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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausgabe: 20 / Fortsetzung] 3. Maßnahmen zum Erhalt der Textilstandorte in Ostdeutschland Die Frage, ob in Ostdeutschland eine eigenständige Textil- und Bekleidungsindustrie angesichts der leicht erweiterbaren Kapazitäten in den westdeutschen Unternehmen überhaupt notwendig ist, wird oft gestellt. Dem ist allerdings entgegenzuhalten, daß sich die Sanierung und die eigenständige Entwicklung der ostdeutschen Wirtschaft nicht nur auf den Bereich der Dienstleistungen oder auf industrielle Großprojekte erstrecken darf. Nur ein funktionierender Mittelstand, der auch in der alten Bundesrepublik das Rückgrat der wirtschaftlichen Entwicklung darstellt, kann langfristig eine prosperierende Entwicklung gewährleisten. Zu einem solchen Mittelstand gehört zumindest auch ein Kernbereich an eigenständigen Textil- und Bekleidungsunternehmen, die die Basis und das Umfeld für erfolgreiche und innovative Neugründungen bilden. Ist dieser Kernbereich ebenfalls vom Markt verschwunden, wird einer eigenständigen Entwicklung der ostdeutschen Textilindustrie der Boden entzogen, und das notwendige kreative Humankapital ist dann nicht mehr vorhanden. Erfolgreiche Unternehmensgründungen, wie sie in West- und z.T. auch in Ostdeutschland auch heute noch in Einzelfällen zu finden sind, werden dann ausbleiben. Ein weiteres Argument für den Erhalt derartiger Unternehmen ist ihre Konzentration auf strukturschwache Gebiete, in denen bei einem Verlust weiterer Arbeitsplätze und Unternehmen ein bislang beispielloser wirtschaftlicher und sozialer Abstieg der Bevölkerung droht. Eine besondere sozialpo- [Seite der Druckausgabe: 21] litische Komponente gewinnt der Erhalt von Arbeitsplätzen in der Textilbranche noch dadurch, daß weit mehr als die Hälfte der Beschäftigten Frauen sind, denen ohnehin weniger Beschäftigungsalternativen zur Verfügung stehen als ihren männlichen Kollegen. Schließlich sind auch die entstehenden Modezentren Berlin und Leipzig auf den Textilstandort Ostdeutschland angewiesen. Die großen Themen für die Rettung der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie sind somit:
Die Bundesregierung, die Länder, die Kommunen und die Sozialpartner sind daher gefordert, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um günstigere Rahmenbedingungen für den Erhalt der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie zu schaffen.
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3.1 Das Absatzförderprogramm für die Unternehmen der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie
Die heute noch bestehenden Unternehmen der ostdeutschen Textilindustrie haben das zunächst fehlende "modische Know-how", das die Wettbewerbschancen stark beeinträchtigt hat, mittlerweile aufgeholt. Die Präsentation verschiedener Kollektionen aus den neuen Bundesländern anläßlich einer Veranstaltung der Treuhandanstalt hat gezeigt, daß die Kollektionen im Hinblick auf Qualität und Design in der Regel durchaus mit westdeutschen Produkten konkurrieren können. Zwei Jahre nach der "Wende" konnten die ersten ostdeutschen Unternehmen darüber hinaus westliche Produktivitätsstandards erreichen. Das größte Problem der ostdeutschen Textilbetriebe ist heute aber, daß ihre Produkte bisher von den großen Kaufhausketten und Warenhäusern, die das wichtigste Abnehmerpotential darstellen, kaum beachtet werden und daß die Unternehmen insgesamt keinen rechten Zugang zum Handel und zum Markt finden. Um die noch bestehenden Unternehmen abzusichern, ist im Bundeswirtschaftsministerium unter Mitwirkung der Länder Sachsen, Thüringen und Brandenburg ein Projekt zur "Absatzförderung für die Unternehmen der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie" initiiert worden. Die kurzfristige Förderung des Absatzes ist eine wichtige Maßnahme im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe, damit die ostdeutschen Unternehmen mehr Zeit gewinnen, den fälligen Anpassungsprozeß zu bewältigenden. Der Koordinationsausschuß für dieses Projekt besteht aus den Fachreferenten des Bundeswirtschaftsministeriums, aus Vertretern der Fachverbände, der Gewerkschaften und der beteiligten Bundesländer. Für die Durchführung ist die HBS Consulting Partners GmbH, München verantwortlich. Das Projekt zielt auf eine individuelle Beratung und Förderung der einzelnen Unternehmen in Ostdeutschland. Der Schwerpunkt des Programms liegt auf der Erschließung des westeuropäischen und insbesondere westdeutschen Marktes. Die ostdeutschen Unternehmen haben keine Zeit mehr, um auf sich gegebenenfalls öffnende osteuropäische Absatzmärkte zu warten; nur im Verbund und in der Ar [Seite der Druckausgabe: 23] beitsteilung mit westdeutschen Unternehmen liegen die Chancen, auch 1993 auf den europäischen Märkten zu bestehen. Darüber hinaus muß der eigene ostdeutsche Markt wieder zurückgewonnen werden. Das Programm umfaßt vier Maßnahmenpakete, die kurzfristig die wirtschaftliche Situation der Unternehmen verbessern sollen:
Noch immer leiden ostdeutsche Produkt unter ihrem geringen Bekanntheitsgrad und unter dem Makel, ihre Qualität sei unzureichend und ihnen fehle der modische Chic. Insbesondere die Weiterverarbeiter haben diesbezüglich Vorbehalte, als ostdeutsche Unternehmen schon vor der Wende den Ruf hatten, Billiganbieter zu sein. Um die Absatzchancen für textile Erzeugnisse kurzfristig zu erhöhen, ist es unbedingt erforderlich, das Image der Produkte und der Unternehmen zu verbessern. Das Programm zur Absatzförderung in der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie umfaßt 16 Einzelmaßnahmen:
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Die Ziele und Inhalte des Absatzförderprogramms des Bundeswirtschaftsministeriums lassen sich unter dem Stichwort "Realisierung der Wettbewerbsfähigkeit durch einen Industrie- und sozialpolitisch verträglichen [Seite der Druckausgabe: 25] Übergang" zusammenfassen. Dies kann sicher nicht allein durch ein einzelnes Programm erreicht werden. Ein derartiges Absatzförderungsprogramm ist aber notwendig, damit den Unternehmen kurzfristig geholfen wird, ihre Existenz zu sichern und damit diejenigen Mittel erwirtschaftet werden, die für weitere Strukturanpassungen nötig sind. In den ostdeutschen Unternehmen gibt es auch weiterhin eine große Zahl von Beschäftigten mit einer hohen "Produktionskompetenz", so daß ein weiterer Rückgang der Mitarbeiterzahlen schon aus diesem Grunde nicht mehr hingenommen werden kann. Die Absatz- und Verkaufsförderung ist das für die Unternehmen wichtigste Mittel, um erst einmal "den nächsten Tag zu erreichen". Ansatzpunkte zur Sicherung eines sozial- und industrieverträglichen Übergangs der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie sind darüber hinaus:
Ein Absatzförderprogramm allein kann zwar kurzfristig eine Verbesserung des Absatzes und damit der Liquidität herbeiführen, um jedoch die Überlebensfähigkeit der Unternehmen mittel- und langfristig zu sichern, müssen auch die anderen Probleme gelöst werden.
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3.2 Forderungen der Gewerkschaften an die Wirtschafts- und Sozialpolitik
Um einen besseren Zugang der Unternehmen zum Markt zu ermöglichen und die langfristige Überlebensfähigkeit eines Kerns der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie zu sichern, werden insbesondere von der Gewerkschaft Textil und Bekleidung folgende Forderungen an die Treuhandanstalt, die Länder und die Bundesregierung gerichtet:
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Präsentationen auch tatsächlich die Einkäufer der großen Handelshäuser vertreten sind. [Seite der Druckausgabe: 28]
sondern müssen dem Umstand Rechnung tragen, daß ein Unternehmen in dieser Branche einen zwei- bis vierjährigen Anspassungsbedarf hat, um einen Kundenstamm zu gewinnen. All die geforderten Maßnahmen setzen voraus, daß die Entscheidungsträger in der Bundesregierung bzw. in den Länderregierungen dazu bereit [Seite der Druckausgabe: 29] sind, aktive Strukturpolitik zu betreiben. Der Handlungsspielraum der Treuhandanstalt als Eigentümerin der meisten Unternehmen ist eng begrenzt - um eine aktive Sanierung zu betreiben oder gar Bestandsgarantien für gefährdete Unternehmen zu geben, fehlen die entsprechenden finanziellen Mittel. Von daher kann die Treuhandanstalt die vielfach an sie gerichteten Forderungen in der Regel gar nicht erfüllen. Wenn die Länder aus strukturpolitischen Gründen die Schließung einzelner Unternehmen oder die Liquidierung ganzer Branchen verhindern wollen, dann müssen sie auch bereit sein, sich entsprechend finanziell zu engagieren. Ohne eine aktive Industrie- und Strukturpolitik, die einen erheblichen finanziellen Aufwand erfordert, kann die ostdeutsche Textil- und Bekleidungsindustrie nicht erhalten werden.
3.3 Förderprogramme im Bereich der Textil- und Bekleidungsindustrie
Zur Zeit gibt es eine Vielzahl an Fördermaßnahmen und Projekten, die die Überlebens- und Anpassungsprozesse der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie unterstützen sollen: Sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg finden sich eine Reihe von Initiativen der Landesregierungen, die weitere Talfahrt dieser Branche zu bremsen. So hat z.B. der "Sachsentisch" eine Liste erhaltungswürdiger Textil- und Bekleidungsunternehmen erstellt, deren Bestand durch eine konzertierte Aktion von Landesregierung, Treuhandanstalt und Verbänden gesichert werden soll. Auch der "Aufbaustab Cottbus" unter Leitung des ehemaligen Wirtschaftsministers Haussmann arbeitet an Konzepten zur Erhaltung des Textilstandortes Lausitz. Im brandenburgischen Wirtschaftsministerium werden zur Zeit Informationen aus einzelnen Unternehmen gezielt abgefragt, um individuelle, unternehmensspezifische Unterstützungsmaßnahmen zu entwickeln. Darüber hinaus bemüht man sich in Brandenburg um die Einrichtung einer branchenübergreifenden Warenbörse, die Tauschgeschäfte mit dem ehemaligen Ostblock koordinieren soll, um damit wenigstens einen [Seite der Druckausgabe: 30] Teil des ehemaligen Ostgeschäftes wieder zu reaktivieren. All diese Maßnahmen sollen den noch bestehenden Unternehmen eine Atempause einräumen, damit Marktnischen mit speziellen Sortimenten erschlossen werden können. Für die Förderung der Textilbranche gibt es darüber hinaus einige spezifische Programme der EG und der Bundesregierung. Einige weitere allgemeine Förderprogramme stehen auch der Textilindustrie offen. Zusätzlich gibt es eine Reihe von Programmen, die z.B. die brandenburgische aber auch die sächsische Landesregierung mit einzelnen Unternehmen aus dieser Branche bzw. mit auswärtigen Investoren durchführen. Dabei handelt es sich in erster Linie um Ausbildungs- und Weiterqualifizierungsmaßnahmen für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus diesem Bereich. Das Bundeswirtschaftsministerium finanziert exemplarisch das Absatzförderungsprogramm für textile Erzeugnisse, an dem federführend das Land Sachsen aber auch das Land Brandenburg beteiligt sind. Die Erkenntnisse aus diesem Projekt sollen unmittelbar auch in den anderen ostdeutschen Bundesländern eingesetzt werden. Darüber hinaus entwickelt das BMWI ein Programm zur Verbesserung der Managementkapazitäten in ostdeutschen Textilunternehmen. Im Jahr 1991 hat dieses Ministerium die ostdeutsche Textil- und Bekleidungsindustrie mit 14.5 Millionen DM gefördert. Die Förderung umfaßte im wesentlichen folgende Bereiche: Forschung, Messeunterstützung, Absatzförderung, Management und Informationsunterstützung. Im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft gibt es das Textilförderungsprogramm RETEX, das aber Ostdeutschland erst zum 1.1.1994 einschließt. In den Landesregierungen und den Landkreisen wird die Abwicklung dieses Programmes schon heute vorbereitet. Um das Image ostdeutscher Textilprodukte zu verbessern, hat die EG auch die Entwicklung eines ostdeutschen Textilmarkenzeichens in Auftrag gegeben. [Seite der Druckausgabe: 31] Der Arbeitskreis Wirtschaft der SPD-Fraktion im brandenburgischen Landtag hat im Hinblick auf die Erhaltung der noch bestehenden ostdeutschen Textilstandorte zusätzliche folgende Forderungen erhoben:
Die Regionalförderung der brandenburgischen Landesregierung konzentriert sich insgesamt darauf, Disparitäten zwischen der Wachstumsregion Berlin und Umgebung und den übrigen Landesteilen möglichst zu vermeiden. Von daher sollen regionale Förderschwerpunkte gebildet werden, um so die Entwicklung von über die Landesfläche verstreuten Wirtschaftszentren zu unterstützen. Es sollen weitere "Gravitationspunkte" geschaffen werden, damit in allen Landesteilen ein sich selbst tragender Aufschwung entstehen kann. Die dezentrale Verteilung von Fördermitteln wird von den schon bestehenden regionalen Oberzentren durchgeführt, um die spezifischen Bedingungen vor Ort angemessen berücksichtigen zu können. Die Förderpolitik des Landes soll dem Leitbild der "dezentralen Konzentration" entsprechen. Darüber hinaus wird darauf geachtet, daß insbesondere diejenigen Unternehmen und Branchen gefördert werden, die dem westdeutschen und osteuropäischen Konkurrenzdruck besonders stark ausgesetzt sind. Unternehmen, die überwiegend auf regionalen ostdeutschen Märkten agieren, bedürfen demgegenüber einer weitaus geringeren Förderung. Auch Branchen, die von der deutschen Einheit besonders profitiert haben, wie Ban [Seite der Druckausgabe: 32] ken, Versicherungen, Handel, private Bildungsinstitute und große Teile der Bauindustrie, bedürfen keiner weiteren Förderung. Für eine Reihe von Unternehmen kommen allerdings all diese Maßnahmen viel zu spät. So wurden bis zum Jahresende 1992 allein in der Region Cottbus weitere drei Textilunternehmen mit ca. 1000 Arbeitsplätzen geschlossen. An warnenden Stimmen, diese Entwicklung aufzuhalten, hat es indes nicht gefehlt. Zum Beispiel hat das RKW-Brandenburg schon Ende 1990 auf die Probleme hingewiesen und die Treuhandanstalt und die Landesregierung zu Initiativen aufgerufen. Insbesondere wurde schon damals die breitflächige "Streuung" der Liquiditätskredite kritisiert, die zwar die einzelnen Firmen kurzfristig "über Wasser" gehalten haben, die aber ohne jedwede Industrie- oder strukturpolitische Auswirkungen geblieben sind. Eine gezielte Förderung einzelner Unternehmen wäre im Hinblick auf den Erhalt der gesamten Branche sicherlich sehr viel wirksamer gewesen. Ein grundsätzliches Problem der Regional- und Industrieförderung, nicht nur in den neuen Bundesländern, ist die Konzentration der Mittel auf prestigeträchtige Großprojekte, z.B. in den Bereichen Werften, Chemieindustrie oder Bergbau. Diese Mittel könnten im Bereich der Mittelstandsförderung wesentlich größere regional-, branchen- und arbeitsmarktpolitische Auswirkungen haben. Der Textilindustrie fehlt jedoch die gesellschaftliche und politische Durchsetzungskraft, wie sie z.B. im Metallbereich zu finden ist.
3.4 Kooperationen mit ausländischen Partnern
In den Verhandlungen mit potentiellen Erwerbern stellt die Treuhandanstalt auch den besonderen Standortvorteil ostdeutscher Unternehmen heraus. Dieser Standortvorteil kann insbesondere zu engen Kooperationen mit Unternehmen aus Polen bzw. aus der Tschechischen und der Slowakischen Republik genutzt werden. Bei der Kooperation mit osteuropäischen Unternehmen können auf dem Wege der passiven Lohnveredelung zusätzliche Produktivitätsreserven genutzt werden. Die Vorteile einer solchen Kooperation sind natürlich auch von westdeutschen Unternehmen erkannt worden, so daß die Gefahr besteht, daß sich über die neuen Bundesländer hinweg [Seite der Druckausgabe: 33] hier neue Kooperationen anbieten, die den Strukturanpassungsprozeß der ostdeutschen Unternehmen weiter beeinträchtigen würden. Die polnische Textil- und Bekleidungsindustrie selbst befindet sich in einer ähnlichen Umbruchphase, wie sie sich auch in den neuen Bundesländern darstellt. Auch hier sind die osteuropäischen Märkte, insbesondere in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, zum großen Teil weggebrochen. Steigende Lohnkosten, eine Verschärfung des internationalen Wettbewerbes und zunehmender Importdruck haben dazu geführt, daß auch in den polnischen Unternehmen der Textilbranche die Beschäftigung und die Produktion in den letzten Jahren massiv zurückgegangen sind. Zur Modernisierung der Unternehmen ist ein erheblicher Kapitalbedarf erforderlich. Ohne staatliche Subventionen oder Joint Ventures mit ausländischen Investoren ist auch die polnische Textil- und Bekleidungsindustrie langfristig nicht überlebensfähig. Im Gegensatz zur Bundesrepublik ist die Textilwirtschaft in Polen aber ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: Die Branche umfaßt ca. 916 Betriebe, das sind 13,5% aller Produktionsbetriebe in Polen, erwirtschaftet ca. 9% des Bruttoinlandsproduktes und beschäftigt etwa 12% aller Arbeitnehmer; 50% der Erzeugnisse werden exportiert, das entspricht etwa 15% des Gesamtexports der polnischen Volkswirtschaft. Gegenüber der Situation in den neuen Bundesländern verfügt die polnische Textilwirtschaft auch über einige wesentliche Vorteile: ein niedrigeres Lohnniveau, einen günstigen Standort zur Erschließung der osteuropäischen Märkte, traditionell enge Beziehungen zu Handelspartnern in der ehemaligen Sowjetunion und qualifizierte Arbeitskräfte. Die gesamte Branche konzentriert sich dementsprechend auch darauf, den Handel mit den anderen osteuropäischen Ländern und insbesondere mit der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) zu erhalten und weiter auszubauen. In der GUS gibt es einen immensen Bedarf an textilen Erzeugnissen, dem aber weder Kaufkraft, noch Bonität, noch eine entsprechende Vertriebs- und Handelsorganisation gegenüberstehen. Daher versuchen viele polnische Textilunternehmen eigene Vertriebs- und Handelsnetze dort aufzubauen und auch arbeitsintensive Produktionen in diese Staaten zu verlagern. [Seite der Druckausgabe: 34] Kooperationen über Ländergrenzen hinweg und die Nutzung der jeweils spezifischen (komparativen) Vorteile der jeweiligen Industrien scheinen für die europäische Textilindustrie insgesamt der einzige Weg zu sein, langfristig Produktionsstandorte zu erhalten. Für die deutschen, polnischen und auch die anderen osteuropäischen Unternehmen bietet es sich einfach an, in Kooperationen die textile Produktionskette gemäß den jeweiligen Vorteilen im Hinblick auf Lohnkosten oder technologisches Know-how aufzuspalten. Zum Beispiel könnten polnische und ostdeutsche Unternehmen ein gemeinsames Vertriebsnetz in den GUS-Staaten aufbauen und diesen riesigen Markt für sich erschließen. Die Textilunternehmen in Ostdeutschland haben die Möglichkeit einen großen Teil ihrer arbeitsintensiven Produktionsgänge nach Polen zu verlagern, um langfristig konkurrenzfähig zu werden. Kooperationen zwischen ostdeutschen und polnischen Textilunternehmen und eine gemeinsame Erschließung von Drittmärkten können dann auch eine ruinöse Konkurrenz der verschiedenen Standorte um Finanz- und Investitionsmittel auswärtiger Investoren abwenden. Die brandenburgische Landesregierung hat entsprechende Informations- und Vermittlungsdienste sowie auch finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, um Kontakte zwischen ostdeutschen und polnischen Unternehmen zu ermöglichen und zu fördern. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000 |