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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausg.: 17]
Die Europäische Gemeinschaft ist durch den Aufbau der neuen Bundesländer wirtschaftspolitisch in zwei Bereichen betroffen. Einmal kann die EG durch ihre Strukturfonds strukturell benachteiligte Gebiete fördern. Zum anderen prüft die Kommission der EG jede nationalstaatliche Wirtschaftsförderung darauf, ob sie im Rahmen der EG-Wettbewerbspolitik zulässig ist oder nicht. Gerade so massive Fördermaßnahmen, wie sie im Osten Deutschlands notwendig sind, können nicht ohne Zustimmung der EG durchgeführt werden.
3.1 Einbeziehung des Gebietes der ehemaligen DDR in die EG-Strukturfonds
Nach der Vereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 mußte die Europäische Gemeinschaft entscheiden, wie sie die fünf neuen Bundesländer und Ost-Berlin in die gemeinschaftliche Strukturpolitik der EG einbeziehen konnte. Diese gemeinschaftliche Strukturpolitik war gerade im Anschluß an die einheitliche europäische Akte reformiert worden und die entsprechenden Verordnungen waren am 1. Januar 1989 in Kraft getreten. Neben der Neuordnung der Förderungsmethoden und der Förderkulisse der Gemeinschaft wurden damals fünf funktionale Ziele aufgestellt, die die Strukturpolitik der EG verwirklichen sollten:
Die EG hielt in den 6 osteuropäischen Ländern und der DDR Reformen in vielen Bereichen für dringend notwendig:
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Die wirtschaftliche Ausgangslage von Sektoren und Regionen in den Ländern Osteuropas einschließlich der ehemaligen DDR wurden von der Kommission eher skeptisch beurteilt. Nach dem Urteil der EG-Kommission hat die Vereinigung Deutschlands dem Gebiet der früheren DDR im Vergleich zu den anderen östlichen Ländern jedoch Vorteile für den Übergang zur Marktwirtschaft gebracht. Diese liegen vor allem darin, daß sie von der früheren Bundesrepublik als einem der wirtschaftsstärksten Länder der EG Transfers erhalten kann und strukturpolitisch unterstützt wird. Allerdings wurde schon zu einem relativ frühen Zeitpunkt befürchtet, daß die ökonomischen Anpassungskosten der Wirtschaft der früheren DDR an die wettbewerbsfähige Marktwirtschaft des restlichen Deutschland sehr hoch sein könnten. Am 4. Dezember 1990 beschloß der Rat der Europäischen Gemeinschaften eine Verordnung mit Übergangs- und Ausnahmeregelungen zum Einbezug des Gebietes der ehemaligen DDR in die Strukturfonds:
In dem von der Bundesregierung kurz darauf vorgelegten Entwicklungsplan über die Strukturpolitik der Strukturfonds der EG in den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen sowie Berlin (Ost) wurden neben einer Analyse der wirtschaftlichen Lage der neuen Bundesländer die Möglichkeiten zur beschleunigten Entwicklung und Umstellung der Wirtschaftsstruktur, der Arbeitsmarkt- und Berufsbildungsstruktur und der Agrarstruktur behandelt. Die EG-Kommission hat in Anlehnung an diesen Entwicklungsplan ihr sogenanntes Gemeinschaftliches Förderkonzept als Rahmenplan für die Unterstützung der neuen Länder durch die EG aufgestellt. [Seite der Druckausg.: 19]
3.2 Das Förderkonzept der Europäischen Gemeinschaft für die neuen Bundesländer und der Stand seiner Umsetzung
Die EG-Kommission hat zunächst verschiedene Entwicklungsziele festgelegt, die durch ihre Fördermaßnahmen erreicht werden sollen:
Um diese Ziele zu verwirklichen, hat die Kommission im Einvernehmen mit dem Bund und den ostdeutschen Ländern sachliche Schwerpunkte für die strukturpolitischen Maßnahmen festgelegt. Schwerpunkt 1: Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur Die Erneuerung des Industriesektors kann nur gelingen, wenn die öffentliche Infrastruktur umfassend ausgebaut wird. Schaffung, Modernisierung und Ausbau der gewerbenahen Infrastruktur werden unterstützt durch Erschließung von neuem Industriegelände und Wiederherrichtung von Industriebrachen, Verkehrsanbindungen, Energie- und Wasserversorgung sowie Müll- und Abwasserbeseitigung, Geländeerschließung für den Fremdenverkehr sowie öffentliche Einrichtungen des Fremdenverkehrs, Unternehmens-, Technologie- und Gründerzentren, gemeinsame Dienstleistungen und Forschung für kleine und mittlere Unternehmen. Schwerpunkt 2: Unterstützung produktiver Investitionen Die Maßnahmen zur Unterstützung produktiver Investitionen sollen vor allem zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen beitragen, in dem die Produktivität und die Diversifizierung des Industriebereichs sowie die Entwicklung von Dienstleistungen verbessert wird. Schwerpunkt 3: Maßnahmen zur Erschließung des Humankapitals Als entscheidende Faktoren für die Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität und die Erhöhung des Realeinkommens werden von der EG die Verbesserung des Humankapitals und die Förderung der Beschäftigung angesehen. Sie müssen den gesamten Bereich der Personalentwicklung und -motivation betreffen und weit mehr als einzelne Ausbildungsaktionen umfassen. [Seite der Druckausg.: 20] Dazu gehören berufliche Bildung, die in Bildungseinrichtungen vermittelt wird, Ausbildungs-, Fortbildungs- und Umschulungseinrichtungen, Lehrlingsausbildung und Ausbildung des Personals der beruflichen Bildung. Schwerpunkt 4: Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit Da die Zahl der Langzeitarbeitslosen zunehmen wird und die Langzeitarbeitslosigkeit neben der Belastung der unmittelbar Betroffenen auch den Staatshaushalt belastet, sind Maßnahmen nötig, um Langzeitarbeitslosen ein höheres Qualifizierungsniveau, praktische Arbeitserfahrungen und Motivation durch Information und Beratung zu vermitteln. Schwerpunkt 5: Erleichterung der beruflichen Eingliederung von Jugendlichen Um die Gefahr zu vermeiden, daß bei Betriebsschließungen arbeitslos werdende Jugendliche ihre Ausbildung nicht abschließen können, sollen Programme zur Verbesserung der beruflichen Bildung einschließlich des Berufsbildungssystems und seiner Strukturen aufgestellt werden. Diese umfassen die Ausbildung zum Erwerb der Basisqualifikationen und beruflichen Fähigkeiten in kleinen und mittleren Unternehmen, im Dienstleistungssektor, im Handwerk und in der Landwirtschaft und höhere Qualifikationen der beruflichen Bildung einschließlich fortgeschrittener Technologien. Schwerpunkt 6: Maßnahmen zur Entwicklung der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und der Fischerei und zur Umstrukturierung der Lebensmittelindustrie Nach Auffassung der EG muß es Aufgabe der Agrarstrukturpolitik in den neuen Ländern sein, die Entwicklungsbedingungen für wettbewerbsfähige landwirtschaftliche Betriebe, vor allem für bäuerliche Familienbetriebe zu schaffen und dadurch zu einer sozial- und umweltverträglichen Entwicklung des ländlichen Raumes beizutragen. Dies erfordert eine umfassende Neuorganisation der Betriebs- und Produktionsstrukturen. Schwerpunkt 7: Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in ländlichen Gebieten einschließlich Dorferneuerung und ländliche Infrastruktur. Dieser Schwerpunkt ist notwendig, um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebe zu überwinden und Aktivitäten außerhalb des Agrarsektors zu unterstützen. Schwerpunkt 8: Landwirtschaft und Umwelt Ziel soll es sein, die landwirtschaftlichen Betriebsverfahren rasch zu ändern, um die Umwelt zu schützen, das Erholungspotential und den Naturschutz in ländlichen Gegenden zu verbessern und Nahrungsmittel ohne schädliche Rückstände zu erzeugen sowie die Trinkwasserqualität zu verbessern. [Seite der Druckausg.: 21] Die Fördermaßnahmen der EG-Kommission zur Durchsetzung ihrer Entwicklungsziele sind in sogenannten operationellen Programmen zusammengefaßt. Diese werden durch die verschiedenen EG-Strukturfonds umgesetzt. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat am 27. März 1991 ein sogenanntes operationelles Programm für die Tätigkeit des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) in den neuen Bundesländern verabschiedet. Der EFRE beteiligt sich vor allem an Fördermaßnahmen zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, d.h. an der Förderung wirtschaftsnaher Infrastruktur und an der Förderung gewerblicher Investitionen zur Errichtung, Erweiterung und grundlegenden Umstellung oder Rationalisierung von Betrieben. Die Durchführung der EFRE-Maßnahmen erfolgt über die deutsche "Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur". Sie werden mit Maßnahmen des EG-Sozialfonds (ESF) und des EG-Agrarstrukturfonds, Abteilung Ausrichtungen (EAGFL), koordiniert. Nach bisherigen Schätzungen beläuft sich das insgesamt zu fördernde Investitionsvolumen in den fünf neuen Bundesländern und Ost-Berlin auf rund 9 Milliarden ECU, d.h. etwa 18 Milliarden DM. Die Inanspruchnahme bzw. Beantragung der EG-Förderprogramme erfolgt über die bundesdeutschen Wirtschaftsförderungsbehörden des Bundes und der Länder. Bei den Maßnahmen der EG handelt es sich also im allgemeinen um eine Komplementärfinanzierung zu nationalen Förderprogrammen, d.h. es gibt weder gesonderte Antragsformulare noch einen gesonderten Antragsweg. Neben der Unterstützung des Strukturwandels in den neuen Bundesländern durch die Instrumente der Europäischen Strukturfonds können die neuen Länder und Ost-Berlin die ganze Palette der Gemeinschaftsdarlehen der Europäischen Gemeinschaften ergänzend zu den nationalen und internationalen Mitteln in Anspruch nehmen. Dazu gehören Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB) hauptsächlich für Infrastruktur- und Industrievorhaben, der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) für Investitionsvorhaben der Kohle- und Stahlindustrie und für Industrie- oder Energieinvestitionen. Der Vertreter der EG forderte dazu auf, möglichst rasch EG-Fördermittel zu beantragen. Noch sei die EG-Kommission angesichts der Größenordnung der Probleme bereit, flexibel und unbürokratisch zu handeln. Nach 1993 müßten strukturpolitische Maßnahmen wieder stärker mit der Gesamtkonzeption der EG in Übereinstimmung gebracht werden. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 2001 |