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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 28 (Fortsetzung)]
6.1 Das Beispiel Berlin:
Das Neue Berliner Verwaltungsmanagement, das von der Arthur D. Little Management- und Technologie-Consulting erläutert wurde, gilt gegenwärtig als das wohl ambitionierteste Reformprojekt der deutschen Verwaltung. Im Zuge eines umfassenden Personal- und Organisationsentwicklungsprozesses soll ein Verwaltungsapparat mit knapp 200.000 Beschäftigten und einem Jahresetat von rund 44 Mrd. DM davon allein 14,4 Mrd. DM Personalkosten in ein modernes und wirtschaftlich arbeitendes Dienstleistungsunternehmen transformiert werden. Der Kerngedanke der Reform ist die Einführung von neuen, betriebswirtschaftlich [Seite der Druckausg.: 29] geprägten Managementkonzepten. Neben einer deutlichen Entlastung des Finanzhaushalts werden hiervon zugleich nachhaltige Effizienz- und Effektivitätsgewinne erwartet. Diese sollen die Berliner Verwaltung in die Lage versetzen, den Herausforderungen und Aufgaben der Stadt als europäische Metropole und künftiger Regierungssitz besser als bisher gerecht zu werden. Ziel ist eine möglichst rasche, flächendeckende Umsetzung der Reformmaßnahmen.
6.1.1 Ausgangslage und Zielsetzung
Unter enormem finanzpolitischem Druck wurden vom Berliner Senat im Mai 1994 die Leitlinien für die Reform der Verwaltung verabschiedet. Mit dem sukzessiven Wegfall des Bundeszuschusses und der Eingliederung in den Länderfinanzausgleich hatte sich die ohnehin prekäre Haushaltssituation der Stadt ab 1989/90 drastisch verschärft und waren weitreichende konzeptionelle Entscheidungen zur dauerhaften Haushaltskonsolidierung zwingend geboten. Neben substanziellen Einsparungen insbesondere bei den Verwaltungs- und Personalkosten zur Überwindung der akuten Finanzkrise war eine grundlegende Umgestaltung und Modernisierung der Verwaltung mit dem Ziel, die Wirksamkeit und die Wirtschaftlichkeit des Verwaltungshandelns nachhaltig zu verbessern, unausweichlich geworden. Tatsächlich zeigt eine Analyse der Berliner Verwaltung das Bild von stark reformbedürftigen Strukturen. Häufig unklare Verantwortungsverhältnisse und Doppelzuständigkeiten der einzelnen Verwaltungsbereiche, eine hohe Regelungsdichte und Übersteuerung der operativen Ebene, insbesondere jedoch die vergleichsweise geringe Leistungsfähigkeit bei überdurchschnittlicher Kostenintensität haben ganz erheblich mit zu der aktuellen Finanzkrise beigetragen. Gleichzeitig werden durch überkommene Führungsstrukturen und ein veraltetes Personalwesen die Leistungspotentiale der Beschäftigten nicht ausgeschöpft. Auch hierdurch weist der öffentliche Dienst der Stadt generell eine nur geringe Attraktivität für qualifizierte, kreative und innovative Nachwuchskräfte auf. Zu dieser "inneren Krise" kommt die wachsende öffentliche Kritik an der Berliner Verwaltung, die im Spannungsfeld von ökonomisch bedingten Sparzwängen, sozialpolitisch notwendigen Mehrausgaben und veränderten Aufgabenstellungen bereits erheblich an Akzeptanz und Legitimität in der Bevölkerung eingebüßt hat. [Seite der Druckausg.: 30] Entsprechend dieser vielschichtigen und komplexen Problemstellung werden in der politischen Begründung zur Einführung des Neuen Berliner Verwaltungsmanagements verschiedene Ziele genannt. Vorrangiges Reformziel ist die mittel- und langfristige Sicherung und Konsolidierung des Finanzhaushalts. Darüber hinaus wird mit den Reformen eine nachhaltige Steigerung der Effizienz und der Effektivität sowie eine Verbesserung der Dienstleistungsqualität im Sinne der Bürger- und Kundenorientierung angestrebt. Anders formuliert: Die Berliner Verwaltung soll in die Lage versetzt werden, künftig mit weniger Mitteln den wachsenden Anforderungen einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit gerecht zu werden.
Abbildung 2:
Interpretation der übergeordneten Ziele der Berliner Verwaltungsreform
Das Neue Berliner Verwaltungsmanagement beruht in wesentlichen Teilen auf den Vorgaben und Empfehlungen der KGSt. Das zentrale Reformelement ist neben einer Dezentralisierung der Fach- und Ressourcenverantwortung in weitgehend selbständigen Verwaltungseinheiten den sogenannten Leistungs- und [Seite der Druckausg.: 31] Verantwortungszentren die Einführung eines ergebnisorientierten Verwaltungsmanagements auf der Basis von betriebswirtschaftlichen Planungs- und Steuerungsinstrumenten. So soll beispielsweise durch Kostenrechnung, Controlling und Berichtswesen die Kostentransparenz erhöht und damit ein wirtschaftliches Verwaltungshandeln überhaupt erst ermöglicht werden. Im einzelnen enthält der Senatsbeschluß zum Neuen Berliner Verwaltungsmanagement vom Mai 1994 folgende wesentliche Eckpunkte:
Zur Unterstützung der geplanten Entwicklungs- und Veränderungsprozesse wurde in der ersten Phase des Reformprojekts externer Sachverstand eingeholt. Hierdurch sollten der notwendige betriebswirtschaftliche Wissenstransfer sichergestellt und die internen Managementkapazitäten erweitert werden, um den angestrebten Kulturwandel in der Berliner Verwaltung im Sinne des Coaching-Ansatzes anzustoßen und zu fördern. Für diese Aufgabe wurden mit der KPMG (Einführung der Kosten- und Leistungsrechnung einschließlich der entsprechenden informationstechnischen Verfahren), der Price Waterhouce/KGSt Consult (Einführung des Neuen Führungs- und Steuerungssystems) und der Arthur D. Little Consulting (Steuerung, Koordinierung sowie Controlling des Gesamtprojekts) drei international renommierte Consulting-Unternehmen verpflichtet. Im Herbst 1994 wurde mit dem Reformprozeß zum Neuen Berliner Verwaltungsmanagement begonnen. Dabei war noch keine flächendeckende Einführung sämtlicher Reformelemente vorgesehen. Vielmehr sollten die einzelnen Konzepte [Seite der Druckausg.: 32] zunächst in ausgewählten Praxisbereichen sowohl der Bezirks- als auch der Senatsverwaltungen hinsichtlich ihrer Einsatzfähigkeit erprobt werden. Mitte Juni 1996 beschloß der Berliner Senat, die Reformprozesse auf alle Senatsverwaltungen einschließlich der nachgeordneten Dienststellen auszudehnen. Vorher waren bereits im April 1995 die Senatskanzlei und die Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen in die Umstrukturierung der Verwaltung einbezogen worden.
6.1.2 Projektansatz und Durchführung
Hochgradig komplexe und innovative Reformprozesse mit einer Vielzahl von Teilprojekten und internen wie auch externen Projektbeteiligten bedürfen einer professioneller Organisationsstruktur. Diese 'Verwaltung der Reform' entscheidet ganz maßgeblich mit darüber, was erreicht aber auch, was nicht erreicht werden kann. Insgesamt ist das Reformprojekt zum Neuen Berliner Verwaltungsmanagement in zehn Teilprojekte unterteilt, die unmittelbar aus den Zielen der Verwaltungsreform abgeleitet sind.
Abbildung 3:
Teilprojekte zur Realisierung der Reformziele
[Seite der Druckausg.: 33] Zur Steuerung des Reformvorhabens wurde ein Lenkungsgremium unter dem Vorsitz des Regierenden Bürgermeisters eingerichtet, dem unter anderem Senatoren, Mitglieder des Abgeordnetenhauses und Vertreter des Rats der (Bezirks-) Bürgermeister sowie der Vorsitzende des Hauptpersonalrats, Vertreter der Gewerkschaften und der externen Beratungsunternehmen angehören. Wesentliche Aufgabe dieses Gremiums ist es, die Reformen politisch zu unterstützen und abzusichern sowie die für den Projektfortgang erforderlichen strategischen Entscheidungen zu treffen. Die fachlich-inhaltliche Grundrichtung des Reformvorhabens wird von einer Steuerungsgruppe unter Leitung der Staatssekretäre der Senatsverwaltungen für Inneres und für Finanzen festgelegt, während die operative Steuerung der Reformprozesse dem Projektmanagement und der Projektleitung obliegt. Verantwortlich für die Reformprozesse vor Ort in den Bezirks- und Senatsverwaltungen sind die Realisierungsbeauftragten, die zugleich in die örtlichen Projektgremien eingebunden sind. Zusätzlich wurden in den beteiligten Verwaltungen je zwei Controlling-Stellen eingerichtet, um den betriebswirtschaftlichen Sachverstand der Verwaltung zu stärken. Der enorme Veränderungsbedarf der Berliner Verwaltung hat von vornherein Reformen der kleinen Schritte ausgeschlossen und einen ganzheitlichen Reformansatz nahegelegt. Nach Überzeugung des Senats kann nur ein grundlegender, alle relevanten Problemdimensionen einbeziehender Prozeß der Personal- und Organisationsentwicklung sicherstellen, daß es zu dauerhaften und in sich konsistenten Veränderungen kommt. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Erfolg des Reformprojekts ist die flächendeckende Einführung des Führungs- und Steuerungssystems zum frühestmöglichen Zeitpunkt in der gesamten Verwaltung. Das Berliner Reformkonzept setzt ganz wesentlich auf eine möglichst breite und konstruktive Unterstützung durch die Verwaltungsbediensteten und deren Vertretungen. Dementsprechend wurde der Hauptpersonalrat bereits frühzeitig in das Lenkungsgremium und die Steuerungsgruppe eingebunden. In einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Land sowie dem Hauptpersonalrat, den Gewerkschaften und den Berufsverbänden wurden darüber hinaus die schutzwürdigen Interessen der Beschäftigten abgesichert und sowie umfassende Qualifizierungsmaßnahmen und ein sozial verträglicher Stellenabbau vereinbart. [Seite der Druckausg.: 34] Das Neue Berliner Verwaltungsmanagement soll sich als prozedurales Reformkonzept im Sinne eines selbstoptimierenden Regelkreises entfalten. Die Umsetzung wird dabei weniger über starre Vorgaben und Regelungen gesteuert. Vielmehr werden die projektierten Verfahren und Instrumente über kollektive Lern- und Gestaltungsprozesse den Gegebenheiten der jeweiligen Verwaltungsbereiche angepaßt, wobei während der Optimierungsphase strukturelle, prozessuale, technologische und personale Aspekte geändert werden.
Abbildung 4:
Das Neue Berliner Verwaltungsmanagement als selbstoptimierender Regelkreis
Grundlage des Reformkonzepts ist der Produktkatalog. Dieser dokumentiert alle Dienstleistungen, die die Verwaltung für die Bürger oder intern für andere Verwaltungsbereiche erstellt. In einer aggregierten Form ist der Produktkatalog zugleich der Ausgangspunkt für Kostenrechnung, Budgetierung, Zielvereinbarung und Controlling. Nach einer Leistungserhebung zwischen Oktober 1994 und April 1995 wurde eine erste Version des Produktkataloges zusammengestellt, die al- [Seite der Druckausg.: 35] lein für die 23 Bezirksverwaltungen 1.565 Produkte ausweist.
[Zur Reduzierung des Steuerungsaufwands ist geplant, den Umfang des Produktkatalogs zu verringern. Mitte 1996 soll ein überarbeiteter Produktkatalog vorliegen.]
Die Kostenrechnung auf Produktbasis ist ein entscheidendes Instrument für eine ergebnisorientierte Verwaltungssteuerung. Sie erlaubt sowohl eine verursacher- als auch eine periodenbezogene Zuordnung der Verwaltungskosten, die Bestimmung kalkulatorischer Kosten und die Erfassung des verwaltungsinternen Leistungsaustauschs. Die ermittelten Kosten je Produkt bilden die Grundlage der Budgetierung, d.h. der produkt- und leistungsbezogenen Zuteilung von Haushaltsmitteln an dezentrale und selbstverantwortlich wirtschaftende Verwaltungseinheiten. Letztere verpflichten sich im Gegenzug zur Erstellung bestimmter, in Form von Zielvereinbarungen festgelegter Leistungen. Adressaten von Budgetierung und Zielvereinbarungen sind die sogenannten Leistungs- und Verantwortungszentren bzw. Dienstleistungsbereiche, die dezentral sowohl die fachliche als auch wirtschaftliche Verantwortung für die Leistungserstellung tragen und nachfrageorientiert arbeiten sollen. Es ist vorgesehen, das Budgetierungssystem in zwei Stufen bis zum Haushaltsjahr 1998 flächendeckend in den Bezirken einzuführen. Das Personalmanagement ist eine wichtiges Fundament der Berliner Verwaltungsreform. Wesentliche Instrumente sind dabei unter anderem:
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Controlling und Berichtswesen stellen eine notwendige Ergänzung der ziel- und ergebnisorientierten Verwaltungssteuerung dar, indem sie die Transparenz des Verwaltungshandelns erhöhen. Durch eine systematische Gegenüberstellung von vereinbarten Leistungszielen und tatsächlich erbrachten Verwaltungsleistungen ermöglichen sie eine Kontrolle der Zielerreichung. Bei Zielabweichungen kann frühzeitig gegengesteuert werden. Das Berliner Reformkonzept will eine Verwaltung der kurzen Wege schaffen. Bürokratie und Hierarchien sollen abgebaut und Verwaltungsbereiche unter ergebnis- und nachfrageorientierten Gesichtspunkten zusammengefaßt werden. Ziel ist es, das Verwaltungshandeln transparenter, flexibler, wirtschaftlicher und bürgerfreundlicher zu gestalten. Dies ist vor allem Aufgabe der Leistungs- und Verantwortungszentren. 6.1.3 Stand und Würdigung der Berliner Verwaltungsreform Seit dem Beginn der Reformprozesse im Herbst 1994 sind wesentliche Elemente zur grundlegenden Modernisierung der Berliner Verwaltung bereits realisiert oder auf den Weg gebracht worden. Das ungebrochen hohe Interesse der Öffentlichkeit und der Beschäftigten an dem Gelingen der Reformen erweist sich dabei als Motor der Verwaltungsmodernisierung. Dieses positive Umfeld für die Umstrukturierung der Verwaltung konnte sich durch die umfassende Einbeziehung des Personals in alle Reformprojekte und -phasen sowie durch eine permanente und detaillierte Unterrichtung der Bürger entwickeln. So sind alle 23 Bezirke sowie 11 Senatsverwaltungen in das Neue Berliner Verwaltungsmanagement eingebunden. Die Prozesse vor Ort werden von 35 Realisierungsbeauftragten gesteuert. Über 50 neu eingestellte Controller stärken das betriebswirtschaftliche Know-how der Verwaltung. An der Erstellung des Produktkataloges waren mehr als 1.000 Amtsleiter beteiligt. 1995 nahmen rund 35.000 Beschäftigte im Rahmen der Qualifizierungsoffensive an Schulungsmaßnahmen teil. 14.000 Beschäftigte wurden in mehr als 400 Veranstaltungen über die Ziele und Verfahren der Verwaltungsreform informiert. Die Reformzeitung "direkt" hat eine monatliche Auflage von 100.000 Exemplaren. Über 400 Presseartikel haben der Reform über die Grenzen der Stadt hinaus Aufmerksamkeit verschafft. [Seite der Druckausg.: 37] Mit den bereits realisierten bzw. eingeleiteten Schritten zur grundlegenden Umgestaltung und Modernisierung der Verwaltung ist die Reform jedoch noch nicht abgeschlossen. Zwar sind wichtige Maßnahmen grundsätzlich entschieden. Die einzelnen Reformelemente müssen aber im Detail weiterentwickelt und konkretisiert werden. Dementsprechend befinden sich die verschiedenen Reformziele in unterschiedlichen Umsetzungsphasen:
Nach dem Ausscheiden der externen Beratungsunternehmen zu Beginn des Jahres 1996 und der Verhängung einer Haushaltssperre haben sich die Rahmenbedingungen für die Verwaltungsmodernisierung verschlechtert. Zwar hat sich auch der neue Senat zu einer uneingeschränkten Fortsetzung des Reformprojekts bekannt. Es wird sich aber erst noch zeigen müssen, ob die Verwaltung auch bei leeren Kassen willens und in der Lage ist, die Reformprozesse aus eigener Kraft weiterzuführen. [Seite der Druckausg.: 38] Unbestritten zählt das Neue Berliner Verwaltungsmanagement nicht zuletzt wegen seiner Dimension und des Tempos der Reformprozesse zu den ehrgeizigsten Vorhaben dieser Art in Deutschland. Der flächendeckende Ansatz hat sich ebenso wie die inhaltliche Ausgestaltung der Verwaltungsreform als grundsätzlich richtig erwiesen. Die gesteckten Reformziele wurden trotz Mängeln in der Terminplanung weitgehend erreicht. Das Gelingen des Berliner Projekts wird anderen Reformbestrebungen auf Bundes- und Länderebene mit Sicherheit erhebliche Schubkraft verleihen.
6.2 Reform der Stadtverwaltung und Haushaltskonsolidierung das Beispiel Hanau
Die Stadt Hanau durchläuft gegenwärtig einen tiefgreifenden Wandel. Ein schwieriger wirtschaftlicher Umstrukturierungsprozeß mit wachsender Arbeitslosigkeit und steigenden Sozialausgaben hat zu erheblichen zusätzlichen Belastungen des städtischen Haushalts geführt. Bei einem kumulierten Defizit von rund 35 Mio. DM weist der städtische Haushalt für das Jahr 1996 eine Deckungslücke von 27 Mio. DM aus. Im Zuge des Genehmigungsverfahrens für den Doppelhaushalt 1996/97 erteilte die Aufsichtsbehörde der Stadt daher die Auflage, ein Konsolidierungskonzept vorzulegen. Damit gilt auch für Hanau: Erst der Druck leerer öffentlicher Kassen hat die Bereitschaft geschaffen, die überfällige Reform der kommunalen Verwaltung in Angriff zu nehmen. Das Reformkonzept der Stadt Hanau orientiert sich weitgehend an den Vorgaben und Empfehlungen zur Einführung eines Neuen Steuerungsmodells in der öffentlichen Verwaltung. Es ist dabei zugleich der Versuch, die Notwendigkeit von substantiellen Einsparungen mit den Erfordernissen einer grundlegenden Strukturreform der Stadtverwaltung in Einklang zu bringen. Als ein entscheidendes Erfolgskriterium für das Gelingen der strukturellen Veränderungen gilt die konsequente Beteiligung der Beschäftigten und deren Bereitschaft, an der konkreten Ausgestaltung und Umsetzung der Reformprozesse mitzuwirken. Um die Verwaltung auf Dauer effizienter und effektiver zu gestalten, wird parallel zur Haushaltskonsolidierung im Zuge eines weithin offenen Reorganisationsprozesses die umfassende Modernisierung der städtischen Verwaltungsstrukturen angestrebt. Ziel des Reformvorhabens ist die betriebswirtschaftliche Neuorientierung der Stadtverwaltung auf der Grundlage des Neuen Steuerungsmodells. Dabei kann [Seite der Druckausg.: 39] Hanau als Verwaltungssitz des Main-Kinzig-Kreises in erheblichen Maße von den Reformerfahrungen auf Kreisebene profitieren, wo bereits seit 1992 eine umfassende Organisationsentwicklung erfolgreich durchgeführt wird.
Abbildung 5:
Haushaltskonsolidierungskonzept der Stadt Hanau
6.2.1 Organisation der Verwaltungsreform
Zu Beginn der Reformprozesse wurde im Herbst 1995 die Stabsstelle 'Strategisches Controlling' eingerichtet. Diese Stabsstelle dokumentiert dabei in erster Linie den Willen der politisch-administrativen Spitze, die Reformen mit Nachdruck voranzutreiben. Ihre zentrale Aufgabe ist es, zunächst die Querschnittsfunktionen Organisation", Personal", Steuerung" und Finanzen" zu bündeln und zu koordinieren sowie Reformvorschläge auszuarbeiten. Darüber hinaus ist das Strategische Controlling für alle Maßnahmen verantwortlich, die im Rahmen der Verwaltungsreform geplant und durchgeführt werden. [Seite der Druckausg.: 40] Arbeits- und Entscheidungsgremium der Verwaltungsreform ist die Projektleitung, die sowohl von Vertretern des Personalamtes und der Dezernenten als auch des Personalrates und der Frauenbeauftragten wahrgenommen wird. Im Rahmen einer sogenannten Dezernentenverfügung wurde diesem Gremium die Ressourcenverantwortung für die klassischen Querschnittsfunktionen Datenverarbeitung, Organisation, Personal und Finanzen übertragen, um die z.T. unklaren Zuständigkeitsbereiche der Ämter und Dezernate zu umgehen und damit eine Neukonzipierung der Verwaltungsstrukturen zu erleichtern. [ Das Auseinanderklaffen der Zuständigkeiten von Amt und Dezernat ist eine Folge der unechten Magistratsverfassung des Landes. Im Zuge der Reform sollen die Zuständigkeiten neu geordnet werden, um nicht zuletzt den umfangreichen Verwaltungs-„Binnenverkehr„ zu reduzieren.] Entscheidungen werden in der Projektleitung dabei nach dem Konsensprinzip getroffen und mögliche Konflikte offen ausgetragen. Die Mitglieder dieses Gremiums halten die politischen Entscheidungsträger über den Fortgang der Reformprozesse auf dem Laufenden und stellen so eine enge Verzahnung von politischer und administrativer Ebene sicher. Gemeinsam mit der Stabsstelle Strategisches Controlling werden in der Projektleitung Reformvorschläge vorbereitet und der Dezernentenrunde als oberstem Gremium der Hanauer Verwaltungsreform zur Entscheidung vorgelegt. Die Dezernentenrunde begreift sich in erster Linie als ein ressortübergreifendes Führungsgremium des 'Dienstleistungsunternehmens Kommunalverwaltung'. Wie in der Projektleitung werden auch hier Entscheidungen unabhängig von Ressortzuständigkeiten gemeinsam getroffen und nach außen vertreten. Hierdurch soll zum einen eine breite politische Basis der Verwaltungsreform sichergestellt und zum anderen dem Mißtrauen und den Ängsten der Beschäftigten gegenüber den Reformprozessen begegnet werden.
6.2.2 Mitarbeiterorientierung als Erfolgsfaktor
Der Hanauer Reformansatz geht davon aus, daß tiefgreifende strukturelle Veränderungen nur über eine konsequente Mitarbeiterbeteiligung zu realisieren sind. Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sind ein wesentlicher Erfolgsfaktor für das Gelingen der Verwaltungsmodernisierung. Als wichtigstes Element und Potential der Verwaltung ist deren Motivation und Qualifikation die Vorausset- [Seite der Druckausg.: 41] zung für eine dauerhafte Verbesserung der Effizienz und der Effektivität der öffentlichen Leistungserstellung. Neben der Mitwirkung des Personalrates in der Projektleitung sind die Beschäftigten der Verwaltung über zahlreiche Informations- und Qualifizierungsmaßnahmen auch unmittelbar in die Reformen eingebunden. Ziel ist es, Befürchtungen und Ängste der Beschäftigten abzubauen und sie zur konstruktiven Mitarbeit an der Ausgestaltung und Umsetzung der Reformprozesse zu motivieren. Die Beteiligung der Beschäftigten an den Reformprozessen erfolgt nicht allein als Selbstzweck. Vielmehr ist sie zugleich ein strategisches Instrument, um Druck 'von unten' aufzubauen und so die Reformen voranzutreiben. Die Einbindung der Beschäftigten in die Reformprozesse erfolgt auf mehreren Ebenen. So ist von der Projektleitung geplant, in halbjährlichen offenen Plenumsveranstaltungen über den Fortgang der Verwaltungsreform zu diskutieren. Weiterhin sollen in den Projekten vor Ort Analysegruppen gebildet werden, die die bestehenden Strukturen untersuchen, Modelle erarbeiten und die Umsetzung der Veränderungen begleiten. Darüber hinaus informiert die monatlich erscheinende 'Stattzeitung' die Beschäftigten über alle wesentlichen Entwicklungen und Entscheidungen in Bezug auf die Verwaltungsreform. Voraussetzung für die aktive Mitarbeit an den Reformprozessen ist die Teilnahme an eintägigen Qualifikationsveranstaltungen zum Thema Verwaltungsreform. Diese Veranstaltungen, die von Beschäftigten und Führungskräften gleichermaßen besucht werden, sollen über die wesentlichen Ziele und Verfahren der Reform informieren sowie die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln. Neben den allgemeinen Informations- und Qualifizierungsveranstaltungen sind die Amts- und Sachgebietsleiter zusätzlich über den Arbeitskreis der Führungskräfte in die Reformprozesse eingebunden. Der Arbeitskreis trifft sich alle drei Monate, um unter Anleitung der Controller und gemeinsam mit den Dezernenten Fragen und Probleme im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform zu diskutieren. Dabei gilt es, insbesondere den Befürchtungen der Führungskräfte, im Verlauf der Umstrukturierungen an Kompetenz und Macht zu verlieren, entgegenzuwirken und gemeinsam eine tragfähige Reformperspektive zu entwickeln. [ Führungskräfte werden gemeinhin als „Mikropolitiker„ ( Bosetzky 1977) bezeichnet, deren Einstellung und Haltung entscheidend für das Gelingen von strukturellen Veränderungen ist.] [Seite der Druckausg.: 42]
Abbildung 6:
Qualifizierungsangebote im Rahmen der Verwaltungsreform
In personeller Perspektive ist die Verwaltungsreform vor allem der Versuch, Informationen umfassend bereitzustellen und Prozesse transparent zu machen mit dem Ziel, Beharrungsvermögen und Widerstände gegenüber den notwendigen Reformen und Veränderungen zu überwinden und die Beschäftigten für die Umstrukturierungen zu mobilisieren.
6.2.3 Einbindung der Politik
Das Verhältnis von Politik und Verwaltung ist in Hanau und nicht nur dort vor allem durch Mißtrauen geprägt. Zwar hält die Politik eine Verwaltungsreform grundsätzlich für sinnvoll, bezweifelt jedoch die Reformierbarkeit der Verwaltung. Umgekehrt spricht die Verwaltung der Politik jegliche Kompetenz und Zuständigkeit in administrativen Fragen ab. Erschwerend kommt hinzu, daß grundlegende Strukturreformen der Verwaltung erst mittel- und langfristig zum Tragen kommen, während die Politik in erster Linie an kurzfristig vorzeigbaren Ergebnissen interessiert ist. [Seite der Druckausg.: 43] Um den wechselseitigen Vorbehalten und Mißverständnissen zu begegnen, den Dialog von Politik und Verwaltung zu institutionalisieren und die Reform der Stadtverwaltung politisch abzusichern, wurde zunächst eine interfraktionelle Arbeitsgruppe gebildet. Diese Gruppe informiert sich laufend über den Fortgang der Reformprozesse und wirkt zugleich bei der Ausgestaltung von politischen Steuerungsinstrumenten mit. Darüber hinaus ist die Projektleitung bereit, die Fraktionen und Ausschüsse direkt über die Reformprozesse zu informieren und diese so unmittelbar in die Verwaltungsmodernisierung einzubinden.
6.2.4 Reorganisationsprozeß am Beispiel der Voltstreckungsstelle
Daß die in Organigrammen niedergelegten Zuständigkeitsstrukturen und Entscheidungsabläufe oftmals nur zum Teil die realen Gegebenheiten der Verwaltung widerspiegeln, zählt inzwischen zu den Grundtatsachen des öffentlichen Sektors. Im folgenden soll am Beispiel der Reorganisation der Vollstreckungsstelle bei der Stadtverwaltung Hanau aufgezeigt werden, daß in den 'informellen Strukturen' zugleich ein erhebliches Effizienz- und Effektivitätspotential steckt. Bis Ende 1995 waren bei der Vollstreckungsstelle enorme Rückstände bei der Bearbeitung von Pfandaufträgen aufgelaufen. Mit außenstehenden Forderungen in Höhe von 10 Mio. DM bei rund 10.000 unerledigten Fällen betrug der zeitliche Rückstand knapp zwei Jahre. Zugleich machte die hohe Fluktuation die Einarbeitung immer neuer Mitarbeiter nötig, was zum einen die Auftragserledigung zusätzlich verzögerte, zum anderen aber bereits auf gravierende personelle und organisatorische Probleme hinwies. Ausgelöst wurde der Reformprozeß letztlich jedoch durch die Forderung der Vollstreckungsstelle, drei zusätzliche Stellen einzurichten und eine generelle Stellenanhebung durchzuführen. Bei einer Zustandsanalyse gezeigte sich, daß die ursprünglich geplante Aufgabenverteilung sowie der Arbeitsablauf in der Praxis eine Reihe von 'informellen' Modifikationen erfahren hatte. So war beispielsweise im Innendienst eine Hierarchie der Sachbearbeiter entstanden. Hier wurden die Pfändungsaufträge nach Buchstaben bearbeitet, während die Einteilung der Vollstreckungsbeamten nach Bezirken erfolgte. Das Resultat war ein tiefgestaffelter Arbeits- und Entschei- [Seite der Druckausg.: 44] dungsprozeß, der nicht nur erheblichen Mehraufwand, sondern vor allem eine deutliche Ausdehnung der Verfahrensdauer zur Folge hatte. Immer wieder wird betont, daß die Stärken der Kommunalverwaltung weniger in der Effizienz als vielmehr in der Effektivität und Rechtmäßigkeit der Verfahren und Prozesse zu suchen sind. Tatsächlich jedoch stellen gerade lange Verfahrenszeiträume diese Vorzüge in Frage: Die mangelnde Effizienz verkehrt letztlich die durchaus vorhandene Effektivität und Rechtmäßigkeit in ihr Gegenteil. So konnten zum Beispiel in Hanau 'Kunden' der Verwaltung einen Veranstaltungssaal der Stadt bis zu siebenmal mieten, ohne auch nur ein einziges Mal zu bezahlen! In einem ersten Schritt des Reorganisationsprozesses wurde zunächst die Trennung von Innen- und Außendienst aufgelöst und durch eine teambezogene Organisationsstruktur ersetzt. Die Fallbearbeitung soll künftig ganzheitlich innerhalb der Teams erfolgen, die autonom über ihre Arbeitsweise entscheiden und für die Ergebnisse gegenüber der Amtsleitung verantwortlich sind. Die Qualität der einzelnen Arbeitsteams wird mit Hilfe ihrer jeweiligen Leistungserfolge nachgewiesen. Damit werden die Grundlagen für einen verwaltungsinternen Wettbewerb und die Voraussetzungen für eine kontinuierliche Optimierung der bestehenden Verfahren und Prozesse mittels Vergleich der Arbeitsergebnisse geschaffen. Abbildung 7: Maßnahmen zur Reorganisation der Vollstreckungsarbeit
[Seite der Druckausg.: 45] Operatives Ziel des Reorganisationsprozesses der Vollstreckungsstelle für die Jahre 1996/97 ist der Abbau der außenstehenden Forderungen auf 5 Mio. DM und der Rückstände auf 2.000 Pfandaufträge sowie eine Reduzierung der Bearbeitungsdauer auf durchschnittlich sechs Monate. Im selben Zeitraum sollen zugleich die teamorientierte Organisationsstruktur umgesetzt, Instrumente zur Überwachung der Zielerreichung (Produktdefinition) entwickelt sowie die entsprechenden Vereinbarungen zwischen der politischen Ebene und den Fachämtern im Rahmen eines Kontraktmanagements getroffen werden.
6.2.5 Resümee zur Hanauer Strukturreform
Die Strukturreform der Stadtverwaltung Hanau befindet sich knapp ein Jahr nach Beginn der Prozesse noch in ihrer konzeptionellen Phase. Die eingeleiteten Reformen orientieren sich dabei weithin an den Vorgaben der KGSt zur Einführung eines Neuen Steuerungsmodells, die jedoch an die spezifischen Besonderheiten der Stadt angepaßt wurden. Neben der langfristig angestrebten Verschlankung und Enthierarchisierung der Strukturen stehen die Mitarbeiter im Mittelpunkt der Verwaltungsmodernisierung. Deren konsequente und umfassende Beteiligung wird als die zentrale Voraussetzung für das Gelingen der strukturellen Veränderungen angesehen.
6.3 Neuer Organisationsentwicklungsprozeß im Landkreis Kassel
Der Landkreis Kassel hat rund 230.000 Einwohner. Seine Verwaltung weist knapp 1.200 Beschäftigte und einen Schuldenstand von mehr als 460 Mio. DM (1995) auf. Hier wurde bereits 1993 ein umfassendes Modernisierungsprogramm eingeleitet, da sich weitere Zunahmen des Haushaltsdefizits und eine Strukturkrise der öffentlichen Haushalte abzeichneten. Neben den klassischen Sparkampagnen zur Überwindung der akuten Finanzkrise mußten insbesondere bei den Personal- und Sachkosten neue Wege beschritten werden, um den Zuschußbedarf der einzelnen Verwaltungseinheiten zu reduzieren, zumindest jedoch steigende Leistungsanforderungen mit den gegebenen Ressourcen zu bewältigen. Die konzeptionelle Neuorientierung sollte vor allem zu einer deutlichen und [Seite der Druckausg.: 46] nachhaltigen Effizienzsteigerung innerhalb der Landkreisverwaltung führen. Ansatzpunkte für die Verwaltungsmodernisierung waren unter anderem:
Vor diesem Hintergrund beschloß der Kreistag im September 1994, eine über die bis dahin bereits realisierten bzw. geplanten Veränderungen hinausgreifende Organisationsentwicklung durchzuführen.
6.3.1 Konzeptionelle Grundlagen
Als eine Form des geplanten Wandels ist Organisationsentwicklung ein längerfristig angelegter, umfassender Entwicklungs- und Veränderungsprozeß von Organisationen und der in ihnen tätigen Menschen. Der Prozeß beruht im wesentlichen auf dem Lernen der Betroffenen sowohl durch direkte Mitwirkung (Partizipation) als auch durch praktische Erfahrungen. Dabei geht es um die Lösung von konkreten Problemen der täglichen Zusammenarbeit. Ziel ist die gleichzeitige Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation und der Qualität der internen Arbeits- und Kommunikationsbeziehungen. Mit dem Konzept der Organisationsentwicklung verfolgt der Landkreis im einzelnen folgende Ziele:
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Die zu Beginn des Modernisierungsprozesses geschaffene Projektorganisation hat die Aufgabe, die geplanten Projekte zu realisieren und zu überwachen. Als zentrales Koordinierungs- und Entscheidungsorgan wurde eine Lenkungsgruppe eingerichtet, in der die Dezernenten, die Amtsleiter der Querschnittsämter, der Personalrat, die Frauenbeauftragten, ein Vertreter der Gewerkschaft ÖTV, Sprecher von Projektgruppen, die Forschungsgruppe 'Verwaltungsautomation' der Gesamthochschule Kassel sowie das Projektbüro 'Organisationsentwicklung' vertreten sind. Im einzelnen übernimmt die Lenkungsgruppe die Globalsteuerung und die Prozeßverantwortung im Rahmen des Organisationsentwicklungsprozesses. Weiter erarbeitet sie eigenverantwortlich Modernisierungsvorschläge und trifft Entscheidungen dort, wo konkrete Vorgaben fehlen. Schließlich ist die Lenkungsgruppe zuständig für die konsensorientierte Entscheidungsfindung und Offenlegung von möglichen Konflikten. Die laufende Geschäftsführung und Projektkoordination wurde einem besonderen Projektbüro übertragen.
6.3.2 Kooperationsvertrag mit der Gewerkschaft
Zur Absicherung des geplanten Organisationsentwicklungsprozesses wurde im Juni 1995 ein Kooperationsvertrag zwischen dem Landkreis Kassel auf der einen und der Gewerkschaft ÖTV sowie dem Gesamtpersonalrat auf der anderen Seite geschlossen. Hierdurch konnte die Arbeitnehmervertretung verantwortlich in den Modernisierungsprozeß eingebunden und darüber hinaus den anfänglichen Befürchtungen der Beschäftigten vor einem Personal- und Stellenabbau begegnet werden. Wesentliche Bestandteile dieses Kooperationsvertrags betreffen:
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6.3.3 Externe Prozeßberatung Die Forschungsgruppe 'Verwaltungsautomation' der Gesamthochschule Kassel wurde mit der externen Beratung des Organisationsentwicklungsprozesses beauftragt. Die Mitwirkung der Forschungsgruppe als wichtigem Element der Objektivität und Neutralität konzentrierte sich dabei im wesentlichen auf Fragen der praktischen Vorgehensweise, der Umsetzung von Einzelmaßnahmen, der Anwendung sozialwissenschaftlicher Methoden sowie der Entwicklung von Lösungsansätzen. Der im Oktober 1994 begonnene Organisationsentwicklungsprozeß wird laufend fortgesetzt. Der Beratungsvertrag mit der Gesamthochschule Kassel endete Anfang Juli 1996. Während der Beratungen wurden 25 Mitarbeiterinnen der Verwaltung als interne Moderatoren für den Organisationsentwicklungsprozeß geschult.
6.3.4 Start des Reformprozesses und Projektverlauf
Während der Startphase des Organisationsentwicklungsprozesses wurden mehrere Workshops mit der Lenkungsgruppe durchgeführt. Hierbei galt es, auf Basis einer Analyse der Defizite und Schwachstellen der traditionellen Verwaltung zunächst Vorschläge für Leitbilder einer modernen Verwaltung zu erarbeiten. Weiterhin befassten sich die Workshops mit Möglichkeiten und Grenzen eines verbesserten Führungsverhaltens im Rahmen eines qualifizierten Managements sowie mit Fragen der Arbeitsgestaltung und Optimierung der Ablauforganisation. Auf Anregung der Lenkungsgruppe wurde in einer ersten Prozeßphase mit der Sammlung von Ideen für mögliche Pilotprojekte begonnen. Den konzeptionellen Rahmen für solche Projekte erarbeitete die Lenkungsgruppe gemeinsam mit der [Seite der Druckausg.: 49] Forschungsgruppe der Gesamthochschule Kassel. In der Folge nahmen Projektgruppen, Mitarbeiterzirkel und Arbeitsgruppen unter breiter Beteiligung der Beschäftigten in den Ämtern und Abteilungen ihre Aktivitäten auf. Dabei stand die Entwicklung von Vorschlägen, Konzepten, Lösungsansätzen sowie praxisnahen Umsetzungsmöglichkeiten im Vordergrund. Dieser partizipativ ausgerichtete Modernisierungsprozeß sollte einer möglichst großen Zahl von Beschäftigten die Möglichkeit bieten, sich aktiv an dem Organisationsentwicklungsprozeß zu beteiligen. Hiervon erhoffte man sich eine gesteigerte Akzeptanz der Maßnahmen mit letztlich positiven Auswirkungen auf die Umsetzungsstrategie. Bislang wurden u.a. für folgende Problemstellungen Projektgruppen oder Mitarbeiterzirkel eingerichtet:
6.3.5 Erste Zwischenbilanz Der Anfang Oktober 1994 eingeleitete Organisationsentwicklungsprozeß hat sich inzwischen mit beachtlicher Eigendynamik auf verschiedenen Ebenen etabliert. Mit dem ganzheitlichen Arbeitsansatz wurden gemeinsam mit den Betroffenen und Beteiligten vielfältige Problemstellungen bearbeitet und praxisgerechte Lösungen entwickelt. Die zahlreichen auf den Weg gebrachten Reformprojekte zeigen insgesamt ein positives und ermutigendes Bild. Gleichwohl haben sich manche Projekte in der Praxis schwieriger gestaltet als zunächst erwartet. Im einzelnen ist es gelungen, die Personalkosten bereits erheblich zu reduzieren, so etwa durch die Einsparung von 23 Planstellen in den Jahren 1995 und 1996. Damit wurde einer Vorgabe der Aufsichtsbehörde entsprochen, die Personalko- [Seite der Druckausg.: 50] sten um 2 Mio. DM je Haushaltsjahr abzubauen. Darüber hinaus konnten durch eine Optimierung von Arbeitsabläufen und durch ein effizienteres Verwaltungshandeln erhebliche Einsparungen auch im Sachkostenbereich realisiert werden. Insgesamt wurde aber deutlich, daß Organisationsentwicklungsprozesse erst langfristig ihre volle Wirkung entfalten. Tiefgreifende und nachhaltige Veränderungen brauchen vor allem Geduld und Zeit, um geeignete und zukunftsorientierte Anpassungs- und Problemlösungsstrategien zu entwickeln und umzusetzen. Unabhängig hiervon konnte jedoch bereits eine Reihe von positiven Nutzeffekten erzielt werden:
6.3.6 Aktuelle Vorhaben Bei der Fortsetzung des Organisationsentwicklungsprozesses im Landkreis Kassel gewinnen u.a. die Personalentwicklung und die betriebswirtschaftliche Neu- [Seite der Druckausg.: 51] orientierung der Verwaltung im Rahmen des Neuen Steuerungsmodells mehr und mehr an Bedeutung. Angestrebt wird auch eine noch engere Verzahnung von Verwaltungsspitze und Politik im Sinne eines Kontraktmanagements. Für eine zukunftsorientierte Führung und Steuerung ist insbesondere eine deutliche Erhöhung der Transparenz des Verwaltungshandelns notwendig. Nur wenn ausreichend Transparenz über die Ziele und Prioritäten, den Leistungsumfang und die Qualitätsstandards sowie die Personal- und Sachkosten besteht, können Trends und Veränderungen im sozio-kulturellen und ökonomischen Umfeld der Verwaltung frühzeitig erkannt und geeignete Maßnahmen eingeleitet werden. Vor diesem Hintergrund hat sich die Lenkungsgruppe bereits frühzeitig mit der Frage einer neuen Steuerung befaßt und entschieden, zunächst eine Produktbeschreibung in der Gesamtverwaltung durchzuführen. Die definierten Verwaltungsprodukte sind dann als zentrale Steuerungsgrößen zu verwenden. Sie bilden die Ausgangsbasis und den gemeinsamen Bezugspunkt für folgende Bereiche:
Zur Verbesserung der Verwaltungssteuerung sollen künftig auch die Einrichtung einer Finanzcontrolling-Stelle und die verstärkte Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien beitragen. Insgesamt kann festgehalten werden, daß die Modernisierung der Verwaltung des Landkreises Kassel neben spürbaren Entlastungen bei den Personal- und Sachkosten bereits zu deutlichen Effizienz- und Effektivitätssteigerungen geführt hat. Zentrale Voraussetzung hierfür war und ist die breite Akzeptanz der Reformansätze sowohl im politischen Raum als auch innerhalb der Verwaltung. Die Landkreisverwaltung verfügt über ein bislang weitgehend noch brach liegen- [Seite der Druckausg.: 52] des Potential an qualifizierten Mitarbeiterinnen, die durchaus bereit sind, einen Beitrag zur Kostensenkung sowie zur Steigerung von Effizienz und Effektivität des Verwaltungshandelns zu leisten. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2002 |