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[Seite der Druckausgabe: 4 / Fortsetzung]


2. Die Wirtschaftskrise und ihre Auswirkung auf die Region Stuttgart

Das Jahr 1993 war für die deutsche Wirtschaft schlichtweg ein Desaster - auf diesen Nenner bringt ein Manager aus der Region Stuttgart die wirtschaftliche Entwicklung im Jahre 1993. Konkurse und Massenentlassungen wurden zum traurigen Merkmal dieses Jahres, das als bislang schwerstes Krisenjahr der erfolgsverwöhnten deutschen Wirtschaft in die Geschichte der Bundesrepublik einging. Nach einem Jahrzehnt ununterbrochenen Wachstums wurde ein Konjunktureinbruch zunächst angesichts der globalen Wirtschaftskrise als etwas Normales angesehen. Die Tiefe des Konjunktureinbruchs offenbarte jedoch rasch, daß es sich bei dieser Krise um mehr als eine typisch zyklische Rezession handelte. Vielmehr legte die Rezession strukturelle Schwächen und Defizite der deutschen und besonders der baden-württembergischen Wirtschaft offen, die sich seit Mitte der 70er Jahre durch versäumte oder zu langsame Anpassungen an die sich grundlegend wandelnde Weltwirtschaft kumuliert hatten. Die Krise der deutsche Wirtschaft entpuppte sich als grundlegende Strukturkrise.

2.1 Die Hintergründe der Krise

In den letzten Jahren haben sich die internationalen Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft grundlegend gewandelt. Die zentralen Aspekte waren dabei:

  • Die ostasiatische Konkurrenz und ganz besonders die japanische Wirtschaft sind gestützt auf eine hochentwickelte Produktionstechnik, hohe Arbeitsdisziplin und langfristige Strategien in die Kernmärkte der deutschen Industrie, Automobilindustrie und Werkzeugmaschinen, vorgedrungen. In beiden Bereichen hatten die Japaner in den 80er Jahren die deutschen Unternehmen vom wichtigen nordamerikanischen Markt zurückgedrängt.

  • In den neuen Industrie- und Schwellenländern Asiens ist eine neue wirtschaftliche Konkurrenz entstanden. Auf der Basis eines engen Technologieverbundes mit Japan und den vergleichsweise ausgesprochen niedrigen Löhnen sind diese Länder in die Märkte der Standardprodukte des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, des Automobilbaus und der chemischen Industrie vorgedrungen. Der Konkurrenzdruck aus diesen Ländern hat sich in den letzten Jahren stetig verstärkt und wird in den kommenden Jahren weiter zunehmen.

  • Die Weltwirtschaft erlebt seit einigen Jahren eine Globalisierung der Märkte und Unternehmen, in der die Großunternehmen die Errichtung weltweiter Stützpunkte für Vermarktung, Produktion und Forschung intensivieren. Heutzutage muß ein Produzent im internationalen Wettbewerb als "global player" auf allen Teilmärkten der Welt in Erscheinung treten. Und zwar nicht nur durch den weltweiten Vertrieb von Produkten, sondern auch durch eine Produktion in direkter Nähe zum jeweiligen Absatzmarkt, da nur so Verkaufschancen durch kundenorientierte Produktion und Marketing realisiert

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    werden können. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist die Standortwahl von Daimler-Benz für die Produktion des Geländewagens. So wird Daimler-Benz die Produktion des Geländewagens in die USA verlegen, da dort auch der Hauptabsatzmarkt für dieses Fahrzeug ist. Dagegen wird der kleine Stadtwagen des Unternehmens im Mittelpunkt des potentiellen Absatzmarktes Westeuropa produziert.

  • Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes und dem Zusammenbruch der realsozialistischen Systeme in Osteuropa sind in unmittelbarer Nachbarschaft zu Deutschland neue industrielle Produktionsstandorte mit einigen Vorteilen gegenüber Deutschland entstanden: Niedrigere Lohnkosten trotz unmittelbarer Nähe zum westeuropäischen Markt und relativ gut ausgebildete, flexible und motivierte Arbeitskräfte. Die zunehmende Industrialisierung der jungen Staaten Osteuropas mit zum Teil sehr modernen Produktionsanlagen hat zu einer entscheidenden Wettbewerbsveränderung für die deutsche Wirtschaft geführt. Erstmals befinden sich Billiglohnländer in direkter Nachbarschaft zu Deutschland. Für ein Unternehmen ist es logistisch gesehen kein Unterschied, ob die Produktion in Ostsachsen oder in Tschechien stattfindet. Da der Umtauschkurs jedoch bei 1:10 liegt, ist es verständlich, daß viele Unternehmen den günstigeren Standort Tschechien präferieren. Mittelfristig birgt diese Entwicklung aber nach Ansicht eines SPD-Wirtschaftspolitikers aus der Landesregierung auch Chancen für die deutsche Wirtschaft. So werde sich der Wechselkurs auf Dauer korrigieren und in direkter Nähe zu Deutschland ein riesiger Absatzmarkt entstehen. So wie die japanische Wirtschaft in der Vergangenheit von einer starken Handelsbeziehung zu den "Tigern" vor ihrer Haustür profitiert habe, könnten sich hier für die deutsche Wirtschaft mittelfristig sehr positive Absatzchancen ergeben.

Neben diesen globalen Veränderungen offenbarten sich in der Krise aber auch spezifische Strukturdefizite der deutschen Wirtschaft. So erwies es sich als großer Nachteil, daß die deutsche und ganz besonders die baden-württembergische Wirtschaft in den Hochtechnologien und den regionalen und technologischen Zukunftsmärkten nur unzureichend präsent ist. Neue Schlüsseltechnologien sind die Informationstechnik, Biotechnik, neue Werkstoffe, neue Energien, Luft- und Raumfahrttechnik und Umwelttechnik; hier finden zur Zeit die großen Innovationsschübe statt. Im Bereich der Umwelttechnik sind die Unternehmen Deutschlands und ganz besonders die baden-württembergische Industrie international führend, in den Bereichen Industrieautomatik, den Übertragungs- und Vermittlungssystemen der Telekommunikation, in der Autoelektronik, in der Medizinelektronik und in der Luft- und Raumfahrttechnik hat die baden-württembergische Wirtschaft immerhin eine starke Stellung. In den Schlüsselbereichen der Informationstechnik, Halbleitern, Computern und der zur Hochtechnologie gewordenen Unterhaltungselektronik ist die deutsche Position jedoch ausgesprochen schwach. Hier dominiert die US-amerikanische, japanische und nordeuropäische Konkurrenz. Die Schwäche in diesen Marktsegmenten bedroht zugleich die Bereiche der Informationstechnik, in denen die deutsche Wirtschaft zur Zeit noch stark ist.

Unter diesen Rahmenbedingungen gerieten die klassischen deutschen Industrien unter einen erheblichen Konkurrenzdruck, dem sie nicht standhalten konnten. Die deutsche und besonders die baden-württembergische Wirtschaft sind international zwischen die Mühlsteine der Niedriglohnländer einerseits und der Hochtechnologieländer Japan und USA andererseits geraten, wie es die baden-württembergische Zukunftskommission formuliert hat: "Der untere Mühlstein droht Schicht für Schicht unserer klassischen Produktionen wegzureiben, der obere Mühlstein reduziert unsere Hochtechnologie-Industrien". Nach Ansicht von Ex-

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perten muß zur Bewältigung der Krise einerseits die internationale Wettbewerbsfähigkeit in den traditionellen Branchen der deutschen Wirtschaft wiederhergestellt und gesichert werden und andererseits durch eine effiziente Aufholstrategie in neue Technologien und neue industrielle Felder vorgestoßen werden.

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2.2 Aspekte der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft

Seit Beginn der Wirtschaftskrise in der Bundesrepublik Deutschland wird in Politik und Wirtschaft eine heftige und kontroverse Diskussion über die Ursachen der Wettbewerbsprobleme in der deutschen Wirtschaft und natürlich vor allem über die Maßnahmen, die zur Wiedererlangung der Wettbewerbsfähigkeit notwendig sind, geführt. Solche Diskussionen sind in Krisenzeiten nichts ungewöhnliches - vergleichbare Debatten gab es in Deutschland auch bei der dem Ölpreis-Schock folgenden Rezession Mitte der siebziger Jahre und der Stabilisierungskrise Anfang der achtziger Jahre. Die besondere Tiefe der aktuellen Wirtschaftskrise und vor allem die dramatischen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt mit der wachsenden Massenarbeitslosigkeit haben der aktuellen Diskussion jedoch besondere Bedeutung zukommen lassen. Hinzu kommt, daß bei der Frage der Konsequenzen aus der Krise diesmal auch über die Grundlagen der bundesdeutschen Sozialordnung diskutiert wird: Unternehmer und Vertreter ihrer Interessenverbände fordern im Rahmen der Standortdiskussion eine vollkommene Neuorientierung in der Sozialpolitik. Der Sozialstaat alter Prägung sei zu einem "Wohlfahrtsstaat" mutiert, dessen Finanzierung von der Gesellschaft nicht mehr leistbar sei. Die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland erfordere daher eine grundlegende Neukonzeption der sozialstaatlichen Ordnung in Deutschland. Und schließlich ist die Debatte über die Zukunft der deutschen Wirtschaft in Superwahljahr 1994 zu einem der dominierenden Wahlkampfthemen geworden.

Im bisherigen Verlauf der "Standortdiskussion" waren die Unternehmer und ihre Interessenverbände meinungsführend. Sie werfen den Politikern vor, daß die Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft generell nicht mehr stimmten. Es gäbe in Deutschland heute ein ganzes Bündel von Standortdefiziten, das die deutschen Unternehmen im Vergleich zur ausländischen Konkurrenz massiv beeinträchtige. Die Löhne und Lohnnebenkosten seien zu hoch, die deutschen Arbeitnehmer hätten die im internationalen Vergleich kürzesten Arbeitszeiten, den meisten Urlaub und die höchsten krankheitsbedingten Fehlzeiten. Hinzu kämen "übertriebene" Arbeitsschutzregeln und die im Ergebnis zu kurzen Maschinenlaufzeiten, eine zu hohe Steuern- und Abgabenbelastung der Unternehmen, die hohen Energiepreise und schließlich die umfassendsten und damit teuersten Umweltauflagen der Welt. Im Ergebnis befände sich die deutsche Wirtschaft in einer "Kostenkrise"; Arbeit sei heute in Deutschland schlichtweg zu teuer. Wenn die deutschen Unternehmen angesichts des wachsenden Drucks aus den Niedriglohnländern in Asien und Osteuropa wettbewerbsfähig bleiben bzw. wieder werden wollten, dann müßten nach Auffassung der Unternehmer die Kosten der Arbeit in Deutschland erheblich reduziert werden. Viele Politiker unterstützen diese Position. So forderte beispielsweise der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Erwin Teufel, in seiner Regierungserklärung zur "Zukunftsfähigkeit des Standortes Baden-Württemberg" im September 1993: "Gefordert sind vor allem auch die Tarifpartner. Wir arbeiten zu kurz, zu wenig flexibel und wir produzieren zu teuer. Wir haben sehr hohe Lohnkosten und werden sie auch in Zukunft haben. Die Lohnschere zu anderen Ländern darf sich aber nicht weiter öffnen. Deswegen sind reale Lohnsteigerungen in den nächsten Jahren nicht zu verkraften".

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Daher sehen sich Gewerkschaftsvertreter durch die herrschende Meinung in der Standortdebatte in die Defensive gedrängt und unter Druck gesetzt. Sie betonen, daß sich große Teile der Arbeitnehmerschaft durch diese Diskussionen verunsichert und in ihren Perspektiven bedroht sähen, vor allem da Arbeitgeber und viele Politiker nur noch von "Null- und Minusrunden für lange Jahre" sprechen.

Worum geht es im einzelnen:

2.2.1 Die Lohnkosten in Deutschland

Bei der Diskussion um zu hohe Lohnkosten in Deutschland wird sowohl die Höhe der originären Löhne und Gehälter, als auch die der sogenannten Lohnnebenkosten kritisiert. Bei den Lohnnebenkosten handelt es sich um die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung (Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) das Gehalt für bezahlte Feiertage, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, das Urlaubsgeld, Gratifikationen, Leistungen für betriebliche Altersversorgung sowie sonstige Personalnebenkosten. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft beliefen sich die Lohnnebenkosten 1993 in der Industrie auf durchschnittlich 45 Prozent der gesamten Arbeitskosten. Ungefähr die Hälfte dieser Lohnnebenkosten machten dabei die auf gesetzlichen Bestimmungen basierenden Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung aus; der restliche Teil basiert auf freiwilligen Sozialleistungen der Betriebe. 1994 sind diese Werte durch die Erhöhung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Rentenversicherung weiter angestiegen und für 1995 ist durch die von der Bundesregierung geplante Einführung des "Solidaritätszuschlags" eine weitere Erhöhung zu erwarten.

Nach einem internationalen Vergleich des Instituts der deutschen Wirtschaft sind die durchschnittlichen industriellen Arbeitskosten in Deutschland weltweit am höchsten. 1993 hat eine Arbeitsstunde in der deutschen Industrie durchschnittlich 42,70 DM gekostet. In dieser Rangskala folgt die Schweiz mit durchschnittlichen Arbeitskosten von 39,60 DM vor Japan mit 37,30 DM. Die USA liegen mit lediglich 27,80 DM pro Arbeitsstunde wesentlich günstiger als viele ihrer Hauptkonkurrenten. Absolutes Billigland in Westeuropa ist Portugal, wo eine industrielle Arbeitsstunde gerade mal 7,80 DM kostet.

Auf der Basis dieser Zahlen fordern Unternehmer und Wirtschaftsverbände eine deutliche Reduzierung der Arbeitskosten. Nur auf diesem Wege lasse sich die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wiederherstellen und dauerhaft sichern. Um dieses Ziel zu erreichen dürften die Löhne und Gehälter in den nächsten Jahren bestenfalls bescheiden ansteigen. Außerdem müßten die Lohnnebenkosten deutlich reduziert werden. Da das Anwachsen der Lohnnebenkosten in den letzten Jahren primär durch steigende Kosten für die soziale Sicherung und die wachsende Arbeitslosigkeit verursacht wurde, sollen deshalb die staatlichen Sozialleistungen reduziert werden. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelstages Hans Peter Stihl hatte in den letzten Monaten wiederholt eine Überprüfung aller sozialen Leistungen von der Sozialhilfe bis zum Rentensystem gefordert. Ein Unternehmensberater ergänzt, daß der Sozialstaat seiner Auffassung nach in den letzten Jahren zu einem Wohlfahrtsstaat aufgebläht wurde, der heute angesichts leerer Kassen nicht mehr finanzierbar sei. Deshalb müsse geprüft werden, ob alle staatlichen Sozialleistungen heute noch "zeitgemäß" seien. Als Konsequenz aus derartigen Forderungen wird eine Umstruk-

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turierung des Sozialsystems in der Bundesrepublik gefordert. Die staatliche Unterstützung solle auf ein Minimum zur Existenzsicherung im Bedarfsfall reduziert werden, ansonsten soll die private Vorsorge des Einzelnen wieder mehr zur Sicherung für den Notfall herangezogen werden.

Gewerkschaftsvertreter und Politiker werfen den Wirtschaftsverbänden vor, die Diskussion um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland "populistisch und sehr eingängig" auf den Aspekt angeblich zu hoher Löhne, die hohen Lohnnebenkosten oder den Anstieg der Lohnstückkosten zu verengen und dabei oftmals mit "falschen Zahlen" zu operieren. So sage ein Vergleich der reinen Lohnkosten in verschiedenen Ländern alleine noch sehr wenig aus. Denn natürlich betrügen die Lohnkosten in einem Land der sogenannten Dritten Welt nur einen minimalen Bruchteil dessen, was hier in Deutschland an Lohn- und Lohnnebenkosten anfalle. Ebenso unterschiedlich sei auch die Produktivität in beiden Ländern. Derartige Vergleiche hätten daher erst dann eine echte Aussagekraft, wenn man die Kosten pro Arbeitsstunde in Relation zu der jeweiligen Produktivität pro Arbeitsstunde setze. Dann aber schneide Deutschland immer noch sehr gut ab, da die Produktivität deutscher Arbeitnehmer unverändert sehr hoch sei.

In der Tat übertrifft die Wertschöpfung je Arbeitsstunde in Deutschland die anderer Länder und ganz besonders die der sogenannten Niedriglohnländer in der Regel erheblich. Deshalb muß man für einen aussagekräftigen Vergleich der Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Volkswirtschaften die Faktoren Arbeitskosten, Arbeitszeiten und Produktivität in Relation zueinander setzen. Aus dieser Relation der Bruttoeinkommen aus unselbständiger Arbeit und der realen Bruttowertschöpfung erhält man dann den Indikator "Lohnstückkosten", der das Verhältnis von Bruttostundenlöhnen und -gehältern und Arbeitsproduktivität auf Stundenbasis widerspiegelt.

Vergleichende Analysen der Wettbewerbsfähigkeit verschiedener Volkswirtschaften auf der Basis der Lohnstückkosten gehen von der Hypothese aus, daß die Volkswirtschaften, deren in nationaler Währung gemessene Lohnstückkosten langsamer steigen als die der Konkurrenten, einen relativen preislichen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten erlangen. Diese Hypothese trifft jedoch in der Praxis nur bei festen Wechselkursen, zu. Denn bei sich ständig verändernden Wechselkursen im internationalen Währungssystem können diese Vorteile ausgeglichen oder sogar überkompensiert werden. Ein aussagekräftiger Schluß auf die preisliche Wettbewerbssituation gegenüber internationalen Konkurrenten ist daher nur möglich, wenn auch die Entwicklung der Wechselkurse in die Analyse einbezogen wird.

Ein Gewerkschaftsvertreter kritisiert, daß bei internationalen Vergleichen oftmals "gemogelt oder zumindest schlampig" gearbeitet würde. So habe beispielsweise auch die Zukunftskommission in Baden-Württemberg im Rahmen eines internationalen Betriebsvergleichs der Firmen der Region mit ausländischen Konkurrenten auf der Basis der Arbeitskosten je Stunde (Löhne, Gehälter, Sozialabgaben des Unternehmen in Bezug auf die Jahresarbeitszeit) vermeldet, daß die Arbeitskosten je geleistete Arbeitsstunde in Baden-Württemberg sehr viel höher seien als beispielsweise in Japan. Dieser Einschätzung lag ein D-Mark-Yen-Wechselkurs vom März 1993 zugrunde. Als der Bericht der Zukunftskommission "Aufbruch aus der Krise" jedoch im August 1993 erschien, hatte sich der dem Kostenvergleich zugrunde liegende Wechselkurs zwischen D-Mark und Yen drastisch verändert. 100 Yen kosteten nicht mehr 1,25 D-Mark wie im März zuvor, sondern 1,52 D-Mark.

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Damit war das Ergebnis des Kostenvergleichs völlig verändert, da die Arbeitskosten nun in Japan genauso hoch lagen wie in Deutschland. Heute liegen die Arbeitskosten in Japan sogar aufgrund des weiteren Anstiegs des Yens gegenüber der D-Mark über denen in Baden-Württemberg - eine Veränderung, die aber in der bisherigen Diskussion weder von der Zukunftskommission noch von Unternehmerseite berücksichtigt wurde.

Das Beispiel illustriert, wie wichtig die Einbeziehung der Wechselkursentwicklung in die Relation ist. Bei einer solchen Relation erhält man als verläßlichen Indikator für die internationale Wettbewerbsfähigkeit die "relativen Lohnstückkosten". Vergleicht man die Kosten der Arbeit auf dieser Basis mit denen in konkurrierenden Volkswirtschaften, dann sieht das Bild jedoch wesentlich günstiger aus, als es zum Beispiel im Bericht der Zukunftskommission dargestellt wurde. So betonen die Gewerkschaften, daß die Bundesrepublik bei einem Vergleich der relativen Lohnstückkosten keineswegs einen Spitzenplatz einnähme, sondern im Mittelfeld liege.

Unabhängig von der Frage der Interpretation und Aussagekraft internationaler Kostenvergleiche ist es jedoch unbestreitbar, daß die Lohnstückkosten in Deutschland in den zurückliegenden Jahren gestiegen sind. Dieser Anstieg war in den 80er Jahren deutlich geringer als in den 70er Jahren. Nach einer moderaten Steigerung der Lohnkosten in den 80er Jahren stiegen die Lohnkosten in den Jahren 1990 und 1991 mit 7,5 Prozent relativ deutlich an - eine Entwicklung, die von Unternehmern und Wirtschaftsverbänden als Indiz für die falschen tarifpolitischen Weichenstellungen in diesen Jahren interpretiert wird. Dieser Einschätzung wird entgegengehalten, daß die im internationalen Vergleich überproportionalen Steigerungen vor dem Hintergrund der völlig unterschiedlichen konjunkturellen Entwicklung in Deutschland und anderen Industriestaaten gesehen werden müßten. Denn während beispielsweise die japanische und die amerikanische Industrie bereits Anfang der 90er Jahre unter der globalen konjunkturellen Abschwächung litten, befand sich die deutsche Wirtschaft als Folge der Vereinigung noch in einer Phase der Hochkonjunktur mit sinkender Arbeitslosigkeit. Es sei keine ungewöhnliche Entwicklung, daß im Hochkonjunkturland die Löhne kräftiger steigen als in Ländern mit abgeschwächter oder rückläufiger Konjunktur.

Steigende Lohnstückkosten können zudem nicht pauschal als Indiz für nachlassende Wettbewerbsfähigkeit angesehen werden. Der vergleichsweise hohe Anstieg der Lohnstückkosten in den 70er Jahren war - dies belegen die Wirtschaftsdaten eindeutig - durchaus vereinbar mit starkem wirtschaftlichem Wachstum. Damals korrespondierte der Anstieg der Lohnstückkosten mit einem entsprechenden Produktivitätsanstieg.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin kommt in einer vergleichenden internationalen Analyse der Entwicklung der Lohnstückkosten zu dem Ergebnis, daß es in "Westdeutschland keine Kostenkrise gibt". Nur zweimal seien die Lohnstückkosten in den vergangenen 25 Jahren in den alten Bundesländern stärker gestiegen als im Durchschnitt der Handelspartner. Das war in den Jahren 1970 und 1971 sowie 1992 der Fall. Beides waren nach Ansicht der Wissenschaftler Phasen auslaufender Hochkonjunktur in Deutschland bei schon stärkerer Rezession im Rest der Welt. Vielmehr seien die in nationaler Währung gemessenen Lohnstückkosten in der Bundesrepublik in den achtziger Jahren wesentlich weniger gestiegen, als in den meisten konkurrierenden Volkswirtschaften. Anfang der 90er Jahre seien die relativen Lohnstückkosten jedoch vergleichsweise deutlich angestiegen. Dies lag aber nicht nur an den stärkeren Lohnerhöhungen und dem parallelen Anstieg der Lohnnebenkosten, sondern maßgeblich an der Erhöhung des effektiven Aus-

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senwertes der D-Mark, also dem mit dem Anteil der Konkurrenten auf den Auslandsmärkten gewichteten Wechselkurs. Erst beide Entwicklungen zusammen hätten zu einer Erhöhung der relativen Lohnstückkosten der Bundesrepublik geführt. Die Aufwertung der D-Mark gegenüber dem US-Dollar und dem Yen hat diese Entwicklung noch einmal verstärkt. So berichtet ein Gewerkschaftsvertreter davon, daß die Südwestdeutsche Landesbank die Wettbewerbsnachteile, die die deutsche Wirtschaft alleine 1993 durch die veränderten Wechselkurse realisieren mußte, mit 38 Prozent beziffere. Dies liege an den Abwertungen einiger europäischer Länder im Vergleich zur D-Mark, vor allem aber am zwischenzeitlichen Abfall des Dollar auf bis zu 1,20 DM.

Die Folgen dieser D-Mark-Aufwertungen lassen sich an Hand eines Beispiels illustrieren. Um entstehende Währungsdisparitäten zu kompensieren, müßte eine Maschine im Wert von 750.000 DM, die ein deutsches Unternehmen in den USA bei einem bisherigen Dollarkurs von 1,50 DM für 500.000 Dollar verkauft hat, bei einem auf 1,20 DM gefallenen Dollarkurs für 600.000 Dollar verkauft werden. Eine derartige Preissteigerung läßt sich natürlich nur unter Inkaufnahme erheblicher Wettbewerbsnachteile vornehmen. Im Gegenzug konnten US-amerikanische Firmen die Preise für ihre Produkte auf dem deutschen Markt günstiger absetzen. Mit Recht weisen Gewerkschaftsvertreter daher auf den bislang nur selten angesprochenen Wettbewerbsfaktor Währungspolitik hin. Auch das DIW stellt in seiner Analyse zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft fest, daß es für die verschlechterte Wettbewerbssituation der deutschen Wirtschaft von wesentlich größerer Bedeutung gewesen sei, daß sich die Wechselkurse zu Ungunsten der deutschen Unternehmen verändert haben. Der erhebliche Kostendruck unter den die deutsche Wirtschaft in den letzten Jahren geraten ist, sei vor allem auf die starke D-Mark zurückzuführen, die die Absatzchancen deutscher Produkte auf den Weltmärkten erheblich beeinträchtigt habe.

Gewerkschafter und Politiker melden aber auch Zweifel an den üblichen Vergleichen der Lohnnebenkosten in unterschiedlichen Ländern an. Sie verweisen darauf, daß der internationale Standard im Bereich Sozialleistungen ebenso wie deren Finanzierung sehr unterschiedlich ist. So gibt es in einigen Ländern wie beispielsweise auch den USA überhaupt kein Krankenversicherungssystem in unserem Sinne - folglich müssen die amerikanischen Firmen auch keinen Arbeitgeberanteil an die Krankenversicherung abführen. In anderen Ländern wiederum werden bestimmte Sozialversicherungen über das allgemeine Steueraufkommen finanziert; z. B. sind in Dänemark die Krankenversicherung und die Grundsicherung der Altersversorgung vollständig steuerfinanziert und in England wird der nationale Gesundheitsdienst immerhin zu knapp 90 Prozent aus allgemeinen Steuermitteln bestritten. Daher muß bei einem Vergleich der Lohnnebenkosten sowohl die Art der Leistungen als auch deren Finanzierung berücksichtigt werden. Eine Reihe von Lohnnebenkosten in Deutschland wie Sondergratifikationen und 13. oder 14. Monatsgehälter sind zudem direkte Folge von Vereinbarungen der Tarifpartner, so daß die Verantwortung für die Entwicklung in diesem Bereich einzig und allein in der Verantwortung der Tarifpartner liegt.

Ungeachtet dieser grundsätzlichen Zweifel an der Aussagekraft derartiger Kostenvergleiche ist es weitgehend konsensfähig unter fast allen politischen Gruppierungen, daß es in vielen Branchen Kostenprobleme gibt, die nicht nur auf die Entwicklung der Währungskurse zurückzuführen sind. Es ist vielmehr unbestreitbar, daß zahlreiche Unternehmen gerade gegenüber der Konkurrenz aus Fernost erhebliche Effizienznachteile in den Produktionsstrukturen hatten bzw. haben. Auch Unternehmer gestehen ein, daß in den erfolgrei-

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chen 80er Jahren und dem anschließenden Vereinigungsboom Anpassungsprozesse versäumt wurden, die dann in der Krise verstärkt zu Gewicht schlugen.

2.2.2 Die Steuern- und Abgabenquote in Deutschland

Unternehmer und Vertreter der Wirtschaftsverbände kritisieren, daß die Höhe der Abgabenquote 1993 mit 44,2 Prozent, davon eine Steuerquote von 25,2 Prozent, einen unrühmlichen Höchststand erreicht habe. Dies führe dazu, daß ausländische Investoren nicht mehr in Deutschland investierten und deutsches Kapital vermehrt ins Ausland flüchte. Länder wie Holland, England und Irland hätten ihre Steuern in den letzten Jahren deutlich gesenkt und wären daher im Vergleich zu Deutschland für Investitionen wesentlich lukrativer. Zudem belaste die hohe Steuer- und Abgabenquote die Leistungsbereitschaft aller.

Mitverantwortlich für diese hohe Abgabenlast in Deutschland ist nach Auffassung von Unternehmern, daß der Staatshaushalt in den 90er Jahren endgültig aus den Fugen geraten sei. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte habe inzwischen mit mehr als 2 Billionen DM eine nicht mehr akzeptable Höhe erreicht. Die Zinslastquote des Bundes liegt heute bereits bei 13 Prozent und wird weiter steigen. Die Zinsaufwendungen für die Staatsverschuldung sind inzwischen im Bundeshaushalt nach dem Etat für Arbeit und Soziales zum zweitgrößten Einzelposten geworden: Im Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 1995 betragen die Zinsaufwendungen bereits fast 100 Milliarden D-Mark, d.h. jede fünfte Steuermark wird zur Begleichung der Zinsen für die Staatsverschuldung aufgewendet. Auf breiter Basis wird inzwischen von allen Parteien eine Kurskorrektur bei der Schuldenpolitik gefordert. Tragfähige Konzepte zur Verringerung der Neuverschuldung oder gar zum Abbau der Schulden gibt es jedoch bislang von keiner Partei.

Aus Sicht von Gewerkschaftsvertretern ist die Klage der Unternehmerverbände über eine unzumutbare Steuerbelastung in Deutschland nicht zutreffend. Sie betonen, daß die Gesamtsteuerbelastung in Deutschland nicht höher sei als in allen anderen westlichen Industriestaaten. Es sei zwar zutreffend, daß einige westeuropäische Staaten die Steuersätze gesenkt hätten; für die Bemessung der realen Steuerbelastung müßten jedoch sowohl die Steuersätze als auch die Steuerbemessungsgrundlagen herangezogen werden. Die Steuersätze sind zwar in Deutschland vergleichsweise hoch, dafür sind jedoch die Steuerbemessungsgrundlagen und damit die steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten ausgesprochen großzügig festgelegt.

2.2.3 Deregulierung in Deutschland

Als weiteren Wettbewerbsnachteil in Deutschland reklamieren Unternehmer ein nicht mehr zumutbares Maß an Regulierungen in der Bundesrepublik. Nirgends in der Welt gäbe es eine so weitreichende Regeldichte, die zu erhöhten Kosten für die Unternehmen (Umweltauflagen) oder zu wettbewerbsschädigenden Verboten (Sonntagsarbeit/Ladenschluß) führten. Besonders negative Folge solcher Überregulierungen sei eine verminderte Investitionsbereitschaft der Unternehmer, denn angesichts ständig kürzer werdender Produktlebenszyklen und in der Regel sehr hoher Investitionskosten würden investitionswillige Unternehmer bei den oftmals mehrjährigen Genehmigungsverfahren lieber ganz auf Investitionen verzichten oder diese ins Ausland verlegen. Zudem hätte beispielsweise die hohe

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Regeldichte bei Umweltauflagen nicht nur langjährige Genehmigungsverfahren zur Folge, sondern koste die deutschen Unternehmer schlichtweg viel Geld. Denn in vielen Bereichen müßten anspruchsvolle und ökologische vertretbare Produktions- und Entsorgungsverfahren eingesetzt werden, um die Vorgaben zu erfüllen - Auflagen, die internationale Konkurrenten in der Regel nicht zu leisten haben.

Unternehmer und Unternehmensberater fordern daher zur Beseitigung dieser Wettbewerbsnachteile für die deutsche Wirtschaft eine deutliche Deregulierung. Als Beispiel für das typisch deutsche Phänomen der Überregulierung aus einem ganz anderen Bereich nennt ein Manager das deutsche Verkehrssystem. Auch hier herrscht ein perfektes Regelsystem, das andere Ländern in dieser Form nicht kennen. Dennoch läge die Leistungsfähigkeit des deutschen Verkehrsnetzes nicht in vergleichbarem Maße über der ausländischer Verkehrssysteme. So sei die Leistungsfähigkeit innerstädtischer Verkehrsknotenpunkte in Deutschland trotz der Fülle von Ampeln, ausgewiesenen Abbiegespuren und Verkehrsschildern deutlich geringer als die der großen und vielbefahrenen Plätze beispielsweise in Frankreich, auf denen üblicherweise außer der Fahrtrichtung nichts geregelt sei. Auch wenn der regelmäßige Zusammenbruch des Verkehrs in deutschen Städten bei den als Folge ausgefallener Ampelanlagen unfreiwilligen Tests Zweifel aufkommen lassen, ob auch der deutsche Autofahrer mit einem so geringen Maß an Regulierung im Straßenverkehr zurechtzukommen vermag, zeigt dieses Beispiel dennoch die Notwendigkeit, bestehende Regulierungen auf ihre Effizienz und Wirksamkeit zu überprüfen. Auch die Deutschen müßten akzeptieren, so der Unternehmer, daß gewisse Dinge nicht im Rahmen einer gemachten Ordnung reguliert werden müßten, sondern man sich auch mit spontanen Ordnungen zufriedengeben könne.

Vertreter der Wirtschaftsverbände fordern, alle Regulierungen auf den Prüfstand zu stellen, die die Flexibilität der Unternehmer einschränken. Dies umfaßt sowohl die bestehenden Arbeitsschutzregelungen (Verbot der Sonntagsarbeit, Nachtarbeitsregelungen oder Kündigungseinschränkungen) als auch gängige Tarifregelungen. Die Unternehmerverbände fordern, man solle sich endlich von der Fiktion des Einheitsarbeitnehmers mit Normalarbeitsplatz, Normalarbeitszeit und Normalarbeitszeitentgelt verabschieden. Statt dessen fordern sie weitgehende Flexibilisierungen und Differenzierungen innerhalb der jeweiligen Betriebe und im Sinne der Subsidiarität die Verlagerung eines Teils der Regelungskompetenz der Tarifvertragsparteien auf die betriebliche Ebene. Solchen Forderungen wird von Gewerkschaftsseite entgegengehalten, daß damit das seit Jahrzehnten bewährte Tarifsystem in Deutschland ausgehebelt werde - ein System, das aufgrund seiner bisherigen Berechenbarkeit ebenfalls ein wichtiger positiver Standortfaktor in Deutschland ist.

Ein Unternehmensberater berichtet vom konkreten Fall eines seiner Kunden, dessen Unternehmen in der Aluminiumherstellung tätig ist - einem unter ökologischen Gesichtspunkten sehr sensiblen Bereich: Die Firma sieht sich mit einer Fülle von Umweltauflagen konfrontiert, deren Umsetzung hohe Investitionen erforderlich macht. Der Gesetzgeber drängt auf eine kurzfristige Umsetzung der Auflagen und droht bei Verstößen mit der Verhängung von Bußgeldern oder bei dauerhafter Mißachtung der Vorgaben sogar mit der Schließung der Firma. Obwohl die Auflagen innerhalb der Europäischen Union einheitlich sind, sieht sich der Aluminiumhersteller selbst innerhalb der EU in einem erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber ausländischen Konkurrenten. Denn die Auslegung der Auflagen wird von den verschiedenen EU-Staaten in der Praxis sehr unterschiedlich gehandhabt. So muß der deutsche Aluminiumhersteller die Auflagen kurzfristig erfüllen, wäh-

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rend es vor allem in südeuropäischen Ländern üblich ist, daß die Erfüllung der Auflagen wesentlich lockerer gesehen wird. Bei einem Vergleich mit den Staaten Osteuropas oder der sogenannten Dritten Welt, in denen Umweltauflagen dieser Schärfe völlig unbekannt sind, wird der Wettbewerbsnachteil für deutsche Firmen in dieser Branche noch eklatanter. Der Unternehmensberater folgert aus diesem Beispiel, daß es angesichts der aktuellen Wettbewerbsprobleme deutscher Firmen fraglich sei, ob die kurzfristige Umsetzung restriktiver Umweltauflagen in Deutschland zur Zeit der richtige Weg sei. Aus ökonomischen Gesichtspunkten plädiert er dafür, in der augenblicklichen Wettbewerbssituation nicht alle Umweltauflagen sofort und auf einen Schlag in die Realität umzusetzen, solange diese Standards in anderen Ländern nicht ebenfalls etabliert sind. Sonst sei es nicht verwunderlich, wenn Firmen, die in ökologisch sensiblen Bereichen tätig sind, verstärkt ihre Produktion in Länder mit geringeren Umweltauflagen verlagerten.

Diese Kritik an Art und Intensität der Umweltauflagen in Deutschland wird von Politikern und Gewerkschaftern zurückgewiesen. Nach ihrer Auffassung entsprechen die deutschen Umweltauflagen angesichts der dramatischen ökologischen Situation in Mitteleuropa bestenfalls den minimalen Anforderungen. Wer angesichts dieser Situation ökonomische Aspekte über ökologische Notwendigkeiten stelle, riskiere weitere extreme Umweltschädigungen. Und auch eine gesunde Umwelt sei heutzutage ein Standortfaktor. Außerdem habe das deutsche System mit seiner hohen Regeldichte auch eine Reihe von Vorteilen, die die These vom Standortnachteil Umweltauflagen fragwürdig erscheinen lasse. Denn das deutsche Regelungssystem schaffe auch Rechtssicherheit, da das Ergebnis des Verfahrens in der Regel bindende Wirkung habe. In anderen Ländern sähe dies anders aus, denn dort, wo Entscheidungsprozesse informell abliefen und auch schon mal der Einsatz von Schmiergeldern zum Erfolg führe, bestände auch zwangsläufig eine hohe Rechtsunsicherheit - Behördenwillkür sei hier Tür und Tor geöffnet. Zudem hätten Untersuchungen erwiesen, daß die übliche Dauer eines Genehmigungsverfahrens in Deutschland in der Regel unter einem halben Jahr läge. Lediglich bei bestimmten Großprojekten würde sich das Verfahren oftmals auf mehrere Jahre erstrecken, aber gerade diese Ausnahmen würden in der öffentlichen Diskussion immer wieder als Regelfall dargestellt.

Schließlich hat ein hohes Maß an Umweltauflagen auch einen positiven Effekt auf den Grad der Umwelttechnik in einer Industriegesellschaft. So war Japan eines der ersten Länder, in denen es Umweltauflagen im Bereich Katalysatoren gegeben hat. Diese Auflagen haben in der Folge zu einer Fülle produktbezogener Innovationen geführt. Ebenso ist es kein Zufall, daß Deutschland im Bereich Umwelttechnik in der Welt immer noch führend ist. Der Marktanteil deutscher Firmen im Bereich Umwelttechnik liegt weltweit bei über 20 Prozent. Oftmals sind es kleine und mittlere Unternehmen, die auf diesem Markt erfolgreich sind. Folglich sehen Vertreter der mittelständischen Wirtschaft das deutsche System der strengen Umweltauflagen in Deutschland auch ausgesprochen differenziert. Neben moderater Kritik an der Regelungsdichte, wird der positive Effekt dieser Auflagen hervorgehoben. Die Anforderungen des hohen Umweltstandards in Deutschland führen in der Praxis zu ständigen Verbesserungen und Innovationen, die die Marktchancen der deutschen Umwelttechnik maßgeblich stärken.

Eine Studie, in der das DIW und das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung in Essen (RWI) die Auswirkungen des Umweltschutzes auf den Standort Deutschland untersucht haben, unterstützt diese Position. Darin kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, daß es keine Belege für die These gäbe, daß der Grad der Umweltpolitik "die

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Qualität des Wirtschaftsstandortes Deutschland generell beeinträchtigt". Dies schließe aber nicht aus, daß individuelle Standortentscheidungen durch die umweltpolitischen Rahmenbedingungen in einer Volkswirtschaft beeinflußt werden. Eine gesamtwirtschaftliche Betrachtung dürfe jedoch nicht nur die Belastungen berücksichtigen, die sich durch hohe Umweltauflagen für die Unternehmen ergäben, sondern müsse auch die positiven Effekte berücksichtigen.

Ein Punkt, an dem sich die Deregulierungsdiskussion immer wieder entzündet, ist das Thema Ladenschluß. Bekanntlich dürfen in Deutschland nach den seit 1956 gültigen Ladenschlußgesetzen Einzelhandelsgeschäfte an Werktagen von 7.00 bis 18.30 Uhr und an Samstagen bis 14.00 Uhr geöffnet haben. Ausnahmen sind der lange Samstag am jeweils ersten Samstag im Monat mit verlängerten Öffnungszeiten und seit dem Herbst 1989 auch der lange Donnerstag (."Dienstleistungsabend"), an dem Einzelhändler ihre Läden bis 20.30 Uhr geöffnet haben dürfen. Damit beträgt die Gesamtöffnungszeit im Einzelhandel insgesamt 68,5 Stunden.

Vergleichbare Regelungen gibt es in anderen europäischen Ländern nicht. Unternehmer und Unternehmensberater bezeichnen die deutsche Regelung als Anachronismus und fordern mit Nachdruck eine ersatzlose Streichung der augenblicklichen Regelungen. Warum, so wird gefragt, soll einem Geschäftsinhaber vorgeschrieben werden, wann er sein Geschäft offen hält. Hinweise auf die Pflicht des Gesetzgebers, zum Schütze der Arbeitnehmer verbindliche Regeln zu erlassen, weist ein Unternehmensberater entschieden zurück. Warum sollten längere Öffnungszeiten in Deutschland das Familienleben der Angestellten oder des Geschäftsinhabers zerstören, während dies beispielsweise in Italien offenbar nicht der Fall sei, da dort Ladenöffnungszeiten bis Mitternacht nicht ungewöhnlich seien.

Diskussionen um die Ladenschlußregelung in Deutschland gibt es seit Bestehen dieser Regelung. Eine neue Intensität hatte diese Diskussion im Frühjahr dieses Jahres durch die Initiative der Bundesregierung zur Abschaffung der Ladenschlußregelung angenommen. Bei der zum Teil heftigen politischen Diskussion über die geplante Abschaffung der Ladenschlußgesetze hatten sich dann aber nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch nahezu alle Einzelhandelsverbände entschieden für eine Beibehaltung der Ladenschlußregelung eingesetzt. Gerade die Einzelhändler befürchteten durch erweiterte Öffnungszeiten eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung zu Gunsten der großen Warenhäuser und Einkaufszentren. Angesichts der einhelligen Ablehnung zog die Bundesregierung ihre Initiative schließlich zurück. So dokumentiert dieses Beispiel, daß eine pauschale Verdammung aller bestehenden Regulierung offenbar doch nicht immer im Sinne der betroffenen Akteure ist. Vielmehr zeigt sich, daß alle Bestrebungen um eine vernünftige und dem Wettbewerb dienende Deregulierung eine sachliche und unideologische Überprüfung bestehender Regulierungen voraussetzt. Deregulierung um der Deregulierung willen kann kein generelles Allheilmittel zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland sein. Denn eines ist unbestreitbar: Die Bundesrepublik Deutschland ist über viele Jahre eine der leistungsfähigsten Volkswirtschaften der Welt gewesen - trotz oder vielleicht gerade wegen seiner ausgeklügelten Regeldichte.

Die deutsche Wirtschaft habe im internationalen Vergleich die kürzesten Maschinenlaufzeiten, bemängeln Unternehmer. In vielen Konkurrenzstandorten sei die Kapitalproduktivität bei längeren Maschinenlaufzeiten größer. Nur durch eine effizientere Nutzung der Maschinen ließe sich dieser Vorsprung der ausländischen Volkswirtschaften aufholen. Hierzu

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bedürfte es vor allem einer erheblichen Flexibilisierung der Arbeitszeiten und der Abschaffung des Sonntagsarbeitsverbotes. Nach Einschätzung eines Unternehmensberaters scheitern Vereinbarungen über flexible Arbeitszeiten in der Praxis oftmals an der unflexiblen Haltung der Gewerkschaften. Dagegen sei es immer wieder möglich, in einzelnen Unternehmen mit den Mitarbeitern und den betreffenden Betriebsräten individuell zugeschnittene Arbeitszeitmodelle zu erarbeiten. So gibt es Unternehmen, in denen es im Einvernehmen mit dem Betriebsrat gelungen ist, eine 7-Tage-Woche einzuführen: Nach jeweils 7 Arbeitstagen haben die Mitarbeiter 4 Tage frei; eine Regelung, die von den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sehr positiv aufgenommen worden ist.

Gewerkschaftsvertreter weisen diese Kritik an ihrer Politik vehement zurück. Die Gewerkschaften hätten sich in der Vergangenheit stets für flexiblere Arbeitszeitvereinbarungen eingesetzt. So enthielten die bislang abgeschlossenen Tarifverträge bereits eine Fülle von Flexibilisierungsbestimmungen. Auf der Basis dieser Verträge arbeiteten in Baden-Württemberg bereits heute rund 20 Prozent der Beschäftigten im Produzierenden Gewerbe in Schicht-, Nacht- oder Sonntagsarbeit, womit die baden-württembergische Industrie im internationalen Vergleich eine Spitzenposition einnimmt. Allen Bestrebungen zu weiteren Flexibilisierungen ständen die Gewerkschaften positiv gegenüber, solange die Interessen der Arbeitnehmer dabei gewahrt blieben. Aus Gewerkschaftssicht gibt es jedoch keinen Wettbewerbsnachteil durch zu geringe Betriebsnutzungszeiten in Deutschland.

2.2.4 Das deutsche Bildungssystem

Ein Standortfaktor, der bei der bisherigen Diskussion nur am Rande erwähnt wird, ist der Faktor Bildung. Das deutsche Bildungssystem hat heute in der Welt immer noch eine Spitzenstellung. Aber sowohl bei der beruflichen Bildung als auch beim Bildungsniveau insgesamt besteht nach Auffassung von Gewerkschaftsvertretern die Gefahr, daß Deutschland diese führende Position verspielt. So wird die berufliche Qualifizierung nach der Erstausbildung zwar in den Tarifverträgen festgeschrieben, findet aber in der betrieblichen Praxis dann nur wenig Beachtung. Im internationalen Vergleich fällt zudem auf, daß in anderen Ländern offenbar in wachsendem Maße auf eine gute Ausbildung Wert gelegt wird; so bringen beispielsweise in Japan inzwischen über 90 Prozent der neu in den Beruf eintretenden Industriearbeiter das Abitur mit. Angesichts dieser Entwicklung stellt sich die Frage nach der Zukunft unseres dualen Ausbildungssystem, dessen Leistungsfähigkeit sowohl von den Gewerkschaften als auch von Unternehmerseite bestätigt wird. Die Gewerkschaften plädieren dafür, in den nächsten Jahren verstärkten Wert auf die sogenannten Schlüsselqualifikationen zu legen. Dies wird alleine schon durch die neuen Formen der Arbeitsorganisation mit den Stichworten "lean production", Inselfertigung und Teamarbeit, notwendig. Auch in einem anderen Bereich fordern die Gewerkschaften eine Neuorientierung der Bildungspolitik. So liegen die USA und Japan bei einem Vergleich der Bildungsniveaus in den USA, Japan und Deutschland bei den Abiturienten- und Studentenquoten vor Deutschland; das deutsche System führt aber beim Schüler-Lehrer-Verhältnis, das aus Sicht der Gewerkschaften ein wichtiger Indikator des Bildungsniveaus ist. Der derzeitige Sparkurs vieler Landesregierungen führt aber dazu, daß dieser langfristige Standortvorteil zunichte gemacht wird.

Die positive Einschätzung des deutschen Bildungssystems wird prinzipiell auch von den deutschen Unternehmern geteilt. Als großen Nachteil sehen sie jedoch die sehr langen

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Regelstudien in Deutschland. Junge Leute, die im Ausland in die entsprechenden betrieblichen Eingangspositionen einsteigen, sind dort in der Regel drei oder vier Jahre jünger als ihre deutschen Kollegen. Deshalb bevorzugen international tätige Betriebe bei Stellenbesetzungen zunehmend die jüngeren ausländischen Konkurrenten. Diese Tendenz wird durch die neuen Vorruhestandsprogramme verschärft, die beispielsweise bei IBM inzwischen im Alter von 50 Jahren beginnen. Dies führt dazu, daß ein Student, der erst mit 30 Jahren von der Universität in den Beruf einsteigt, gerade noch 20 Arbeitsjahre vor sich hat.

Vertreter der mittelständischen Wirtschaft betonen die große Bedeutung einer qualifizierten Ausbildung der Mitarbeiter gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist. Die Notwendigkeit zu starker Flexibilität in der Produktion erhöht die Ansprüche, die gerade mittelständische Unternehmen an ihre Mitarbeiter stellen müssen. Daher hat der Faktor Ausbildung in kleinen und milderen Unternehmen einen besonderen Stellenwert. Gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter sind das Potential für die mittelständische Wirtschaft.

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2.3 Die Struktur- und Innovationskrise der deutschen Wirtschaft

Gewerkschaftsvertreter und Politiker kritisieren am bisherigen Verlauf der Debatte über die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland, daß die Diskussion zu sehr auf Faktoren wie Steuern, Lohn- und Umweltschutzkosten oder die Frage der Arbeitszeiten fixiert ist. Wesentlich entscheidender für die Wettbewerbsschwäche der deutschen Wirtschaft sei aber die Tatsache, daß die deutsche Wirtschaft sich in einer Struktur- und Innovationskrise befände. Zum einen würden die deutschen Unternehmen in den angestammten Leitbranchen gegenüber der Konkurrenz in Ostasien an Boden verlieren, da sie nicht mehr wie gewohnt mit neuen Produkten oder Produktionsweisen ihren Erfolg am Markt suchen und finden und auf der anderen Seite würde der für die Volkswirtschaft notwendige Strukturwandel hin zu neuen Technologien und Zukunftsmärkten verschlafen.

Als typisches Beispiel berichtet ein SPD-Politiker von einem seit vielen Jahren in seiner Branche international führenden Unternehmen, dessen letzte Neuentwicklung jedoch 25 Jahre zurückliegt. Ohne kontinuierliche Innovationen, neue Produkte und neue Marktstrategien ,läßt sich aber dauerhaft keine Spitzenstellung auf den schnellebigen Weltmärkten halten. Daher ist es auch kein Zufall, daß in der Region Stuttgart die Unternehmen in der allgemeinen Krise am besten dastehen, die unverdrossen auf Innovationen setzten. So hofft das Ditzinger Unternehmen Trumpf GmbH & Co. bereits für 1994 auf einen Anstieg des Umsatzniveaus. Trümpfe des Unternehmens sind die Lasertechnik, bei der das Unternehmen mit einem Weltmarktanteil von rund 20 Prozent Marktführer ist, und der Bereich Hochgeschwindigkeitsfräsen. Trumpf-Chef Berthold Leibinger betont, daß seine Firma auch in der Krise die Ausgaben für Forschung und Entwicklung absolut erhöht hat. 60 Prozent des Umsatzes erziele Trumpf mit Produkten, die jünger als drei Jahre sind. "Innovation ist also die Basis unseres Geschäftes", so Leibinger.

Ein Blick nach Japan unterstreicht dieses Erfolgsrezept. Denn dort wird immer noch nach dem Motto gewirtschaftet: "In vier Jahren wollen wir 50 Prozent unseres Umsatzes mit Produkten machen, die wir heute noch nicht kennen" - eine Maxime, die in der deutschen Wirtschaft offenbar bislang wesentlich weniger Beachtung findet. Dies läßt sich auch an der Produktionsstrategie der schwäbischen Parade-Industrie, dem Automobilbau, ablesen. Autos werden heute im Prinzip immer nach denselben Maßgaben wie vor 100 Jahren ge-

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baut, nämlich als Fahrzeug für eine vier- oder fünfköpfige Familie mit Gepäck. Dabei hat sich die Gesellschaft in dieser Zeit erheblich gewandelt. Alleine in Stuttgart sind inzwischen mehr als 50 Prozent der Haushalte Ein-Personen-Haushalte. Auf diese Entwicklung hat die Automobilindustrie erst in den letzten Jahren mit der Produktion von Klein- und Kleinstwagen reagiert, wobei gerade Daimler-Benz erst besonders spät mit der Produktion des sogenannten Swatch-Autos begonnen hat.

In den meisten Industrienationen läßt sich in den letzten Jahren ein erheblicher Strukturwandel zugunsten des tertiären Sektors beobachten. Und ein Blick auf die Entwicklung in Japan macht aber deutlich, daß Deutschland hier offensichtlich einen erheblichen Nachholbedarf hat. Denn in Deutschland hat sich die sektorale Struktur der Wirtschaft in den letzten beiden Jahrzehnten kaum gewandelt. Die OECD konstatiert sogar im europäischen Vergleich ein Defizit der deutschen Wirtschaft im Bereich der Dienstleistungen.

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2.4 Fazit: Die Standortdebatte

Wissenschaftler diskutieren seit langem darüber, welche Bedeutung die verschiedenen Faktoren für die Leistungsfähigkeit eines Wirtschaftsstandortes haben und nach welchen Kriterien Unternehmen ihre konkrete Standortentscheidung treffen. Die Palette der Standortfaktoren reicht von sogenannten "harten", die Produktionsrentabilität bestimmenden Faktoren wie Lohn- und Lohnnebenkosten, Qualifikation der Arbeitskräfte, Steuerbelastung, Flächenverfügbarkeit, regionale Infrastrukturausstattung und Verkehrsanbindung bis hin zu "weichen" Faktoren, die das kulturelle Umfeld, die Wohnsituation, die schulische Versorgung oder auch die klimatischen Bedingungen umfassen.

In der Regel kommt den "harten" Faktoren bei der Standortentscheidung eine größere Bedeutung zu. Eine empirische Analyse darüber, welche Faktoren letztlich den größten Einfluß auf die Standortwahl von Unternehmen haben, existiert aber bislang nicht. Es gibt jedoch eine Reihe von Studien mit unterschiedlichsten methodischen Ansätzen, in denen versucht wird, die Bedeutung verschiedener Standortfaktoren zu gewichten. Eine dieser Studien basiert auf einer Befragung von international führenden Unternehmensberatern, die aus einer Palette von 16 vorgegebenen Standortfaktoren die ihrer Meinung nach wichtigsten Faktoren benennen sollten. Demnach sind die wichtigsten Standortfaktoren:

Im Low-Tech-Bereich


Hohe Produktivität

13,0 Prozent

qualifizierte Arbeitskräfte und hohe Bildung

11,5 Prozent

effizientes Management

10,5 Prozent

niedrige Arbeitskosten

6,0 Prozent

im High-Tech-Bereich


technisches Wissen und Interesse an neuen Technologien

20,5 Prozent

qualifizierte Arbeitskräfte und hohe Bildung

15,0 Prozent

effizientes Management

7,0 Prozent

niedrige Arbeitskosten

1,5 Prozent

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und im Dienstleistungsbereich


qualifizierte Arbeitskräfte und hohe Bildung

19,0 Prozent

effizientes Management

9,5 Prozent

hohe Produktivität

9,0 Prozent

niedrige Arbeitskosten

3,5 Prozent

Eine andere Bewertung verschiedener Standortfaktoren haben Wissenschaftler des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim als Ergebnis einer Expertenbefragung vorgelegt. Abbildung 1 zeigt beispielhaft die Bedeutung, die verschiedenen Infrastrukturfaktoren im Rahmen dieser Expertenbefragung für die Standortwahl zugemessen wurde:

Beide Untersuchungen kommen im Vergleich zu den oben skizzierten Diskussionslinien bei der Standortdiskussion zu überraschenden Ergebnissen. Besonders die Befragung der Unternehmensberater zeigt, daß den Arbeitskosten offenbar nicht immer die entscheidende Bedeutung bei der Standortwahl zukommt, und daß der nur selten erwähnte Standortfaktor "effizientes Management" eine überraschend große Relevanz hat. Die Untersuchungen zeigen jeweils nur eine bestimmte Facette aus dem komplexen Phänomen "Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes" auf. Sie zeigen aber exemplarisch, daß alle Versuche eines monokausalen Erklärungsansatzes für die Situation der deutschen Wirtschaft und die Wettbewerbsprobleme der deutschen Unternehmen zu kurz greifen. Es sind nicht nur die hohen Kosten oder die neue Konkurrenz durch die Staaten Osteuropas oder die mangelnden Innovationen, die für die Probleme der deutschen Industrie verantwortlich sind. Vielmehr

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ist es ein ganzes Bündel von Faktoren, die sich wiederum branchenspezifisch unterschiedlich auf die deutsche Industrie auswirken.

Die in den letzten Monaten geführte Diskussion um den Wirtschaftsstandort Deutschland war bislang primär eine politische Auseinandersetzung, die davon dominiert wurde, daß bestimmte Interessengruppen ihre Partikularinteressen durchzusetzen versuchten. Es ist zu hoffen, daß es nach Beendigung des Wahlmarathons des Jahres 1994 zu einer deutlichen Versachlichung der Diskussion kommt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Januar 2001

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