FES HOME MAIL SEARCH HELP NEW
[DIGITALE BIBLIOTHEK DER FES]
TITELINFO / UEBERSICHT



TEILDOKUMENT:




[Seite der Druckausgabe: 9]

II. Lage der deutschen Bauwirtschaft

1. Gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen

Die konjunkturelle Erholung in Deutschland ist im Verlauf des Jahres 1997 weiter vorangekommen. Im dritten wie auch im vierten Quartal nahm das reale Bruttoinlandsprodukt - saison- und arbeitstäglich bereinigt - gegenüber dem jeweiligen Vorquartal um jeweils 0,5 vH zu. Dabei hat sich die gesamtwirtschaftliche Kapazitätsauslastung erhöht. Dies ist nach der Einschätzung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) vor allem auf den außerordentlich starken Anstieg der Ausfuhr zurückzuführen. Die Inlandsnachfrage expandiert dagegen in der Grundtendenz weiterhin nur schwach; die Bauinvestitionen sind gesunken. [Fn. 4: Kieler Kurzberichte 30/1997: Aufschwung in den Industrieländern hält trotz Krise in Asien an.]

Abb. 2: Arbeitsmarktzahlen Februar 1998

ausgewählte
Merkmale

Deutschland

Alte Länder

Neue Länder








aktueller Monat

gegen Vorjahr

aktueller Monat

gegen Vorjahr

aktueller Monat

gegen Vorjahr

Erwerbstätige in Tsd. (Dez. 1997)

33.937

-279

27.922

-98

6.015

-181

Arbeitslose

(Bestand in Tsd. Ende Febr. 1998)

4.819

+147

3.214

-43

1.605

+190

Arbeitslosenquote in vH

(bez. auf alle zivilen Erwerbspersonen)

12,6

+0,4

10,4

-0,2

21,3

+2,4

Gemeldete Stellen in Tsd.

(Bestand Ende Febr. 1998)

393

+56

325

+35

68

+20


Quelle: Bundesanstalt für Arbeit

Trotz der seit mehr als anderthalb Jahren andauernden konjunkturellen Belebung ist die Lage am Arbeitsmarkt unverändert kritisch. Die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung ging weiter zurück - wenn auch zuletzt in deutlich verlangsamtem Tempo. Sie lag im Dezember 1997 um 279.000 Personen niedriger als im Dezember 1996. Die Zahl der Arbeitslosen ist seit dem Sommer 1996 sprunghaft gestiegen. Sie lag im

[Seite der Druckausgabe: 10]

Februar 1998 um 147.000 Personen höher als ein Jahr zuvor. Vor allem in den Bauberufen nahm die Erwerbslosigkeit deutlich zu.

In regionaler Betrachtung war für den weiteren Anstieg der Arbeitslosenzahl zuletzt fast ausschließlich die Entwicklung in den neuen Bundesländern maßgeblich. Im April 1997 hatte hier eine beängstigende Zunahme der saisonbereinigten Anzahl der Personen ohne Arbeit mit zunehmenden zweistelligen Veränderungsraten gegenüber dem jeweiligen Vorjahresmonat eingesetzt. Dieser Trend hat sich bis Dezember immer weiter fortgesetzt. Der Rückgang im Januar dürfte in erster Linie auf die im Vergleich zum Vorjahr wesentlich milderen Witterung zurückzuführen sein.

In den alten Bundesländern hat sich die Situation seit September 1997 stabilisiert. Die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit blieb bis Jahresende in etwa konstant. Sie lag freilich immer noch um gut 10vH über dem Vorjahresstand. Inwieweit der starke Rückgang der saisonbereinigten Arbeitslosenzahl zu Jahresbeginn 1998 der milderen Witterung zuzuschreiben ist, muß sich noch zeigen.

Betrachtet man die Kapitalmarktbedingungen, so gestaltet sich die Situation für Käufer oder Bauherren überaus günstig. Die Zinsen für Hypothekarkredite mit 10jähriger Zinsbindung liegen mit etwas über 6 Prozent p.a. nahe bei ihren historischen Tiefstständen und mehr als 2 Prozent unter ihrem langfristigen Durchschnitt. Da gleichzeitig wenig Aussicht auf weiter fallende Zinsen besteht, dürfte die Erwartung einer sich bessernden konjunkturellen Lage und damit wieder steigender Zinsen die Nachfrage nach Baukrediten und Immobilien günstig beeinflussen. So stützen die niedrigen Zinsen nicht nur die Bautätigkeit, sondern regen zusammen mit den gesunkenen Immobilienpreisen auch vermehrt zu Käufen im Bestand an, die jedoch erst allmählich zu einer Stabilisierung der Immobilienpreise führen werden.

Diesen positiven Rahmenbedingungen stehen indes eine Reihe restriktiv wirkender Einflußfaktoren gegenüber. So wird die Einkommensentwicklung weiterhin sehr verhalten ausfallen. Ursächlich ist neben der erheblich gestiegenen Arbeitslosenzahl der anhaltend starke Kostendruck bei vielen Unternehmen infolge des intensiven internationalen Wettbewerbs. Das steigende Arbeitsplatzrisiko wirkt dämpfend auf die Bereitschaft, sich für Bauzwecke zu verschulden. [Fn. 5: Baureport der Hypobank: Bauwirtschaft und Immobilienmärkte 1997/98 vom 11.6.1997, Hrsg.: Bayerische Hypotheken- und Wechsel-Bank Aktiengesellschaft, Abteilung Research & Volkswirtschaft.]

[Seite der Druckausgabe: 11]

Nach Einschätzung des IfW wird sich der Konjunkturaufschwung im Jahr 1998 fortsetzen [Fn. 6: Kieler Kurzberichte 30/1997.] Dabei wird ein größerer Beitrag der Binnennachfrage zum Produktionszuwachs erwartet. Die Verbrauchsausgaben würden im Gefolge der prognostizierten Besserung am Arbeitsmarkt rascher als 1997 zunehmen. Außerdem rechnet das Institut mit einem allmählichen Ende der Talfahrt der Bauinvestitionen. Insgesamt schätzt das IfW, daß das reale Bruttoinlandsprodukt 1998 um 2,8 vH höher liegen wird als im Vorjahr. Die im Vergleich zu 1997 etwas höhere Zuwachsrate sei freilich nur das Ergebnis des hohen Ausgangsniveaus zu Beginn des Jahres.

Nach der IfW-Prognose wird in Ostdeutschland die Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts auch in diesem Jahr etwas niedriger als in Westdeutschland ausfallen. Dazu trägt bei, daß die Bauproduktion im Osten 1998 nochmals deutlich zurückgehen wird. Zudem verliert der Dienstleistungssektor spürbar an Dynamik. Dagegen wird für die Produktion des Verarbeitenden Gewerbes 1998 mit 9 vH abermals eine deutlich höhere Zuwachsrate (1997: 10 vH) als im Westen erwartet (4 vH in beiden Jahren).

Abb. 3: Eckdaten der Prognose für Deutschland

Deutschland

Westdeutschland

Ostdeutschland


1996

1997

1998

1996

1997

1998

1996

1997

1998

BIP










(vH gegen Vorjahr)

1,4

2,4

2,8

1,3

2,4

2,8

2,0

2,0

2,4

Erwerbstätige










(1000 Personen)

34460

34005

34040

28166

27880

27980

6294

6125

6060

Arbeitslose










(1000 Personen)

3965

4380

4420

2796

3025

2945

1169

1355

1475

Arbeitslosenquote
(in vH)

10,3

11,4

11,5

9,0

9,8

9,5

15,7

18,1

19,6

Lohnstückkosten
(vH gegen Vorjahr)

-0,4

-1,4

-0,6

-0,3

-1,4

-0,5

-0,7

-1,7

-1,3


Quelle: Herbstgutachten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute

[Seite der Druckausgabe: 12]

Page Top

2. Konjunkturelle Lage und Perspektiven der deutschen Bauwirtschaft

Träger des gesamtdeutschen Baubooms, der bis 1994 anhielt, waren die hohen Zuwachsraten in allen drei Sparten der ostdeutschen Bauinvestitionen und bei den Wohnungsbauinvestitionen der alten Länder. Im Wirtschaftsbau und im öffentlichen Bau Westdeutschlands waren jedoch schon während der Boomjahre erhebliche Rückgänge zu verzeichnen. Bereits 1995 hatte die Bautätigkeit ihren Höhepunkt überschritten. 1996 haben die Bauinvestitionen dann um real 3 vH abgenommen. Während die Wohnungsbauinvestitionen - trotz der Zuwächse in Ostdeutschland - stagnierten, sind die Investitionen im öffentlichen und im gewerblichen Bau in beiden Landesteilen erheblich zurückgegangen.

Der Rückgang der Bauinvestitionen hat 1997 angehalten. Der Wohnungsbau wurde von dem allgemeinen Abwärtssog noch nicht voll erfaßt. Hier haben sich die Investitionen auf hohem Niveau knapp behauptet. Weil gleichzeitig bei den gewerblichen Investitionen wesentlich geringere Rückgänge zu verzeichnen waren, sind die gesamten Bauinvestitionen weniger stark zurückgegangen als 1996 (um 2,2 vH). Wenn man diese Entwicklung den Zuwächsen beim BIP gegenüberstellt, lassen sich zwei Feststellungen treffen:

  • Der Verlauf der Bauinvestitionen hat sich zur Zeit völlig vom Konjunkturverlauf abgekoppelt (Abb. 4). Dies deutet auf eine strukturelle Anpassungskrise hin.

  • Der Verlauf der Bauinvestitionen beeinträchtigt die Aussichten auf eine durchgreifende konjunkturelle Erholung in erheblichem Maße.

Abb. 4: Bruttoinlandsprodukt und Bauinvestitionen in Preisen von 1991,Veränderung in vH gegen Vorjahresquartal

1. Vj.

2. Vj.

3. Vj.

4. Vj.

Jahr 1997

Bruttoinlandsprodukt

1,0

3,0

2,4

2,4

2,2

Bauinvestitionen

0,9

-1,8

-3,5

-3,5

-2,2

Quelle: StBA

Für 1998 wird bestenfalls eine Stagnation der Bauinvestitionen erwartet. Die Entwicklung der Bauaufträge deutet jedoch zunächst noch auf weitere Rückgänge bei der Investitionstätigkeit hin. Bereits 1996 nahmen die gesamtdeutschen Bauaufträge um über 7 vH ab. Im abgelaufenen Jahr mußte die Bauwirtschaft wiederum einen Rückgang von gut

[Seite der Druckausgabe: 13]

7 vH hinnehmen. Er setzt sich zusammen aus einem Minus von 4 vH in den alten und von 14 vH in neuen Bundesländern.

Die allgemeine Geschäftslage wurde von den meisten Mitgliedsunternehmen des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes im Januar 1998 als schlecht bezeichnet. Lediglich im ostdeutschen sowie in Teilen des westdeutschen Wohnungsbaus war die Situation noch befriedigend.

Abb. 5: Reale Bauinvestitionen in West- und Ostdeutschland

(Veränderung in vH gegenüber dem Vorjahr)

Anteile





in vH 1997

1996

1997

1998

Wohnbauten

55,7

0,1

-0,3

-2,6

Westdeutschland

59,1

-1,8

-0,7

-2,0

Ostdeutschland

47,5

6,5

0,7

-4,5

Gewerbliche Bauten

30,0

-7,0

-2,2

-1,6

Westdeutschland

27,8

-5,4

-0,9

0,5

Ostdeutschland

35,1

-10,1

-4,7

-6,0

Öffentliche Bauten

14,4

-6,1

-8,9

-2,7

Westdeutschland

13,1

-7,7

-9,1

-3,0

Ostdeutschland

17,4

-2,9

-8,7

-2,0

Bauinvestitionen





insgesamt

100,0

-3,1

-2,2

-2,4

Westdeutschland

100,0

-3,7

-1,9

-1,5

Ostdeutschland

100,0

-1,8

-2,9

-4,5

Quellen: StBA, Prognose des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie

Page Top

a) Gewerblicher und öffentlicher Bau

Im früheren Bundesgebiet waren die gewerblichen Bauinvestitionen 1997 im fünften Jahr in Folge rückläufig. In den neuen Bundesländern, mußte der Gewerbebau erstmals 1996 erhebliche Einbußen hinnehmen. Im ostdeutschen gewerblichen Bau wird sich der Abnahmetrend weiter fortsetzen. Die Angebotsüberhänge sind in einigen Marktsegmenten bereits so groß, daß es Jahre dauern wird, bis die Leerstände wieder abgebaut sind. Die Genehmigungen gehen derzeit mit zunehmenden zweistelligen Raten zurück. Entsprechend düster fallen die Prognosen für Nachfrage und Produktion im gewerblichen Bau aus.

Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute hatten in ihrem Frühjahrsgutachten eine Tendenzwende - sprich Stagnation - bei den Bauinvestitionen schon für 1998 prognostiziert. Die Prognose stützte sich freilich auf ein kräftiges Wachstum der gewerblichen Bauinvestitionen in Westdeutschland. Diese Voraussage wurde seinerzeit mit einer be-

[Seite der Druckausgabe: 14]

schleunigten Zunahme der Ausrüstungsinvestitionen im Gefolge der für 1998 vorhergesagten allgemeinen Wachstumsbeschleunigung begründet.

Die Institute hatten jedoch die gewerblichen Bauten für 1997 viel zu optimistisch eingeschätzt. Das Statistische Bundesamt hat inzwischen die statistische Ausgangslage im Bereich der gewerblichen Bauten für das Jahr 1996 nach unten korrigiert. Die Entwicklung stellt sich nun im Verlauf wesentlich ungünstiger dar. Dies erklärt zu einem großen Teil, warum die Institute in ihrem Herbstgutachten für den Wirtschaftsbau im Jahr 1997 deutlich pessimistischer waren.

Offenbar hat sich der konjunkturelle Zusammenhang zwischen BIP, Ausrüstungsinvestitionen und gewerblichen Bauten vorübergehend weitgehend gelöst. Der Grund dafür war keineswegs allein die Sonderentwicklung in Ostdeutschland. Die Prognose der Institute (Trendwende für Westdeutschland, geringerer Rückgang für Ostdeutschland) wird man noch mit etwas Vorsicht behandeln müssen. Es scheint, daß die Prognose der Bauinvestitionen noch zu sehr an einem vorgegebenen konjunkturellen Gesamtbild und weniger an konjunkturunabhängigen Bestimmungsgründen ausgerichtet wurde. Allerdings weisen die jüngsten Zuwächse bei den Genehmigungen für Wirtschaftsbauten in Westdeutschland in die Richtung der Prognose der Institute.

Auch bei den öffentlichen Bauinvestitionen hielt in West- wie in Ostdeutschland die rückläufige Entwicklung im Jahr 1997 an. Der Rückgang hatte in Ostdeutschland 1995, in Westdeutschland schon zwei Jahre früher eingesetzt. Darin spiegelt sich die schwierige Haushaltslage der Gebietskörperschaften - nicht zuletzt der Kommunen als Hauptträger der öffentlichen Bautätigkeit - wider. Weil im entscheidenden Maastricht-Referenzjahr 1997 die Neuverschuldungsgrenze von 3 vH des Bruttoinlandsprodukts nicht überschritten werden sollte, wurden die Sparmaßnahmen auf allen staatlichen Ebenen verschärft.

Da jedoch der größte Teil der Ausgaben auf gesetzlich garantierten Leistungen basiert oder Kürzungen in bestimmten Bereichen politisch nicht durchzusetzen sind, werden die Haushalte durch Kürzungen bei der 'Manövriermasse', zu der auch große Teile der Bauinvestitionen gehören, ausgeglichen. Die Bautätigkeit beschränkt sich auf dringende Projekte, und bereits begonnene Baumaßnahmen werden zeitlich gestreckt. Im letzten Quartal 1997 wurden die Investitionsausgaben nochmals erheblich gekürzt. Im früheren Bundesgebiet hat sich daher inzwischen ein Investitionsstau bei Neu- und Ausbauprojekten gebildet. Besonders betroffen hiervon ist die Realisierung des Bundesverkehrs-

[Seite der Druckausgabe: 15]

wegeplans und auf kommunaler Ebene die Instandhaltung und Modernisierung der Kanalisation. [Fn. 7: Baureport der Hypobank.]

Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute waren in ihrem Herbstgutachten für 1998 sehr optimistisch. Sie rechnen schon wieder mit Zuwächsen bei den öffentlichen Bauinvestitionen, weil sich für die Haushaltslage der Kommunen allmählich eine Entspannung abzeichnet. In Westdeutschland sind die Auftragseingänge von Januar bis November 1997 im Hochbau und im sonstigen Tiefbau nur noch geringfügig zurückgegangen, im Straßenbau sind sie sogar um 4 vH gestiegen. In Ostdeutschland zeichnet sich dagegen noch keine Verbesserung der Auftragslage ab.

Page Top

b) Wohnungsbau

Jahrelange Hochkonjunktur

Der Wohnungsbau hatte in den vergangenen Jahren einen Boom erlebt wie selten zuvor. Nach dem Tief Mitte der 80er Jahre erreichten die Fertigstellungen in den westlichen Bundesländern ein Niveau wie zuletzt Anfang der 70er Jahre. Gleichzeitig legten die neuen Länder zweistellige Wachstumsraten vor, mit denen der Einbruch nach der Wende mehr als kompensiert werden konnte. Der Höhepunkt dieser Entwicklung wurde in Westdeutschland 1995 erreicht. 1996 ging die Zahl der Wohnungsfertigstellungen um jeweils etwa 16 vH zurück und 1997 nochmals um fast 6 vH. Bei noch hohen Fertigstellungszahlen in Ostdeutschland (Zunahme von knapp 25 vH in diesem Jahr) deuten die seit März ständig sinkenden Genehmigungsanträge darauf hin, daß der Markt sich auch hier auf eine Normalisierung einstellen muß.

Der Boom wurde hauptsächlich vom Miet- und Eigentumswohnungsbau getragen. Die relative Bedeutung des Wohneigentums an den Fertigstellungen hat dagegen ständig abgenommen. Verursacht wurde diese Aufwärtsentwicklung von der erhöhten Nachfrage aufgrund von gestiegenen Einkommen, von günstigen Rendite- und Wertsteigerungserwartungen und in Westdeutschland von dem durch die Zuwanderung verstärkten Bedarfsdruck. Die Wohnungspolitik hat den Boom mit verschiedenen Maßnahmen stimuliert, die als Reaktion auf den besonders in Großstädten und Ballungsgebieten entstandenen Wohnungsmangel ergriffen worden waren (z.B. Aufstockung der Mittel für den sozialen Wohnungsbau, Sonderprogramm für den Bau von Sozialwohnungen in

[Seite der Druckausgabe: 16]

Ballungsgebieten, Dachgeschoßausbauprogramm, Schuldzinsenabzug bei selbstgenutztem Wohneigentum) [Fn. 8: ifo-Wirtschaftskonjunktur 8/1997]

Kontinuierliche Verschlechterung der Rahmenbedingungen

Auch für die nachlassende Wohnungsbautätigkeit trägt die Wohnungspolitik eine wesentliche Mitverantwortung. Wegen der ständigen Änderungen in den Rahmenbedingungen wird die Wohnungsbaukonjunktur immer mehr zu einer von wechselnden Vorzieh- und Entzugseffekten bestimmten Programmkonjunktur. Seit 1996 haben sich die steuerlichen Rahmenbedingungen für Wohnungsbauinvestitionen kontinuierlich verschlechtert. Kaum ein Bereich der Wirtschaft ist stärker von steuerlichen Regelungen abhängig als die Immobilienwirtschaft, denn diese bestimmen u.a. die Nettorendite einer Immobilie wesentlich mit. Zuerst wurde im Jahr 1995 der Schuldzinsenabzug gestrichen. Diese Maßnahme hat erwartungsgemäß vorübergehend zu einem boomartigen Anstieg der Wohnungsbauinvestitionen infolge von Vorzieheffekten geführt. Der Absturz der Investitionstätigkeit ließ nicht lange auf sich warten.

Mit dem Jahressteuergesetz 1996 wurden die Abschreibungsbedingungen für den Mietwohnungsbau in den alten Ländern beeinträchtigt. Der Eingangssatz der degressiven AfA auf Wohngebäude wurde von 7 auf 5 Prozent gesenkt. Dies hat die Renditen im Wohnungsbau auf längere Sicht erheblich geschmälert. Abb. 6 zeigt, daß nach der alten Abschreibungsstaffel ein wesentlich größerer Teil des eingesetzten Kapitals bereits in den Anfangsjahren freigesetzt wurde. Schon nach neun Jahren waren mehr als 50 vH und nach 20 Jahren bereits 75 vH des Investitionsbetrags gewinnmindernd abgeschrieben.

Mit der neuen Abschreibungsstaffel wird die Steuerlast zwar insgesamt nicht verändert, aber zeitlich verschoben. Wegen der Langfristigkeit einer Investition im Wohnungsbau entstehen dadurch erhebliche Zinsverluste. Die hohen steuerlichen Verluste in den Anfangsjahren werden ebenso geschmälert wie der frühe Liquiditätseffekt. Der Barwert der Abschreibungen sinkt und damit auch die Rendite. [Fn. 9: ifo-Wirtschaftskonjunktur 8/1997] Der gegenüber einer linearen Abschreibung zu erzielende Zinsgewinn aus der Verlagerung der Steuerlast fällt nach der neuen Regelung deutlich geringer aus. Der Investor muß nun 12 Jahre warten, bis 50 vH seines Kapitals freigesetzt sind. Erst nach 30 Jahren sind 75 vH des Kapitals abgeschrieben.

[Seite der Druckausgabe: 17]

Abb. 6: Kapitalfreisetzungseffekt der Investitionsprogramme


Quelle: eigene Berechnungen

Die zu Jahresbeginn 1997 vorgenommenen Gesetzesänderungen haben in ihrem Gesamteffekt ebenfalls belastend auf den Immobilienmarkt gewirkt. Die Abschaffung der Vermögenssteuer hat zwar auch die Grundeigentümer entlastet. Dem steht aber die Erhöhung der Grunderwerbssteuer von 2 auf 3,5 Prozent gegenüber. [Fn. 10: Die Volkswirte der Hypobank haben die Erhöhung der Grunderwerbssteuer scharf kritisiert. Die Anhebung einer solchen Kapitalverkehrssteuer würde die Kosten der Eigentumsübertragung erhöhen und somit die Effizienz des Marktes behindern. Außerdem würde die eigentlich politisch gewollte Wohneigentumsbildung verteuert und die Eigenheimzulage teilweise aufgezehrt. Siehe dazu den Baureport der Hypobank.]

Negativ betroffen ist die Wohnungsnachfrage auch von der Neuregelung der Erbschaftssteuer. Nach einer Schätzung der Hypobank werden von dem neuen Ertragswertverfahren im Durchschnitt 50 vH der Verkehrswerte erfaßt und nicht mehr bloß 10 bis 20 vH wie nach dem alten Einheitswertverfahren. Zwar wird sich für Familien mit einem Eigenheim aufgrund der deutlich erhöhten Freibeträge kaum eine Verschlechterung ergeben, wohl aber für Besitzer größerer Immobilienvermögen. Gut bedachte Erben können unter Verkaufsdruck geraten und ältere Anleger könnten die Immobilienanlage in Hinblick auf die zukünftige Erbschaft meiden. Dies würde die Immobilienpreise dämp-

[Seite der Druckausgabe: 18]

fen und somit negative Auswirkungen auf den privaten Wohnungsbau haben. [Fn. 11: Baureport der Hypobank. ]
]

Im laufenden Jahr drohen den Grundstückseigentümern weitere Steuererhöhungen. Aus den Kommunalumfragen des Bundes der Steuerzahler ergibt sich, daß viele Gemeinden eine Erhöhung der Hebesätze für die Grundsteuer planen. Statt über Ausgabenkürzungen versuchen die Städte und Gemeinden ihre Haushalte offenbar über Steuererhöhungen auszugleichen. So plant mehr als die Hälfte der Kommunen in Nordrhein-Westfalen mindestens einen der drei Realsteuersätze anzuheben. Vor allem bei der Grundsteuer B sei eine regelrechte Erhöhungswelle absehbar. Auch in Ostdeutschland stehen entsprechende Erhöhungen der Hebesätze bevor, etwa in Sachsen und Thüringen. Diese Steuererhöhungen gefährden das mit dem Programm zur Verstetigung beschäftigungsfördernder Investitionen von der Bundesregierung verfolgte Ziel der Stabilisierung der Nachfrage nach Bauleistungen. [Fn. 12: F.A.Z. vom 20.2.1998.]

Abb. 7: Übersicht über die wichtigsten Maßnahmen zur Besteuerung und Förderung des Wohnungsbaus seit 1995

Jahr

Maßnahme

1995

• Wegfall des Schuldzinsenabzugs für den selbstgenutzten Wohnungsbau


Wegfall des Sonderprogramms zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus in Ballungsgebieten

1996

• Senkung des Eingangssatzes der degressiven AfA auf Wohngebäude von 7 auf 5 Prozent

1997

• Abschaffung der Vermögenssteuer


• Erhöhung der Grunderwerbssteuer von 2 auf 3,5 Prozent


• Erhebliche Kürzung der Sonderabschreibungen für den Neubau von Mietwohnungen in Ostdeutschland


• Programm zur Verstetigung beschäftigungsfördernder Investitionen


• Neuregelung der Erbschaftssteuer

1998

• absehbare Erhöhung der Hebesätze für die Grundsteuer B

[Seite der Druckausgabe: 19]

Differenzierte Entwicklung in der Zukunft

Die aktuelle und die prognostizierte Entwicklung der Wohnungsbauinvestitionen bieten ein differenziertes Bild, auch in regionaler Hinsicht. In bestimmten Marktsegmenten sind die Wachstumsaussichten durchaus günstig und es eröffnen sich Chancen für flexible Unternehmen, durch eine entsprechende Spezialisierung von den abweichenden Entwicklungstrends zu profitieren.

Abb. 8: Nettokaltmieten in ausgewählten Großstädten

Im Zuge steigender Fertigstellungen in der ersten Hälfte der 90er Jahre haben sich die Engpässe auf dem Wohnungsmarkt vielerorts reduziert. Die seit Mitte der 90er Jahre in Teilsegmenten zu beobachtende Abwärtsentwicklung bei den Mieten hält - ungeachtet vereinzelter regio-

[Seite der Druckausgabe: 20]

naler Stabilisierungstendenzen - weiter an. 1997 war bei Neuabschlüssen noch ein Rückgang der Nettomieten von durchschnittlich 2 bis 3 vH festzustellen. Besonders stark fielen die Mieten im mittleren Preissegment sowie bei Neubauwohnungen im Erstbezug. Entspannt hat sich die Mietsituation vor allem auch in den östlichen Bundesländern. Die Talfahrt bei den Neuvertragsmieten dürfte im laufenden Jahr noch überwiegend anhalten. Durch die starke Angebotsausweitung konnten noch nicht alle neu gebauten oder renovierten Wohnungen der letzten Jahre am Markt untergebracht werden. [Fn. 13: Immobilienmarkt-Info Februar/März 1998, in: Informationsdienst der DePfa-Bank, 60. Jahrgang. Trotz gesunkener Nettomieten ist die vom Statistischen Bundesamt ausgewiesene Gesamtmietbelastung im vergangenen Jahr um 2,7 vH gestiegen. Verantwortlich hierfür war die Entwicklung der Wohnnebenkosten.]

Abb. 9: Wohnungsfertigstellungen im Geschoßwohnungsbau

Der Geschoßwohnungsbau wird auf mittlere Sicht ein wenig attraktives Marktsegment bleiben. Den Rückgang in Westdeutschland im abgelaufenen Jahr haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute mit dem gestiegenen Angebot an Mietwohnungen sowie mit den Einschränkungen der steuerlichen Förderung des Mietwohnungsbaus begründet. Die Verringerung im Geschoßwohnungsbau Ostdeutschlands wird auf die erhebliche Kürzung der Sonderabschreibungen, die hohen Leerstandsraten und die deutlich gefallenen Neuvertragsmieten zurückgeführt. Die Schrumpfung in diesem Bausektor folgte in beiden Landesteilen auf zeitlich lang ausgedehnte Boomphasen und hat entsprechende Anpassungslasten für die Bauwirtschaft zur Konsequenz.

[Seite der Druckausgabe: 21]

Der Wohnungsbau zur eigenen Nutzung gilt derzeit als der große Hoffnungsträger der Bauwirtschaft. Wegen der Altersstruktur der Bevölkerung wird es künftig vermehrt zu Vermögensübertragungen durch Erbschaften kommen. Diese Übertragungen werden viele Haushalte wirtschaftlich in die Lage versetzen, Wohneigentum erwerben zu können. Auch das schwindende Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung fördert diese Entwicklung. Doch wird der Ein- und Zweifamilienhausbau, der von der Neuregelung der steuerlichen Wohneigentumsförderung, aber auch von der Beruhigung bei den Grundstückspreisen und bei den Baukosten sowie von den niedrigen Hypothekenzinsen profitiert, die Rückgänge im Geschoßwohnungsbau nach den vorliegenden Prognosen im Jahr 1998 noch nicht vollständig kompensieren können. Für Westdeutschland erwarten die Forschungsinstitute eine allmähliche Belebung der Wohnungsbauinvestitionen aber schon im Laufe dieses Jahres.

Abb. 10: Erteilte Baugenehmigungen im Hochbau, Wohnungen in Wohn- und Nichtwohngebäuden (in vH gegen Vorjahresmonat)

1996

Dtld.

West

Ost

1997

Dtld.

West

Ost

Jan.

-13,1

-22,3

20,4

Jan.

-9,5

-14,9

3,1

Febr.

-14,2

-17,1

-4,4

Febr.

2,1

-11,8

42,3

März

-11,2

-18,8

16,0

März

-15,4

-16,0

-13,8

April

-6,6

-8,2

-2,9

April

-9,6

-6,5

-16,5

Mai

-11,1

-19,9

13,0

Mai

-1,3

3,3

-10,2

Juni

-0,9

-2,9

4,4

Juni

-13,0

-11,8

-15,9

Juli

-6,9

-11,5

7,1

Juli

-9,2

-6,5

-15,9

Aug.

-10,0

-14,9

1,5

Aug.

-12,9

-5,2

-28,0

Sept.

-7,0

-11,5

4,1

Sept.

-0,7

7,2

-17,2

Okt.

-5,1

-8,6

3,9

Okt.

-2,1

4,1

-16,4

Nov.

-10,2

-16,7

4,2

Nov.

-9,1

-0,3

-24,9

Dez.

-19,4

-26,3

-9,9





Quelle: StBA

[Seite der Druckausgabe: 22]

Mit der jüngsten Genehmigungsentwicklung im Wohnungsbau deutet sich eine mögliche Tendenzwende für die Investitionen in Westdeutschland und ein kräftiger Rückgang für Ostdeutschland an. Nachdem die Zahl der genehmigten Wohnungen in Deutschland in den Jahren 1995 und 1996 kräftig zurückgegangen war (um 10 bzw. 9 vH), nahm dieser Wert von Januar bis November 1997 noch einmal um knapp 8 vH ab. Doch verlief die Entwicklung zuletzt mit deutlichen regionalen Unterschieden: Für Westdeutschland gilt eine Abnahme der Genehmigungszahl in diesem Zeitraum um weniger als 6 vH. Es scheint, als wäre im September die Wende hin zu wieder positiven Veränderungsraten geschafft worden. Dies ist in erster Linie den ansehnlichen Zuwächsen beim selbstgenutzten Wohnungsbau zu verdanken. Doch zeigt selbst der westdeutsche Geschoßwohnungsbau im Verlauf Erholungstendenzen. In Ostdeutschland riß die stürmische Genehmigungsentwicklung dagegen im März als Folge der Kürzung der Sonderabschreibungen abrupt ab. Gegenüber dem Vorjahr ergibt sich bis November ein Rückgang der Genehmigungen um 12 vH. Eine Tendenzwende ist hier nicht in Sicht.

Page Top

3. Lage in Westdeutschland: erste Erholungszeichen

In Westdeutschland gingen die Bauinvestitionen 1996 um fast 4 vH zurück. Alle drei Sparten waren von Rückgängen betroffen. Im Wohnungsbau fiel die Abnahme mit etwa 2 vH noch am geringsten aus. Die Neuregelung der Wohneigentumsförderung hat offenbar schon 1996 nachfragestützend gewirkt. Eingebrochen waren erneut die öffentlichen und die gewerblichen Bauinvestitionen mit Rückgängen von knapp 8 und über 5 vH - und das nach dem die Investitionen in diesen Bereichen bereits vorher jahrelang abgenommen hatten. Im Jahr 1997 konnte zwar in keiner Bausparte die Wende hin zu wieder positiven Wachstumsraten erreicht werden. Doch sind die Rückgänge im Wohnungsbau und im Wirtschaftsbau mit jeweils unter 1 vH immerhin wesentlich geringer ausgefallen als 1996. Die Bauwirtschaft mußte es in Kauf nehmen, daß die öffentlichen Bauinvestitionen offenbar gezielt als Manövriermasse für das Erreichen des Defizit-Kriteriums im Maastrichter Vertrag mißbraucht wurden. Angesichts des Investitionsstaus in diesem Bereich kann von nachhaltigen Ausgabensenkungen freilich nicht die Rede sein.

Für 1998 sagen die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute und im besonderen das ifo-lnstitut schon wieder einen leichten Zuwachs der westdeutschen Bauinvestitionen von real 1 vH voraus. Die Auftragseingänge verringerten sich 1997 jedoch real um 4vH. Damit fiel die Abnahme zwar nur etwa halb so hoch aus wie im Jahr zuvor, doch haben die Rückgänge bis zum Jahresende angehalten. Nach dem ifo-Investitionstest für Januar 1998 beurteilten die westdeutschen Baufir-

[Seite der Druckausgabe: 23]

men die Geschäftslage ebenso ungünstig wie im Dezember. Die Geschäftsaussichten wurden sogar noch pessimistischer als Ende 1997 eingeschätzt. Die Hochbaugenehmigungen haben sich 1997 dagegen bei einer im einzelnen differenzierten Entwicklung mit zuletzt erfreulichen Zuwächsen bei Eigenheimen und Wirtschaftsbauten insgesamt beinahe behauptet.

Das ifo-lnstitut erwartet, daß die seit drei Jahren anhaltende konjunkturelle Talfahrt in der westdeutschen Bauwirtschaft 1998 zum Stillstand kommen und in einen moderaten Anstieg übergehen wird. In dem Herbstgutachten der Institute wird für den Wirtschaftsbau und den öffentlichen Bau wieder mit Zuwächsen gerechnet und für den Wohnungsbau mit einer Stagnation. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie beurteilt die weitere Entwicklung des Wohnungsbaus und des öffentlichen Baus dagegen deutlich pessimistischer und rechnet mit einem Rückgang der westdeutschen Bauinvestitionen um 1,5 vH.

Abb. 11: Insolvenzen im westdeutschen Bauhauptgewerbe


Quelle: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie

[Seite der Druckausgabe: 24]

Die schwache Nachfrage in den Jahren 1996 und 1997 hat sich auf die Baupreise, die Beschäftigung und die Unternehmensgewinne negativ ausgewirkt. Die Beschäftigung im westdeutschen Bauhauptgewerbe hat in den beiden Jahren um 8 und 9 vH abgenommen. Die Zahl der Insolvenzen nahm 1996 stark zu (um 21 vH auf fast 2.600 Fälle). Der Anteil der Konkurse in der Bauwirtschaft an allen Konkursen (11 vH) sowie an der Gesamtzahl der Betriebe im Bauhauptgewerbe (über 4 vH) waren ebenfalls sprunghaft angestiegen. Die Zahl der Baubetriebe in Westdeutschland hat aber dennoch nicht abgenommen, weil es in gleichem Umfang zu Neugründungen kam. [Fn. 14: Wirtschaftsdaten für Bauleute 1997 der IGBau.] Im vergangenen Jahr stieg die Anzahl der Insolvenzen von dem erreichten hohen Niveau aus noch weiter und zwar um mehr als 3 vH. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie erwartet für 1998 eine Stabilisierung auf dem hohen Niveau von etwa 3.000 Fällen.

Wegen der andauernden Bauflaute hat die Investitionsbereitschaft der Unternehmen der westdeutschen Bauwirtschaft erneut nachgelassen. Die im Frühjahr 1997 für das laufende Jahr angesetzten Investitionsbudgets, die gegenüber dem Vorjahr ohnehin schon Kürzungen vorsahen, wurden nach einer Befragung des ifo-lnstituts nochmals zurückgenommen. Nach dem ifo-Investitionstest vom Herbst 1997 haben die Unternehmen des westdeutschen Baugewerbes an den hiesigen Standorten 1997 rund 3,8 Mrd. DM für Betriebsbauten und Ausrüstungen ausgegeben. Dies würde einer Abnahme gegenüber dem Vorjahr um real 17 vH entsprechen. [Fn. 15: ifo-Schnelldienst 33/1997]

Bei der Einschätzung ihrer für 1998 geplanten Investitionsaktivitäten waren die Unternehmen äußerst vorsichtig. Zum Planungszeitpunkt war die Mehrzahl von ihnen mit deutlich unterausgelasteten Kapazitäten und einer sehr unbefriedigenden Auftragslage konfrontiert und bewegte sich somit auf einer relativ unsicheren Planungsgrundlage. Das drückte sich in einem außergewöhnlich hohen Anteil von Unternehmen aus, die 1998 ihre Investitionsausgaben auf dem letztjährigen Stand einfrieren wollen, nämlich 75 vH, und in einem vergleichsweise niedrigen negativen Planungssaldo: 5 vH der Unternehmen beabsichtigen eine Budgeterhöhung und 20 vH planen eine Einschränkung der Investitionsaktivitäten. Allerdings dokumentiert dieses Planungsverhalten, wie Erfahrungen aus früheren Jahren mit ähnlicher Konstellation zeigen, eine tendenziell eher zunehmende Investitionsbereitschaft. Das ifo-lnstitut kommt zu dem Ergebnis, daß die Unternehmen der westdeutschen Bauwirtschaft in diesem Jahr real um knapp 8 vH mehr in ihren hiesigen Standorten investieren dürften als 1997. [Fn. 16: ifo-Schnelldienst 33/1997]

[Seite der Druckausgabe: 25]

Page Top

a) Gewerblicher Bau

Gedämpft blieb in den alten Bundesländern die Bereitschaft zu bauintensiven Erweiterungsinvestitionen auch angesichts einer aufgehellten Konjunkturlage nach der Einschätzung des ifo-lnstituts vor allem deshalb, weil der Boom im Wirtschaftsbau, der Mitte der achtziger Jahre eingesetzt hatte, zu einer beträchtlichen Ausweitung und Modernisierung des Bestandes an gewerblichen Gebäuden geführt hatte. Ausgelöst worden sei dieser Boom zunächst von den Vorbereitungen der westdeutschen Unternehmen auf den europäischen Binnenmarkt. Der Nachfrageschub aus den neuen Bundesländern habe weitere Investitionsanreize gegeben. Von der bevorstehenden Einführung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion und der Osterweiterung der EU gingen dagegen bisher noch keine vergleichbaren Impulse auf die Investitionstätigkeit aus. [Fn. 17: ifo-Wirtschaftskonjunktur 8/1997.]

Trotz gestiegener Kapazitätsauslastung im Jahresverlauf 1997 und deutlich höherer Auftragsbestände waren die Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes bei der Auftragsvergabe an die Bauwirtschaft erneut zurückhaltend. Rationalisierung und Modernisierung waren die beherrschenden Motive ihrer Investitionsaktivitäten. Die vergleichsweise geringe Zunahme des Anteils der Erweiterungsinvestitionen an den gesamten Investitionen hat in Verbindung mit deren rückläufiger Bauintensität 1997 die Neubautätigkeit noch gedämpft. Es kommt hinzu, daß die Unternehmen verstärkt die Nutzungsmöglichkeiten des vorhandenen Gebäudebestands durch Aus- und Umbaumaßnahmen erweitert haben. Darüber hinaus dämpft das immer noch nicht abgebaute Überangebot an Gewerbeflächen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Insgesamt gesehen haben die hemmenden Faktoren im Jahresverlauf 1997 nach der Lagebeurteilung des ifo-lnstituts noch einen größeren Einfluß auf die Entwicklung im Wirtschaftsbau ausgeübt als die Impulse, die von der gesamtwirtschaftlichen Erholung mit verbesserten Absatzperspektiven und Gewinnaussichten ausgegangen sind. Im Wirtschaftsbau kam es daher nochmals zu einem Rückgang der Investitionen von 1 vH. [Fn. 18: ifo-Schnelldienst 33/1997.]

Das ifo-lnstitut rechnet damit, daß die gewerblichen Bauinvestition ihren Tiefpunkt nunmehr erreicht haben und 1998 wieder moderat zulegen werden. Die sich weiter verbessernden gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen hätten die Investitionsbereitschaft des verarbeitenden Gewerbes für 1998 gesteigert, und die voraussichtlich weiter zunehmende Kapazitätsauslastung würde Erweiterungsinvestitionen stimulieren. Beim Überangebot an Gewerbeflächen ist im Zuge des

[Seite der Druckausgabe: 26]

verstärkten konjunkturellen Aufschwungs ein allmählicher Abbau zu erwarten. Dies könnte die Investoren zu Neubauinvestitionen anregen. Schließlich erhält der Wirtschaftsbau auch Impulse vom Investitionsprogramm der Deutschen Bahn AG sowie vom zunehmenden Einsatz von privatem Kapital bei Bau und Betrieb von früher öffentlich finanzierten Infrastruktureinrichtungen. Nach der Prognose des ifo-lnstituts dürften die gewerblichen Bauinvestitionen im Jahresdurchschnitt 1998 real um knapp 1 vH gegenüber dem Vorjahrzunehmen. [Fn. 19: Zu den Bestimmungsgründen ifo-Schnelldienst 33/1997. ]

Page Top

b) öffentlicher Bau

Der seit 1993 andauernde kräftige Rückgang der staatlichen Bautätigkeit in Westdeutschland hat sich im letzten Jahr noch beschleunigt. Mit über 9 vH verzeichneten die realen Bauinvestitionen der öffentlichen Hand den größten Einbruch von allen Bausparten. Der Konsolidierungskurs der öffentlichen Haushalte wurde auf allen Ebenen uneingeschränkt weiterverfolgt, weil 1997 das entscheidende Jahr für die Erfüllung der Maastricht-Kriterien war. Zusätzlich wurde der Spielraum für öffentliche Baumaßnahmen sowohl durch die Ausfälle an Steuern und Sozialabgaben aufgrund der ungünstigen Beschäftigungs- und Einkommensentwicklung als auch durch die steigenden Ausgaben für die zunehmende Arbeitslosigkeit eingeengt.

Beim öffentlichen Bau haben sich die Perspektiven etwas aufgehellt. Zwar wird die strikte Konsolidierungspolitik der Haushalte der Gebietskörperschaften auch im laufenden Jahr fortgesetzt. Dennoch sieht der Bund in seiner mittelfristigen Finanzplanung eine Zunahme der Bauinvestitionen vor. Auch im Zusammenhang mit dem Regierungsumzug nach Berlin sind erhöhte Finanzmittel für Bauaktivitäten vorgesehen. Die Länder und Gemeinden werden angesichts des mittlerweile angestauten Nachholbedarfs ihre Bautätigkeit voraussichtlich nicht weiter drosseln können. Alles in allem, so das ifo-lnstitut, könnten die öffentlichen Bauinvestitionen im Jahresdurchschnitt 1998 real sogar wieder leicht zulegen. [Fn. 20: ifo-Schnelldienst 33/1997.]

Von dem Investitionsprogramm der Regierung dürften 1998 Impulse ausgehen, da zahlreiche Gemeinden ihre für später geplanten Bauvorhaben vorziehen werden, um die Zinsvergünstigungen des Programms in Anspruch zu nehmen. Das ifo-lnstitut hat jedoch davor gewarnt, die stimulierenden Wirkungen des Programms zu überschätzen. Für Infrastrukturmaßnahmen stünden lediglich 4 Mrd. DM zur Verfügung. Ein

[Seite der Druckausgabe: 27]

großer Teil der beabsichtigten Wirkung könne in Mitnahmeeffekten verpuffen [Fn. 21: ifo-Wirtschaftskonjunktur 8/1997.]

Page Top

c) Wohnungsbau

Der seit 1988 andauernde Wohnungsbauboom in Westdeutschland erreichte in den Jahren 1994 und 1995 seinen Höhepunkt. Verursacht wurde die jahrelange Aufwärtsentwicklung von der erhöhten Nachfrage aufgrund von gestiegenen Einkommen und Zuwanderungen [Fn. 22: Seit 1985 waren Netto-Zuzüge aus dem Ausland nach Deutschland zu verzeichnen. Sie erreichten rasch hohe Zuwachsraten. In den Jahren 1989 bis 1992 sind im Mittel 650.000 Personen pro Jahr netto zugewandert.] sowie von günstigen Rendite- und Wertsteigerungserwartungen. Diesen Boom hat die Wohnungspolitik mit verschiedenen Maßnahmen noch zusätzlich stimuliert.

Seit 1995 entwickelte sich die Wohnungsbaunachfrage sehr schwach. Im Jahr 1997 lag die Summe der Auftragseingänge real um weniger als 9 vH unter dem Vorjahresniveau. Mit 392.700 Wohneinheiten wurden im abgelaufenen Jahr knapp 6 vH weniger Wohnungen fertiggestellt als 1996. Angesichts der günstigen Bedingungen auf der Kostenseite (niedrigstes Hypothekenzinsniveau seit 1978, nahezu stabile Baupreise, Grundstückspreise unter Druck) erklärt das DIW die Schwäche im Wohnungsbau der alten Länder vorwiegend mit der schrumpfenden Kaufkraft breiter Schichten. Teure Neubauwohnungen würden kaum noch Abnehmer finden, und bei der Wiedervermietung fielen die Mietanhebungen geringer aus. Auch das ifo-lnstitut beurteilt die Einkommensperspektiven unverändert als ungünstig. Das Institut verweist darauf, daß sich mit den zunehmenden Umstrukturierungen in den Betrieben das Arbeitsplatzrisiko auch für besser bezahlte Angestellte erhöht habe. [Fn. 23: ifo-Wirtschaftskonjunktur 8/1997.]

Anregungen wird die westdeutsche Wohnungsnachfrage dagegen auch mittelfristig von der demographischen Entwicklung erhalten. Die Zuwanderung hat zwar deutlich abgenommen, doch steigt die Zahl der Einwohner und vor allem die der Haushalte weiter an. In Westdeutschland ist der Prozeß der 'Versingleung' der Gesellschaft bereits weit fortgeschritten. Die durchschnittliche Haushaltsgröße betrug 1995 2,2 Personen. Der Anteil der 1- und 2-Personenhausnalte weist in den letzten Jahren eine steigende Tendenz auf. Nach der Haushaltsvorausschätzung des Statistischen Bundesamtes wird der Trend zu kleineren Haushalten auch in der Zukunft anhalten. Für das Jahr 2015 wird ein

[Seite der Druckausgabe: 28]

Anteil dieser Haushaltstypen von über 70 vH vorausgesagt. Als Folge der abnehmenden durchschnittlichen Haushaltsgrößen wird die Relation von Wohnungen zu Einwohnerzahl weiter steigen. Für die Bauunternehmen eröffnen sich Chancen, durch eine Ausrichtung des Angebots auf die Bedürfnisse von Single- und Kleinhaushalten an dieser Entwicklung teilzuhaben.

Impulse auf den Wohnungsbau gehen außerdem von den durch die zunehmenden Erbfälle und vorgezogenen Schenkungen ausgelösten Vermögensübertragungen aus. Hierdurch werden viele Haushalte überhaupt erst in die Lage versetzt, Wohneigentum zu erwerben zu können. [Fn. 24: ifo-Wirtschaftskonjunktur 8/1997.]

Getrübte Aussichten für den Geschoßwohnungsbau

Im Geschoßwohnungsbau hielt die Abwärtstendenz 1997 ungebremst an. Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen war in diesem Segment mit 184.400 um knapp 14 vH rückläufig. Auch die Genehmigungsanträge gingen erneut kräftig zurück. Das ifo-lnstitut geht davon aus, daß im Geschoßwohnungsbau der alten Länder der untere Wendepunkt noch nicht erreicht ist. Abgesehen von der Verschlechterung der steuerrechtlichen Rahmenbedingungen würden die Renditeaussichten in diesem Bausektor auch durch die veränderten Marktverhältnisse getrübt. Die hohen Fertigstellungszahlen der letzten Jahre und die abgeschwächte Zuwanderung hätten in jüngster Zeit zu Schwierigkeiten bei Verkauf und Vermietung geführt. Viele Mieter würden angesichts real sinkender Einkommen und des gestiegenen Arbeitsplatzrisikos ihre Umzugswünsche, die auf eine Verbesserung ihrer Wohnverhältnisse gerichtet seien, zurückstellen und in ihrer alten Wohnung bleiben. [Fn. 25: ifo-Wirtschaftskonjunktur 8/1997.]

Der Aufschwung im Eigenheimbau ...

Positive Impulse sind kurz- und mittelfristig nur vom Eigenheimbau zu erwarten. Nach einer deutlichen Abschwächung in den Jahren 1994 und 1995 steigt die Nachfrage nach Eigenheimen seit Herbst 1995 wieder. Die Anzahl der fertiggestellten Einfamilienhäuser erhöhte sich im vergangenen Jahr um fast 12 vH auf 103.000. Die Zahl der Genehmigungen hat abermals deutlich zugenommen. In Westdeutschland liegen die Genehmigungszahlen inzwischen deutlich über dem Durchschnitt der letzten zehn Jahre von 103.000 Wohnungen pro Jahr. Vom hohen Niveau Ende der siebziger Jahre, als jährlich zwischen 160.000 und

[Seite der Druckausgabe: 29]

180.000 Einfamilienhäuser genehmigt worden sind, ist man allerdings noch ein Stück entfernt. [Fn. 26: Presseinformation des Verbandes des privaten Bausparkassen vom 2.2.1998.]

Stimuliert wird der Eigenheimbau sicherlich von der Eigenheimzulage. Vor allem in ländlichen Regionen, wo die Bau- und Grundstückspreise relativ niedrig sind, werden Bauwillige mit mittleren Einkommen, die die Zielgruppe der Neuregelung der Wohneigentumsförderung sind, beim Bau oder Erwerb eines Eigenheims besser gestellt. Die Vorteile dieser Fördermaßnahme sind allerdings durch die kräftige Erhöhung der Grunderwerbssteuer geschmälert worden. [Fn. 27: ifo-Wirtschaftskonjunktur 8/1997.]

Insgesamt konnte jedoch der Aufschwung im Eigenheimbau den Einbruch im Geschoßwohnungsbau bisher noch nicht ausgleichen. Für das Jahr 1997 ergibt sich deshalb mit 373.600 genehmigten Neubauwohnungen noch immer ein Rückgang von etwa 4 vH. Nach der Prognose des Verbandes der privaten Bausparkassen dürfte die Nachfrage nach Eigenheimen 1998 weiter steigen. Es wird erwartet, daß die Zahl der Fertigstellungen wiederum deutlich (um etwa 10 vH) zunimmt. [Fn. 28: Presseinformation des Verbandes des privaten Bausparkassen vom 2.2.1998.]

... und die Ausweitung der Maßnahmen im Bestand ...

Die Reparatur- und Modernisierungsmaßnahmen am Gebäudebestand expandieren weiterhin. Sanierungen, die in den Jahren des Neubaubooms zurückgestellt worden sind, werden nunmehr nachgeholt, weil im Baugewerbe inzwischen wieder ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen. Unterstützt werden die Bestandsmaßnahmen von dem Anfang 1996 aufgelegten Programm zur Energieeinsparung im Wohnungsbestand (CO2-Minderungsprogramm). [Fn. 29: ifo-Wirtschaftskonjunktur 8/1997.] Das Programm wurde im März 1997 um 2 Mrd. DM aufgestockt. Neuerdings können mit dem Programm auch Maßnahmen an neueren Gebäuden sowie der Neubau von Niedrigenergiehäusern gefördert werden.

... vollbringen 1998 die Trendwende

Der Rückgang der westdeutschen Wohnungsbauinvestitionen wird sich in diesem Jahr aller Voraussicht nach nicht fortsetzen. Der Eigenheimbau profitiert 1998 weiter von den schon bisher wirksamen begünstigenden Faktoren wie dem niedrigem Zinsniveau, dem ruhigem Preisklima, der Eigenheimzulage und der Wohneigentumsförderung für junge Familien. Die seit längerem aufwärtsgerichtete Entwicklung bei Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen am Gebäudebestand dürfte weiter anhalten. Insgesamt gesehen erwartet das ifo-lnstitut, daß es im

[Seite der Druckausgabe: 30]

Wohnungsbau der alten Länder im Laufe des Jahres 1998 zu einer allmählichen Belebung kommt. Im Jahresdurchschnitt wird allerdings noch nicht damit gerechnet, daß die realen Wohnungsbauinvestitionen das Ergebnis von 1997 übertreffen. [Fn. 30: ifo-Schnelldienst 33/1997.]

Page Top

4. Lage in Ostdeutschland: Ende der Krise nicht in Sicht

Nach einer boomenden Bautätigkeit in den neuen Ländern und Ostberlin in den Jahren 1991 bis 1994 mit zweistelligen jährlichen Zuwachsraten hat sich der Anstieg bereits 1995 deutlich verlangsamt. Das Jahr 1996 markierte einen Wendepunkt für die Bauwirtschaft in den neuen Bundesländern. Die Zeiten dynamischen Wachstums gingen mit der Rückführung der Sonderabschreibungsmöglichkeiten für den Wohnungsneubau im Rahmen des Fördergebietsgesetzes zu Ende. Außerdem nahmen die gewerblichen Bauinvestitionen so kräftig ab, daß sich bereits ein Rückgang der gesamten Bauinvestitionen ergab (um fast
2 vH).

Es handelt sich bislang jedoch noch um eine Konsolidierung auf hohem Niveau, denn die Bautätigkeit liegt bezogen auf die Bevölkerungszahl noch weit über der im Westen. Die wirtschaftliche Bedeutung der Bauwirtschaft für die ostdeutsche Wirtschaft kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Im Vergleich zu Westdeutschland liegen die Bauinvestitionen pro Einwohner etwa um das 1½-fache höher. Die Relation zwischen Bauinvestitionen und ostdeutschem BIP machte 1997 noch 31 vH aus (westdeutscher Vergleichswert: 10 vH). Der Anteil des Bauhauptgewerbes an der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigung war im Jahr 1997 in Ostdeutschland noch mehr als doppelt so hoch wie in den alten Bundesländern (über 6 gegenüber 3 vH). Auch der Anteil der Investitionen an den Gesamtausgaben der ostdeutschen Gebietskörperschaften erreichte einen etwa doppelt so hohen Wert wie in Westdeutschland.

Die nunmehr relativ höhere Abschreibungsfähigkeit von Modernisierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen wird zu einer Schwerpunktverlagerung innerhalb der Bautätigkeit führen. Insgesamt werden jedoch die negativen Effekte überwiegen. Der Rückgang der ostdeutschen Bauinvestitionen dürfte sich in diesem Jahr beschleunigt fortsetzen. Sowohl im Wohnungsbau als auch im gewerblichen Bau deuten die Indikatoren auch weiterhin auf starke Rückgänge.

[Seite der Druckausgabe: 31]

Auch die Entwicklung der Bauaufträge weist auf einen beschleunigten Abschwung der ostdeutschen Baukonjunktur hin. Im Jahr 1997 sind die Auftragseingänge der Bauunternehmen in den neuen Ländern gegenüber dem Vorjahr um 14 vH gesunken. Die Auftragsbestände hatten im Januar 1998 nur noch eine Reichweite von 1,5 Monaten (Westen: 2,4 Monate). Im Juni 1997 hatte sie noch bei zwei Monaten und im Durchschnitt der Jahre 1992 bis 1994 bei 2,6 Monaten gelegen.

Immer neue Insolvenzrekorde

Die ostdeutsche Bauwirtschaft hat im Durchschnitt schon 1995 Verluste gemacht. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank hat die durchschnittliche Umsatzrendite vor Steuern 1995 -0,7 vH betragen. Trotz der schlechten Ertragslage haben aber 75 vH der ostdeutschen Bauunternehmen 1995 noch keine roten Zahlen geschrieben. Angesichts der ostdeutschen Baukonjunktur dürfte insbesondere bei dem Viertel der Bauunternehmen mit negativer Umsatzrendite nur in wenigen Fällen eine Wende zum Besseren eingetreten sein.

Abb. 12: Insolvenzen im ostdeutschen Bauhauptgewerbe

Quelle: Hauptverband der Deutschen Bauindustrie

[Seite der Druckausgabe: 32]

Die ostdeutschen Baumärkte sind einem erheblichen Wettbewerbs- und Preisdruck ausgesetzt, der inzwischen sowohl für die Unternehmen wie auch für die Arbeitnehmer existenzbedrohende Züge angenommen hat. Die Zahl der Insolvenzen im ostdeutschen Baugewerbe stieg 1996 um
32 vH auf nunmehr 1.651 Fälle. Im abgelaufenen Jahr hat sich die Zahl um weitere 14 vH erhöht. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie erwartet für 1998 einen neuen Insolvenzrekord (Zunahme um 28 vH auf 2.400 Fälle). Der Anteil der Konkurse in der Bauwirtschaft an allen Konkursen in Ostdeutschland sowie an der Gesamtzahl der Betriebe im ostdeutschen Bauhauptgewerbe hat sprunghaft zugenommen. Die Werte liegen jeweils etwa doppelt so hoch wie in Westdeutschland. Gerade die jungen und die kleinen Unternehmen sind überdurchschnittlich häufig von Konkursen betroffen.

Das ifo-lnstitut nennt vor allem die schlechte Zahlungsmoral und uneinbringliche Forderungen (z.B. als Folge von Konkursen von Firmen, für die Leistungen erbracht wurden) als Gründe dafür, daß ostdeutsche Bauunternehmen immer häufiger in die Gesamtvollstreckung geraten. Anders als im ostdeutschen verarbeitenden Gewerbe, wo regelmäßig ein Teil der betroffenen Arbeitskräfte von neu gegründeten Gesellschaften 'aufgefangen' werde, würden im Baugewerbe in der Regel alle Arbeitnehmer entlassen. Auch die nicht von so massiven Liquiditätsproblemen betroffenen Firmen hätten seit Sommer 1996 infolge der unbefriedigenden Auftragslage oft in großem Umfang Arbeitskräfte freisetzen müssen. [Fn. 31: ifo-Investitionstest Baugewerbe Ost, in: ifo-Schnelldienst 27/1997.]

Diese Zahlen deuten auch auf schwerwiegende strukturelle Probleme der Branche und eine entsprechende Anfälligkeit der Betriebe hin. Die Nachfragerückgänge waren zwar vorhersehbar, doch haben sie offenbar viele Betriebe mit wenig Barmitteln und Eigenkapital unvorbereitet getroffen. Es scheint sich nunmehr ein ständiger Ausleseprozeß abzuspielen, der allerdings den Schönheitsfehler aufweist, daß die neu gegründeten Unternehmen, die an Stelle der in Konkurs gegangenen treten, sich als kaum weniger anfällig erweisen. Die hohe Zahl der Neugründungen in einem solch labilen Umfeld kann deshalb nicht als sicheres Indiz für eine Trendwende in der ostdeutschen Bauwirtschaft gewertet werden.

Überkapazitäten und Investitionszurückhaltung

Durch die Investitionen in der Boomphase waren in der ostdeutschen Bauwirtschaft Kapazitäten geschaffen worden, die inzwischen oft nicht mehr ausgelastet werden können. Inzwischen erreicht die Geräteauslastung im Baugewerbe der neuen Länder selbst in den Sommermonaten

[Seite der Druckausgabe: 33]

nicht mehr ganz 75 vH. Sie lag im August 1997 um 1,5 Prozentpunkte niedriger als im Sommer 1996. [Fn. 32: ifo-Investitionstest Baugewerbe Ost, in: ifo-Schnelldienst 27/1997.]

Nach der ifo-Investitionserhebung entspricht das für 1997 geschätzte Niveau der Investitionstätigkeit nur noch etwas mehr als zwei Fünfteln des Maximums aus dem Jahr 1993. Im Jahr 1997 wurden nach den Angaben der Umfrageteilnehmer im Bauhauptgewerbe (Hoch-, Tief-, Spezialbau) die Investitionen nochmals um fast 20 vH, im Baunebengewerbe (Ausbau bzw. Bauinstallation) um etwa 5 vH eingeschränkt. [Fn. 33: ifo-Investitionstest Baugewerbe Ost, in: ifo-Schnelldienst 27/1997.] Im Baunebengewerbe ist die Lage etwas günstiger, weil die Fördergelder für Sanierungen nur geringfügig gekürzt wurden.

Page Top

a) Gewerblicher Bau

Die Entwicklung im Wirtschaftsbau Ostdeutschlands war in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung steil nach oben gerichtet. Bis zum Jahr 1994 konnten zweistellige Zuwachsraten erzielt werden. Großzügige staatliche Investitionshilfen haben dazu beigetragen, daß erhebliche Teile des anfänglich hohen Neubau- und Sanierungsbedarfs inzwischen gedeckt werden konnten. Die Dynamik im Wirtschaftsbau ließ bereits 1995 merklich nach. 1996 war für den Wirtschaftsbau das Jahr der konjunkturellen Wende. Die gewerblichen Bauinvestitionen schrumpften um 10 vH. 1997 sind sie um weitere 5 vH zurückgegangen.

Deutlich abwärts gerichtet ist die Entwicklung der Aufträge im ostdeutschen gewerblichen Bau. Im Jahr 1997 gab es real 16 vH weniger Auftragseingänge (nach einem Rückgang um 14,5 vH im Vorjahr). Die Neubaugenehmigungen im Wirtschaftsbau haben im selben Jahr um
20 vH abgenommen.

Die führenden Forschungsinstitute haben in ihrem Herbstgutachten einen anhaltenden Schrumpfungsprozeß für den gewerblichen Bau der neuen Länder prognostiziert. Die Errichtung von Wirtschaftsgebäuden werde angesichts des Überangebots an Gewerbe- und Büroflächen weiter an Bedeutung verlieren. Zudem würde der bestehende Produktivitätsrückstand und die sich daraus ergebende unzureichende Ertragslage viele ostdeutsche Unternehmen veranlassen, weniger bauintensiven Rationalisierungsmaßnahmen den Vorrang vor Erweiterungsinvestitionen zu gewähren.

[Seite der Druckausgabe: 34]

Page Top

b) öffentlicher Bau

Im ostdeutschen öffentlichen Bau begann der Abschwung bereits 1995 (Rückgang der Investitionen um 9 vH), als die Entwicklung in den übrigen Bausparten noch nach oben gerichtet war. Nachdem sich der Rückgang im Jahr 1996 vorübergehend verlangsamt hatte, sind die öffentlichen Bauinvestitionen im Maastricht-Jahr 1997 erneut um 9 vH geschrumpft.

Obwohl der Baubedarf in vielen Bereichen (Energieeinsparung, öffentlicher Nahverkehr, kommunale Ver- und Entsorgung, Umweltschutz, Stadtentwicklung) immer noch groß ist, hat sich die Talfahrt im öffentlichen Bau beschleunigt fortgesetzt. Nach Auffassung des ifo-lnstituts ist der finanzielle Spielraum für die kommunalen Bauinvestitionen so eng, weil die ostdeutschen Städte und Gemeinden wegen spärlich fließender Steuereinnahmen und steigender Sozialleistungen nur über geringe Eigenmittel verfügen und das kommunale Haushaltsrecht die Verschuldungsgrenzen sehr eng zieht. Die chronische Finanzknappheit veranlasse die ostdeutschen Gemeinden dazu, verstärkt privates Kapital für die Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen einzusetzen. [Fn. 34: ifo-Wirtschaftskonjunktur 8/1997.] Entsprechende Investitionen werden statistisch bei den gewerblichen Bauten erfaßt.

Auch der Bund und die Länder haben unter dem Zwang der Konsolidierungspolitik ihre Bautätigkeit immer weiter eingeschränkt. Nach wie vor sind jedoch die Bundesmittel von großer Bedeutung für die Unterstützung der öffentlichen Bautätigkeit:

  • Für die Straßenbauprojekte Deutsche Einheit, die 1993 begonnen wurden und bis zum Jahr 2000 abgeschlossen sein sollen, stellt der Bund insgesamt 15 Mrd. Mark zur Verfügung, davon 5 Mrd. Mark für die Jahre 1997 und 1998.

  • Eine weitere wichtige Stütze der ostdeutschen Baukonjunktur bleiben die Finanzhilfen in Höhe von 6,6 Mrd. DM pro Jahr, die der Bund außerhalb des Finanzausgleichs für Investitionen der Länder und Gemeinden im Rahmen des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost leistet.

  • Begrenzte Impulse gehen auch von dem im März 1997 beschlossenen Investitionsprogramm aus.

Im Jahr 1997 hatten die ostdeutschen Bauunternehmen einen Rückgang der öffentlichen Baunachfrage real von knapp 7 vH zu verkraften. Von der Auftragsabnahme besonders betroffen war mit über 8 vH der

[Seite der Druckausgabe: 35]

Tiefbau, aber auch die im Straßenbau und im Hochbau tätigen Unternehmen mußten Auftragseinbrüche hinnehmen (um fast 5 bzw. 7 vH). Nach besonders starken Verringerungen war im Dezember jedoch ein sprunghafter Anstieg der Aufträge zu verzeichnen. Dies könnte darauf hindeuten, daß tatsächlich in größerem Umfang Aufträge im Maastricht-Jahr zurückgehalten worden sind. Die Entwicklung der Hochbaugenehmigungen für öffentliche Gebäude war denn auch sehr günstig. Beim beantragten Volumen war 1997 ein Zuwachs von 13 vH gegenüber dem Vorjahr zu verzeichnen. Die Entwicklung der Aufträge und Investitionen wird daher im laufenden Jahr von Nachholeffekten gestützt werden, so daß bei den öffentlichen Bauinvestitionen nur noch mit geringfügigen Abnahmen zu rechnen ist.

Page Top

c) Wohnungsbau

Der Wohnungsbau hat von den drei Bausparten seit der Wiedervereinigung den stärksten Aufschwung genommen. Während der Wirtschaftsbau und der öffentliche Bau in den letzten beiden Jahren bereits geschrumpft sind, galt für den Wohnungsbau immer noch eine nach oben gerichtete Entwicklung. 1997 waren die realen Wohnungsbauinvestitionen schließlich mehr als dreimal so hoch wie 1991.

Der Wohnungsbau in Ostdeutschland wurde bislang geprägt von den steuerlichen Anreizen des Fördergebietsgesetzes. Die Bauaktivitäten standen bis in das Jahr 1997 hinein unter einem hohen Fertigstellungsdruck (Zunahme der Fertigstellungen um knapp 25 vH auf 177.900 Einheiten). Die Baumaßnahmen mußten im Normalfall bis zum Jahresende 1996 abgeschlossen sein, wenn der Bauherr sich noch die hohen Abschreibungssätze sichern wollte. Nur wenn der Kaufpreis bereits 1996 angezahlt worden war, konnte die Fertigstellung bis Ende 1997 hinausgezögert werden, ohne daß dem Investor die Steuervorteile verloren gingen.

Die - in aller Regel westdeutschen - Investoren haben sich in erster Linie an möglichen Steuervorteilen orientiert und zu wenig auf die langfristige Vermietbarkeit geachtet. Die Steuervorteile haben oft auch die Bedeutung von hohen Grundstückspreisen und Baukosten in den Hintergrund treten lassen. Nicht selten wurde am Bedarf vorbei gebaut. Inzwischen konnte aufgrund der starken Angebotsausweitung nicht nur der Nachfrageüberhang weitgehend abgearbeitet werden, sondern es sind bereits zahlreiche Leerstände zu beobachten. Vermietungsprobleme treten besonders bei Wohnungen im oberen Preissegment auf. Kostenbedingt hohe Mieten können nur schwer am Markt durchgesetzt werden.

[Seite der Druckausgabe: 36]

Günstige Aussichten für Wohneigentum und Altbausanierung ...

Der Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern wird weiterhin begünstigt von den niedrigen Hypothekenzinsen und von dem ruhigen Preisklima. Nach der Einschätzung des ifo-lnstituts versetzen die verbesserten Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine steigende Zahl von Bauwilligen aus dem Kreis der Selbständigen und Fachkräfte in die Lage, sich ihren Wunsch nach Wohneigentum zu erfüllen. Die Bauabteilung des Instituts rechnet damit, daß die stimulierenden Wirkungen der Eigenheimzulage noch stärker ausfallen als im Westen, weil die Schwellenhaushalte in den neuen Ländern stärker vertreten sind und die Eigenheimzulage im Osten durch staatliche Bürgschaften ergänzt wird. Die differenzierte Entwicklung der Hochbaugenehmigungen stützt diese Argumentation.

Für die weitere Entwicklung der Sanierungsmaßnahmen an den Plattenbauten spielt das KfW-Modernisierungsprogramm, das im Frühjahr 1997 um 3 Mrd. Mark aufgestockt wurde, nach wie vor eine große Rolle. Inzwischen wurde die Bemessungsgrenze für die zinsverbilligten Förderkredite von 500 auf 800 Mark pro Quadratmeter angehoben. Seit Februar 1998 können auch Wohnumfeldmaßnahmen für alle Wohngebäude aus dem Programm gefördert werden. Diese Erweiterung hält das ifo-lnstitut für besonders wichtig, denn gerade bei den in Fertigbauweise errichteten Hochhäusern komme es nicht nur auf die Gebäudemodernisierung an, sondern ebenso wichtig sei die Verbesserung des Wohnumfeldes durch die Schaffung von Grünanlagen, Kinderspielplätzen und Pkw-Stellflächen, um dem Entstehen von Problemvierteln vorzubeugen. [Fn. 35: ifo-Wirtschaftskonjunktur 8/1997.]

Anregungen erhält die Altbauerneuerung weiterhin von der Sonderabschreibung auf Modernisierungsmaßnahmen nach dem Fördergebietsgesetz, die im Unterschied zum Neubau 1997 nur von 50 vH auf 40 vH gesenkt wurde. Kapitalanleger werden daher nach Ansicht des ifo-lnstituts in Zukunft die steuerbegünstigte Altbausanierung dem Wohnungsneubau vorziehen. Schließlich profitiert die Sanierung des Wohnungsbestandes von den Finanzhilfen des Bundes für die Städtebauförderung sowie von den Mitteln für den sozialen Wohnungsbau, die in den neuen Bundesländern - anders als in den alten - auch für Bestandsmaßnahmen eingesetzt werden können.

... können Rückgänge beim Wohnungsneubau vorläufig nicht kompensieren

Mit dem Ablauf der Übergangsfristen bei der steuerlichen Förderung des Wohnungsneubaus dürfte sich die Abwärtstendenz im Wohnungs-

[Seite der Druckausgabe: 37]

bau der neuen Länder deutlich verstärken. Die Baunachfrage wird mittelfristig wieder auf ein 'Normalniveau' sinken. Der Rückgang im Geschoßwohnungsneubau wird von der aufwärtsgerichteten Nachfrage nach Eigenheimen und der erwarteten Zunahme bei den Bestandsmaßnahmen nicht kompensiert werden können.

Die Auftragseingänge im ostdeutschen Wohnungsbau lagen 1997 um real fast 20 vH unter dem Vorjahresstand. Dabei war gegen Jahresende ein beschleunigter Rückgang zu beobachten. Die Hochbaugenehmigungen zeigen eine differenzierte, insgesamt jedoch stark rückläufige Entwicklung. Das Volumen der Genehmigungsanträge ist 1997 um 10 vH geschrumpft. Im Geschoßwohnungsbau ging das Volumen um über 20 vH zurück, während bei den Ein- und Zweifamilienhäusern sogar leichte Zuwächse verbucht werden konnten.

Die realen Wohnungsbauinvestitionen dürften im Jahresdurchschnitt 1998 deutlich unter das Vorjahresniveau fallen. Nach der Prognose des Verbandes der privaten Bausparkassen wird die Zahl der Wohnungsfertigstellungen in diesem Jahr um 10 vH sinken. Der Rückgang ergibt sich vor allem aus dem erwarteten Einbruch im Geschoßwohnungsbau. Im Eigenheimbau könnte die Zahl der Fertigstellungen auf bis zu 50.000 Einheiten steigen (1997: 41.900). [Fn. 36: Presseinformation des Verbandes des privaten Bausparkassen vom 2.2.1998.]

Längerfristige Perspektiven

Die Deutsche Siedlungs- und Landesrentenbank (DSL-Bank) hat durch das Pestel Institut den Wohnungsmarkt in West- und Ostdeutschland bis zum Jahr 2005 untersuchen lassen. Für die neuen Bundesländer hat die Untersuchung zu folgenden Ergebnissen geführt:

  • Bis zum Jahr 2005 wird die Zahl der Erwachsenen aufgrund der bestehenden Altersstruktur und der erwarteten Wanderungsbewegungen um rund 450.000 Personen ansteigen. Die Zahl der privaten Haushalte wird wegen der zusätzlichen 'Versingleung' um über 490.000 zunehmen. Wenn man den notwendigen Abbau der Untermieterzahlen und die Bildung einer ausreichenden Mobilitätsreserve berücksichtigt, entsteht bis zum Jahr 2005 ein Wohnungsbedarf von rund 683.000 Einheiten.

  • Das Pestel-lnstitut rechnet im Jahresdurchschnitt mit knapp 140.000 Fertigstellungen. Dadurch bildet sich bis zum Jahr 2005 ein Überhang von etwa 800.000 Wohneinheiten.

  • Den gegenüber dem demographisch ausgelösten Bedarf hohen Zubau hält das Institut dennoch für vermarktbar. Wegen der großen qualitative Unterschiede zwischen den Bestandswohnungen aus der

[Seite der Druckausgabe: 38]

    DDR-Zeit und dem Neubauangebot können jährliche Fertigstellungs-ziffern von etwa 2 vH des Bestandes vom Markt aufgenommen werden. Der Neubau wird sich wegen des offensichtlichen Nachholbedarfs auf Ein- und Zweifamilienhäuser konzentrieren. Es wird erwartet, daß sich Leerstände und in der Folge Abrisse vor allem im unsanierten Altbaubestand und in den Plattenbaubeständen in ländlichen Regionen einstellen werden.

Die Prognose des Instituts für den Wohnungsneubau in den östlichen Ländern fällt vergleichsweise optimistisch aus. Vor allem das Bauhauptgewerbe und weniger auch das Baunebengewerbe würden von einer solchen Entwicklung profitieren.

Page Top

5. Entwicklung beim Eigenheimbau gegen den Trend positiv

Da der 'Renner’ im Wohnungsbau der letzten Jahre - die Eigentumswohnung im hochpreisigen Segment - kurzfristig keine sichere Vermietungsperspektive mehr aufweist, bietet im wesentlichen nur ein Teilmarkt Wachstumschancen, der in den vergangenen Jahren unterrepräsentiert war: das bezahlbare Eigenheim.

Wenn auch weiterhin Fortschritte bei der Senkung der Baukosten für familiengerechte Eigenheime gemacht und die entsprechenden Haustypen vom Markt noch besser als bisher angenommen werden, dann wird die Reform der Wohneigentumsförderung im Verein mit dem KfW-Zinssubventionsprogramm für junge Familien ihre Wirkung auf die Genehmigungszahlen und die Konjunktur in der Bauwirtschaft in Zukunft noch besser entfalten können.

Die Höhe der Förderung hängt nun nicht mehr von der Höhe des zu versteuernden Einkommens ab. Statt dessen wird ein pauschaler Förderbetrag von 5.000 Mark pro Jahr gezahlt. Im Vergleich zum alten Recht sind mithin Haushalte mit niedrigem Einkommensteuersatz begünstigt. Bei Steuersätzen ab etwa 28 vH ergibt sich eine progressive Abnahme der Förderung. [Fn. 37: Zu den Wirkungen im einzelnen siehe Behrung.K./ Körner.J.: Neue Wohneigentumsförderung - Steigerung der Effizienz? In: ifo Schnelldienst 28/1995, S.18-26. Zur Diskussion über die Wirkungen siehe Der Langfristige Kredit 1/1996. Zum Text des neuen Eigenheimzulagengesetzes einschließlich der Änderungen des Einkommensteuergesetzes siehe BGBI. Nr.66 vom 22.12.1995.] Für alle Einkommensgruppen günstige Anreize gehen dagegen von der Erhöhung des Baukindergeldes (auf 1.500 Mark pro Kind) sowie von der Heraufsetzung des Sparerhöchstbetrages in der Bausparförderung aus.

[Seite der Druckausgabe: 39]

Im Jahr 1996 stieg die Zahl der Genehmigungen für Einfamilienhäuser in Westdeutschland um fast 10 vH auf Einheiten 105.400 an. In den neuen Bundesländern betrug die Zuwachsrate sogar knapp 13 vH (43.500 Einheiten). Der Eigenheimbau entwickelte sich auch 1997 gegen den Trend und konnte die ansonsten schwache Baunachfrage stützen. Die Zahl der Genehmigungen für Einfamilienhäuser ist im vergangenen Jahr weiter kräftig um 11 vH auf über 165.000 gestiegen. Der Verband der Privaten Bausparkassen sieht darin eine Bestätigung der Umgestaltung der Eigentumsförderung auf eine einkommensunabhängige Zulagenregelung. Für die Wohneigentumsbildung seien neue Schichten gewonnen worden.

Wenn auch die Bedingungen in den einzelnen Ländern nur begrenzt vergleichbar sind, so erscheint die deutsche Wohneigentumsquote im internationalen Vergleich noch steigerungsfähig. Die Wohneigentumsquote beträgt in den westlichen Bundesländern derzeit 42 vH. Dieser Wert liegt deutlich unter dem anderer westlicher Industrienationen mit Ausnahme der Schweiz. Er kann zum Teil mit dem wohnungspolitischen 'Sonderweg' Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg erklärt werden: Im Jahre 1950 hatte die Quote noch bei 41 vH gelegen. Sie ist dann unter dem Einfluß der massiven Förderung des Mietwohnungsbaus auf einen Wert von 34 vH Anfang der 60er Jahre gefallen. Seitdem ist die Wohneigentumsquote langsam aber stetig auf ihren heutigen Wert angestiegen. Noch niedriger als in Westdeutschland liegt die Quote in den neuen Bundesländern. Hier ist aber seit 1993 eine deutliche Zunahme zu registrieren. Während die Quote 1993 noch bei 26 vH lag, erreichte sie 1995 bereits 29 vH.

Abb. 13: Wohneigentumsquoten ausgewählter Länder in vH

Westeuropa

Südeuropa

Belgien

65

Griechenland

77

Frankreich

54

Italien

67

Niederlande

45

Portugal

67

Schweiz

31

Spanien

78

Nordeuropa

Amerika

Dänemark

52

Kanada

64

Großbritannien

67

USA

65

Irland

81



[Seite der Druckausgabe: 40]

Page Top

6. Konjunkturelle oder strukturelle Krise?

Die Herausforderungen, die sich aus der verfallenen ostdeutschen Bausubstanz für die Politik, die Investoren und die Bauwirtschaft ergeben, sind durchaus mit dem Wiederaufbau der 50er Jahre in den alten Ländern vergleichbar. Als weitere Parallele zwischen Ost- und Westdeutschland läßt sich feststellen, daß die Standardisierungstendenzen im westdeutschen Wohnungsbau der 70er Jahre nicht so weit von der Einförmigkeit der in Plattenbauweise errichteten Großwohnsiedlungen in den ostdeutschen Städten entfernt sind.

Abb.14:

Herausforderungen des
Marktes und Bewältigungsstrategien

Quelle: ifA-lnstitut

[Seite der Druckausgabe: 41]

Die heutige Situation der Bauwirtschaft läßt sich noch am ehesten mit der Krise Mitte der 80er Jahre vergleichen. Ein heftiger Konjunktureinbruch machte seinerzeit eine Marktbereinigung notwendig. Damals wie heute zwingt der Wettbewerbsdruck die Bauunternehmen zur Kostenoptimierung.

Abb. 15: Zuwachsraten der Bauinvestitionen gegen Vorjahr nach Bausparten (in Preisen von 1991)


Quelle: VGR-Statistik des Bundes, IWH-Diskussionspapier Nr. 43

Die wirtschaftliche Entwicklung der 90er Jahre wird bestimmt von der Öffnung der Märkte. Nicht nur Ostdeutschland, sondern ganz Osteuropa sind längst nicht mehr von den internationalen Märkten abgeschottet, sondern treten als Kunden und Wettbewerber auf. Wohl kein anderer Wirtschaftszweig hat die Folgen dieser Öffnung und gegenseitigen Durchdringung der Märkte so rasch und so heftig zu spüren bekommen wie die Bauwirtschaft. In zunehmendem Maße werden Produktionsfak-

[Seite der Druckausgabe: 42]

toren aus dem Ausland bezogen (etwa Baustoffe). Die Diffusion der Technologien hat sich beschleunigt: Neue Verfahren werden schon kurze Zeit nach ihrer Einführung weltweit eingesetzt.

Für die deutsche Bauwirtschaft steht derzeit der verstärkte Wettbewerbsdruck aus dem Ausland im Vordergrund. Die Unternehmer sehen sich der Konkurrenz von ausländischen Baubetrieben ausgesetzt, die billige Arbeitskräfte aus dem EU-Ausland einsetzen. Die heimischen Bauarbeiter bekommen die Folgen der Arbeitskräftewanderung innerhalb Europas zu spüren. Ihre Löhne stehen unter Druck und sie werden von den ausländischen Arbeitern aus ihren Arbeitsplätzen gedrängt. Abgesehen von der Billiglohnkonkurrenz stehen die deutschen Bauunternehmen auf ihrem Heimatmarkt neuerdings auch im Wettbewerb mit innovativen Unternehmen aus Nordeuropa (Finnland, Dänemark).

Die dramatische Verschärfung der aktuellen Krisensituation ist auf das Zusammentreffen der Folgen der Marktöffnung mit einem Rückgang der Bauinvestitionen und des Bauvolumens zurückzuführen. Nachfrageeinbrüche in nahezu allen Bausparten erhöhen den Wettbewerbsdruck auf der Anbieterseite weiter.

Für den Hauptverband der Deutschen Bauindustrie hat die derzeitige Krise eher strukturelle denn konjunkturelle Ursachen. Die Verringerung der Baunachfrage sei im wirtschaftshistorischen Vergleich mit früheren Krisenjahren wie 1981/82 und 1974/75 eher bescheiden ausgefallen (Abb. 15). Im Unterschied zu den früheren von Nachfrageschwankungen ausgelösten Krisen sei die Entwicklung diesmal durch Faktoren auf der Angebotsseite bedingt. Maßgeblichen Anteil am strukturellen Anpassungsbedarf habe der mit der Europäisierung des Baumarktes verbundene Zustrom von Billiglöhnern in die deutsche Bauwirtschaft, von dem Beeinträchtigungen der Arbeitsmarktchancen heimischer Hilfskräfte und Facharbeiter ausgehen. Es ist ein europäischer Baumarkt entstanden, der nach Auffassung des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie eine Angleichung der Lohnkosten für qualitativ und produktiv vergleichbare Arbeit erzwingt. Bei den Tarifverhandlungen müsse daher auf Anpassungen der Tariflöhne an die gesunkenen Marktlöhne hingewirkt werden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

Previous Page TOC Next Page