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TEILDOKUMENT:
2. Institutionen des Technologietransfers und der Wirtschaftsförderung In Vorpommern Die mecklenburg-vorpommersche Landesregierung unternimmt den Versuch, die Grundzüge westdeutscher Wirtschaftsförderung aufzugreifen. Ihr technologiepolitisches Konzept als Bestandteil der Wirtschaftspolitik soll der Entwicklung des Mittelstandes dienen mit dem Ziel,
Wissenschaft und Wirtschaft sollen zur schnellen Entwicklung neuer hochwertiger, marktorientierter Produkte zusammengeführt werden. Ein Blick auf die unterschiedlichen Phasen der Technikgenese liefert Anhaltspunkte, wie neue Technologien in diesen Modernisierungsprozeß einmünden. Vier Phasen strukturieren den Herstellungsprozess von Technik:
Die Phasen spiegeln die grundsätzliche Variabilität technologiepolitischer Strategien und ihrer Formen wider. Durch infrastrukturelle Maßnahmen (Ausbau des Hochschulnetzes, Gründung von Transferzentren), durch mittelbare (z.B. Finanzhilfen) und durch unmittelbare Formen der Technologiepolitik (direkte Projektförderung) können politisch initiierte Eingriffe an der Grundlagenforschung, der angewandten Forschung sowie der industriellen Nutzung neuer Technologien ansetzen. Auf dieser Basis entsteht in Vorpommern eine spezifische Technologietransferlandschaft.
2.1 Wissenschaftseinrichtungen
Die ersten Erfahrungen mit den Wissenschaftseinrichtungen in Vorpommern zeigen, wie sich Technologietransfer völlig unterschiedlich zu den Bedingungen in den alten Bundesländern gestaltet. In den neuen Bundesländern stellt sich die Frage verschärft, wie Hochschulen bei gegebenen Finanzrahmen und bei der existierenden Wirtschaftsstruktur als gestaltende Kräfte den Modernisierungsprozeß steuern können.
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2.1.1 Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald
Die Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald, deren Forschungspotential in wirtschaftsnahe Transferaktivitäten kanalisiert werden soll, erhält Im Prozeß der Technikgenese eine Schlüsselfunktion. Erklärtes Ziel der verantwortlichen Hochschulangehörigen ist, besonders im Wettbewerb mit den Universitäten der alten Bundesländer, die Verbindung von Spitzenforschung mit Technologietransfer. Die medizinischen ebenso wie die mathematisch-naturwissenschaftliche Fakultät wirbt zunehmend Drittmittel aus den Töpfen des Bundes und der DFG, aber auch als Auftragsforschung der Industrie ein. Die eingeworbenen Mittel und die dadurch eingerichteten Stellen für Wissenschaftler sind Indikatoren für den allmählichen Praxisbezug der Greifswalder Universität. Dieser läßt sich im biomedizinischen Forschungskontext aufzeigen, wo sich erste "Produktpartnerschaften" als Folge des beginnenden Technologietransfers ergeben haben. Nach der Wiedervereinigung wurde die biomedizinische Forschung zügig ausgebaut:
Ein Beispiel für die Vernetzung von Forschung und Wirtschaft liefert das Zentrum für biomedizinischen Technologietransfer (ZBMT), das die erste Etappe auf dem Weg zur Schaffung eines geeigneten universitären Hinterlandes und die "Keimzelle" für Industrieansiedlung darstellt. Universitätsangehörige, Firmenvertreter, deren Produktionsprofil mit den Zielen des ZBMT korrespondiert (Medizinische Sensortechnologie, Beschichtung von Biomaterialien, Immundiagnostik, Veterinärtechnik etc.) und Repräsentanten anderer Einrichtungen (Technologiezentren) prägen die Mitgliederstruktur des ZBMT. Trotz des schlechten Rufes der Biotechnologie in der Bevölkerung sind die Märkte, auf denen die Grundlagenforschung zur Anwendung [Seite der Druckausgabe: 11] gelangt, relativ umfassend und universell (Land-, Forst-, Fischwirtschaft bis hin zum Bergbau und zum Umweltschutz). Der Technologietransfer richtet sich thematisch aus. Als themenbezogene Technologietransfereinrichtung versteht sich das ZBMT als Modellversuch für die neuen Bundesländer. Das anspruchsvolle Zielvorhaben lautet: Das ZBMT hat die Aufgabe, sowohl mit den Hochschulen als auch mit der Industrie zusammenzuarbeiten. Das ZBMT erfüllt eine branchenbezogene Brückenfunktion für die Biomedizintechnik und die Biotechnologie, um die Ansiedlung einer "weißen Industrie" in Mecklenburg-Vorpommern zu befördern, Produktideen im Lande realisieren zu helfen, Investoren anzuwerben, hochqualifizierte Arbeitsplätze zu schaffen bzw. zu erhalten und mit einer schnelleren Verwertung der Grundlagenforschung neue wirtschaftliche Impulse zu geben. Um diese Zielsetzung einzulösen, erarbeitete beispielsweise eine Machbarkeitsstudie einen konzeptionellen Entwurf für ein 1993 zu errichtendes Biotechnikum mit 2500 Quadratmetern Nutzfläche, wovon 1700 Quadratmeter an Firmen vermietbar sind, 300 Quadratmeter für einen Großgerätepark zur Verfügung stehen und 500 Quadratmeter von einem An-lnstitut für Biotechnologie der Universität genutzt werden sollen. Das Biotechnikum eröffnet jungen Firmen die Möglichkeit, Räume kostengünstig anzumieten und die Gerätschaften auf Mietbasis für FuE-Zwecke zu nutzen. Diese Einrichtung bezieht Vorpommern zudem in europäische Vorhaben durch ein European Network Biomedicine auf einer internationalen Ost-West-Achse ein, die von Dublin über Greifswald bis hin zu St. Petersburg reicht. Das Institut für Biotechnologie wird als Aninstitut in die Universität eingegliedert. Die beispielhaft genannten Aktivitäten des ZBMT kennzeichnen zwei Versuche: die Intention, durch einen branchenbezogenen Technologietransfer entsprechende Firmen anzusiedeln und damit die Absicht, durch die internationale Ausrichtung das Peripherieproblem Vorpommerns zu überwinden. Allen Ansätzen der Universität und der mit ihr verwobenen Einrichtungen ist zur Zeit allerdings eins gemein: personalpolitische Unklarheiten und daraus resultierende Ängste der Wissenschaftler erschweren die Öffnung und blockieren nicht selten den Dialog mit außeruniversitären Ansprechpartnern.
2.1.2 Die Fachhochschule In Stralsund
Ein weiterer Schritt, die wirtschaftliche Entwicklung in einer strukturschwachen Region zu fördern, ist die Gründung einer Fachhochschule in Stralsund mit der Konzentration auf die Bereiche Technik, Informatik und Wirtschaft. Gerade Fachhochschulen zeichnen sich durch ihre Praxisnähe aus. In diesem jungen Wissen- [Seite der Druckausgabe: 12] schaftsbetrieb verbleiben die Vorstellungen über Technologietransfer zur Zeit noch auf der Ebene konzeptioneller Vorstellungen, denn nach der Gründung im Jahre 1991 galt es, mit einem geringem Personalbestand von 17 Hochschullehrern zunächst das Grundstudium für 170 Studenten abzusichern. Im WS 1992/93 tritt ein erhebliches Wachstum ein: Die Studentenzahl erhöht sich auf ca. 350 neue Studenten, ein weiterer Studiengang wird eingerichtet (technische Informatik) und wenn alle Berufungen erfolgt sind, verfügt die Fachhochschule über 37 Professoren mit 20 Mitarbeitern. Vertreter von Spezialgebieten aus den High-Tech-Bereichen entwickeln zunehmend erste Aktivitäten für F&E-Aufgaben. Der geplante Technologietransfer steht angesichts des Wirtschaftsprofils (keine gewachsene Industriestruktur, kaum prosperierende Zukunftsindustrien) bzw. der Branchenstruktur (überwiegend Vertriebsbereich, kaum produzierendes Gewerbe) der Region vor der Frage: Technologietransfer wohin? Die Antwort darauf lautet wie im Falle der ZBMT-Strategie: die Fachhochschule kann sich nicht auf den Technologietransfer im engeren Sinne beschränken, sondern trägt dazu bei, daß die Rahmenbedingungen für Firmengründungen geschaffen werden. Sie gibt also Anstöße für Firmengründungen. Erst auf dieser Basis können die Entwicklungsergebnisse in eine Industriestruktur übertragen werden, in der die angewandte Forschung in marktfähige Produkte einfließt. Der parallele Aufbau eines Technologie- und Gründerzentrums in der Nähe der Fachhochschule, entweder als Außenstelle des Technologiezentrums Greifswald oder als eigenständiges Zentrum, wäre ein geeigneter Weg, um gut ausgerüstete Büro- und Geschäftsräume zu günstigen Mieten zur Verfügung zu stellen und auf diese Weise die Zusammenarbeit mit technologieintensiven jungen Unternehmen zu organisieren. Die anstehenden Verhandlungen mit dem Senator für Gewerbe- und Wirtschaftsförderung der Stadt Stralsund und mit dem Wirtschaftsministerium des Landes werden über die Zukunft dieses Konzepts entscheiden. Als Sofortmaßnahme wurde zunächst beschlossen, ein Fachhochschulgebäude mit 600 Quadratmeter Fläche für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen, jedoch sind die Grenzen dieser Strategie durch die künftigen Raumprobleme der Fachhochschule bereits aufgezeigt. Für den Ausbau der Fachhochschule und der Transfereinrichtungen, die gemeinsam mit ihr wachsen, sind erhebliche Finanzmittel erforderlich. In jedem Fall ist die Grundvoraussetzung für alle Aktivitäten auf diesem Feld, daß die Finanzierung über das Hochschulwerkförderungsgesetz funktioniert und Bundes- wie auch Landesmittel zur Verfügung gestellt werden. Zuständigkeitsgerangel, Umverteilungsdiskussionen innerhalb der neuen Länder und zwischen diesen und den alten [Seite der Druckausgabe: 13] Ländern sowie fehlende Prioritäten führen hier häufig zu Blockaden und schleppender Bereitstellung der Mittel. Davon ist auch die Fachhochschule betroffen.
2.1.3 Der Innovationsauftrag der Wissenschaft
Trotz erster positiver Ansätze und sich entwickelnder Potentiale ergeben sich Schwierigkeiten, Wissenschaftseinrichtungen als Kooperationspartner für die mittelständische Wirtschaft in Vorpommern zu etablieren. Technologieorientierte Unternehmen füllen normalerweise die Lücke, die zwischen der wissenschaftlichen Forschung und ihrer industriellen Entwicklung entsteht. Das bedarf der unmittelbaren Anbindung an die Spitzenforschung. Diese Vernetzung ist noch Zukunftsmusik: Hoch- wie Fachhochschule sind von einem "fairen" Wettbewerb mit dem Westen noch weit entfernt. Finanzierungsprobleme und personalpolitische Unsicherheiten sind keine Wegbereiter für eine von der Wissenschaft gesteuerte Modernisierungspolitik. Technologietransfer ohne Zielpartner, die der Grundlagenforschung eine ökonomische bzw. produktbezogene Verwertungslinie aufzeigen, bleibt theoretisch. Von der vorhandenen Industrie gehen nur wenig Impulse aus. Für eine wirkliche Förderung der "Gründerszene" sind nicht nur Gewerberäume zur Verfügung zu stellen, sondern für die Zwecke der Produktentwicklung auch fachspezifische, technologische Gemeinschaftseinrichtungen (Maschinenparks, Großgeräteanlagen) aufzubauen, die Basistechnologien für die kommerzielle Nutzung bereitstellen. Hier ist zugleich weiterer Handlungs- und vor allem Finanzbedarf für die künftigen technologiepolitischen Weichenstellungen der Landesregierung aufgezeigt. In der augenblicklichen Phase schaffen sich die transferwilligen Wissenschaftseinrichtungen erst ihr Klientel für die Nutzanwendung, hingegen die Wissenschaftsbetriebe des Westens in einen hochorganisierten Technologietransfer eingebunden sind. Um Austauschbeziehungen zwischen wissenschaftlichen Potentialen und technologischen Innovationsbedürfnissen der Industrie herzustellen, bedarf es weiterer zentraler Ansprechstellen (z.B. Uni-Kontakt-Stellen), die dem gesamten Leistungsspektrum der Wissenschaftseinrichtungen Zugang zum Technologietransferprozeß bieten.
2.2 Die Bindeglieder im Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft
Zentrale Institutionen, die sich in den alten Bundesländern bewährt haben, um kleine Unternehmen als Quelle einer neuen Wirtschaftsstruktur und die Diffusion technolo- [Seite der Druckausgabe: 14] gisch-industrieller Innovationen zu fördern, sind die Technologiezentren (TZ) und die Agenturen für Technologietransfer und Innovationsförderung (ATI). Zugleich dienen die Industrie- und Handelskammern (IHK) als Katalysator im Technologietransfer.
2.2.1 Das Technologiezentrum Vorpommern
Insgesamt nimmt die Dichte der TZ in den neuen Bundesländern zu, da die TZ zunehmend nicht nur aus BMFT-Mitteln, sondern von den Ländern selbst finanziert werden. Mit Unterstützung des BMFT, des Landes Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern wurden die Technologiezentren in Schwerin, Warnemünde, Rostock, Greifswald und Neubrandenburg gegründet. Das TZ Vorpommern entwickelte sich nach seiner Gründung vor drei Jahren zu einem regionalen Zentrum der Unternehmensgründung und der Wirtschaftsförderung; inzwischen haben sich dort 18 Unternehmen mit über 80 Beschäftigten angesiedelt. Die breit gefächerte Produktpalette dieser Unternehmen reicht über die Sensorentwicklung, Beschickungstechnik, Medizintechnik bis hin zu verschiedenen Dienstleistern, Softwareentwicklern und Ingenieurbüros. Diskussionsbedarf erzeugt immer noch die Frage, ob TZ themenbezogen sein sollten oder nicht. In dieser fast schon ideologisch geführten Debatte lassen sich sowohl Vor- wie auch Nachteile des jeweiligen Standpunktes durchaus gegeneinander aufrechnen. Die schlichte Existenz eines TZ ohne erkennbare Konturen ist häufig wenig geeignet, Firmen zur Ansiedlung zu veranlassen. US-amerikanische Beispiele belegen vielmehr, daß TZ, die branchenspezifisch zusammengesetzt sind, im nationalen wie internationalen Kontext eine relativ große Sogwirkung auf Firmen ausüben. Für eine branchenübergreifende Struktur und eine thematische Vielfalt spricht indes, daß in TZ, die mehrere Branchen unter einem Dach vereinigen, brachenübergreifende Entwicklungen, z.B. im Bereich der Qualitätssicherung sowie der Technikfolgenabschätzung, besser organisierbar sind. Zugleich findet durch die Vielfalt ein wechselseitiger Austausch- und innovativer Befruchtungsprozeß statt. Wenngleich inzwischen eine Struktur von Netzwerken innerhalb und zwischen TZ mit unterschiedlichen Schwerpunkten im Allgemeinen als anerkannter Königsweg gilt, der eine Arbeitsteilung ohne Konkurrenzmechanismen erlaubt, liegt jedoch der momentane Bezugspunkt in Vorpommern auf einer Ebene unterhalb dieser Perspektive. Das TZ der Kreisstadt Greifswald präsentiert sich als Zentrum für eine breite Region. In Abstimmung mit Stralsund und trotz bevorstehender Gebietsreform wurde aufgrund des insgesamt dünnen Forschungspotentials von vornherein ein regionaler Ansatz reflektiert, um für die gesamte Region Strukturpolitik zu betreiben. [Seite der Druckausgabe: 15] Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat und Fachbeirat, in dem Universität und Fachhochschule zur Steuerung der inhaltlichen Entwicklung und der Ansiedlungspolitik eingebunden sind, strukturieren die Arbeit des TZ. Die Geschäftsführung erkennt in dem forcierten Einsatz der neuesten Techniken die einzige Entwicklungschance für die Wirtschaftsstruktur der Region. Damit verbinden sich einige grundsätzliche Zielvorgaben, mit denen sich das TZ als Mittler im Innovationsgeflecht etabliert:
Gemeinsam mit den regionalen Trägern erarbeitete das TZ Vorpommern den Projektvorschlag "Innovationsinitiative Vorpommern" mit dem Inhalt, Aktivitäten zur Innovationsförderung unter Berücksichtigung der territorialen und strukturellen Besonderheiten von Vorpommern und Ostmecklenburg zu entwickeln. Die aktuellen, zum Teil über die technozentrierten Ziele hinausreichenden Aufgaben des TZ im Bereich der Wirtschaftsförderung lassen sich an verschiedenen Beispielen aufzeigen, die als Unterprojekte des TZ aus dieser Initiative entspringen:
Insgesamt kommt dem TZ die schwierige Aufgabe zu, den in der Region vorhandenen diffusen Gestaltungswillen zu bündeln, an dem regionalen Konsens mitzu- [Seite der Druckausgabe: 16] wirken und trotz High-Tech-Konzept auch Low-Tech-Branchen in diesen Prozeß zu integrieren.
2.2.2 Die Agentur für Technologietransfer und Innovationsförderung
Seit 1978 widmen sich in der Bundesrepublik Deutschland mehr als 150 Transfer-Agenturen der Aufgabe, für die mittelständische Industrie Kontakte zu Forschungsinstituten, Universitäten und Technologieanwendern in ganz Europa herzustellen. In den neuen Bundesländern existieren 21 Agenturen mit 8 Nebenstellen; bei der territorialen Aufteilung der vom BMWi geförderten Agenturen für Technologietransfer und Wirtschaftsförderung wurde für Mecklenburg-Vorpommern, das über 4 Agenturen verfügt, eine Agentur in das TZ Vorpommern eingeordnet. Hintergrund dieser Einordnung ist die vom Bundeswirtschaftsministerium eröffnete freie Wahl des Standortes und der Organisationsstruktur. Im Rahmen eines dezentralen Ansatzes wurden in Mecklenburg-Vorpommern die 4 selbständigen ATI an die bestehenden TZ angegliedert, ohne daß Abhängigkeiten bzw. Übergeordnetheiten entstehen. Durch ihrer Mittlerrolle entwickelt sich die Agentur zum regionalen Dienstleistungsunternehmen für die kleinen und mittleren Firmen. Ihr Auftrag besteht in der Förderung, der Unterstützung und der Entwicklung des endogenen Potentials (Arbeitsmarkt, Unternehmen, Forschung und Entwicklung), um die wirtschaftliche Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Region zu stärken und den strukturellen Wandel zu beschleunigen. Sie blickt inzwischen auf ein halbes Jahr Arbeit zurück. Ihr innovationspolitisches Profil erhält die ATI durch das spezifische Spannungsfeld, in dem ihre Arbeit stattfindet:
Ihr Dienstleistungsspektrum erstreckt sich über Informationsberatung, Kontaktvermittlung, Projektberatung und -begleitung, Weiterbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Aktuell leitet die ATI insbesondere für kleine Unternehmen die Zusammenarbeit mit westdeutschen Firmen ein, strukturiert den Transfer von Know-How und unterstützt die Unternehmen der Region in der Entwicklung von Privatisierungskonzepten, ggf. mittels der Einschaltung von Unternehmensberatungen. [Seite der Druckausgabe: 17] Noch handelt die ATI nach der Zielvorgabe "Qualität vor Quantität". Angesichts der Rahmenbedingungen besteht die vorrangige Aufgabe darin, beispielhaft Unternehmen durch Innovationsförderung und Technologietransfer wettbewerbsfähig zu machen. Sie baut das Innovationsklima in der Region auf. In die einzelfallbezogenen Aktivitäten und Leistungen der ATI sollen perspektivisch, um vorprogrammierte Wettbewerbsverfälschung zu vermeiden, eine Mehrzahl von Unternehmen integriert werden. Die ersten Erfahrungen der ATI belegen, daß die Agentur vordringlich Aufgabenstellungen formulieren muß, die ein Hilfsangebot für die noch bestehenden, strukturbestimmenden Unternehmen der Region (z.B. Lebensmittel- und holzverarbeitende Industrie, Fischwirtschaft etc.) darstellen. Spezialisierte Technologietransfereinrichtungen bleiben solange Makulatur, als es nicht gelingt, durch umfassende Programme regionaler Wirtschaftsförderung die Voraussetzungen für aktiven Technologietransfer zu schaffen. Dieser ist in einer niedergehenden Territorialwirtschaft kaum organisierbar. Noch klaffen die theoretischen Zielen der ATI und die realen Handlungszwänge auseinander: die Aktivitäten können nicht auf den sogenannten Hochtechnologiebereich beschränkt werden, sondern die hauptsächlichen Zielgruppen sind die Unternehmen mit existenziellen Nöten, die Orientierungshilfen brauchen, um ihre klassischen Produkte längerfristig im Wettbewerb bestehen zu lassen. Die Zwischenbilanz nach einem halben Jahr zeigt, wie die ATI ihre Position im Geflecht der anderen Innovationsagenten noch definiert, die in der Unterstützung von Unternehmen tätig sind:
[Seite der Druckausgabe: 18]
2.2.3 Beratungsbedarf aus Sicht der Industrie- und Handelskammer
Auch die Industrie- und Handelskammer (IHK) ist Motor der Wirtschaftsförderung und der Technologiepolitik. Mecklenburg-Vorpommern strukturiert sich durch drei Kammerbezirke. Der Kammerbezirk Neubrandenburg deckt auch einen Teil Vorpommerns ab. Die IHK Rostock unterhält Außenstellen in Vorpommern. Der gesamte Kammerbezirk vertritt ein Klientel, Gewerbetreibende mit Ausnahme des Handwerks und der Landwirtschaft, von ca. 26 000 Mitgliedsfirmen. Die Probleme der Region Vorpommern sind von denen West-Mecklenburgs kaum zu trennen. Für das gesamte Land Mecklenburg-Vorpommern ist der Beratungsbedarf, den die Unternehmen bei der IHK anmelden, in der gegenwärtigen Umbruchsituation im Prinzip nicht viel anders als in Neubrandenburg und Schwerin. Die Erwartungen, die momentan an die IHK herangetragen werden, und ihre aktuellen Aufgabenschwerpunkte spiegeln durchaus die Wirtschaftsstruktur und den daraus resultierenden spezifischen Innovationsbedarf der Region wider. Zunächst eröffnen sich zwei Problemfelder: Zum einen existiert eine Kluft zwischen dem objektiven Manko an Know-How und den subjektiven Einschätzungen über das notwendige Ausmaß externer Hilfestellungen bei den Unternehmen. Zum anderen beziehen sich die Erwartungshaltungen in der Praxis nicht auf Information und Beratung, sondern das Klientel klagt fertige Konzepte für Investitionsmöglichkeiten ein. Die Betriebe unterschätzen nicht selten sowohl die ökonomischen als auch die rechtlichen Grenzen unternehmerischen Handelns. Der inzwischen rückläufige Boom an Gründungen von GmbHs ist ein Ausdruck dieser Unsicherheiten über eine Rechtsform, die durchaus zu persönlicher Haftung führt, falls das Stammkapital aus einer Bankanleihe stammt. Auch die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen sind häufig unbekannt. Darüber hinaus fehlt häufig ein durchgestyltes Marketing (fehlende Produkt- und Akzeptanztests) bei den zwar in der Region etablierten Produkten, die aber auf dem internationalen Markt keine Abnehmer finden. Das heißt: Aufgabe der IHK ist derzeit noch vor der konkreten Wirtschaftsförderung und dem Technologietransfer, Transparenz über die ökonomischen und rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, bzw. den subjektiven Bedarf an derartigen Informationen aufzuzeigen. Subjektiver Bedarf entsteht erst in kurzfristigen Zyklen. Bereits seit 1991 existiert ein Euro-Infocenter der IHK, das als EG-Beratungsstelle fungiert. Zunächst kaum in Anspruch genommen, gelangt die Beratungsstelle in einer Phase an ihre Kapazitätsgrenzen, in der die neuen Anforderungen des EG-Binnenmarktes 1993 evident werden. [Seite der Druckausgabe: 19] Der Beratungs- und Transferbedarf mittelständischer Unternehmen ist auf verschiedenen Ebenen anzusiedeln:
Die IHK deckt mit ihrem Leistungsspektrum diesen Bedarf nur partiell. Ihr Leistungsspektrum repräsentiert nur einen verkleinerten Ausschnitt der Branchen und bedarf daher einer Ausweitung. Diese Perspektive wird nach den organisationspolitischen Wandlungsprozessen der IHK mehr zum Tragen kommen. Nach der Gründung rekrutierte sich das überwiegende Klientel aus dem Bereich des Handels. Nach Revision der Satzung und Erarbeitung einer Wahlordnung werden die Neuwahlen bei der Ämterbesetzung die Gewichte unter Berücksichtigung der einzelnen Industrieschwerpunkte des Kammerbezirks der IHK-Rostock verschieben.
2.2.4 Perspektive: Bündelung des Innovationsmanagements
Entscheidend ist, daß die Unternehmen das gesamte Spektrum der Organisationen in der Region nutzen und sich ihrer Dienstleistungen (Kammern, Verbände, Consulting-Firmen, Technologietransfereinrichtungen) bedienen. Für eine erfolgversprechende Innovationspolitik ist die Zusammenarbeit aller maßgeblichen Träger der Modernisierung und die Integration der Handlungsfelder wichtig. Nur ein schlüssiger Ansatz bietet die Gewähr, daß die unterschiedlichen Aktivitäten nicht in Konkurrenz zueinander geraten und die Modernisierungspolitik eine insgesamt transparente und stimmige Zielrichtung in bezug auf die Sacherfordernisse in der Region abgibt. So richtig es ist, daß gesunde Konkurrenz zu der Durchsetzung bedarfsgerechter Leistungen führt, muß in Vorpommern zunächst ein vorgeschalteter Trichter die Aktivitäten zusammenführen. In diesem Kontext gewinnt auch die realistische Bewertung der Gestaltungskraft der Organisationen, angesichts der vorgegebenen sozio-ökonomischen Umstände, an Gewicht. Die Frage der Konsensfindung beherrschte infolge den Dialog zwischen den Modernisierungsakteuren, Übereinstimmung besteht in dem Ziel, daß die vorhandenen Kräfte nicht auseinanderdriften sollten. Die Erfahrungen in Westdeutschland, etwa im Ruhrgebiet, unterstreichen die Bedeutung von Synergieeffekten. [Seite der Druckausgabe: 20] Nur durch einen intensiven Dialog mit den Hochschulen erhalten die Agenturen einen Überblick über die potentiellen Angebote, die sie der regionalen Wirtschaft offerieren können. Innerhalb der und zwischen den wissenschaftlichen Einrichtungen darf nicht jeder Fachbereich seine Eigeninteressen vertreten. Die institutionellen Verflechtungen und übergeordneten Gremien, wie sie z.B. im NRW geschaffen wurden, liefern in diesem Kontext Anschauungsmaterial für diese organisationspolitische Dimension des Technologietransfers. Zwei Fragestellungen bedürfen vorab einer Klärung:
Bei der ersten Frage gilt: jede Region sollte über ein Angebot an günstigen und entsprechend ausgestatteten Gewerberäumen in ihrer Entwicklung gefördert werden. In der Frage der Organisation ist eine zentralisierte Organisation notwendig. Hier müssen sich TZ und ATI noch im Zuge ihrer Weiterentwicklung im Modernisierungsprozesses dadurch bewähren, daß sie als Dachorganisation bzw. zentrale Ansprechstelle die Fäden in der Region zusammenführen. Abgestimmtes Innovationsmanagement erlaubt zugleich eine wirkungsvollere Interessenvertretung gegenüber den bundes- wie landespolitischen Akteuren. Sie kompensiert die Defizite stets knapper Ressourcen. Der föderale Politikansatz in der Bundesrepublik Deutschland mit seinen Länderhoheiten führt durchaus zu unabgestimmten Förderaktivitäten und Kompetenzgerangel, ausgelöst durch fehlende Kommunikation der Ministerien auf Bundes- wie auf Landesebene. Das TZ und die ATI vermitteln zur Zeit zwar Anstöße und setzen Signale für technologische Entwicklungen. Um Impulse für die breite Wirtschaft und den Technologiestandort Mecklenburg-Vorpommern insgesamt zu geben, sind auch die Industrie- und Handelskammern herausgefordert. Nicht nur ihr Engagement als Gesellschafter in den ATI ist von Bedeutung, sondern sie sollten durch die kammerbezirksübergreifende Organisation des Technologietransfers ein gemeinsames Dach für die ATI des Landes formieren. Die Industrie- und Handelskammern fungieren als bedarfsorientierte und wirtschaftsnahe Multiplikatoren für ihr Klientel. Kammerhoheiten dürfen nicht zur Barriere werden. Damit können zugleich einige Ungereimtheiten in der Gebietsreform und der mit ihr definierten Wirtschaftsregionen aufgehoben werden. Wie auch immer die Innovationsaktivitäten künftig gebündelt werden. Eins bleibt ihnen gemein: in der berühmten Frage nach der Henne und dem Ei können sie sich nicht dem Konflikt entziehen, daß zum größten Teil noch die Grundvorausset- [Seite der Druckausgabe: 21] zungen für aktiven Technologietransfer fehlen. Zunächst müssen die Instrumente der allgemeinen Wirtschaftsförderung zu greifen beginnen, die auch traditionelle, gewachsene Strukturen, alte und zum Teil niedergehende Branchen, in den Modernisierungsprozeß einbeziehen. Technologiepolitik und die Herstellung high-tech-intensiver Produkte schaffen in Vorpommern zunächst bestenfalls neue Wachstumsinseln. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000 |