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TEILDOKUMENT:
1. Die Verantwortung der Treuhandanstalt im Umstrukturierungsprozeß der ostdeutschen Wirtschaft a) Die "Geschichte" der Treuhand Ursprünglich war die Einrichtung einer Treuhandanstalt die Idee von ostdeutschen Bürgerrechtlern. In Person von Wolfgang Ullmann schlugen sie im Februar 1990 dem Runden Tisch vor, eine Institution zu schaffen, die das sogenannte "volkseigene Vermögen" der DDR in ein neues Wirtschafts- und Gesellschaftssystem überführen sollte. Im Mittelpunkt stand dabei die Absicht, dieses Vermögen tatsächlich der ostdeutschen Bevölkerung zu übereignen, und es sowohl dem Zugriff der alten Partei- und Wirtschaftskader wie auch eventuellen Ansprüchen aus der Bundesrepublik zu entziehen. Ziel war aber auch, über die Privatisierung des Volksvermögens Voraussetzungen für das Funktionieren eines marktwirtschaftlichen Systems zu schaffen. Mithin war vorgesehen, das Gesamtvermögen des Landes in die Hände einer Treuhandanstalt zu legen. Sie sollte den größten Teil des ostdeutschen Vermögens privatisieren, andere Teile sollten in den Besitz der neu zu schaffenden Länder bzw. an Stiftungen übergehen. Die Privatisierung sollte - ähnlich wie es inzwischen in anderen osteuropäischen Staaten geschehen ist - über die Ausgabe von gleichwertigen Anteilscheinen an alle DDR-Bürger erfolgen. Mit diesen Anteilscheinen sollten die Bürger dann "Wohnungen, Gebäude, Betriebsstätten für private oder genossenschaftliche Firmengründungen" erwerben können. Der Vorschlag umfaßte auch Maßnahmen zur Umstellung der Unternehmen von der Planwirtschaft auf die Marktwirtschaft. Westliches Engagement wurde dabei in zweifacher Hinsicht erwartet: know-how sollte durch die Anwerbung von hochqualifizierten und erfahrenen Führungspersönlichkeiten ins Land geholt werden, ausländisches Kapital wollte man in Form von joint-ventures beteiligen. Dabei wurde davon ausgegangen, daß potentielle Kapitalgeber in Mengen auftreten würden, um die guten Kontakte der ostdeutschen Wirtschaft zu den immens großen osteuropäischen Märkten zu nutzen. Am 8. März 1990 wurde tatsächlich ein Gesetz zur Einrichtung einer Treuhandanstalt von der Regierung Modrow verabschiedet. Es unterschied sich allerdings in wesentlichen Punkten von Ullmans Vorschlag. Weder war vorgesehen, daß das Volksvermögen über die Ausgabe von Anteilscheinen gleichmäßig an die Bürger verteilt wird noch daß die Länder an dessen Besitz beteiligt werden. Vielmehr war es Aufgabe der Treuhand, die ehemals volkseigenen Unternehmen zunächst in Kapitalgesellschaften umzuwandeln und dann zu privatisieren. Vor allem mittelständische Industriebetriebe sollten in privates Eigentum übergehen. Die Betriebe, die 1972 verstaatlicht worden waren, sollten an ihre früheren Eigentümer zurückgegeben werden. Ansonsten war der Verkauf der Unternehmen vorgesehen. Zwar wurde auch an die [Seite der Druckausgabe: 4] Ausgabe von Wertpapieren gedacht, jedoch mußten diese käuflich erworben werden und sollten nicht einfach unentgeltlich an alle Bürger verteilt werden. Aber fast genauso wenig wie der Ullmann-Vorschlag wurde auch das Treuhandgesetz der Modrow-Regierung in die Tat umgesetzt. Denn gerade nachdem die Umwandlung der ehemals volkseigenen Betriebe in selbständige Kapitalgesellschaften abgeschlossen war, mußte der Auftrag der Treuhandanstalt den veränderten Bedingungen angepasst werden, die durch den schnellen Beitritt der DDR zur Bundesrepublik und mit der Übernahme des westdeutschen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems entstanden waren. Es galt eine neue Rechtsordnung zu übernehmen, die Verwaltung neu zu formieren und zu organisieren, das Wirtschaftssystem von heute auf morgen vom Plan auf den Markt umzustellen und - durch die abrupte Einführung der D-Mark zum Kurse von l: l bzw. bei Ersparnissen und Schulden von 1:2- die Unternehmen auf die überlegene Konkurrenz auf dem Weltmarkt einzustellen. Entsprechend wurde am 17.Juni 1990 von der Volkskammer ein neues, in den wesentlichen Inhalten noch heute gültiges Treuhandgesetz verabschiedet, das vorsah, "die unternehmerische Tätigkeit des Staates durch Privatisierung so rasch und so weit wie möglich zurückzuführen, die Wettbewerbsfähigkeit möglichst vieler Unternehmen herzustellen und somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen."
b.) Ziele und Aufgaben
Die Kernaufgabe der Treuhandanstalt ist die Gestaltung des wirtschaftlichen Transformationsprozesses von der zentralen Planwirtschaft zur sozialen Marktwirtschaft. Im Vordergrund steht dabei die Privatisierung der ostdeutschen Betriebe. Zu diesem Zweck wurde die Treuhand Inhaber der Anteile der Kapitalgesellschaften, die durch die Umwandlung der volkseigenen Kombinate, Betriebe, Einrichtungen und sonstigen Wirtschaftseinheiten entstanden waren. Damit wurde eine riesige Staatsholding geschaffen mit ursprünglich 8000 Unternehmen und mit 45000 Betriebsstätten, die insgesamt mehr als vier Millionen Menschen beschäftigten. Hinzu kamen 62000 Quadratkilometer Grundbesitz (= 57 % der Fläche der ehemaligen DDR). Davon ausgehend, daß nur durch die Schaffung von Privateigentum und privaten Unternehmen effiziente marktwirtschaftliche Strukturen in den neuen Ländern entstehen können, galt das Hauptaugenmerk der Treuhand von Anfang an der Privatisierung. Die Sanierung marktfähiger und die Stillegung nicht mehr sanierungsfähiger Unternehmen gehörten zwar auch zu ihrem Auftrag, aber die Reihenfolge ihrer Aufgaben (s. § 3 der Satzung der Treuhandanstalt) war zugleich auch als Rangfolge zu verstehen. Dabei handelt es sich um die [Seite der Druckausgabe: 5]
Die schnelle Privatisierung, die entschlossene Sanierung und die behutsame Stillegung nicht mehr sanierungsfähiger Betriebe werden als das Kerngeschäft der Treuhand betrachtet. Daneben sind aber eine Reihe weiterer Aufgaben an die Treuhand übertragen worden, die mit der Überführung der ehemaligen DDR-Wirtschaft in eine marktwirtschaftliche Ordnung nur indirekt zu tun haben. Dazu gehören:
Die Treuhand ist angehalten bei ihrer Tätigkeit betriebswirtschaftliche Kriterien zugrunde zu legen. Sie lehnt deshalb die Verantwortung für eine eigenständige Struktur-, Regional- und Industriepolitik ab. Aber sowohl Auftrag (... "und somit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen ...") wie auch die regional- und beschäftigungspolitischen Auswirkungen ihrer täglichen Entscheidungen zwingen die Treuhand in der praktischen Arbeit "soweit wie möglich insbesondere regional- und strukturpolitische Aspekte zu berücksichtigen." Welche Gewichtung der Entscheidungskriterien die Treuhand anzulegen hat, kann ihrem gesetzlichen Auftrag nicht eindeutig entnommen werden. Ein Manko, das der Treuhand immer wieder Kritik eingebracht hat. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 1999 |