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[Seite der Druckausgabe: 6 = Fortsetzung]

III. Fremdenverkehr in Mecklenburg-Vorpommern - aktuelle Situation

340 km Ostseeküste und weitere 1.160 km Boddenküste, lange Sandstrände, eine Vielzahl von Badebuchten und Inseln sowie Steilküsten sind die naturräumlichen touristischen Voraussetzungen, die zum Teil schon um die Jahrhundertwende eine Perlenkette von Badeorten an der Küste haben entstehen lassen (z.B. Binz, Kühlungsborn und Warnemünde).

Das Hinterland gliedert sich in drei Gruppen von Landschaften mit erheblichen Unterschieden in der land- und forstwirtschaftlichen Ertragsfähigkeit:

  • Grundmoränen-Hochflächen,

  • Endmoränen, kuppige Grundmoränen und Sande,

  • Niedermoorböden.

Die Bedingungen für die landwirtschaftliche Nutzung sind durch die eiszeitgeprägte Landschaft bestimmt. Hanglagen, Sölle und Feldgehölze erschweren zwar eine großflächige landwirtschaftliche Nutzung, machen aber andererseits den ästhetischen Reiz und die biologische Funktionsfähigkeit der Landschaft aus. Die Hotel- und Pensionsbauten sowie die Unterkünfte in Privathäusern aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg sind zum Teil noch in einem allerdings überwiegend erbarmungswürdigen Zustand vorhanden. Ergänzt wurden sie durch wenige Hotelneubauten, mit denen sich die DDR an ein zahlungskräftiges Devisenpublikum wandte, und die Einrichtungen des Feriendienstes des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes sowie einzelner Betriebe. Die Kapazitäten waren kaum in der Lage, den Ansturm von Urlaubern zu verkraften, insbesondere ab dem Zeitpunkt, als die pol

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nische Ostseeküste Anfang der 80er Jahre mit dem Entstehen von Solidarnoscz für DDR-Bürger kaum erreichbar war.

Auf den 54 Campingplätzen entlang der Ostseeküste wurden 1989 8.100 Besucher registriert. In den 34 Hotels dieser Region wurden 230.000 Gäste gezählt, weitere 198.000 Touristen fanden in privaten Unterkünften Platz, die Zahl der in nicht registrierten Unterkünften wie Privatwohnungen, Sommerhäuschen und Gartenlauben lebenden Urlauber dürfte ebenfalls beträchtlich gewesen sein. Die Belastung der mecklenburgisch-vorpommerschen Ostseeküste war in bezug auf Natur- und Sozialverträglichkeit an ihre Grenzen geraten. Nach der Wende entstand eine gewisse Entspannung der Angebotssituation dadurch, daß Gästehäuser von öffentlichen Institutionen, Parteien, Regierung etc. der öffentlichen kommerziellen Nutzung zugeführt wurden und so das Potential an Übernachtungsmöglichkeiten vergrößert wurde; zudem wurden Küstenabschnitte, die aus Gründen der militärischen Verteidigung und der Sicherheit des Staates bis dahin für den Publikumsverkehr gesperrt waren, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wassersport wurde nun in größerem Umfang möglich und eine Attraktion.

Für 1990 hatten die angekündigten Reisewünsche, vor allem von Westdeutschen, hohe Erwartungen geweckt, die tatsächliche Auslastung blieb mit 50% enttäuschend hinter den Zahlen des Vorjahres zurück.

Den traditionellen Ostseeurlaubern aus den fünf neuen Ländern hatten sich andere Feriendestinationen erschlossen. Sie reagierten kritischer auf mindere Wasserqualität, vor allem der Boddengewässer, die durch den desolaten Zustand von Kläranlagen und die Überdüngung von Äckern und Feldern entstanden ist. Die Bausubstanz der Ferienquartiere hielt den Ansprüchen nicht länger stand und die Qualität der Gastronomie und des Service entsprach der Preisentwicklung in keiner Weise.

Auch die Besuche der Bürger aus den alten Bundesländern blieben hinter den Planungen und Erwartungen zurück. Die Ferienorte der neuen Länder haben ein überdurchschnittlich schlechtes Image bei den Bundesbürgern aus den alten Ländern (übrigens im Gegensatz zu Einschätzungen der Bürger aus den neuen Ländern). Ferner spielten die Engpässe auf Autobahnen und Fernstraßen eine Rolle - bisher werden 92% der Kurzreisen und 83% der langen Urlaubsreisen mit dem Pkw durchgeführt. Man kam, sah und beschloß, später einmal die Ferien hier zu verbringen.

Aus den Aussagen vieler ehemaliger Stammgäste kann man die Gründe für die Zurückhaltung ablesen: sie würden wiederkommen, wenn

  • sich ihre wirtschaftlichen Verhältnisse wieder stabilisiert haben,

  • das Preis-Leistungsverhältnis wieder stimmt und

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  • der große Nachholbedarf nach Reisen in den bisher nicht zugänglichen Teil der Welt gestillt sein würde.

Der große Rückgang der Urlauberzahlen wirkte sich sowohl im Fremdenverkehrsgewerbe als auch in angrenzenden Wirtschaftsbereichen infolge deutlicher Kaufkrafteinbußen negativ aus und zog im Fremdenverkehrsgewerbe Existenzprobleme nach sich.

Der Verlauf der ohnehin kurzen Saison 1991 an der Ostseeküste - kurz deshalb, weil sie sich allein auf die Sommerferien und den Badetourismus beschränkte - wird nach schlechtem Start als über alle Erwartungen positiv eingeschätzt. Nicht verkannt werden dürfen jedoch auch die besonderen Merkmale dieses Sommers wie das stabile Sommerwetter, der Ausfall anderer Strandregionen wie z.B. in der Türkei und in Jugoslawien sowie das anhaltende Interesse von "alten" Bundesbürgern, die "schnuppernd" für Kurzaufenthalte die bis dahin für sie "exotischen" Regionen der ehemaligen DDR kennenlernen wollten.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1999

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