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Vorwort

In den 50er Jahren wurden in Deutschland nach den Zerstörungen und Reparationen des Krieges viele neue Betriebe und Unternehmen aufgebaut, die über Jahre erfolgreich arbeiteten. Sie haben, bei allen Verschiedenheiten im Osten und Westen, oft zunächst Wachstums-, dann Konsolidierungs- und schließlich Bürokratisierungsphasen durchlaufen. Etliche Firmen haben trotz aller Rationalisierung, Spezialisierung und Diversifizierung der Firmentätigkeit den national oder international induzierten Strukturwandel früher oder später nicht überleben können.

Bemerkenswert war die bescheidene Zahl von Gründungen in der Bundesrepublik Deutschland, bis ein Schub von Erfindungen in den 70er und 80er Jahren endlich wieder zu neuen Betrieben und Unternehmen führte. Ähnlich hatte das Alois Schumpeter mit Hilfe des dynamischen Unternehmers und der mit ihm verbundenen Innovationen in den 20er und 30er Jahren schon am Modell beschrieben. Bekannt ist, wie die Betriebe der ehemaligen DDR seit 1990 einem Prozeß der Auflösung oder Umwandlung unterworfen sind. Einen solchen Prozeß, der unter brachialen Veränderungen die Phasen der Entwicklung durcheilt, hat es in der Geschichte noch nicht gegeben.

Der Wandel im Osten und im Westen war und ist eingebettet in die säkulare Entwicklung vom primären über den sekundären zum tertiären Sektor mit einer beispiellosen Wanderung der Arbeitskräfte und dem Entstehen eines mächtigen privaten und öffentlichen Dienstleistungssektors. Führende angelsächsisch geprägte Ökonomen hatten auf diese Verlagerungen bzw. Umstrukturierungen hingewiesen. Am deutlichsten und elegantesten zeigte jedoch der französische Ökonom, Soziologe und Politologe Jean Fourastie diesen Prozeß in seiner Drei-Sektoren-Theorie Anfang der 50er Jahre. Aber er war es auch, der auf die vielen politischen, sozialen und persönlichen Probleme hinwies, die mit diesen Wandlungen verbunden sind. Er arbeitete das Wirken und Fortwirken des technischen Fortschritts heraus, unterschied zwischen tatsächlichen und scheinbaren Wohlstandssteigerungen und sah bereits die brachialen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und im täglichen Leben voraus.

Der Amerikaner Wilbur Thompson analysierte dann mit seiner Brüter- und Filtertheorie im Detail den Prozeß der Gründung, des Wachstums und der Verbreitung neuer Firmen. Damit gewannen auch die "Incubators" bzw. die Gründer- und Technologiezentren in der Praxis einen Auftrieb, weil Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Förderung herausgearbeitet werden konnten. Es zeigte sich, daß gerade in dem sekundär- tertiär orientierten Bereich zwischen den klassischen Sektoren von Industrie und Dienstleistungen zahlreiche Hilfen

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von den Zentren, eventuell auch in Verbindung mit besonderen Transferstellen, gegeben werden können. Ihre Aufgabe ist es unter anderem, zwischen dem in der Forschung massierten Wissen, den Erfordernissen der Produktion, des Marktes bzw. des Marketing sowie der Finanzierung, der Organisation und dem Management zu vermitteln. Richtig ist es daher für die Gründer- und Technologiezentren, an einem städtischen Standort im intensiven Beziehungsgeflecht zwischen Forschung und Praxis lokalisiert zu sein. Über die erwähnten Gründer- und Technolgiezentren hinaus sind Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Industrie- und Handelskammern sowie Ämter und Behörden immer wieder für die jungen Firmen von Bedeutung. Wichtig ist es daher auch aus diesem Gesichtspunkt, die Kerne der Städte mit ihren Agglomerations- und Synergievorteilen zu erhalten, einer Aushöhlung der Städte, einer Zersplitterung der Standorte und einer Zersiedlung von Raum und Landschaft energisch entgegenzutreten.

Zugleich wäre - das gilt für Westdeutschland wie auch für Ostdeutschland - schon jetzt zu bedenken, daß ständig neue Produktionen, ein maximales Wachstum und sich quasi überschlagende Innovationen nicht das entscheidende Ziel sein können. Vielmehr müssen Kriterien wie Ökologie, Verstetigung der Entwicklung oder Umwelt- und Landschaftsschutz eine tragende Rolle spielen. Es hat sich bereits gezeigt, daß die anstehende Aufgabe, Arbeitsplätze zu schaffen und die Umwelt zu erhalten bzw. sinnvoll zu gestalten, durchaus zu lösen ist. Den jungen Unternehmen und Unternehmern wird es im Gegensatz zu vielen etablierten Firmen und Vorständen nicht schwer fallen, die Fülle der säkularen Aufgaben dieser Art zu lösen.

Mit diesen Schlaglichtern zur Vergangenheit, zu der sich vorziehenden Entwicklung und den Forderungen der Zukunft soll zum Bericht übergeleitet werden.

Für die Abfassung des Berichtes zur Tagung konnten zwei Experten gewonnen werden, die mit dem Thema vorzüglich vertraut sind: Professor Dr. Franz Pleschak von der Forschungsstelle Innovationsökonomik an der TU Bergakademie Freiberg und Dipl.-Kaufmann Udo Wupperfeld vom Fraunhofer-lnstitut für Systemtechnik und Innovationsforschung in Karlsruhe. Ihnen ist besonderer Dank zu sagen, auch deswegen weil sie eine Fülle von Informationen komprimiert und doch verständlich dargestellt haben.



Bonn, Juni 1995Dr. Hannes Tank


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Juli 1999

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