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4. Gemeinsame Förderung von Bund und Ländern:
Die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur"


Die Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" ist eines der wichtigsten Instrumente zur Überwindung regionaler Ungleichgewichte in der alten Bundesrepublik, aber jetzt auch zum Aufbau der neuen Bundesländer (vgl. zu den Regelungen und weiteren Angaben: 20. Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", Beschluß des Planungsausschusses der Gemeinschaftsaufgabe vom 19. Juni 1991). Sie wurde Anfang der 70er Jahre durch ein Gesetz eingerichtet, das nach Einfügung des Artikels 91 a) über die Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in das Grundgesetz möglich wurde. Seither ist sie in ihrer Konzeption, d.h. in ihren Maßnahmen und Instrumenten sowie den ihr zugrundeliegenden wirtschaftspolitischen Überlegungen, mehrfach geändert und teilweise den wirtschaftlichen und strukturellen Entwicklungen der 70er und 80er Jahre angepaßt worden. Sie zielt allgemein darauf, strukturelle Probleme in strukturschwachen Regionen der Bundesrepublik zu bewältigen und umfaßt damit das strukturpolitische Instrumentarium, das heute für die Bewältigung des strukturellen Anpassungsprozesses in der Wirtschaft der neuen Bundesländer benötigt wird. Allerdings übertreffen die Probleme in den neuen Bundesländern die bisher in der alten Bundesrepublik von der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" behandelten Strukturprobleme in den ländlichen Regionen, in den altindustrialisierten Regionen, beispielsweise im Ruhrgebiet, oder an der Küste oder im Zonenrandgebiet, um Größenordnungen.

Zum Verständnis dieses wirtschaftspolitischen Instruments sind Kenntnisse ihrer Entstehungsgeschichte und ihrer Aufgabe wichtig. Die Gemeinschaftsaufgabe unterscheidet sich als Element der regionalen Wirtschafts- und Strukturpolitik grundlegend von der Konjunkturpolitik, die im gesamten Staatsgebiet geltende Maßnahmen umfaßt, die zu einer Überwindung einer allgemeinen Wirtschaftsschwäche in konjunkturellen Krisensituationen gedacht ist. Im Unterschied dazu bezieht sich die regionale Strukturpolitik als Teil der allgemeinen Strukturpolitik, zu der auch noch die sektorale Strukturpolitik gehört, auf räumlich abgegrenzte Teile des Staatsgebietes, die in ihrer Entwicklung hinter anderen Regionen zurückgeblieben sind oder hinter diese Entwicklung zurückzufallen drohen. Insofern sind die neuen Bundesländer prädestiniert für die Anwendung der Gemeinschaftsaufgabe, die sich in den vorhergehenden 20 Jahren ihres Bestehens allerdings nur mit Teilregionen der Bundesrepublik befaßt hat, die trotz häufig günstiger gesamtwirtschaftlicher Entwicklung nicht an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung teilgenommen haben.

Die Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen im Förderalismus der Bundesrepublik definiert die regionale Wirtschaftspolitik als genuine Aufgabe der Bundesländer. Diese müssen selbst dafür sorgen, daß strukturschwache Regionen ihres Landes Unterstützung erhalten. Allerdings setzte sich in den späten 60er Jahren die Erkenntnis durch, daß einzelne Bundesländer sich aufgrund ihrer Wirtschafts- und Finanzschwäche nicht aus eigener Kraft

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helfen können. Dies war einmal der Anlaß für eine Reform des bundesstaatlichen Finanzausgleichs, aber auch für die Schaffung der Gemeinschaftsaufgaben, zu der neben der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" die Gemeinschaftsaufgabe "Hochschulbau" und die Gemeinschaftsaufgabe "Agrarstruktur und Küstenschutz" gehören.

Die regionale Wirtschaftspolitik wurde dadurch zu einer gemeinsamen Aufgabe von Bund und Ländern gemacht. Dies bedeutet, daß

  • die erforderlichen Mittel je zur Hälfte von Bund und Ländern aufgebracht werden;

  • alle Regeln für die Durchführung der Gemeinschaftsaufgabe im sogenannten Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe gemeinsam und verbindlich für Bund und alle Länder beschlossen werden. Die Durchführung selbst ist dann Sache der Länder und wird vom Bund lediglich kontrolliert.

Die Einrichtung der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" hatte verschiedene Vorteile, die heute nicht vergessen werden sollten, wenn verschiedentlich über die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgaben insgesamt und über die Verlagerung von Aufgaben zurück auf die Länder diskutiert wird. Einmal wurde durch die Gemeinschaftsaufgabe den Bundesländern, die selbst nicht über hinreichende Mittel verfügten, finanziell geholfen, wichtiger aber war noch, daß durch das gemeinsam vereinbarte Regelwerk der Gemeinschaftsaufgabe mit Obergrenzen für regionalpolitisch motivierte Subventionen finanzschwächere Länder vor der Konkurrenz der reicheren Länder geschützt wurden. Dadurch wurde der vorher ausufernde Subventionswettkampf kanalisiert; die reichen Länder konnten keine höheren Fördersätze für Subventionen zur Ansiedlung oder Unterstützung von Unternehmen mehr gewähren als andere, was vorher fast die Regel war. Dies ist gerade für die neuen Bundesländer von zentraler Bedeutung, deren Finanzsituation erheblich hinter der selbst der finanzschwächeren westdeutschen Bundesländer wie der des Saarlandes oder Bremens zurückbleibt.

Die neuen Bundesländer erhalten vom Bund erheblich mehr Mittel als die alten Bundesländer, deren Fördersätze auch deutlich hinter denen der neuen Ländern zurückbleiben. Damit wird erreicht, daß die Förderintensität in den neuen Bundesländern wesentlich höher ist als in den alten Bundesländern, und damit die Anreize für Unternehmen, sich in den neuen Bundesländern anzusiedeln und zu investieren, deutlich die Anreize zum Verbleib oder zur Ansiedlung in den alten Bundesländern übertreffen. Damit ist die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" das wichtigste Instrument der Strukturpolitik zum wirtschaftlichen Aufbau der neuen Bundesländer. Hinzu kommt, daß mit der Anwendung der Gemeinschaftsaufgabe ein eingespieltes Verfahren der Wirtschaftsförderung auf die neuen Bundesländer übertragen wurde, das vorhanden war und nicht für diesen Zweck neu entwickelt werden mußte.

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Allerdings ist die Bundesrepublik Deutschland nicht völlig frei in der Gestaltung ihrer wirtschaftspolitischen Förderprogramme für die neuen Bundesländer. Dies zu wissen ist besonders wichtig vor dem Hintergrund vieler Diskussionen über die Frage, ob die Förderung des wirtschaftlichen Aufbaus in den neuen Bundesländern nicht noch massiver sein müßte. Seit rund zehn Jahren bedürfen alle Förderprogramme, die nur ein Teilgebiet eines Nationalstaates betreffen, der Genehmigung durch die EG-Kommission. Diese hat gerade am 27. März 1991 die zunächst bis zum 31. März 1991 befristete Ausnahmegenehmigung für eine in ihrer Sicht besonders starke Wirtschaftsförderung in den neuen Bundesländern bis Ende 1991 verlängert (siehe Kapitel 3 in diesem Band).

Um das Förderinstrumentarium der Gemeinschaftsaufgabe zu verstehen, muß man wissen, welche Aktivitäten auf welche Art und Weise gefördert werden. Die Gemeinschaftsaufgabe fördert mit Investitionszuschüssen, die sogenannte verlorene Zuschüsse sind, d.h. nicht zurückgezahlt werden müssen.

Diese Investitionszuschüsse werden für Investitionen gewährt, mit denen neue Dauer-Arbeitsplätze geschaffen oder gefährdete Arbeitsplätze dauerhaft gesichert werden. Dabei ist eine Einschränkung von Bedeutung: Nicht gefördert werden Investitionen für solche Betriebe, die ihre Waren oder Dienstleistungen nur am Ort oder im Umkreis von weniger als 30 km absetzen, also zum Beispiel Handwerker wie Bäcker oder Friseure. Ziel dieser Einschränkung war es, durch überregionale Exporte zusätzliches Einkommen in der Region selbst zu erwirtschaften; diese Regelung ist jedoch in der Regionalwissenschaft und auch in den für die Konzeption der Gemeinschaftsaufgabe zuständigen Gremien seit längerer Zeit umstritten, aber noch nicht abgeändert. Die von der Gemeinschaftsaufgabe selbst nicht geförderten Bereiche müssen jedoch nicht leer ausgehen, da für sie das ERP-Kreditprogramm und andere Programme der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Anspruch genommen werden kann.

In den Vorschriften zur Durchführung der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" gibt es einen Katalog von Aktivitäten, die gefördert werden können. Anders als in den alten Ländern werden begrenzt sogar Baubetriebe gefördert.

Nicht gefördert werden jedoch laufende Lohnkosten, Mieten, Betriebskosten und ebenfalls nicht die normalen betriebsnotwendigen Ersatzinvestitionen.

Empfänger einer Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe können sein:

  • Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft (keine freien Berufe), die Güter oder Leistungen herstellen, die überwiegend überregional abgesetzt werden;

  • kommunale Körperschaften, d.h. in der Regel Städte und Gemeinden, für Maßnahmen der wirtschaftsnahen Infrastruktur oder der Fremdenverkehrsinfrastruktur;

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  • andere öffentlich-rechtliche Träger, die überbetriebliche Aus- und Fortbildungsstätten einrichten.

Das Ziel der Förderung von Investitionen dieser drei Gruppen von Förderempfängern ist es also immer, zusätzliche Arbeits- und auch Ausbildungsplätze zu schaffen. Hingegen sind bei der Investitionszulage auch Ersatzinvestitionen förderbar, so daß kein Nachweis neuer Arbeitsplätze erforderlich ist.

Über Gewerbebetriebe hinaus können auch Städte und Gemeinden gefördert werden. Diese erhalten ebenfalls Zuschüsse, die noch wesentlich über die privaten Unternehmen gewährten Fördersätze hinausgehen können, wenn sie Investitionen in die sogenannte wirtschaftsnahe Infrastruktur vornehmen. Gewerbebetriebe brauchen Gewerbeflächen, die jedoch zuvor von den Gemeinden erschlossen werden müssen, was in den meisten Fällen erhebliche finanzielle Vorleistungen der Gemeinden erfordert. Da die Gemeinden dieses Geld über den Bodenpreis, den sie ansiedlungswilligen oder erweiterungswilligen Unternehmen berechnen müssen, wieder hereinholen wollen, wird der Bodenpreis für die interessierten Unternehmen oft so teuer, daß sie ihre Vorhaben aufgeben oder in eine andere Region oder Kommune gehen. Durch den Investitionszuschuß der Gemeinschaftsaufgabe für den Ausbau der wirtschaftsnahen Infrastruktur von in der Regel 60 %, häufig aber auch noch mehr, wird den Gemeinden der Ausbau der wirtschaftsnahen Infrastruktur erleichtert und der den Unternehmen zu berechnende Flächenpreis niedrig gehalten.

Die einzelnen Fördertatbestände werden durch die Gemeinschaftsaufgabe nicht alle gleich bewertet. Deshalb sind die Fördersätze je nach Art des Vorhabens abgestuft. Anders als bei der Investitionszulage sind die Zuschüsse nicht auf bewegliche Wirtschaftsgüter begrenzt. Die Investitionen in Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe werden mit Investitionen in unterschiedlicher Höhe unterstützt:

Errichtung von Betrieben

23 %

Erweiterung von Betrieben

20 %

Rationalisierung, Umstellung

15 %

Erwerb von Betrieben
(bei Verlagerung nur Erweiterungseffekt)

23 %

Investitionen im Fremdenverkehrsbereich
(auch Erwerb von Betrieben)

23 %



Diese Fördersätze sind generell höher als in den alten Ländern der Bundesrepublik. Sie können in den neuen Ländern zusätzlich durch Investitionsbeihilfen ohne regionale Zielsetzung wie

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etwa die Investitionszulage um bis zu 12 %-Punkte überschritten werden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Abgrenzung zwischen Errichtung, Erweiterung und Rationalisierung auf die Situation in den neuen Bundesländern übertragbar ist, oder ob nicht angesichts des Strukturumbruchs in den neuen Ländern eine Vereinfachung angezeigt wäre.

Darüber hinaus gibt es weitere wichtige Erleichterungen für die Förderung von Investitionen in den neuen Bundesländern, die den Start in die Marktwirtschaft und die Durchführung der Investitionen von Unternehmen und Gemeinden in den neuen Bundesländern wesentlich erleichtern können. So müssen die Flächen nicht ausschließlich, sondern nur überwiegend für förderfähige Betriebe vorgesehen werden. Bei Förderung von Ver- (Energie, Wasser) und Entsorgungsvorhaben (Abwasser, Abfallbeseitigung) können anders als in den alten Ländern Investitionsvorhaben ausnahmsweise auch gefördert werden kann, wenn dadurch ebenfalls private Haushalte begünstigt werden. Fortbildungseinrichtungen werden in den neuen Bundesländern unterstützt, falls eine Gewinnerzielung ausgeschlossen wird.

Die Erleichterungen für Investitionen der Unternehmen liegen vor allem in den deutlich über der alten Bundesrepublik liegenden Fördersätzen, vor allem auch im Fremdenverkehr. Darüber hinaus sind die durch den Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe vorgegebenen Regelungen einzuhalten und die dort geforderten Bedingungen zu erfüllen, falls ein Investor, sei es nun Unternehmen oder Kommune, die Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe nicht gefährden will. Dazu gehören für die gewerblichen Unternehmen insbesondere, daß sie den Antrag auf Förderung vor Beginn der Investition stellen müssen, und daß eine Vollfinanzierung des Investitionsvorhabens gesichert erscheinen muß, was im Normalfall die jeweilige Hausbank bescheinigt. Mit der Investition darf dann begonnen werden, wenn der Antragseingang bestätigt wurde. Für die Gemeinden gilt hier, daß die Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden klar geregelt sein müssen und das Investitionsvorhaben nicht vor Bewilligung der Förderung begonnen wird.

Der Nutzen, den die Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" vor allem für den Aufbau einer den Anforderungen westdeutscher und internationaler Unternehmen genügenden wirtschaftsnahen Infrastruktur hat, wird durch die vielen Bewilligungen, die beispielsweise in Thüringen schon ausgesprochen wurden, bewiesen. Unzureichend genutzt wurden allerdings bisher dort die Möglichkeiten der Gemeinschaftsaufgabe beim Aufbau von Fremdenverkehrskapazitäten. Offensichtlich wird die Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe in den neuen Ländern noch zu sehr mit gewerblichen Unternehmen der Industrie und nicht mit dem Tourismus in Verbindung gebracht.

Außerdem sind anders als in den alten Bundesländern in den neuen Ländern alle Gemeinden dann antragsberechtigt, wenn sie als Gewerbe- oder Fremdenverkehrsstandorte geeignet sind. In den alten Ländern durften im Regelfall nur als sogenannte Schwerpunktorte ausgewählte Gemeinden gefördert werden. Im Gemeinschaftswerk "Aufschwung Ost" sind für einige Sonderprogrammregionen

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in Brandenburg zusätzlich 90 Millionen DM für die Jahre 1991/92 vorgesehen. Die Regelungen der Gemeinschaftsaufgabe gelten auch für diese Mittel.

Angeregt wurde, die Förderrichtlinien für die Förderung durch die Gemeinschaftsaufgabe flexibler zu handhaben und deshalb mit dem Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe zu verhandeln. Allerdings scheint es in Bezug auf die Auslegung der Förderrichtlinien unterschiedliche Positionen selbst zwischen den neuen Bundesländern zu geben. Auch die aus den Westländern entsandten Berater legen in den verschiedenen neuen Bundesländern die Förderrichtlinien unterschiedlich weit aus.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 2001

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