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TEILDOKUMENT:
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Zusammenfassung und Schlußfolgerungen
- Zwischen 1980 und 1992 sind in den USA fast 17 Mio. neue Arbeitsplätze entstanden. Ein Teil der zusätzlichen Arbeitsplätze ist allerdings allein auf Bevölkerungswachstum zurückzuführen, sodaß bis 1992 die Arbeitslosenquote höher als in Deutschland lag. Seit Januar 1993 sind in den USA per Saldo 9,7 Millionen Arbeitsplätze hinzugekommen, davon 93% im privaten Bereich. Dies ist der steilste Beschäftigungszuwachs im privaten Sektor seit den 20er Jahren. Der Beschäftigungsanstieg war in diesem Zeitraum auch mit einem deutlichen Rückgang der Arbeitslosenquote verbunden. Seit dem Höchststand der offiziellen Arbeitslosenquote von 9,6% ist diese im Sommer 1996 auf ein Rekordtief von 5,5% gefallen. Der Großteil des Zuwachses entstand als Ganztagsstellen. Der Anteil der Mehrfachbeschäftigung, also derjenigen, die mehrere Jobs haben, liegt seit Ende der 80er Jahre konstant bei ca. 6%.
- Die Mehrzahl der neuen Arbeitsplätze entstand im Dienstleistungssektor in den Bereichen Telekommunikation, Finanzdienstleistungen, Versicherungen, Banken, Immobilien, Geschäftsdienstleistungen. Ungefähr 70% waren leitende und qualifizierte Tätigkeiten, mehrheitlich also nicht Hamburger-Flipping-Jobs". Die Hälfte der neuen Vollzeitbeschäftigungen liegt in Einkommensbereichen oberhalb von 480 $ wöchentlich.
- Der größte Beschäftigungserfolg der USA liegt in mehr und besser bezahlten Arbeitsplätzen für Frauen. Zwischen 1950 und 1987 hatte sich der Anteil der Berufstätigen unter Frauen mit Kindern unter sechs Jahren von 12% auf 57% verfünffacht. Heute sind über 60% selbst der Frauen mit einem Kind, das weniger als ein Jahr alt ist, erwerbstätig. Die durchschnittlichen Gehälter der Frauen sind gestiegen, liegen allerdings noch deutlich unter denen der Männer.
- Zwischen 1950 und 1978 erlebten Beschäftigte in allen Einkommensklassen reale Einkommenssteigerungen. Während sich die USA in diesem Zeitraum in einer Phase des gesellschaftlichen Zusammenwachsens befanden, ging die Einkommensschere in den 80er Jahren
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weit auseinander und die gesellschaftliche Kluft zwischen arm und reich vertiefte sich zwischen 1979 und 1994 wieder. 97% des Einkommenszuwachses in dieser Zeit entfielen auf die oberen 20% der Haushalte. Die Jahresverdienste männlicher Arbeitnehmer ohne Schulabschluß sanken zwischen 1973 und 1993 real um 27%, die von Arbeitnehmern mit Highschoolabschluß, aber ohne weitere Ausbildung um 20%, die von Arbeitnehmern mit weiterführender Ausbildung (College) um immerhin 8%. Lediglich Hochschulabsolventen konnten sich seit 1987 steigender Realeinkommen erfreuen.
- Die gesamtwirtschaftliche Produktivität in den USA wuchs zwischen 1950 und 1973 jährlich durchschnittlich um 2,5%, aber nur noch weniger als 1% zwischen 1974 und 1989. Seit 1990 gibt es wieder leichte Produktivitätszuwächse - das durchschnittliche Produktivitätswachstum beträgt seitdem jährlich 1,75%.
- Der Zuwachs der Erwerbstätigkeit ist in Deutschland und in Europa insgesamt weit hinter dem der USA zurückgeblieben. Er betrug zwischen 1970 und 1992 in den USA 49%, in den jetzigen Ländern der Europäischen Union 9%, in Westdeutschland 11%. In der (alten) Bundesrepublik stieg die Beschäftigung in den 80er Jahren um nahezu drei Millionen zusätzliche Arbeitsplätze; zu Beginn der 90er Jahre gab es einen weiteren Beschäftigungszuwachs durch die Sonderkonjunktur infolge der deutschen Einheit. Mit 29,5 Millionen Erwerbstätigen wurde 1992 die höchste Zahl in der westdeutschen Geschichte erreicht. Seit 1993 ist jedoch ein stärkerer Rückgang der Zahl der Erwerbstätigen zu verzeichnen. Ein Sonderfall ist die ostdeutsche Entwicklung mit dem massiven Beschäftigungseinbruch von nahezu zehn auf wenig mehr als sechs Millionen Erwerbstätige seit 1990. Die Transformation eines ganzen Wirtschaftssystems ist ein einmaliges Ereignis und mit der Entwicklung in Westdeutschland nicht zu vergleichen.
- In der alten Bundesrepublik hat sich seit den 70er Jahren eine von Rezession zu Rezession wachsende Sockelarbeitslosigkeit aufgebaut, die auch während der Aufschwungphasen nicht abgebaut wurde. Mit rund 4 Millionen arbeitslos gemeldeten Menschen in Gesamtdeutsch-
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land liegt die offizielle Arbeitslosenquote 1996 bei etwa 10%. Berücksichtigt man arbeitsmarktpolitische Maßnahmen, vorgezogenen Ruhestand etc, besteht tatsächlich ein Angebotsüberschuß von sechs Millionen Arbeitssuchenden. In einer langfristigen Betrachtungsweise ist der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Westdeutschland nicht auf sinkende Erwerbstätigkeit, sondern auf den Anstieg des Arbeitskräfteangebots, insbesondere durch die höhere Beteiligung von Frauen und durch Zuwanderungen zurückzuführen.
- Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität (pro Stunde) stieg in der Bundesrepublik zwischen 1980 und 1994 um 40,4% (zum Vergleich in den USA um 16,5%), die Produktion hingegen nur um 34,3% (USA: 58,2%). Dies ist gleichbedeutend mit einer Abnahme des gesamtwirtschaftlichen Arbeitszeitvolumens. Die trotz dieser Entwicklung bis 1992 gestiegene Zahl der Erwerbstätigen in Westdeutschland ist allein auf die gesunkene Zahl der Arbeitszeit je Erwerbstätigen zurückzuführen. Ohne Arbeitszeitverkürzung in allen Formen hätte es keinen Zuwachs in der Erwerbstätigkeit gegeben.
- Dies spiegelt sich in der Einkommensentwicklung. Sind die realen Stundenlöhne in der Bundesrepublik zwischen 1980 und 1994 um 34,7% gestiegen (USA 11,6%), liegt der Zuwachs pro Kopf nahezu ein Drittel unter diesem Wert (in den USA nur unwesentlich).
- Die Entwicklung der Beschäftigtenzahlen war in der Bundesrepublik wesentlich durch die Verkürzung der Arbeitszeit, in den USA durch das niedrige gesamtwirtschaftliche Produktivitätswachstum beeinflußt.
- Ein wesentlicher Unterschied in den Beschäftigungsproblemen der USA und Deutschlands ist darin zu sehen, daß der Anteil der Langzeitarbeitslosen in Deutschland deutlich höher ist. Im allgemeinen fördert das deutsche System eine höhere Produktivität und höhere Einkommen, allerdings verbunden mit einer höheren Arbeitslosigkeit. Das politische Paradigma in den USA präferiert eine schnellere Zunahme an Jobs, tendiert damit aber zu einer für die Produktivität nachteiligen Niedriglohn-Strategie.
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- Idealtypisch kann man zwischen zwei Strategien differenzieren, um wettbewerbsfähig zu werden und zu bleiben: Löhne senken oder Qualität und Produktivität steigern. Die Niedriglohn-Strategie hat jedoch immanente Grenzen und führt zu sozialen Verwerfungen. Eine Strategie hin zu einer Hochleistungsökonomie könnte hingegen auch wieder Steigerungen in den unteren Lohngruppen zulassen. Systeme mit höheren Leistungen setzen allerdings eine bewußte politische Strategie voraus, die auf Konsens aufbaut.
- Eine ausschließlich nationale Politik ist innerhalb der Weltwirtschaft immer weniger erfolgreich zu betreiben. Sowenig nationale Volkswirtschaften ohne Regelwerk funktionsfähig sind, sowenig kann auch eine arbeitsteilige Weltwirtschaft ohne organisatorischen Rahmen zufriedenstellend funktionieren. Bisher haben es die Industriestaaten versäumt, ihre volkswirtschaftlichen Politiken zu koordinieren. Plädieren die einen für neue Institutionen, um das globale Wachstum anzukurbeln, stimmt es die anderen schon hoffnungsvoll, daß die G-7 Beratungen seit 1994 auf die Beschäftigungspolitik ausgedehnt worden sind. Ohne eine Renaissance der gesellschaftliche Kompromißfähigkeit und eine Koordination der gesellschaftlichen Akteure auf nationaler und internationaler Ebene lassen sich beschäftigungspolitische Fortschritte und Produktivitätssteigerungen nicht mehr in größeren Schritten voranbringen.
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fes-library | Februar 2001
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