsten der Verkehrsmittel des Umweltverbundes (ÖPNV, Radverkehr, Fußgänger) reduziert. Der Radverkehr wurde dabei besonders gefördert und als wichtiger Teil der Verkehrsplanung angesehen. Durch eine entsprechende Angebotspolitik sollten möglichst viele potentielle Radfahrer für den Alltagsverkehr mit Fahrtziel Innenstadt (Arbeit, Ausbildung, Einkauf) erreicht werden. Der Maßnahmenkatalog bestand aus den drei Grundelementen
Das Erlanger Fahrradnetzkonzept wurde Anfang der 1970er Jahre mit großem politischen Elan begonnen. Aus heutiger Sicht war v.a. der politische Druck und Umsetzungswille der entscheidende Motor, der über bloße planerische Lösungsversuche weit hinausging. So wurde eine "Arbeitsgemeinschaft Radwege" unter Beteiligung der einzelnen Fachämter, der Polizei und später auch dem ADFC als Interessenvertretung der Radfahrer gegründet. Die Leitung übernahm zunächst der Oberbürgermeister selbst, anschließend der Rechts- und Umweltreferent der Stadt, womit die Arbeitsgruppe unter der Federführung eines höherrangigen und mit Entscheidungsbefugnissen ausgestatteten Moderators stand. Dies war wichtig, um Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Beteiligten zu vermeiden und die Entscheidungsprozesse zu beschleunigen. Nach Aussage des Fahrradbeauftragten der Stadt Erlangen, Janeck, funktionierte dieses System sehr gut. Die Vorgehensweise bei der Konzipierung des Radwegenetzes war durch Pragmatismus geprägt und verzichtete auf ein wissenschaftliches Begleitprogramm. Im Rahmen eines 3-Stufen-Planes erfolgte zunächst eine Bestandsaufnahme der bereits existierenden [Seite der Druckausgabe: 37] Fahrradwege. Darauf aufbauend wurden Quell- und Zielpunkte des gewünschten Netzausbaus festgelegt und schließlich die entsprechenden Maßnahmen mit einem Finanzvolumen von über 1 Mio. DM/a auf der Grundlage der damaligen Richtlinien zum Fahrradverkehr realisiert. Auf diese Weise entstand in Erlangen zu einem vergleichsweise sehr frühen Zeitpunkt ein umfassendes Fahrradkonzept. Die Stadt nahm damit eine Vorreiterrolle in der Bundesrepublik ein, wenngleich unter heutigen Aspekten das Wegenetz zum Teil veraltet ist oder nicht mehr dem aktuellen Erkenntnisstand entspricht. In diesem Zusammenhang verhindert die gegenwärtig angespannte kommunale Haushaltslage größere Umgestaltungs- bzw. Nachbesserungsmaßnahmen. Die planerischen Maßnahmen der Stadt wurden von umfangreichen PR-Maßnahmen zur Imagepflege flankiert, die u.a. mit dem Slogan "Wir müssen alle miteinander auskommen" erfolgreich an eine größere Rücksichtnahme auf die jeweils anderen Verkehrsteilnehmer appellieren. Die Stadt bietet einen kostenlosen Fahrradwegeplan an und hat ein Wegweisersystem für den Radverkehr installiert. In Erlangen gibt es einen Winterdienst für die Radwege. Die Fahrradfreundlichkeit wird auf höchster Ebene durch die Benutzung von Dienstfahrrädern vorgelebt, die auch bei Stadtrundfahrten zum Einsatz kommen. Schließlich kann als systembegleitende Komponente ein umfangreiches Angebot von Fahrradabstellanlagen erwähnt werden. Parallel zu den Aufbaumaßnahmen eines qualitativ hochwertigen Fahrradwegenetzes wurden restriktive Maßnahmen gegen den motorisierten Individualverkehr durchgesetzt. Dazu gehörten die Einrichtung kfz-freier Fußgängerzonen, verkehrsberuhigter Bereiche bzw. Tempo-30-Zonen oder die Verlegung des ruhenden Autoverkehrs von den öffentlichen Parkplätzen im Innenstadtkern in die neu errichteten angrenzenden Parkhäuser. Als Fazit läßt sich in Erlangen eine besondere, wenig aggressive Verkehrsatmosphäre beobachten. Die große Akzeptanz des Radwegenetzes ließ den Fahrradanteil des Binnenverkehrs von 14% [Seite der Druckausgabe: 38] (1974) auf eine zwischenzeitliche Spitze von 30% (1990) ansteigen. Heute ist ein leichter Rückgang auf 26% zu registrieren, da unter den geburtenstarken Jahrgängen der Trend zur Autobenutzung steigt. Im Sommer bewegen sich im Stadtgebiet bis zu 25.000 Fahrräder. Einschließlich der Naherholungsbereiche ist ein geschlossenes Wegenetz von 175 km entstanden. Auf Detaillösungen und -elemente des Erlanger Fahrradverkehrskonzeptes kann im Rahmen dieser Broschüre nicht eingegangen werden, doch sollen im folgenden einige Grundelemente und Besonderheiten erwähnt werden.
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maßnahmen in Kombination mit der Anlage von Radwegen bzw. -spuren. [Seite der Druckausgabe: 40]
Die konjunkturellen und wirtschaftsstrukturellen Veränderungen seit den 1970er Jahren haben auch in Erlangen zu einer angespannten Finanzsituation geführt, was sich negativ auf den Umfang der Nachbesserungen und Neuanlagen von Radwegen auswirkt. Die heute weniger gut besuchten Bürgerbeteiligungen zur Fahrradverkehrsplanung werden z.T. durch den ADFC kompensiert, der auf Mängel hinweist und somit eine wichtige Rolle spielt. Das Beispiel Erlangen hat unter anderem gezeigt, wie wichtig es ist, daß eine Stadtverwaltung gerade bei der Verwirklichung neuer Verkehrskonzepte konsequent zu den entsprechenden Entscheidungen bzw. den jeweiligen Verantwortlichen steht. Um ihre Glaubwürdigkeit zu bewahren, ist die "Rückendeckung von oben" eine wichtige Voraussetzung für die Durchsetzung auch unliebsamer Maßnahmen zugunsten des Fahrradverkehrs. Das Projekt "Fahrradfreundliches Troisdorf' Während Erlangen als eine Vorreiterin für die Umsetzung fahrradfreundlicher Konzepte gilt, ist die nordrhein-westfälische Stadt Troisdorf ein aktuelles Beispiel für den kreativen Einsatz der bereits unter Punkt 4. genannten "Bausteine für eine fahrradfreundliche [Seite der Druckausgabe: 41] Stadt". Deshalb werden im folgenden nur die wesentlichen Stichpunkte noch einmal zusammengefaßt. Troisdorf liegt zwischen Köln und Bonn, besteht aus insgesamt 10 Ortsteilen und hat eine Kernstadtbevölkerung von ca. 20.600 Einwohnern. Die weitgehend reliefarme Topographie der Stadt bietet sehr gute Voraussetzungen für den Fahrradverkehr (MSV, 1994). Nach einem zunächst erfolglosen Bewerbungsversuch für das Modellvorhaben "Fahrradfreundliche Stadt" des Umweltbundesamtes im Jahr 1983 wurden 1986 ein Planungsbüro und ein empirisches Forschungsinstitut mit der Konzeption einer fahrradfreundlichen Verkehrsinfrastruktur betraut. 1988 wurde Troisdorf schließlich in das "Programm Fahrradfreundliche Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen" aufgenommen. Das Modellvorhaben war zunächst auf einen Zeitraum von fünf Jahren mit einem Gesamtvolumen von ca. 25 Mio. DM beschränkt, wird aber in seiner Konzeption weitergeführt (MSV, 1994). Das Planungsteam ist während der Hauptprojektzeit vor 5 Jahren mindestens einmal pro Jahr in eine andere Stadt gefahren, um sich Anregungen für die Umsetzung eines Fahrradverkehrskonzeptes in Troisdorf zu holen. Die Entscheidungsfindungen im Planungsausschuß waren daher wesentlich von vielen positiven niederländischen Beispielen beeinflußt. Der modal split-Anteil des Fahrrades sollte von 16% (1989) auf 20% erhöht werden. Die Ergebnisse und Aussagen, ob dieses Ziel erreicht worden ist, liegen noch nicht vor. Im einzelnen wurden u.a. folgende Maßnahmen durchgeführt:
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breiten roten Farbstrich besteht (vgl. hierzu MSV, 1994; Arbeitsgemeinschaft "Fahrradfreundliche Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen", 1995). [Seite der Druckausgabe: 43]
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fahrrädern mit dem Stadtwappen und dem Slogan "Radfahren in Troisdorf... find' ich gut!" (vgl. Abbildung 1). © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000 |