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2. Zur Situation in Großwohnsiedlungen in den neuen Bundesländern

2.1. Das psychosoziale Klima in den Plattenbauten

In den Großsiedlungen hat in den vergangenen Jahren ein Prozeß der psychologischen Entwertung stattgefunden, der in einem gewissen Maß immer noch wirksam ist. Dieser Prozeß ist durch eine einseitige Darstellung der Siedlungen in den Medien unterstützt worden. In vielen dieser Gebiete hat sich ein Gefühl der Zweitklassigkeit verbreitet. Befragungen zeigen eine überwiegend negative Wahrnehmung des eigenen Wohnmilieus und Wegzugswünsche. Werden die einzelnen Gebiete differenzierter betrachtet, gibt es z.T. auch Anzeichen für eine Trendwende. Ein Beispiel dafür ist Halle-Neustadt:

In den 60er Jahren war die Siedlung beliebt aufgrund des vergleichsweise hohen Wohnungsstandards. Die Innenstadt von Halle verlor mehr als die Hälfte der Einwohner, die in das Neubaugebiet zogen. Zu Beginn der 90er Jahre wurde Halle-Neustadt jedoch zu einem eher unbeliebten Teil von Halle.

Der neueste Trend zeigt wieder eine Wende auf. Die Großwohnsiedlung Halle-Neustadt wird von den Bewohnern als ein gewachsener Stadtteil von Halle empfunden.

Diese Entwicklung kann unterschiedlich interpretiert werden. Zum einen könnte es eine "Rückkehr zur Normalität" sein und ein Anzeichen für ein neues Selbstbewußtsein, nachdem die Bewohner ihre Unsicherheit überwunden haben, die auch durch das "Kaputtreden" der Siedlung entstanden war. Es könnte sich aber auch um eine realistischere Einschätzung ihrer eigenen Möglichkeiten handeln.

Veränderungen hinsichtlich der Bewohnerstruktur durch verstärkte Umzugsentscheidungen gibt es jedoch in allen Großwohnsiedlungen.

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2.2. Die Entwicklung der Bewohnerstruktur

Durch die veränderten Möglichkeiten seit 1989 sind in den Großsiedlungen Veränderungen der Bewohnerstruktur zu beobachten, die bestätigen, daß ein Großteil der Menschen, die es sich leisten können die Großwohnsiedlung verlassen. Ein Großteil der Menschen in konsolidierten Einkommensverhältnissen in einem Alter zwischen 35 und 45 Jahren ziehen aus ihren Plattenwohnungen aus. Es zeigt sich jedoch auch, daß ein Teil (teilweise bis zu 50% in einigen Siedlungen) dieser relativ gut verdienenden Bewohner sich entscheiden zu bleiben. (Hunger 26.6.97)

Außerdem ist der Zuzug einer Gruppe von jungen Menschen in einem Alter zwischen 20 und 30 Jahren zu beobachten. Diese Gruppe setzt sich aus

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Haushaltsgründern und aus Menschen mit einem Haushaltsnettoeinkommen von unter 2.000 DM zusammen. Ein eher geringes Umzugsverhalten besteht bei der Gruppe der über 50-Jährigen.

Diese Umzugsbewegungen zeigen, daß die Siedlungen nicht nur ein Anziehungspunkt für "Sozialschwache", d.h. Sozialhilfeempfänger, Aussiedler darstellen.

Für die Wohnungsunternehmen läßt sich daraus schlußfolgern, daß es sich lohnt, um die Gruppe der Besserverdienenden zu werben. Außerdem haben sie die Chance durch gezielte Maßnahmen auch die jungen Haushalte langfristig im Gebiet zu halten.

Im Zusammenhang mit einem vermehrten Wegzugsgeschehen in den Großwohnsiedlungen ist es wichtig zu erwähnen, daß der derzeitige Wegzug die Wohnungssituation in den Großsiedlungen entspannt. 23 Prozent der Vierpersonenhaushalte leben noch in Zwei- bis Dreizimmerwohnungen. Die Siedlungen verkraften teilweise einen Verlust von mehr als der Hälfte ihrer Einwohner. Dabei kommt es nicht sofort zum Leerstand, sondern zu einer Angleichung an den Stadtdurchschnitt hinsichtlich der Anzahl der Personen pro Wohnung.

Zum Beispiel beträgt dieser Durchschnitt in Berlin (gesamt) 1,7 Personen pro Haushalt, in Hellersdorf dagegen 2,2 Personen pro Haushalt. (Hunger 26.06.97).


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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