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3. Kooperation zwischen Wissenschaft und Industrie In der Praxis

Westdeutsche Unternehmen, die in den Osten expandierten, nutzen die junge Technologietransferlandschaft noch wenig, sondern greifen auf eigene Ressourcen und technische Entwicklungen zurück, die auf den internationalen Märkten angeboten werden. In erster Linie sind die ostdeutschen Gründerunternehmen auf die Technologietransferprozesse angewiesen. Zwei unterschiedliche Fälle von Unternehmen in der Region Vorpommern geben diesen Trend wieder.

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3.1 Die Siemens Übertragungssysteme GmbH Greifswald

Das Unternehmen beschäftigt in Greifswald ca. 1000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in den Bereichen Produktentwicklung, Vertrieb, Fertigung und Montageservice. Vom Stammhaus in München wurde ein Teil der Produktverantwortung nach Greifswald ausgelagert, die an diesem Standort eine innovative Entwicklungsabteilung übernimmt. Das Unternehmen selbst verfügt über ein hohes Know-How im Bereich der Übertragungstechnik. Die Suche nach Institutionen mit entsprechendem technischen Sachverstand, die als Kooperationspartner für die Produktentwicklung gewonnen werden können, gestaltet sich deshalb um so schwieriger.

In technischer Hinsicht besteht das Kooperationsinteresse weniger an Grundlagenerkenntnissen, die erst in einem langwierigen Transformationsprozeß in fertige Produkte einfließen, sondern vielmehr in der Anwendung von Produkten (Bauelemente, Softwarepakete etc.). Erste Kooperationschancen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft mit unmittelbaren Markt- und Anwendungsbezug ergeben sich in Feldern, auf denen Kooperation die Gestalt von Dienstleistungen annimmt:

  • Die personalpolitische Ökonomie begrenzt den hausinternen Einsatz von Softwareentwicklern; externe Softwareerstellung für den Bereich Logistik und Datenvernetzungskommunikation entspricht dem Bedarf des Unternehmens.
  • Die Übertragungstechnik stellt hohe Ansprüche an Lebensdauer, Qualität und Verfügbarkeit der Geräte. Nicht jedes Bauelement, das auf den Weltmärkten eingekauft wird, eignet sich gleichermaßen für die Firmenprodukte. Die Messung und Zerlegung von Bauelementen (Chips), bisher Aufgabe des Stammhauses, könnte durchaus an wissenschaftliche Institute vergeben werden.

Am Standort Greifswald ist diese Kooperation jedoch noch Zukunftsvision. Aus unterschiedlichen Gründen bestehen nur wenige Kontakte zwischen den Wissenschaftseinrichtungen, den Trägern des Technologietransfers und dem Unternehmen.

Kosten, Qualität und Zeit sind die zentralen Faktoren der Produktentwicklung. Die hochspezialisierten und teuren Forschungsergebnisse aus der Wissenschaft sind häufig nicht anwendbar. Erwartungen der Wissenschaft und der anwendungsorien-

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tierten Industrie klaffen, zumindest auf dem Feld der Übertragungstechnik, auseinander. Die Universitäten selbst verstehen sich nicht als Dienstleister; transferintensive Institute dagegen, die die Grundlagenforschung produktfähig machen, gibt es kaum. Von der angewandten (Spitzen-) Produktentwicklung ist das universitäre Umfeld noch weit entfernt. Die Forschungslandschaft ist für forschungsintensive Unternehmen daher wenig lukrativ, die technologische Forschungspalette nicht marktfähig.

Auch die praxisorientierte Fachhochschule kann während ihrer Aufbauphase nicht in diese Lücke springen; für anspruchsvolle Aufgabenstellungen, wie z.B. die Analyse hochintegrierter Schaltkreise, die in harter Konkurrenz zu nationalen high-tech-erfahrenen Institutionen bearbeitet werden müßten, fehlen noch die qualifikatorischen Ressourcen. Um eine Verbindung zu erstellen, wäre ein Mittelweg erforderlich, mit dem die Fachhochschule schrittweise an den "Markt" herangeführt wird, z.B. durch Abschlußarbeiten für Studenten, Praktika usw., die das Ausbildungsprofil auf die zukunftsträchtigen und anwendungsbezogenen technologischen Gebiete lenken.

Die Sichtweisen divergieren: Vertreter des Unternehmen melden Kooperationsbedarf an, die verantwortlichen Akteure aus der regionalen Technologie und Wirtschaftsförderung dagegen konstatieren eher eine Verschlossenheit des Betriebes. Diese offenkundige Kommunikationsbarriere zwischen technologischen Spitzenunternehmen und etwa der Technologietransferagentur ist ein Indikator dafür, daß die Ressourcen der Region noch in einem Entwicklungsstadium stehen und die Anpassung an moderne Standards Zeit braucht. Der Sachzwang, daß Technologieagenturen und Vertreter des TZ ihre noch geringen personellen Kapazitäten zunächst auf die heimischen Low-Tech-Branchen konzentrieren, erschwert darüber hinaus den Dialog.

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3.2 Die ZIROX Sensoren & Elektronik GmbH

Das Unternehmen wurde 1990 von ehemaligen Universitätsangehörigen gegründet. 1991 siedelte sich die Firma im TZ Vorpommern an. Im Gegensatz zu den vorherigen, imageschädigenden Geschäftsräumen mit Hinterhofcharakter, bietet das TZ einen repräsentativen Firmensitz zu erschwinglichen Mieten.

Die Produktpalette stützt sich schwerpunktmäßig auf wissenschaftliche Geräte und die Verwertung von chemischen Forschungsergebnissen aus dem Bereich der Festelektrolydforschung. Das Unternehmen versucht mittels Sonderanwendungen auf diesem Gebiet ein spezielles Marktsegment zu behaupten. Ein westdeutsches Unternehmen unterstützt durch seine internationale Marketingerfahrung den Vertrieb. Dieses Netzwerk hat Ausgleichsfunktion für die negativen Standortbedingungen in

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Greifswald (Verkehrswege) und erleichtert den Marktzugang, da sich die Vermarktungsbedingungen für unbekannte, ostdeutsche Unternehmen aufgrund fehlender Referenzen äußerst kompliziert gestalten. Inzwischen liegen erste Erfahrungen mit den ökonomischen und techniktransferbezogenen Rahmenbedingungen von technologieorientierten Unternehmen vor.

Trotz der Förderaktivitäten von Bund und Land sind die ökonomischen Schwierigkeiten junger Unternehmen gravierend, da sie kaum Sicherheiten bieten können, um Kapital zu erlangen. Die Banken und Sparkassen üben - aus Mißtrauen und Unkenntnis - Zurückhaltung, auch wenn, wie im Falle dieser Firma, das BMFT eine TOU-Förderung bereits zugesagt hat. Um so wichtiger wird dieses Förderinstrumentarium für junge Firmen; die rasche Entfaltung von Aktivitäten für Finanzierung und Verkauf von Produkten kann auf diese Weise in der wichtigen Anfangsphase zugunsten einer intensiveren Produktentwicklung zurückgestellt werden.

Für den Standort Greifswald spricht die Nähe zu der Universität; Abstriche an die Kooperationsbeziehungen müssen jedoch gemacht werden. Das belegen die Erfahrungen dieses Unternehmens. Forschung endet dann, wenn die untersuchten Phänomene erklärt werden können. Im Prozeß der Technikgenese verdichten sich dadurch die Schwierigkeiten, Forschungsergebnisse in marktfähige Produkte umzusetzen.

Wissenschaftler definieren sich nicht als "Zuarbeiter" der Industrie und antizipieren kaum die Anforderungen des Umsetzungsprozesses. Ins Kalkül des wissenschaftlichen Produktionsprozesses geraten Veröffentlichungen und Patente, aber nicht Fragen etwa der Reproduzierbarkeit, des Arbeitsschutzes und der Qualitätssicherung. Gerade die funktionierende Qualitätssicherung bietet Sicherheit vor Reklamationen, die nicht nur einen Kostenfaktor darstellen, sondern den Ruf des Unternehmens prägen. Aus wissenschaftlicher Perspektive ist eine Patentschrift bereits eine ausreichende Handlungsanleitung für die praktische Produktrealisierung; technische Umsetzung und Markteinführung als zentrale Phasen des Innovationsprozesses werden nicht reflektiert.

Innovationsanstöße speisen sich aus zwei Quellen: den Markteinflüssen und den Erkenntnissen über neu entdeckte Materialien u.ä.. Die letzte Quelle ist in kleinen Betrieben nicht zu erschließen, denn sie können keine produktbezogene Grundlagenforschung (z.B. auf dem Gebiet der Sensorik) betreiben und verfügen auch nicht über zeitliche Reserven für das Wissenschaftsmanagement und den fachliche Diskurs etwa durch den intensiven Besuch von Tagungen und Kongressen zum Zwecke der Informationsbeschaffung.

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Die Informationsbeschaffung bleibt wichtiges Kriterium im Wettbewerb. Ein praxisorientiertes universitäres Hinterland ist deshalb um so wichtiger, und zwar nicht nur für die Startphase, sondern als kontinuierliche strukturelle und personelle Forschungsressource für kleinere technologieorientierte Unternehmen. Großunternehmen greifen hier auf ihre Eigenleistungen zurück. Perspektivlosigkeiten und Kapazitätsabbau im Hochschulbereich wirken in diesem Kontext kontraproduktiv und sind nicht dazu geeignet, die Qualität der wirtschaftsnahen Forschung zu erhöhen.

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3.3 Kooperation als Doppelstrategie

Die Fallbeispiele zeigen ein Dilemma auf. Beide Unternehmen haben sich zwar in der Nähe einer "Wissensquelle" angesiedelt, jedoch fehlen die Bezüge zwischen Grundlagenforschung und industrieller Nutzanwendung.

Der in beiden Unternehmen vorhandene Transferbedarf variiert mit der Unternehmensstruktur. Die Erfahrungen sind verallgemeinerungsfähig. In kleinen, technologieorientierten Unternehmen kann Spezialwissen nicht in ausreichendem Maße konzentriert werden. Die Wissenschaft ist auf ihren Forschungsfeldern und in ihren Handlungsweisen relativ autonom. Ein effizienter Austauschprozeß zwischen Grundlagenforschung und angewandter Forschung in den Betrieben kommt nicht zustande, da der produkt- und marktorientierte Innovationstransfer aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen noch stockend verläuft.

Innovative Großunternehmen mit F&E-Abteilungen verfügen hingegen über ein entsprechendes Spezialwissen und umsetzungsrelevante Kapazitäten. Angewandte Forschung ist für ihre Zwecke weniger Innovations- als vielmehr praktische Industrieforschung, um die eigene Entwicklungs- und Fertigungstiefe in Grenzen zu halten.

Im Aufbau der wissenschaftsnahen Transfereinrichtungen ist daher eine Doppelstrategie, eine konzeptionelle Mixtur aufgezeigt, die der Industriestruktur Vorpommerns Rechnung trägt. Sie müssen als "Produkt- bzw. Marktpartner" Produktentwicklungskapazitäten aufbauen, die Ergebnisse aus dem Bereich der Grundlagenforschung für technologieorientierte Unternehmen bedarfsgerecht aufbereiten. Dazu ist die Transparenz über den jeweiligen Bedarf zu erhöhen. Wissenschaftseinrichtungen sind zugleich Dienstleister für etablierte Großunternehmen, die durch ihren Einbezug in die Technologietransferprozesse und wissenschaftlichen Institute unmittelbar zu deren Entwicklung beitragen, in dem sie ihr Know-How in die Realisierung von technisch-industriellen Innovationen einspeisen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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