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5. Zusammenfassung


Die Konferenzbeiträge haben immer wieder deutlich gemacht, daß sich die Handlungsmöglichkeiten aller wohnungspolitischen Akteure im Spannungsfeld zwischen der erforderlichen Sozialverträglichkeit wohnungspolitischer Entscheidungen und der Finanzierbarkeit des immensen Sanierungs-, Modernisierungs- und Neubaubedarfs in Ostdeutschland bewegen.

So ist mit dem Kriterium der Sozialverträglichkeit von Mieterhöhungen nicht nur die Berücksichtigung der finanziellen Belastbarkeit der Menschen in den neuen Bundesländern gefordert. Es geht um Grundlegenderes. Nach den Erfahrungen des massiven Arbeitsplätzeabbaus besteht durch eine ausbleibende Lösung des Wohnungsproblems bzw. ein Überschreiten der Belastungsgrenzen die Gefahr, daß die Enttäuschung der Bürger im Osten über das neue politische System so groß wird, daß sie in eine Ablehnung umschlagen könnte. Besondere Aufmerksamkeit muß vor diesem Hintergrund die Tatsache finden, daß einem ausdifferenzierten Spektrum der Einkommen eine relativ einheitliche Steigerung der Mietkosten gegenübersteht. Dies führt zwangsläufig zu einer Benachteiligung der einkommensschwachen Gruppen.

Auf der anderen Seite läßt die angespannte Lage der öffentlichen Haushalte keine andere Wahl, als bei der Mittelbeschaffung für die dringend erforderlichen Investitionen in den Wohnungsbestand und -neubau auch die Mieter zu beteiligen. Nach zwei Grundmietenverordnungen ist man gegenwärtig von einer Lösung der Finanzierung der nötigen Maßnahmen noch weit entfernt. Trotz erheblicher Mietbelastungen selbst bei Wohngeldunterstützung klagen sowohl private Vermieter wie auch die Wohnungsgesellschaften über viel zu geringe Mieteinnahmen angesichts der erforderlichen Investitionen.

Nach Meinung verschiedener Diskussionsteilnehmer erscheint eine Senkung der Sanierungs-, Modernisierungs- und Neubaukosten angesichts der tatsächlichen Wünsche der Menschen in den neuen Ländern realisierbar. Preisgünstiger Wohnraum hat danach Priorität gegenüber aufwendigen und teilweise überflüssigen Sanierungen und Ausstattungen, die kaum jemand bezahlen kann. Im Bereich des Wohnungsneubaus könnten kleinflächigere Wohnungen die Ausgaben begrenzen. Auch gibt es

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Beispiele, daß eine Kooperation mit osteuropäischen Baufirmen zu einem erheblichen Rückgang der Herstellungskosten für Wohnraum führt.

In der Frage der Beschaffenheitszuschläge nach der zweiten Grundmietenverordnung ist es teilweise zu erheblichen Spannungen zwischen Mietern und Wohnungsgesellschaften gekommen. Hier zeigt sich die grundlegende Schwierigkeit, daß zwangsläufig allgemeiner gehaltene Gesetze und Verordnungen den Regelungsbedarf vor Ort hinsichtlich der konkreten Beschaffenheiten der Wohnungen wohl nicht leisten können.

Vor dem Hintergrund von fehlendem Eigenkapital bei privaten und gemeinnützigen Vermietern, bereits erschöpfter finanzieller Belastbarkeit der Mieter und leerer öffentlicher Kassen richtet sich besonderes Interesse – vor allem im Bereich des Wohnungsneubaus – auf ein Engagement der institutionellen Anleger. In deren Einschätzung bietet der Wohnungsmarkt in Deutschland allerdings keine attraktiven Kapitalanlagemöglichkeiten. Beklagt werden "investitionsfeindliche Rahmenbedingungen" als Folge des Mietpreisrechts, aber auch der zu hohen Baukosten . Hier stellt sich die schwierige Aufgabe, Modelle zu entwickeln, die der sozialen Verantwortung für ein bezahlbares und gesichertes Wohnen gerecht werden und zugleich Wohnungsmarkt und Mietpreisrecht so gestalten, daß sie wirtschaftliche Anreize für ein Engagement institutioneller Investoren bieten.

Als ein möglicher Lösungsansatz – bedenkenswert auch angesichts versiegender öffentlicher Mittel – wurde von einem Vertreter der institutionellen Kapitalanleger vorgeschlagen, daß sich die staatliche Wohnungspolitik auf die Grundbedürfnissicherung für Einkommensschwache konzentriert, indem im sozialen Wohnungsbau nur Wohnraum mit Einfachstausstattung gefördert wird. Daneben sollte es einen frei finanzierten Wohnungsmarkt geben, dessen Mietpreise sich nach den Marktgesetzen von Angebot und Nachfrage regulieren.

Auch bei der Privatisierung bestehender Wohnungen im Rahmen der Altschuldenhilferegelung könnte ein Beitrag der institutionellen Kapitalanleger mit Blick auf die notwendigen Investitionen zur Instandsetzung und Wohnwertverbesserung des Wohnungsbestandes hilfreich sein. Zwar erkennen auch die Investoren hier eine rentable Anlagemöglichkeit, doch insbesondere wegen als zu hoch eingeschätzter Imagerisiken – vor allem

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auf seiten der Versicherungen – kommt es nicht zu einem Engagement. Hier sollten die wohnungspolitisch Verantwortlichen ansetzen. Im Gegenzug zu geeigneten Miet- und Belegungsbindungen könnten lohnende Renditeaussichten die institutionellen Anleger zu einem Engagement veranlassen, das durch seine soziale Bindung gleichzeitig zu einer Verbesserung ihres Images in Ostdeutschland beitragen könnte.

In der Diskussion wurden verschiedene Unzulänglichkeiten des wohnungspolitischen Instruments "Altschuldenhilfegesetz" bei seiner Umsetzung vor Ort aufgezeigt. Als problematisch erscheint vor allem die Realisierbarkeit des pauschal vorgegebenen Privatisierungsanteils von 15 Prozent. Die soziale Situation der Mieter und damit ihre Möglichkeit, Wohneigentum zu erwerben, ist regional unterschiedlich ausgeprägt. Ein besonderes Problem stellen auf seilen der Wohnungsgesellschaften die "Wendewohnungen" dar, deren besonders hohe Schuldenbelastung sich auf die Gesamtschulden der Wohnungsgesellschaften in der Weise auswirken kann, daß eine ansonsten nicht notwendige Inanspruchnahme der Altschuldenregelung unumgänglich wird. Aufgrund der besonderen Mitspracherechte der Genossenschaftsmitglieder bei einem Verkauf von Wohnungen scheint die Erfüllbarkeit der Privatisierungsauflage bei Wohnungsgenossenschaften völlig ungewiß.

Neben der vorgebrachten Kritik in einzelnen Fragen ließ die Diskussion um die Privatisierung im Rahmen des Altschuldenhilfegesetzes aber auch erkennen, daß die Überlegungen zu realisierbaren Privatisierungskonzepten inzwischen weit fortgeschritten sind. Dabei findet der im Gesetz festgehaltene Vorrang für die Mieterprivatisierung in allen Modellen und Absichtserklärungen seinen Niederschlag. Das Erfordernis von sozialverträglichen, zeitlich gestreckten Privatisierungskonzepten wird formuliert, die Mieter sollen umfassend beraten werden, es wird nach Möglichkeiten einer Anschubfinanzierung für die Kaufinteressenten gesucht und den unentschlossenen Mietern wird das Angebot einer Kaufoption unterbreitet. Vorteilhaft für die Berücksichtigung der Mieterinteressen erscheint hierbei die doppelte Verpflichtung der Gemeinden zu sein, die ihre Entscheidungen als Gesellschafter der kommunalen Wohnungsunternehmen zugleich an ihrer sozialen Verantwortung gegenüber den Bürgern orientieren müssen.

Es wurden jedoch immer wieder erhebliche Bedenken geäußert, ob die

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Privatisierungsauflage angesichts der bisher geringen Zahl von potentiellen Käufern überhaupt zu erfüllen ist. Mehr noch als mangelndes Interesse am Erwerb der eigenen Wohnung wirkt sich dabei die Tatsache aus, daß die aufgrund der notwendigen Sanierungsmaßnahmen erhöhten Verkaufspreise für die meisten Mieter nicht bezahlbar sind. Öffentliche Mittel, die hier wirksam unterstützend eingreifen könnten, stehen auf absehbare Zeit nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung.

Erschwert wird die Berücksichtigung des Vorrangs der Mieterprivatisierung auch durch den Zeitdruck, dem sich die Wohnungsunternehmen aufgrund der Bestimmungen der Altschuldenhilferegelung ausgesetzt sehen. Je später die Veräußerung abgeschlossen wird, desto höher fallen die Erlösabführungen an den Erblastentilgungsfonds aus. Um Verluste zu vermeiden, muß also möglichst frühzeitig privatisiert werden. Alle Maßnahmen, die bei einer Veräußerung an die Mieter auf die Berücksichtigung ihrer Belange zielen, gestalten sich unter Umständen sehr zeitaufwendig. Dagegen ist ein Verkauf an Investoren zügig möglich und mit erheblich weniger Aufwand verbunden.

In diesem Zusammenhang wurde wiederholt auf die Bedeutung des "psychologischen Faktors" hingewiesen. Die Vernachlässigung der Vorstellungen und Wünsche der ostdeutschen Mieter hinsichtlich einer einfachen, aber bezahlbaren Modernisierung der zu privatisierenden Wohnung, das Ausbleiben einer umfassenden Aufklärung und Beratung über die mit einem Kauf verbundenen Finanzierungsmöglichkeiten und Kostenrisiken, also das Übergehen der Mieterinteressen möglicherweise zugunsten eines Erwerbs durch Dritte – oft westdeutsche Investoren – kann zur weiteren Verunsicherung der Existenz und zu erheblichen sozialen Unzufriedenheiten führen, die schließlich in eine Ablehnung des politischen und gesellschaftlichen Systems münden können.

Ob die Altschuldenregelung einschließlich der damit verbundenen Privatisierungsstrategie zur Lösung der anstehenden Probleme sowohl auf seilen der schuldenbelasteten Wohnungsunternehmen als auch auf Mieterseite geeignet ist, muß derzeit noch offenbleiben – der auf zehn Jahre angelegte Privatisierungsprozeß im Rahmen des Altschuldenhilfegesetzes ist gerade erst angelaufen.

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Mit Gewißheit aber läßt sich sagen: Das ganze Ausmaß der zur Sprache gekommenen Probleme, Hindernisse und Schwierigkeiten vor dem Hintergrund des sich aufgrund fehlender Mittel weiter einengenden politischen Handlungsspielraums bestätigt einmal mehr, daß die Aufgabe der Wohnungsversorgung in Ostdeutschland deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen wird, als anfängliche Erwartungshaltungen dies nahelegten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 2002

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