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3. Spezifik der neuen Bundesländer

Obwohl sich die Probleme der Innenstädte in Ost- und Westdeutschland nicht grundlegend unterscheiden, gibt es doch einige Merkmale der Stadt- und Verkehrsstrukturen, die in den neuen Bundesländern besondere Beachtung finden müssen.

Bis zum Jahr 1989 wies der Motorisierungsgrad in der DDR gegenüber dem der BRD einen Nachlauf von nahezu 20 Jahren auf. Der sprunghafte Anstieg der Motorisierung und ein verändertes Verkehrsmittelwahlverhalten, das seitdem in den neuen Bundesländern zu verzeichnen ist, trifft vor allem in den Städten auf eine Verkehrsinfrastruktur, die diesem Anstieg nicht gewachsen ist. Zahlreiche Straßen und Gehwege weisen darüberhinaus in ihrer Oberflächenbefestigung erhebliche Mängel auf, die zu Risiken für Fahrzeuge und Fußgänger werden. (Abb. 1)

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Abbildung 1:

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Das vorhandene Netz der öffentlichen Verkehrsmittel ist auf die Innenstadt ausgerichtet und gewährleistet häufig eine flächendeckende Erschließung des Stadtgebietes. Bemerkenswert sind in größeren Städten die engmaschigen und zugleich weit ausgreifenden Straßenbahnnetze, die u.U. noch von S-Bahnen ergänzt werden. Die bestehenden Stadtstrukturen, auf die das Verkehrssystem zugeschnitten war, werden zunehmend durch Suburbanisierungserscheinungen aufgebrochen und verschärfen damit die verkehrliche Situation in den Städten. Ein weiteres Problem, das vor allem für ostdeutsche Innenstädte zutrifft, ist ein erheblicher Mangel an baulichen Anlagen zur stadtverträglichen Unterbringung des ruhenden Verkehrs.

Die meisten Innenstädte in den neuen Bundesländern sind heute durch den schlechten Zustand der baulichen Substanz und der städtischen Infrastruktur gekennzeichnet, der neben dem Verfall der Gebäude weitere Probleme nach sich zieht. Die sozialen Probleme in unattraktiven Bereichen der Innenstädte, beispielsweise im Hauptbahnhofbereich, nehmen auch in den neuen Bundesländern zu.

Die dringend notwendige Sanierung der Bausubstanz und Reaktivierung von Nutzungsbrachen wird in Ostdeutschland häufig durch ungeklärte Eigentumsverhältnisse bei Immobilien erschwert. Die durch das eingeschränkte Angebot häufig überhöhten Grundstückspreise reduzieren gerade in den Innenstädten den Kreis der potentiellen Käufer oder Investoren und tragen nicht zum Erreichen der angestrebten Nutzungsvielfalt bei.

Ein weiterer Problemkreis umfaßt die qualitative und strukturelle Schwäche des Handels. In den ostdeutschen Innenstädten wird - im Vergleich zu westdeutschen Innenstädten - zu wenig Kaufkraft gebunden. Die Konkurrenz durch periphere Handelseinrichtungen wirkt sich verheerend auf die meisten innerstädtischen Einzelhandelsstandorte aus.

Zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich daraus, daß die Belieferung der Handelseinrichtungen in den Innenstädten der neuen Bundesländer meist auf der Straße zu realisieren ist. Bedingt durch das relativ dünne Netz logistischer Einrichtungen in einigen Regionen der neuen Bundesländer, werden immer noch häufig zu große Fahrzeuge eingesetzt.

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Die langen Anfahrtswege sind häufig die Ursache für stark abweichende Lieferzeiten und sorgen damit in den Haupteinkaufszeiten für Konflikte zwischen Fahrzeugen und Fußgängern. Dieser Lieferverkehr in den meist engen Straßen trägt nicht zur Attraktivitätssteigerung der Innenstädte für Besucher und Kunden bei.

Den genannten Problemen der ostdeutschen Innenstädte stehen jedoch auch Chancen gegenüber, die eine Spezifik der neuen Bundesländer ausmachen. Da ist zum einen der hohe und relativ stabile Wohnanteil in der Innenstadt, der eine besondere Chance für Vielfalt bieten kann. Des weiteren verfügen die ostdeutschen Innenstädte noch über historische Bausubstanz in relevantem Umfang. Durch Gestaltungssatzungen wurde negativen städtebaulichen Tendenzen häufig noch rechtzeitig begegnet.

Nach erfolgter Sanierung können gerade diese historischen Gebäude einen wertvollen Beitrag dazu leisten, daß Charakter und Originalität der Innenstädte in den neuen Bundesländern erhalten werden. Die vorhandenen Nutzungsbrachen in den Innenstädten und den angrenzenden Bereichen der Stadt können auch als Chance interpretiert werden, da sie, zum Teil in attraktiven Lagen, als Flächenreserven für eine stadtplanerisch sinnvolle Entwicklung zur Verfügung stehen.

Aufgrund der noch gegebenen guten Erreichbarkeit ostdeutscher Innenstädte mit öffentlichen Verkehrsmitteln weist der modal split hier noch einen relativ hohen ÖPNV-Anteil auf. Wenn auch der Zustand der Fahrzeuge und baulichen Anlagen nicht dem neusten Stand entspricht, bietet das vorhandene Netz eine brauchbare Grundlage und sollte unbedingt erhalten werden.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999

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