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[Seite der Druckausgabe: 3]

1. Junge Technologieunternehmen in der Volkswirtschaft




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1.1 Merkmale junger Technologieunternehmen

Junge Technologieunternehmen (JTU) sind neugegründete oder am Anfang ihres Lebenszyklus befindliche Unternehmen, deren Geschäftsfelder vor allem durch neue Produkte, neue Verfahren oder innovative Dienstleistungen gekennzeichnet sind. Ihr Leistungsangebot weist gegenüber vergleichbaren Lösungen ein höheres Innovationsniveau auf, erfordert den Aufbau einer entsprechenden Fertigung und verlangt umfangreiche Marketingaktivitäten. Für diese Unternehmen ist ein hoher Anteil von Forschung und Entwicklung (FuE) bis zum Erreichen der Fertigungs- und der Marktreife der neuen Produkte charakteristisch. Sie haben einen überdurchschnittlichen hohen Anteil von Beschäftigten in FuE, sind mit hochwertiger Labor-, Forschungs- und Entwicklungstechnik ausgestattet und streben durch ihr dauerhaftes FuE-Engagement Wettbewerbsvorteile an. Die neuen Produkte und Verfahren haben maßgeblichen Einfluß auf den Umsatz und den Gewinn der Unternehmen. Sie versprechen aufgrund ihres Innovationsvorsprungs einen attraktiven wirtschaftlichen Erfolg.

Die Gründung und der Aufbau von Technologieunternehmen sind jedoch nicht problemlos. Gründer von Technologieunternehmen haben zwar viele technische Ideen und ein umfangreiches technisches Know-how, ihnen fehlt es aber meist am erforderlichen Kapital und Managementwissen. Die Gründung und Entwicklung eines Technologieunternehmens ist mit einem hohen Kapitalbedarf verbunden. Forschung und Entwicklung, Fertigungsaufbau und Marketingaktivitäten sind zu finanzieren, ohne daß die Unternehmen in ihrer Aufbauphase bereits auf bedeutende Erlöse zurückgreifen können. Der Rückfluß des in den FuE-Projekten eingesetzten Kapitals setzt erst nach erfolgreicher Vermarktung der neuen Produkte und Verfahren ein. Die geringe Selbstfinanzierungskraft und die fehlenden dinglichen Sicherheiten der Unternehmen erschweren ihre Verhandlungsfähigkeit mit Banken und Risikokapitalgebern.

Hinzu kommt, daß die FuE neuer Produkte und Verfahren ganz objektiv risikobehaftet ist. Technisches Risiko tritt auf, weil die den technischen Lösungen zugrundegelegten Prinzipien und Effekte theoretisch teilweise noch nicht erforscht und praktisch nicht erprobt sind. Daneben existieren Marktrisiken, weil weder das Verhalten der Wettbewerber noch der Kunden genau voraussagbar sind. Diese Unsicherheiten führen letztlich auch zu Finanzierungsrisiken. So können sich z.B. die dem Unternehmensaufbau zugrundegelegten Annahmen über Umsatz- und Gewinnentwicklung als nicht zutreffend erweisen.

[Seite der Druckausgabe: 4]

Die Höhe des Kapitalbedarfs, die Risiken und die schwer abschätzbare wirtschaftliche Entwicklung führen bei Kapitalgebern zur Zurückhaltung gegenüber JTU. Sollen die potentiellen Wettbewerbsvorteile und der Innovationsvorsprung der Technologieunternehmen nicht verloren gehen, ist es erforderlich, den jungen Unternehmen andere Finanzierungsmöglichkeiten zu bieten.

Technologieunternehmen durchlaufen von ihrer Entstehung bis zu ihrer Reife mehrere Lebensphasen. Für jede Lebensphase sind bestimmte Aktivitäten, Managementaufgaben und Probleme charakteristisch. Die Schwerpunkte der Führung der Unternehmen verlagern sich entsprechend des sich wandelnden Unternehmenscharakters.

In der Entstehungsphase eines Technologieunternehmens bereiten die Gründer - ausgehend von ihrer Gründungsidee - die Unternehmensgründung durch Patent- und Literaturrecherchen, Marktrecherchen, Machbarkeitsstudien, Informationsanalysen und Finanzierungsstudien vor. Sie stimmen die Unternehmensidee mit dem Umfeld wie den Banken, Technologie- und Gründerzentren, Industrie- und Handelskammern ab, entscheiden über die Zusammensetzung des Gründerteams, den Standort und die Rechtsform. Die formale Gründung des Unternehmens setzt voraus, daß mit der Unternehmenskonzeption die Aussichten auf Erfolg nachweisbar sind. Dazu sind u.a. die FuE-Projekte und ihre Ziele zu definieren, die Kundenanforderungen, die Wettbewerbssituation und die Marktchancen zu charakterisieren, Kosten-, Erlös-, Liquiditäts- und Finanzierungspläne aufzustellen sowie die Unternehmensziele zu untersetzen.

In der Entwicklungsphase des Unternehmens steht die Forschung und Entwicklung für die neuen Produkte und Verfahren im Mittelpunkt. Parallel dazu ist ein Kontaktnetz zu Kunden, Vertriebspartnern und Zulieferern aufzubauen sowie die Markteinführung vorzubereiten. Arbeitsteilung und Kooperation in der Fertigung sind festzulegen, damit rechtzeitig für die selbst zu erbringenden Leistungen mit dem Fertigungsaufbau begonnen werden kann und Zulieferaufträge ausgelöst werden.

In der Phase der Markteinführung und des Fertigungsaufbaus werden die Fertigungsinvestitionen realisiert und die ersten Verkäufe getätigt. Aus Kundenreaktionen ergeben sich gezielte Maßnahmen für die Produktverbesserung und für die Marktaufbereitung. In dieser Phase zeigt sich, ob fertigungs- und marktgerechte Produkte entwickelt wurden. Verzögerungen im Fertigungsaufbau und in der Markteinführung gefährden die wirtschaftliche Situation der Unternehmen.

[Seite der Druckausgabe: 5]

Bei technischer und wirtschaftlicher Bewährung der neuen Produkte und Verfahren auf dem Markt erschließen sich für ein Technologieunternehmen Möglichkeiten, in die Wachstumsphase überzugehen. Breite Vermarktung, Erschließen neuer Marktsegmente, Kapazitätsausbau in der Fertigung und beim Vertrieb, Ausprägung der inneren Organisation, Wachstum des Umsatzes und der Anzahl der Beschäftigten, sind typische Wachstumsmerkmale. Schließlich festigen sich die wirtschaftliche Situation und die Beziehungen zu den Kapitalgebern so, daß das Unternehmen als konsolidiert betrachtet werden kann und die Eigenschaft „jung" nicht mehr zutreffend ist.

In den Lebensphasen eines JTU treten typische Problemsituationen auf. Sie sind im Kapitel 2 näher erläutert.

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1.2 Volkswirtschaftliche Bedeutung junger Technologieunternehmen

JTU beeinflussen mit ihrer hohen Innovations- und Anpassungsfähigkeit den volkswirtschaftlichen Strukturwandel. Sie tragen zum Innovationswettbewerb bei und wirken Wettbewerbsverzerrungen und Monopolisierungstendenzen entgegen. Sie sichern eine große Produktvielfalt und die kundennahe Versorgung der Verbraucher, schließen Marktlücken und bieten innovative Dienstleistungen an. Die Vorteile kleiner Unternehmen, wie unbürokratische Organisationsformen, kurze Informationswege, geringer Koordinationsaufwand, direkte persönliche Kontakte, hohe Motivation, flache Hierarchien, hohe Flexibilität sowie schnelles Aufspüren und Ausnutzen von Marktnischen, können auch für JTU voll wirksam werden, wenn sie auf den für sie besonders geeigneten Technologiegebieten tätig sind. Tabelle 1 zeigt, unter welchen Bedingungen für die Innovationstätigkeit in kleinen und jungen Unternehmen Chancen und Risiken gegeben sind.

JTU finden vor allem im Gerätebau, im Maschinenbau, in der Elektrotechnik/Elektronik sowie bei Zulieferungen für den Anlagenbau Marktchancen. Für neue Geräte, denen neue technische Prinzipien, Effekte, Werkstoffe oder Werkstoffkombinationen zugrunde liegen, erschließen sich breite Anwendungsmöglichkeiten in der Verfahrenstechnik, Umwelttechnik, Fertigungstechnik, Biotechnik und Medizintechnik.

Diese Branchen bzw. Technologiegebiete sind für JTU sowohl aus der Sicht der FuE, als aufgrund auch des relativ geringen Kapitalbedarfs für den Fertigungsaufbau und die Markteinführung attraktiv.

[Seite der Druckausgabe: 6]

Tab. 1: Chancen und Risiken kleiner Unternehmen für die Innovationstätigkeit

Chancen bei

Risiken bei

niedrigen Markteintrittsbarrieren,

hohen Markteintrittsbarrieren,

geringem Kapitalbedarf für Fertigung und Vermarktung,

hohen Investitionen zum Fertigungsaufbau,

kundennaher Entwicklung und Fertigung,

komplexen technischen Systemen,

Einsetzen der Forschung und Entwicklung in frühen Phasen des Produktlebenszyklus,

umfangreicher eigener Grundlagen- und angewandter Forschung als Voraussetzung für die Innovationen,

Forschung und Entwicklung in technologischen Grenzgebieten oder auf der Grundlage völlig neuer, bisher nicht genutzter Prinzipien oder Effekte,

langen, zeitintensiven Erprobungs-, Test-, Genehmigungs- und Versuchszeiten als Voraussetzung für den Entwicklungsfortschritt,

multivalenter Nutzung des Entwicklungsergebnisses,

zu enger Spezialisierung auf eine Branche, eine Produktlinie oder einen Anwenderkreis,

Alleinstellungsmerkmalen der FuE-Ergebnisse,

nicht gegebenen Kaufmotiven, unkalkulierbarem technischen oder Marktrisiko,

interdisziplinärer Forschung und Entwicklung,

Notwendigkeit großer FuE-Teams,

Marktnischenstrategien

Strategien für große Stückzahlen

Dagegen kommen solche Technologiegebiete, die große FuE-Teams voraussetzen, die ein unkalkulierbares Risiko besitzen und die einen sehr hohen Kapitalbedarf zur Schaffung der Produktionsvoraussetzungen auslösen, für JTU Kaum in Frage.

Zwischen großen und kleinen Unternehmen besteht im Innovationsprozeß eine sinnvolle Arbeitsteilung. Nach Acs und Audretsch haben kleine Unternehmen Innovationsvorteile auf Märkten, die dem Konkurrenzmodell entsprechen, in Industriezweigen mit geringer Kapitalintensität und in Industriezweigen, in denen sich kleine Unternehmen durch ihre Innovationsstrategien deutlich von den großen Unternehmen unterscheiden können. Die Gelegenheiten zur Innovation sind für kleine Unternehmen in den frühen Phasen des Produktlebenszyklus am günstigsten. Außerdem dann, wenn das für die Innovation erforderliche Wissen außerhalb der Hauptproduzenten entsteht [Acs, J.Z.; Audretsch, B.: Innovation durch kleine Unternehmen. Berlin: Ed. Sigma, 1992].

[Seite der Druckausgabe: 7]

Die Konzentrations-, Zentralisierungs- und Eigentumspolitik verhinderte in der DDR die Entwicklung innovationsorientierter kleiner Unternehmen. Erst seit 1990 ist die Entstehung von JTU Bestandteil des allgemeinen Gründungsgeschehens in den neuen Bundesländern (NBL). Sie hat aber besonderes Gewicht, weil dadurch technologiepolitische Lücken geschlossen, der Technologiestandort Deutschland gestärkt und der Innovationswettbewerb gefördert werden. JTU unterstützen den Technologietransfer, reagieren flexibel, bedarfsorientiert und mit hoher FuE-Produktivität auf Anforderungen des Marktes, lösen Multiplikatoreffekte für die wirtschaftliche Entwicklung aus und stellen einen wichtigen Faktor des Innovationspotentials dar. Schließlich wirken sie positiv auf die Herausbildung innovativer regionaler Infrastrukturen.

Angesichts der volkswirtschaftlichen Bedeutung kleiner technologieorientierter Unternehmen förderte das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT, heute: Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, BMBF) bis Ende der 80er Jahre deren Gründung in den alten Bundesländern (ABL) und ab 1990 in den neuen Bundesländern (NBL). Auf diesem Wege sind in Deutschland bisher fast 550 technologieorientierte Unternehmen entstanden. Das Fraunhofer-lnstitut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) führte die wissenschaftliche Begleitung der BMFT-Modellversuche durch. Die ISI-Forschungsstelle Innovationsökonomik an der Fakultät Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Bergakademie Freiberg untersucht gegenwärtig im Auftrag des BMBF die Gründung und Entwicklung dieser Unternehmen und die damit verbundene Herausbildung eines innovativen Umfelds in den neuen Bundesländern.

In den nachfolgenden Ausführungen werden ausgewählte empirische Ergebnisse der Begleitforschung des ISI zu den Modellversuchen TOU in den ABL und NBL verarbeitet. Die Angaben zum Gründungsgeschehen in den ABL sind entnommen aus [Kulicke, M. u.a.: Chancen und Risiken junger Technologieunternehmen - Ergebnisse des Modellversuchs „Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen" (TOU). Schriftenreihe des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Heft 4. Heidelberg: Physica Verlag, 1993], bezogen auf die neuen Bundesländer wird auf Angaben in [Pleschak, F.; Sabisch, H,; Wupperfeld, U.: Innovationsorientierte kleine Unternehmen. Wiesbaden: Gabler Verlag, 1994], [Pleschak, F.; Sabisch. H.: Ergebnisse des BMFT-Modellversuchs „Technologieorientierte Unternehmensgründungen in den neuen Bundesländern" im Jahr 1993. 5. Analysebericht. FhG-ISI, Karlsruhe/Freiberg, 1994] und [Pleschak, F. (Hrsg.): Erfahrungsberichte aus dem Modellversuch „Technologieorientierte Unternehmensgründungen aus den neuen Bundesländern" Tagungsbericht der Veranstaltung auf dem Innovationsforum in Leipzig am 11. März 1994. FhG-ISI, Karlsruhe/Dresden, 1994] zurückgegriffen. Die empirischen Untersuchungsergebnisse zu den Technologie- und Gründerzentren in den NBL entstammen aus [Pleschak, F.: Technologiezentren in den neuen Bundesländern. Schriftenreihe des Fraunhofer-lnstituts für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI), Heft 14. Heidelberg: Physica Verlag, 1995]. Erfahrungen bei der Gründung und dem Aufbau von Technologieunternehmen vermitteln auch die Arbeiten von Dietz [Dietz, J.-W.: Gründung innovativer Unternehmen. Wiesbaden: Gabler Verlag, 1989], Baaken [Baaken, T.: Bewertung technologieorientierter Unternehmensgründungen. Berlin: Erich-Schmidt-Verlag, 1989], Steinkühler [Steinkühler, R.-H.: Technologiezentren und Gründungserfolg technologieorientierter Unternehmen. Dissertation an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel, 1993], Groß [Groß, B. (Hrsg.): Innovationszentren der 90er Jahre - Erfahrungen und Perspektiven der Technologie- und Gründerzentren in den neuen Bundesländern. ADT-FOCUS, Band 7. Berlin: Weidler Buchverlag, 1994], Pett [Pett, A.: Technologie- und Gründerzentren. Frankfurt am Main, Berlin u.a.: Europäischer Vertag der Wissenschaften Peter Lang, 1994] und Wupperfeld [Wupperfeld, U. (unter Mitarbeit von Kulicke, M.): Mißerfolgsursachen junger Technologieunternehmen. FhG-ISI, Karlsruhe, 1993].


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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