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Zusammenfassung

Die Städte in den neuen Bundesländern befinden sich in einem tiefgreifenden Wandel. Aus der Dimension und Dynamik der hier stattfindenden Transformationsprozesse und den spezifischen städtebaulichen, ökonomischen, sozialen und politisch-administrativen Ausgangsbedingungen ergeben sich besondere Aufgaben. Die Erfahrungen mit dem Strukturwandel in westdeutschen Stadtregionen (z.B. dem Ruhrgebiet) und die im Zusammenhang damit entwickelten Instrumente bieten hierfür zwar ein gewisses Rüstzeug, müssen in weiten Bereichen aber neu justiert oder modifiziert werden.

Wichtig zu diesem Zeitpunkt ist es, daß die Städte ihre Entwicklungspotentiale identifizieren und sich trotz des vorherrschenden Problemdrucks durch kurzatmige Entscheidungen keine Zukunftschancen verbauen. Zwar dürfen sie sich den aktuellen Handlungsbedarfen nicht versagen, sie müssen aber ihre Entwicklungsmöglichkeiten ausloten und ihr weiteres Handeln daran ausrichten. Dies ist eine vordringliche Aufgabe der Stadtentwicklungsplanung.

Der vorliegende Tagungsbericht thematisiert ein breites Spektrum an sehr verschiedenen Fragestellungen. Dabei wird einerseits deutlich, mit welchen Schwierigkeiten und Blockaden sich stadtentwicklungsplanerische Bemühungen in ostdeutschen Städten konfrontiert sehen. Anderseits werden aber auch eine Reihe vielversprechender Handlungsansätze benannt. Sie beziehen sich im wesentlichen auf die folgenden Handlungsfelder.

Stadtentwicklung und Einzelhandel

Die Grundlage aller Versuche zur Steuerung der Entwicklung im Bereich großflächiger Einzelhandelsslandorte sollte ein klares Konzept über die räumlich-funktionale Gliederung der Stadt, aber auch des Umlands sein ("Zentrenkonzept"). Polyzentrische Konzepte mit der City als natürlichem Schwerpunkt, wie sie von Köln und Leipzig verfolgt werden, sind für Großstädte sicher die richtige Antwort. Der §11 (3) der Baunutzungsverordnung besagt, daß großflächiger Einzelhandel nur in Sondergebieten und in Kerngebieten zulässig ist. Dies gilt für Einzelhandelsstandorte ab 800 qm Verkaufsfläche. In Gewerbe- und Industriegebieten können sie durch einfache textliche Festsetzungen ausgeschlossen werden.

Insgesamt kann gesagt werden, daß das vorhandene planerische Instrumentarium ausreicht, um solche Ansiedlungsprozesse steuernd zu beeinflussen. Das damit verbundene Investitionsvolumen ist aber auch mit Chancen verbunden. Deshalb ist der zentrale Ansatzpunkt darin zu sehen, das erkennbare Enwicklungs- und Investitionspotential auf andere Standorte entsprechend dem erarbeiteten Zentrenkonzept

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zu lenken. Dies setzt allerdings voraus, daß geeignete Flächen an alternativen Standorten vorgehalten werden.

Stadtentwicklung und Gewerbe

Die in Ostdeutschland neu angesiedelten Arbeitsplätze liegen zum überwiegenden Teil im Dienstleistungsbereich und im Handel. Dies ist aufgrund des ungeheuren Nachholbedarfs in diesen Bereichen nur natürlich. Der Euphorie vom ad hoc-Umstieg in eine weitgehend deindustrialisierte Dienstleistungsgesellschaft ist vor allem entgegenzuhalten, daß darin bereits eine Strukturschwäche für die Zukunft angelegt sein kann und durch die Konzentration auf konsumptive Tätigkeiten letztlich Geld aus der Region herausgezogen wird.

Ein wichtiger Bestandteil städtischer Wirtschaftsförderung muß die Bestandspflege sein. Nicht zuletzt - das zeigen die bisherigen Erfahrungen mit der Effizienz der öffentlichen Förderung - ist die staatliche Fördermark hier doppelt so viel wert wie im Falle von Neuansiedlungen. Bei den Förderkonzepten ist das bekannte "Gießkannenprinzip" dem sog. "Leuchtturmszenario" gegenüberzustellen. Letzteres setzt auf eine größere Effizienz auch für den weiteren Raum, indem auf die Ausstrahlungswirkung der Förderung jener Wachstumskerne gesetzt wird, die zu prosperieren versprechen. Dies darf aber nicht zur einer weiteren Vernachlässigung der strukturschwachen Regionen führen.

Angesichts der horrenden Bodenpreise und Gewerbemieten, die in weiten Bereichen sicher deutlich überhöht sind, unterliegen die für eine Stabilisierung der Wirtschaft wichtigen mittleren und kleinen Unternehmen häufig schwierigen Start- und Entwicklungsbedingungen. Die Kommunen sind hier gefordert, ihr Augenmerk nicht nur auf Groß-Investoren zu richten, sondern bei der Ausweisung von Gewerbegebieten auch Flächendifferenzierungen vorzunehmen. Gerade kleinere und mittlere Unternehmen brauchen ein regional spezifisches Informations- und Beratungsangebot, um einen Überblick zu bekommen über die vorhandenen Investitionsmöglichkeiten ebenso wie über die bestehende Förderlandschaft. Dies ist u.a. deutlich geworden am Beispiel der ersten ostdeutschen Technologie- und Gründerzentren. Im Vergleich zu ihren westdeutschen Vorbildern haben sie in einem wesentlich breiteren Umfang Aufgaben des Informations- und Know-how-Transfers sowie der Aus- und Weiterbildung übernehmen müssen.

Stadtentwicklung und Flächenrecycling

Die Problematik des Flächenrecyclings steht in den neuen Bundesländern sehr häufig im Zusammenhang mit der Konversion vormals militärisch genutzter Flächen. Für die Kommune können sie ein enormes Entwicklungspotential darstellen, insbesondere wenn sie - wie etwa in Cottbus oder in der Stadt Brandenburg - in relativ

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zentraler Lage anzutreffen sind. Wichtig sind hier frühzeitige und kontinuierliche Abstimmungsgespräche mit den auf Landes- und Bundesseite zuständigen Stellen ebenso wie mit den Truppenkommandeuren, sei es der GUS-Armee oder der Bundeswehr auf ehemaligen NVA-Flächen. Die Kommunen sollten bemüht sein, die Überplanung der Flächen (etwa in Form von Rahmenplänen) voranzutreiben und unter Beachtung der jeweiligen Rückgabezeitpunkte möglichst bald Baurecht herzustellen (Beispiel Cottbus).

Die auf selten der Treuhandanstalt bestehende Tendenz, zusammenhängende vormals industriell genutzte Flächen im "Paket" an Groß-Investoren zu vergeben, kommt einer Vergeudung von Flächenpotentialen gleich. Dies läuft den Bemühungen städtischer Wirtschaftsförderung zuwider. Hier müssen Handlungsansätze her, die im Sinne einer aktiven Bodenpolitik über das Recyclen solcher Flächen für die Region zusätzliche Entwicklungschancen eröffnen. Wie das Beispiel des Grundstücksfonds Ruhrgebiet zeigt, muß dies nicht durch die öffentlichen Hände selbst geschehen, sondern könnte durch quasi-staatliche Erschließungs- und Verwertungsgesellschaften erfolgen.

Stadtentwicklung und Verkehr

Der in den Städten der neuen Bundesländer weiterhin ausgeprägt hohe Anteil des öffentlichen Personennahverkehrs stellt sicher ein wichtiges Entwicklungspotential dar. Gerade hier ist aus den Fehlern der westdeutschen Kommunen zu lernen. Wie in Brandenburg und Leipzig sollte insbesondere auf die vorhandene Straßenbahn als Verkehrssystem der Gegenwart und der Zukunft gesetzt werden, von ihr gehen die geringsten ökologischen, städtebaulichen und sozialen Unverträglichkeiten aus.

Im Vergleich dazu erweisen sich die bisherigen Ansatzpunkte, im Bereich des ruhenden Verkehrs als bislang noch wenig ergiebig. Vor allem in den großen Neubausiedlungen geht es hier offenbar eher um eine Linderung als um eine Behebung des bestehenden Parkraumdefizits (z.B. in Leipzig). In der Stadt Brandenburg werden kleinräumig Lösungsansätze auf Block- bzw. Bereichsebene (z.B. Quartiersgaragen) angedacht.

Stadtentwicklung und Wohnen

Im Gegensatz zu den alten Bundesländern umfassen die großen Neubausiedlungen am Stadtrand einen wesentlichen Teil des Wohnungsbestands (z.B. Brandenburg-Hohenstücken). Trotz ihrer technisch-konstruktiven und infrastrukturellen Mängel bilden sie auch langfristig den Grundstock zur Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum. So wurde von seilen des Bundes im Rahmen des experimentellen Städtebaus hier ein Förderschwerpunkt eingerichtet. Nach anfänglichem Zögern erfahren jetzt auch letztere eine vermehrte Aufmerksamkeit. In Leipzig

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wird ein Ansatz zu ihrer Vitalisierung neben den gebäude- und wohnumfeldbezogenen Maßnahmen in der verstärkten Ansiedlung von Gewerbe, Einzelhandel und öffentlichen Dienstleistungen in diesen Quartieren gesucht (Beispiel: Leipzig-Grünau).

Die Altbauquartiere sind in ihrer historischen Grundstruktur z.T. gut erhalten, im Hinblick auf ihre bauliche Substanz aber häufig in einem denkbar schlechten Zustand (z.B. Leipzig-Plagwitz). Nach wie vor stellt der Wohnungsleerstand hier ein großes Problem dar. Ein wesentliches Entwicklungshemmnis stellen - ähnlich wie im gewerblichen Bereich - die in diesen Gebieten häufig sehr zahlreichen Rückübertragungsansprüche dar, so daß in diesen Fällen vor allem kurzfristige Sicherungsmaßnahmen durchzuführen sind (z.B. Brandenburg-Innenstadt). Zwar ist die Nutzungsmischung hier noch am ausgeprägtesten, doch wird gerade in den innerstädtischen Quartieren die Umnutzung eines bestimmten Teils von Wohnungen (vor allem der Erdgeschosse an Hauptverkehrsstraßen) zu Gewerbe und Handel unumgänglich sein, um eine Mindestversorgung dieser Wohngebiete sicherzustellen.

Stadtentwicklung und Städtebauförderung

Ein Schwerpunkt der staatlichen Städtebauförderung sind die historischen Stadtkerne. Mit ihrer häufig denkmalwerten Bausubstanz und den städtebaulichen Strukturen bieten sie ein wichtiges Identitätsgefüge für die Weckung von Bürgersinn, aber auch für das Interesse von Besuchern und Investoren. Sie bilden schon heute erkennbar Kristallisationspunkte der wirtschaftlichen Revitalisierung in den neuen Bundesländern.

Das vom Bund geförderte Modellstadtprogramm hat in diesem Bereich eine wichtige Pilotfunktion übernommen. Aber auch die Länder, wie am Beispiel Brandenburg aufgezeigt, sehen in der Förderung und Bewahrung der historischen Stadtkerne, einen Fokus der Stadtentwicklung. Die in den einzelnen Bundesländern z.T. bereits erfolgte oder zumindest absehbare Erhöhung des kommunalen Eigenanteils bei der staatlichen Städtebauförderung würde diese in der jetzigen Situation mehr als überfordern. Eine Übertragung der in Westdeutschland zumeist üblichen Drittel-Parität (Bund/Land/Kommune) könnte darauf hinauslaufen, daß die Kommunen sich eine Inanspruchnahme der staatlichen Städtebauförderung nicht mehr leisten können.

Stadtentwicklung und neue Planungskultur

Die Übertragung der aus westdeutschen Planungsprozessen bekannten Verfahrensmodalitäten gelingt in den Städten der neuen Bundesländer nicht ohne weiteres. Die Strukturen sind häufig noch fragil, die organisatorischen Zuständigkeiten z.T. noch ungeklärt. In einigen Fällen ist es offenbar aber gelungen, aus dieser Not eine

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Tugend zu machen. So wurden z.B. Planungsgemeinschaften zwischen Kommunen gebildet, um fehlende oder noch wenig entwickelte regionalplanerische Abstimmungsprozesse möglich zu machen. Auch wurde vermehrt auf kooperative Architektenwettbewerbe bzw. Gutachterverfahren gesetzt, um in brainstormingartigen Sitzungen und Planungs-Workshops die Spannbreite der denkbaren Entwicklungsrichtungen aufzuzeigen und für die Kommune jederzeit Rückkopplungs- bzw. Nachsteuerungsmöglichkeiten zu eröffnen (Beispiel: Leipzig).

Wertvoll waren in diesem Zusammenhang sicher die in Westdeutschland mit informeller Steuerung und offenen Planungsverfahren gesammelten Erfahrungen. Die Ansätze zu mehrstufigen Rahmenplänen und die Realisierung von Sofortmaßnahmen mit Signalwirkung rekurieren hierauf (Beispiel: Brandenburg). Die Bildung von Planungs-Tandems unter Einbeziehung west- wie ostdeutscher Planungsfachleute hat hier den notwendigen Erfahrungstransfer sicher beschleunigt. Unter dem Druck der Verhältnisse mußten aber auch unorthodoxe, teilweise sehr pragmatische Wege zur Implementation von Planungskonzepten beschritten werden. Da werden provisorische Lösungen zur Deckung des unmittelbaren Bedarfs der Bevölkerung im Einzelhandelsbereich zugelassen. Oder es werden Flächennutzungsplan-Entwürfe vorgelegt, die noch "weiße Stellen" beinhalten und mit den Trägem öffentlicher Belange noch nicht abgestimmt sind. Um das notwendige private Kapital zur Erneuerung von Wohnbereichen zu aktivieren, werden Investoren-Wettbewerbe initiiert und die Baugenehmigung mit der vertraglichen Auflage zur Erstellung auch der unrentierlichen, für die Stadtteilentwicklung aber unverzichtbaren sozialen Einrichtungen verknüpft (städtebaulicher Vertrag). Auch die sog. Vorhaben- und Erschließungspläne haben sich als Instrument kooperativen Handelns zwischen Gemeinde und Investor offenbar bewährt und sollen nach den Vorstellungen des Bundesbauministeriums (Referentenentwurf zum sog. Wohnbaulandgesetz) nun für die alten Länder übernommen werden.

Anzumerken ist, daß durch solche informellen Verfahren der restriktive Einsatz der vorhandenen planungsrechtlichen Instrumente nicht obsolet wird. Mit einer Gleitklausel ist auch eine Gestaltungs- und Erhaltungssatzung zudem durchaus flexibel handhabbar. Wichtig ist jedoch, daß die Kommune dabei weiterhin die Steuerungsmöglichkeiten zur Qualitätssicherung hinsichtlich der städtebaulichen Entwicklung in der Hand behält (Beispiel: Leipzig). Es sollte stets beachtet werden, daß Verträge spätestens dann nichtig sein können, wenn der Vertragspartner in Konkurs gegangen ist. Bebauungspläne bleiben deshalb in jedem Fall ein unverzichtbares Instrument.

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Stadtentwicklung, Bürgerbeteiligung und kommunale Selbstverwaltung

Auch dieser Bereich stellt für die ostdeutschen Kommunen ein fast ausnahmslos neues Aufgabenfeld dar. Neben den planungsrechtlich vorgegebenen Mindeststandards zur Information und Beteiligung der Bürger wird in den neuen Bundesländern inzwischen auch mit weitergehenden Partizipationsansätzen experimentiert - etwa im Rahmen des angesprochenen Modellstadtprogramms. Hierzu gehören ständige Ausstellungen und Sanierungsbeiräte, aber auch Plattformen oder Entwicklungsforen. Letztere nehmen in gewisser Weise die Tradition der "runden Tische" wieder auf, führen verschiedene projektbeteiligte Akteure zusammen und entsprechen damit möglicherweise stärker auch den Lebensbedingungen und Erfahrungen der Menschen in den neuen Bundesländern. Die aktive Einbindung der Bürger wird nicht zuletzt auch als ein Hebel dafür gesehen, angesichts der in vielen Bereichen noch stockenden bürokratischen Verfahren den notwendigen politischen Handlungsdruck zur Durchsetzung und Realisierung von Projekten zu erzeugen.

Die Kommunen sehen sich gegenüber den Groß-Investoren, den verschiedenen Bundes- und Länderministerien und vor allem auch gegenüber der Treuhandanstalt häufig gleichsam in einem Kampf "David gegen Goliath". Um in den stattfindenden Aushandlungsprozessen die kommunalen Planungsvorstellungen und die Interessen der Bürger erfolgreich vertreten zu können, bedarf es eines langen Atems, aber auch eines verstärkten Pochens auf ihre Selbstverwaltungsrechte sowie einer möglichst offensiven Wahrnehmung der kommunale Planungshoheit. Trotz des interkommunalen Wettbewerbs dürfen die Belange und Notwendigkeiten der Wirtschaftsförderung den Kommunen nicht den Blick verstellen auf Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot. Das sich daraus ergebende soziale Konfliktpotential ist sicher nur schwer abschätzbar. In Verbindung mit den sozial-psychologischen Verwerfungen und Identitätsverlusten im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung könnte sich hier buchstäblich ein "sozialer Sprengstoff" entwickeln.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000

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