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2. Leistungen und Defizite bisheriger Treuhandpolitik



[Seite der Druckausgabe: 6]

a) Die Erfolge liegen hauptsächlich bei der Privatisierung

Von Anfang an konzentrierte die Treuhand ihre Arbeit auf die Privatisierung von Unternehmen. Ursprünglich ausgehend von einem Bestand von 8000 Firmen mit mehr als 4 Millionen Beschäftigten entstanden nach der Entflechtung mehr als 12.000 Unternehmen. Bis September 1992 wurden 4181 vollständig und 580 mehrheitlich privatisiert. In 4348 Fällen verkaufte die Treuhand Betriebsteile. Darüber hinaus gab es 973 Reprivatisierungen und 286 Kommunalisierungen. 1850 Unternehmen wurden stillgelegt. 3451 Unternehmen hauptsächlich aus dem industriellen Sektor, mit einem Beschäftigtenstand von mehr als 600.000 (Stand 30.9.92) stehen noch zur Privatisierung an, sollen allerdings nach den Planungen der Treuhand bis Ende 1993 zum überwiegenden Teil verkauft sein.

Hauptsächlich handelt es sich dabei um Unternehmen des Maschinenbaus, des Bergbaus, der Leder- und Schuhindustrie, der Textil- und Bekleidungsindustrie, des Fahrzeugbaus und der Eisen- und Metallerzeugung. Auf diese Gruppen entfallen mehr als 70 % der Beschäftigten in den noch zu transferierenden Treuhand-Unternehmen.

Bei der Privatisierung der Unternehmen achtete die Treuhand darauf, daß die Käufer vertraglich vereinbarte Investitions- und Beschäftigungszusagen leisteten. In diesem Rahmen verpflichteten die Investoren sich zur Schaffung von rund 1,3 Millionen Arbeitsplätzen und ca. 150 Milliarden DM an Investitionen. Allerdings ist noch nicht abzusehen, ob und wann die vertraglichen Beschäftigungszusagen in vollem Umfang eingelöst werden. Aktuelle Daten lassen Zweifel daran aufkommen, daß dies in naher Zukunft der Fall sein wird. Nach wie vor findet in privatisierten Treuhandfirmen, und zwar über alle Sektoren hinweg, ein Personalabbau statt. Nach einer Untersuchung des IAB (Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung) arbeiteten am 1.7.1990 noch 773.000 Personen (Anfangsbestand zum Privatisierungszeitpunkt) in privatisierten Treuhandfirmen, am 1.4.1992 waren es nur noch 553.000. Auch die Beschäftigungserwartungen der privatisierten Treuhandfirmen für die nächsten Jahre sehen alles andere als rosig aus: am l. l .93 wird mit 511.000 Beschäftigten gerechnet, am l. l .94 mit 506.000 und am 1.1.95 mit 512.000. In diesen Zahlen, verglichen mit den ursprünglichen Beschäftigungszusagen, schlägt sich offenbar nieder, daß viele Investoren die mangelhafte Wettbewerbsfähigkeit ostdeutscher Betriebe unterschätzt bzw. die Möglichkeit ihrer Geschäftsbeziehungen nach Osteuropa überschätzt haben. Somit hat sich die ursprüngliche Erwartung, daß die Privatisierung den Beschäftigungsabbau in Ostdeutschland aufhalten bzw. sogar zusätzliche Arbeitsplätze schaffen würde, zumindest bisher nicht erfüllt.

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Bei der Privatisierung achtete die Treuhand ihrem Auftrag gemäß darauf, die Entstehung eines unternehmerischen Mittelstandes in Ostdeutschland zu fördern. Viele Unternehmen wurden deshalb entflochten und teilprivatisiert. So gingen mehr als drei Viertel der Verkäufe bzw. Übernahmen an den Mittelstand. Diese Politik hat jedoch die bittere Konsequenz zur Folge, daß es nach den Worten des Treuhand-Kritikers Manfred Kolbe (CDU-Bundestagsabgeordneter aus Ostdeutschland) "oberhalb des Handwerksbetriebs kaum noch wirtschaftliche eigenständige Unternehmenseinheiten" gibt. Ohne industrielle Großunternehmen aber fehlt die Basis für einen gesunden Mittelstand.

Die Privatisierungspolitik der Treuhand muß auch unter vermögenspolitischen Aspekten beleuchtet werden. Durch den Verkauf der Treuhandfirmen an westdeutsche Unternehmen oder Investoren aus dem westlichen Ausland versprach man sich, notwendiges Kapital und Know-how zur Umstrukturierung der veralteten Betriebe in Ostdeutschland zu akquirieren. Dies und die Eigentumsregelung, die die Rückgabe verstaatlichten Vermögens an die ursprünglichen Eigentümer vorsah, hatte zur Folge, daß eine Vermögensumverteilung zugunsten westdeutscher Unternehmen und Bürger stattfand. Insbesondere privatisierte Großunternehmen befinden sich in den Händen westdeutscher Muttergesellschaften oder im Besitz ausländischer Unternehmen. Der Kauf von Seiten der Ostdeutschen war ja praktisch von Beginn an ausgeschlossen, da diese nicht über das Kapital verfügten, um größere Unternehmenseinheiten zu erwerben. Die Treuhand versuchte, dieser Entwicklung zwar entgegenzusteuern, indem sie MBO (Management-Buy-Out) förderte, d.h. rund 25 % der Firmen an ostdeutsche Manager oder Belegschaften veräußerte, das Ungleichgewicht blieb aber trotzdem bestehen.

Ursprünglich sollte die Privatisierung der ehemals volkseigenen Betriebe die Umstrukturierung und Modernisierung der ostdeutschen Wirtschaft finanzieren. Zum Zeitpunkt der politischen und wirtschaftlichen Wiedervereinigung im Jahre 1990 ging man davon aus, daß das DDR-Vermögen rund 600 Mrd. DM umfaßte. Durch den Verkauf dieses Vermögens erhoffte man sich Erlöse, mit denen man sogar die Staatsschulden der ehemaligen DDR (rund 28Mrd. DM) decken wollte. Doch es kam alles anders. Die rasche Einführung der DM in das Währungsgebiet der ehemaligen DDR setzte die ostdeutsche Wirtschaft von einem Tag auf den anderen einer Konkurrenz aus, der sie nicht standhalten konnte. Das ostdeutsche Kapital wurde mit einem Schlag entwertet. Entsprechend gering war das Kaufinteresse westdeutscher und ausländischer Investoren. Die Treuhand saß unterdessen auf Tausenden von Firmen, die sie so schnell wie möglich, und zwar unter Auferlegung von Investitions- und Beschäftigungszusagen, privatisieren wollte. Ihre dadurch hervorgerufen denkbar schlechte Marktposition führte zu einem Preisverfall, der auch vor negativen Preisen nicht halt machte. Entsprechend beliefen sich die Verkaufserlöse der Treuhand bis zum Herbst 1992 lediglich auf rund 33 Mrd. DM. Dem stehen eine Reihe von Schulden und Verpflichtungen gegenüber, z. B. die

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Altschulden der Unternehmen (bei rund 85 % der privatisierten Unternehmen hat die Treuhand die Altschulden in Höhe von 104 Milliarden DM übernommen), die Verpflichtungen zur Beseitigung ökologischer Altlasten, die Finanzierung von Sozialplänen, die Übernahme von Liquiditätskrediten usw. Statt einen positiven Ertragssaldo zu erwirtschaften, steht die Treuhand selbst dick in der Kreide. Nach Schätzungen des Bundesfinanzministeriums wird der Schuldenstand der Treuhandanstalt (soweit der Kreditrahmen der Treuhand von 30 Mrd. DM pro Jahr nicht überschritten wird) Ende 1994 bei mindestens 250 Mrd. DM liegen.

Neben der Privatisierung ist die Treuhand zur Sanierung künftig marktfähiger Unternehmen verpflichtet. Die Sanierungsfähigkeit des Unternehmen wurde auf der Grundlage von Eröffnungsbilanzen und Unternehmenskonzepten beurteilt, die größtenteils erst Ende 199l/Anfang 1992 vorlagen. Bis dahin mußte die Treuhand die Unternehmen mit Liquiditätskrediten und Bürgschaftszusagen unterstützen, um ihren Erhalt nicht zu gefährden. Daneben unternahm sie zahlreiche Maßnahmen der sogenannten "passiven Sanierung": überzähliges Personal wurde abgebaut, unternehmenszweckfremde Einrichtungen wie Betriebskindergärten, Erholungsheime etc. wurden ausgegliedert oder geschlossen, das Produktionssortiment wurde verkleinert, Forschungs- und Entwicklungsabteilungen reduziert oder geschlossen usw. Passive Sanierung bedeutete also in erster Linie Verringerung der Produktionskosten. Trotzdem auftretende Liquiditätsengpässe der Unternehmen wurden nach Absprache in der Regel von der Treuhand übernommen. Daß bis zur Vorlage der Eröffnungsbilanzen keine zielgerichtete Sanierung erfolgen konnte, ist verständlich. Seit Anfang 1992 jedoch liegen diese Bilanzen vor. Aber obwohl die Treuhand auf deren Grundlage rund 70 % der in ihrem Besitz verbliebenen Unternehmen als marktfähig einschätzt, hat sie bisher kaum aktive Maßnahmen zur Sanierung eingeleitet. Dies spiegelt sich insbesondere in den Ausgaben der Treuhand wider: die geleisteten Liquiditätskredite und Bürgschaften wurden weitgehend für Lohnzahlungen und andere laufende Verpflichtungen verwendet. Für die aktive Sanierung, d.h. für Darlehen für Investitionszwecke, Zuführungen zur Stärkung der Eigenkapitalausstattung sowie Zinsausgaben für anerkannte Ausgleichsforderungen etc. erübrigte die Treuhand 1991 lediglich 2,8 Mrd. DM. Für 1992 wird eher eine Verringerung der Sanierungsausgaben erwartet, was nicht zuletzt auf Finanzierungsengpässe bei der Treuhand selbst zurückzuführen ist.

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Die Sanierungspolitik der Treuhand hat zwar bewirkt, daß es in den vergangenen Jahren nicht zu einem massiven Zusammenbruch ostdeutscher Unternehmen kam, sie konnte jedoch nicht verhindern, daß zahlreiche Arbeitsplätze vernichtet wurden. Zur Zeit beschäftigen die Treuhandunternehmen noch rund 600.000 Personen, mit einem weiteren Beschäftigungsabbau ist zu rechnen. Eine Trendwende ist derzeit nicht in Sicht.

Die dritte Aufgabe der Treuhand liegt in der Stillegung nicht mehr sanierungsfähiger Unternehmen. Rund 1850 Betriebe mit rund 300.000 Arbeitsplätzen, von denen lt. Treuhand aber knapp 30 % erhalten werden konnten (Ausgliederungen / Teilverkäufe), wurden bisher stillgelegt. Bei der Liquidierung von Unternehmen ging die Treuhand nach Ansicht der Unternehmensberatung McKinsey äußerst zurückhaltend vor. Sie verfolgte ein Konzept der "behutsamen" Stillegung, das folgende Maßnahmen umfaßte:

  1. Nicht alle Unternehmen, die als nicht mehr sanierungsfähig gelten, werden stillgelegt. Insbesondere bei Großbetrieben im industriellen Bereich stellt die Treuhand regional,-

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    struktur- und beschäftigungspolitische Erfordernisse über betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten und verzichtet auf die Abwicklung der Unternehmen.

  1. Die Treuhandanstalt hat einen engen Informationsaustausch mit den Ländern vereinbart, innerhalb dem sie rechtzeitig über geplante Betriebsschließungen informiert. So können die Stillegungen durch Maßnahmen der wirtschaftlichen und sozialen Abfederung in der betroffenen Region, insbesondere durch arbeitmarktpolitische Maßnahmen, flankiert werden. Im Rahmen der sozialen Begleitung von Firmenschließungen hat die Treuhand sich ferner an der Finanzierung von Sozialplänen (bisher 5000 DM pro Arbeitnehmer, in Zukunft 6.200 DM) beteiligt und Beschäftigungsgesellschaften organisatorisch und finanziell unterstützt.

Die Leistungen der Treuhand bestehen im wesentlichen in der schnellen Privatisierung der ostdeutschen Wirtschaft. Rund drei Viertel der Unternehmen sind bis heute in private Hände übergegangen, bis Ende 1993 sollte dieser Prozeß weitgehend abgeschlossen sein, was aber aller Voraussicht nach nicht der Fall sein wird. Es ist sicher ein weiteres Verdienst der Treuhand, daß es in den letzten beiden Jahren nicht zu größeren Firmenzusammenbrüchen mit Massenentlassungen kam. Auf Stillegungen wurde weitgehend verzichtet, die Abwicklung kleinerer und mittlerer Betriebe wurde wirtschafts- und sozialpolitisch abgefedert, so daß zumindest die offizielle Arbeitslosigkeit in Grenzen gehalten werden konnte. Aber neben der schnellen und möglichst weitgreifenden Privatisierung ist ja eine weitere Aufgabe der Treuhand, "die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen und somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen." Zumindest laut Treuhandgesetz ist die Sanierung der Unternehmen also der Privatisierung gleichzustellen. Selbst wenn der Treuhand-Strategie, daß die Privatisierung die beste Sanierung ist, zugestimmt wird, bedeutet die Aufgabenstellung doch, daß marktfähige Unternehmen, die noch nicht privatisiert werden können, saniert werden müssen. Dieser Anforderung ist die Treuhand nicht nur nach Meinung von Gewerkschaften und SPD sondern auch nach Einschätzung wirtschaftswissenschaftlicher Forschungsinstitute und des Sachverständigenrats nicht ausreichend nachgekommen.

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b) Die aktive Sanierung wurde bisher vernachlässigt

Im Grunde war von Anfang an klar, daß das Konzept für den Transformationsprozess der ostdeutschen Wirtschaft nicht aufgehen konnte. Zunächst ging man ja von einem zu privatisierenden DDR-Vermögen in Höhe von 600 Mrd. DM aus. Nun betragen aber die Nettoinvestitionen der Unternehmen in den alten Bundesländern jährlich nur 173 Mrd. DM (1989). Sie hätten also 3 1/2 Jahre ausschließlich in die neuen Bundesländer umgelenkt werden

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müssen, um den dort bestehenden Kapitalbestand zu erwerben. Dies war von vornherein ausgeschlossen.

Hinzu kam das Problem, daß mit der Einführung der DM in das ostdeutsche Wirtschaftsgebiet ab dem l. Juli 1990, d.h. kurz nach dem Beginn der Arbeit der Treuhand, der ostdeutschen Wirtschaft die Absatzmärkte im In- und Ausland mit einem Schlag wegbrachen. Dadurch wurden die Ertragserwartungen der Unternehmen entscheidend geschmälert. Zudem wurde sichtbar, daß der Kapitalbestand der ostdeutschen Industrie veraltet war, ein weiteres Problem stellten die ökologischen Altlasten dar. Zudem setzte sich die Treuhand mit dem Ziel einer schnellen und möglichst weitreichenden Privatisierungspolitik selbst unter Zeitdruck. Die Konsequenz war, daß einer relativ geringen Nachfrage von westdeutschen und ausländischen Investoren ein immenses Angebot an dringend zu verkaufenden ostdeutschen Betrieben gegenüberstand. Das führte nicht nur zu einem vehementen Preisverfall, der die Treuhand ins Defizit stürzte, sondern hatte auch geringere Investitionszusagen und Arbeitsplatzgarantien zur Folge. Heute sind wir an einem Punkt, wo Unternehmen nur noch äußerst schwer - manchmal unter Inkaufnahme eines negativen Preises - verkauft werden können.

Die im Grunde sehr einseitige Konzentration auf die Privatisierung der Unternehmen hat vor allem zu Defiziten in der Sanierungspolitik geführt. Die bisher unverkäuflichen Treuhand-Unternehmen wurden während der letzten 2 1/2 Jahre passiv saniert, d.h. bloß-am-Leben-ge-halten. Wohl mit der Absicht, sie in absehbarer Zeit noch verkaufen zu können. Allerdings wurde damit kostbare Zeit vergeudet, die für die Umstrukturierung der Unternehmen hätte genutzt werden können. Nachgewiesenermaßen hat der Anpassungsprozeß in den Treuhand-Unternehmen bisher nicht im notwendigen Maße stattgefunden. Das zeigt sich z. B. daran, daß im vergangenen Jahr in vielen Branchen nur so viele Arbeitsplätze freigesetzt wurden, wie nötig war, um das Lohnkostenniveau gerade zu halten. Es findet kein kontinuierlicher Prozeß der Rationalisierung entsprechend dem Wettbewerb und der Lohnkostenentwicklung statt, sondern lediglich ein Reagieren auf das Auslaufen tariflicher Vereinbarungen (Kündigungsschutz) und gesetzlicher Regelungen (Kurzarbeitergeld, Vorruhestand). Entsprechend ist in Treuhand-Unternehmen der Anteil der Lohnkosten am Umsatz erheblich höher als in privatisierten Betrieben. Auch in Zukunft - so schätzen es die Manager von Treuhand-Firmen ein - werden die Lohnkosten eine erhebliche Belastung darstellen.

Aber nicht nur die notwendigen kostenmäßigen Anpassungsmaßnahmen sind zu einem großen Teil unterblieben, auch die Umstellung auf neue marktfähige Produkte sowie die Modernisierung des Produktionsprozesses haben kaum stattgefunden. Obwohl die Investitionen in Ostdeutschland kontinuierlich steigen, wird immer noch knapp die Hälfte von dem investiert, was in Westdeutschland üblich ist. Davon sind insbesondere die Treuhand-Betriebe betroffen: während in Ex-Treuhand-Unternehmen 21 % des Umsatzes investiert werden, sind

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es in Treuhand-Firmen nur 9 %. Der aktive, mit Investitionen verbundene Sanierungsbeitrag von Seiten der Treuhand bleibt also weit hinter den Aktivitäten der privatisierten Ex-Treu-handbetriebe zurück. Dadurch unterbleibt notwendige Umstrukturierung. So kritisierte das DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) seit 1991 immer wieder, daß die Treuhand-Unternehmen kaum Veranlassung sähen, ihre Produktpalette zu verändern, Produkte zu verbessern bzw. neue zu entwickeln.

Diese Anpassungsdefizite sind nicht zuletzt auf eine verfehlte Treuhandpolitik zurückzuführen. Ihre Subventionspolitik bot den Unternehmen wenig Anreize zur Umstrukturierung. Zur Sicherung ihres Überlebens erhielten die Unternehmen von der Treuhand verbürgte Liquiditätskredite. Diese wurden weitgehend für Lohnzahlungen und andere laufende Verpflichtungen verwendet. Immerhin handelt es sich für 1991 und 1992 jeweils um einen Bürgschaftsrahmen von 30 Mrd. DM, der von den Unternehmen auch in Anspruch genommen wird. Neben der Tatsache, daß die von der Treuhand gewährten finanziellen Hilfen nicht zur Umstrukturierung der Unternehmen verwendet werden, ist die Undurchschaubarkeit der gegenwärtigen Praxis der Subventionierung ein Problem. Weder für die Treuhandunternehmen noch für potentielle Käufer oder für den Staat als Eigentümer ist klar ersichtlich, nach welchen Kriterien Bürgschaftszusagen erfolgen. Das Hauptproblem in dieser Frage ist das Prinzip der Einzelfallentscheidung. Die Treuhand-Unternehmen waren verpflichtet, bis Ende 1991 Eröffnungsbilanzen und Sanierungskonzepte vorzulegen. Diese wurden von der Treuhand geprüft, die Unternehmen dann als sanierungsfähig oder nicht sanierungsfähig eingestuft. Entsprechend des Testats über das vorgelegte Sanierungskonzept erhalten die Unternehmen finanzielle Unterstützung. Diesen Entscheidungen liegen jedoch keine allgemeingültigen, von außen nachvollziehbare Kriterien zugrunde.

Die Prüfung von Einzelfällen ist aus vielen Gründen problematisch. Zunächst ist die Zahl der Treuhand-Unternehmen nach wie vor zu groß, um vernünftige Einzelfallentscheidungen über Sanierungskonzepte treffen zu können. Indikator dafür ist z. B., daß der Leitungsausschuß der Treuhand festgestellt hat, daß die Anstalt

  • die Herstellung offenkundig falscher Produkte zugelassen hat,
  • daß der Aufbau bisher fehlender Vertriebsorgane verzögert wurde,
  • daß die Auswahl potentieller Kooperationspartner unglücklich war und
  • die Treuhand nicht genug Einfluß auf Anpassungsmaßnahmen der Unternehmen genommen hat.

Insofern war der gesetzliche Auftrag der Treuhandanstalt "Privatisierung und Sanierung" von Anfang an nicht zu erfüllen. Denn eine echte Sanierung einer so großen Anzahl von Unternehmen kann durch eine zentrale staatliche Instanz auch nicht innerhalb mehrerer Jahre verwirklicht werden.

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Eine undurchsichtige, für potentielle Investoren nicht nachvollziehbare Subventionspolitik bremst auch die Privatisierungen. Gerade jetzt wo diese ins Stocken geraten sind, sollte überlegt werden, ob durch eine verstärkte und veränderte Sanierungspolitik die Anreize für private Investoren nicht erhöht werden könnten.

Auch eine interne Studie der Treuhandanstalt belegt, daß die Anstalt ihren Betrieben zu wenig bzw. an den falschen Stellen hilft. So fanden die Prüfer heraus, daß mindestens 322 Millionen Mark für Investitionen von Firmen ausgegeben wurden, die schon lange nicht mehr als sanierungsfähig gelten und die demnächst ohnehin schließen müssen. Auf der anderen Seite wurden sanierungsfähige Unternehmen mit ihren Rationalisierungs- und Umstrukturierungsproblemen allein gelassen: Sie erhielten weder finanzielle noch organisatorische Hilfe, um ihre Produktionen zu modernisieren und rentabel zu machen. Die wichtigsten Kritikpunkte aus dem eigenen Hause lauten:

  • die Investitionen sind generell zu kurz gekommen
  • die Rationalisierung wurde nur unzureichend vorangetrieben
  • langfristige Finanzierungszusagen wurden zu oft verweigert
  • die Gesellschafterrolle der Treuhand in den Aufsichtsorganen wurde nicht angemessen wahrgenommen und
  • der Personalabbau und Betriebsstillegungen von nicht mehr sanierungsfähigen Unternehmen wurden zu zaghaft angegangen.

Die bisher unzureichende Sanierungspolitik der Treuhand hat mehrere Gründe: Finanzielle Erwägungen spielten dabei eine sicher nicht zu unterschätzende Rolle. Angesichts der öffentlichen Verschuldung mußte das Defizit der Treuhand beschränkt werden. 1991 liegt es bei rund 21 Mrd. DM, für 1992 und 1993 werden rund 30 Mrd. DM einkalkuliert. Die bisherige Sanierungspolitik der Treuhand zielte weitgehend darauf ab, mit möglichst geringen finanziellen Mitteln den Zusammenbruch der Unternehmen zu verhindern. An sich hätte es nahegelegen, daß mit der Abnahme der Privatisierungen die Sanierungsanstrengungen der Treuhand erhöht werden. Tatsächlich aber findet das Gegenteil statt. Da der Kreditrahmen der Treuhand festliegt und die Erlöse aus dem Verkauf der Unternehmen gering sind, werden die Ausgaben für Sanierung und Restrukturierung noch weiter heruntergefahren. Und das, obwohl die Investitionen in Treuhand-Unternehmen ohnehin weit unter dem Durchschnitt liegen und zukunftsträchtige Bereiche wie z. B. Forschungs- und Entwicklungsabteilungen enorm beschnitten werden.

Ein anderes Problem stellt die ungenaue Aufgabenstellung der Treuhand dar. Sie soll ihrem Gesetzesauftrag entsprechend das volkseigene Vermögen "nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft" privatisieren und verwalten. In Erfüllung dieses Auftrags legt die Treuhand ihrer Arbeit hauptsächlich betriebswirtschaftliche Kalküle zugrunde. Die Verantwortung für

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eine eigenständige Struktur-, Regional- bzw. Industriepolitik lehnt sie ab. Diese liege in der "Zuständigkeit der staatlich Verantwortlichen (Bund und Länder)". Die Treuhand hat sich in der Vergangenheit lediglich bereit erklärt, "so weit wie möglich insbesondere regionalpolitische Aspekte (zu) berücksichtigen". Die praktische Arbeit der Treuhand hat jedoch bewiesen, daß volkswirtschaftliche Aspekte (zurecht) oft über betriebswirtschaftliche Rentabilitätskalküle gestellt werden. Es stellt sich schon lange nicht mehr die Frage, ob die Treuhand sich als staatliche Institution in die Regional-, Struktur-, Industrie- oder gar in die Unternehmenspolitik einmischt - sie tut dies täglich -, sondern wie sie dies tut. Ob strukturerhaltend über Liquiditätsbürgschaften für konsumptive Lohnzahlungen und laufende Verpflichtungen oder strukturfördernd über die nach einheitlichen Kriterien für alle geltende Subventionierung von Umstrukturierungsmaßnahmen, vor allem im Bereich von Sachinvestitionen und Qualifizierung.

Die bisherige Treuhandpolitik vermittelt den Eindruck, daß zwischen Privatisierung und Sanierung ein Gegensatz gesehen wird. Als bester Weg zur Sanierung wurde von Anfang an die Privatisierung betrachtet, woraus sich eine eindeutige Priorität ableitete, die zu entsprechenden Anstrengungen beim Verkauf der Unternehmen und zu einer Vernachlässigung der Sanierungsbemühungen - die kaum als solche bezeichnet werden können - geführt haben. Diese Einseitigkeit der Politik ließ außer Acht, daß unrentable veraltete Unternehmen nur unter Preis oder auch gar nicht zu verkaufen sind. Für potentielle Käufer von Treuhandunternehmen lohnte es sich deshalb, mit dem Kauf so lange zu warten, bis die Treuhand den Preis noch weiter senkte, hohe Zuschüsse gewährte oder bei den Investitions- und Beschäftigungszusagen Zugeständnisse machte. So kostete die einseitige Privatisierungsstrategie die Treuhand Geld in Form von verlorenen Erlösen. Dies hätte vermieden werden können, wenn man Sanierung und Privatisierung produktiv miteinander verbunden hätte. Denn die Sanierung eines marktfähigen Unternehmens schließt seine Privatisierung nicht aus, sondern macht sie wahrscheinlicher.

Daß die Treuhand die Sanierung vernachlässigt hat, lag auch daran, daß ihr mit dem Mittelstandskonzept eine zu einseitige Strategie mitgegeben wurde. So wurden die großen DDR-Kombinate nach Möglichkeit entflechtet, um sie dann an Mittelständler zu verkaufen. Aus der Privatisierung sind somit kaum selbständige große Unternehmenseinheiten hervorgegangen. Das Interesse westdeutscher Großunternehmen oder Banken an industriellen Großbetrieben war beschränkt, entweder weil selbst sie sich finanziell überfordert fühlten oder weil sie kein Interesse hatten, sich eine Konkurrenz zu ihren westdeutschen Betrieben zu schaffen. Dies alles hatte zur Konsequenz, daß die für die dauerhafte Existenz eines gesunden Mittelstandes so notwendige industrielle Basis weitgehend wegbrach. Soweit sie heute noch vorhanden ist, befindet sie sich immer noch zum größten Teil im Besitz der Treuhand (3/5 aller in der Industrie Beschäftigten arbeiten in Treuhand-Unternehmen). Viele

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dieser oft strukturbestimmenden Großunternehmen von überregionaler Bedeutung lassen sich in absehbarer Zeit kaum verkaufen. Deshalb fordern nicht nur Gewerkschaften, ostdeutsche Bundestagsabgeordnete aller Parteien und westdeutsche SPD-Politiker sondern auch die wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute, der Sachverständigenrat und sogar Unternehmens- und Arbeitgeberverbände die dringende Sanierung der marktfähigen Treuhandunternehmen, damit eine Deindustrialisierung in Ostdeutschland noch rechtzeitig verhindert wird.

Dies setzt den uneingeschränkten Willen der Treuhand voraus, die Sanierung nun wirklich aktiv zu betreiben. Dabei muß gesehen werden, daß die bisher halbherzig betriebene Erhaltungspolitik - eine echte Sanierungspolitik wäre wohl als zu staatsinterventionistisch angesehen worden - die Treuhandanstalt geradezu in eine ungewollte Dauersubventionierung hineintreibt. Indem sie nämlich nicht nur Eröffnungsbilanzen anerkennt sondern auch Sanierungskonzepte testiert, übernimmt sie die Verantwortung für die Zukunft der Unternehmen. Bleibt der erwartete Markterfolg aus, wird sie sich angesichts des politischen Drucks, das Unternehmen zu erhalten, nicht der Pflicht entziehen können, weiterhin Unterstützungszahlungen zu leisten. Damit aber wären teuren Dauersubventionen Tür und Tor geöffnet. Viel sinnvoller wäre es, jetzt größere finanzielle Beträge für eine echte Sanierung aufzuwenden, diese aber zeitlich zu befristen, damit auch von Seiten der Unternehmen entsprechende Anpassungsanstrengungen unternommen werden. Den Treuhand-Unternehmen müßte auf jeden Fall heute schon eine mittelfristige zeitliche Perspektive gegeben werden, damit sie entsprechende Lieferungs- und Vermarktungsbeziehungen aufbauen können. Denn zur Zeit ist die Ungewisse Zukunft vieler Betriebe Ursache dafür, daß neue Geschäftsbeziehungen nicht entstehen: wer will schon einen Lieferanten oder Kunden, von dem er nicht weiß, wie lange es ihn noch gibt.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 1999

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