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6. Zusammenfassung und Ausblick: Elbsanierung als Zukunftsvorsorge

Obwohl noch immer nicht alle Einleitungen in die Oberflächengewässer erfaßt und längst noch nicht alle Gefährdungen des Grundwassers bekannt sind, schrecken die bisher vorhandenen Kenntnisse über den Zustand der Gewässer in den neuen Bundesländern auf. Im Vergleich zu dem übrigen Bundesgebiet ist das Wasserdargebot recht knapp, die Gewässergüte ist katastrophal. Um die Qualität des Wassers der Elbe und ihrer Zuflüsse sowie aller anderen Oberflächengewässer und des Grundwassers auf dem Gebiet der neuen Bundesländer möglichst rasch zu verbessern, sind umfangreiche Sanierungsmaßnahmen notwendig.

  • Vordringlich ist die Abwehr von akuten Gefährdungen für die Gesundheit der Bevölkerung und für das Leben in Seen, Fließgewässern und in der Nordsee. Dafür sind die Einleitungen von giftigen und langlebigen Schadstoffen schnell zu vermindern und neue, leistungsfähige Kläranlagen sowohl für die kommunalen als auch für die industriellen Abwässer zu bauen. Um die vorhandenen Mittel möglichst effektiv einzusetzen, müssen mit Hilfe geeigneter Meß- und Kontrollsysteme Gefährdungsschwerpunkte identifiziert werden.
  • Die Gewässersanierung darf sich nicht nur auf die nachträgliche Reinigung bereits verschmutzten Wassers beschränken, sondern muß darauf hinwirken, daß sowohl die privaten als auch die gewerblichen, öffentlichen und kommunalen Verbraucher sparsam mit Wasser umgehen. Wasserreinigung soweit wie nötig, Vermeidung von Belastungen soweit wie möglich, könnte die verallgemeinerte Zielsetzung für die zukünftige Wassernutzung in den neuen Bundesländern - und nicht nur dort - lauten. Neben der Ausbesserung und Erweiterung des unzulänglichen Versorgungs- und Abwassernetzes, der Installation moderner Sanitäreinrichtungen in den Haushalten und öffentlichen Gebäuden sowie der Entwicklung einer umweltschonenderen Landwirtschaft ist besonders die Industrie gefordert, ihren Beitrag zur Wassereinsparung zu leisten: Stichworte wie der Abbau einer wasservergeudenden Produktion, die Schaffung betriebsinterner Kreisläufe für eine Mehrfachnutzung des Wassers und der Einsatz effizienter Produktionstechnik umreißen die dabei zu lösenden Aufgaben.

  • Um die Gewässersanierung zügig zu bewältigen, müssen geeignete Rahmenbedingungen und Anreize geschaffen werden. Zu dem ordnungsrechtlichen

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    Rahmen gehören verbindliche Anforderungen an die Einleiter von Abwasser, Regelungen zur Begrenzung des Schadstoffgehalts in den Einleitungen sowie eine funktions- und durchsetzungsfähige Verwaltung.

  • Neben ordnungsrechtlichen Regelungen setzt die Anwendung marktwirtschaftlicher Instrumente Impulse für den Gewässerschutz. Grundlegendes Ziel muß es dabei sein, die Kosten für die angerichteten Gewässerschäden voll zu erfassen und denjenigen zuzurechnen, die als Verursacher dieser Schäden gelten. Die bisher in dem übrigen Bundesgebiet erhobene Abwasserabgabe hat sich bewährt, insofern sie auf der einen Seite Mittel für die Gewässersanierung beschafft, auf der anderen Seite Anreize setzt. Gewässerbelastungen zu vermeiden. Wenn das Verursacherprinzip wirksam werden soll, müssen sich auch in den neuen Bundesländern die Bürger nach einer Übergangszeit durch Zahlung angemessener Gebühren für den Trinkwasserbezug und für die Abwasserentsorgung kostendeckend an den Aufwendungen der Wasserwirtschaft beteiligen. Ob über die Abwasserabgabe hinaus neuartige Modelle wie zum Beispiel Kompensationslösungen greifen können, läßt sich noch nicht hinreichend abschätzen.

  • Ehe Industrie, Kommunen, Haushalte und Landwirtschaft kostendeckend an der Gewässersanierung zu beteiligen sind, müssen Bund und Länder finanzielle Hilfen leisten. Während den Kommunen der Bau von Kläranlagen und Leitungsnetzen durch Zuschüsse, Kreditsicherungen und Zinshilfen erleichtert werden soll, muß die Industrie vor allem durch Investitionsanreize in die Lage versetzt werden, die von ihr durchzuführenden Maßnahmen weitgehend eigenständig zu finanzieren. Die Förderung von Infrastrukturmaßnahmen könnte dabei investitionsauslösende Impulse setzen.

  • Zu einem wirksamen Gewässerschutz gehört nicht nur die Sicherung der Wasserqualität, sondern auch die Schaffung von wassernahen Lebensräumen für Tiere und Pflanzen. Die Elbministerkonferenz setzt sich daher für die Errichtung eines Nationalparks "Elbtalaue" zwischen Lauenburg und Wittenberge unter Einschluß von Gebieten in Schleswig-Holstein ein. In dieser Region befindet sich eine der letzten großflächigen naturnahen Flußmarschen Mitteleuropas.

Diese und weitere Maßnahmen zur Sanierung der Gewässer in den neuen Bundesländern belasten zwar Industrie, Haushalte, Landwirtschaft und die öffent-

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liche Hand mit hohen Kosten, doch die Belastungen des Trinkwassers, die biologische Verödung zahlloser Seen und Flüsse und nicht zuletzt die Bedrohung des Ökosystems Nordsee machen deutlich, daß ohne Umweltinvestitionen in der Gegenwart Industriestandorte keine Zukunft haben. Produktionsweisen, die die mittel- und langfristigen Folgen für die Umwelt nicht berücksichtigen, sind aussterbende Produktionsweisen. Es mag eine kurze Zeitlang gutgehen, auf Kosten der Umwelt zu wirtschaften, aber die sich dann zusammenballenden Belastungen und eine kritischer werdende Öffentlichkeit stellen hohe Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung dar. Heute zeigt sich, daß Altlasten aus der Vergangenheit zu einem Investitionshemmnis in der Gegenwart werden können.

Doch nicht nur am Beispiel der neuen Bundesländer läßt sich lernen, daß Einsparungen beim Umweltschutz Kosten nur aufschieben, nicht aufheben. So werden zum Beispiel auch in Hamburg erst seit den sechziger Jahren leistungsfähige Abwassersysteme und Klärwerke gebaut und nach und nach die Anforderungen an die Einleiter von Abwasser verschärft. Auch dort mußte zuvor das Fischgewerbe völlig zum Erliegen kommen und die Elbe als Trinkwasserquelle ausscheiden, ehe man gegen die anhaltende Verschmutzung vorgegangen ist.

Auf dem Gebiet der früheren DDR haben die politischen Machtverhältnisse und die Mangelwirtschaft des Plansystems den praktischen Umweltschutz noch länger blockiert. Die Unterdrückung der Meinungs- und Organisationsfreiheit, die Orientierung auf materielles Wachstum unter Vernachlässigung der ökologischen Folgen und die Verharmlosung des Umweltzustandes haben dort die Gewässer, allen voran die Elbe, ökologisch ruiniert. Hinzu kam, daß politische Spannungen zwischen den ehedem verfeindeten Blöcken jahrzehntelang eine wirksame zwischenstaatliche Zusammenarbeit zum Schutz der Elbe blockierten. Die anhaltende Elbverschmutzung war daher auch immer ein Symbol des Ost-West-Konfliktes, sei es, weil Grenzstreitigkeiten die Zusammenarbeit erschwerten, sei es, weil die Machtorgane des realen Sozialismus sich scheuten. Umweltdaten offen in die Verhandlungen einzubringen.

Nach der nun erfolgten demokratischen Öffnung der ehedem staatssozialistischen Länder kommt es darauf an, in Europa gemeinsam an einer Umwelt zu arbeiten, die der wirtschaftlichen Nutzung ebenso dient wie ökologischen, ästhetischen und ethischen Ansprüchen. Weil diese Ansprüche sehr unterschiedlich sind, setzt die Zusammenarbeit gegenseitiges Bemühen um Verständigung voraus. Insofern könnten die Aufgaben, die sich der Bundesrepublik und der

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CSFR bei der Sanierung der Elbe in Zusammenarbeit mit der Europäischen Gemeinschaft stellen, als Beitrag für das Zusammenwachsen Europas angesehen und gelöst werden. Eine erfolgreiche Bewältigung dieser Aufgaben wurde nicht nur der Elbe nützen, sondern auch der Umwelt anderswo in Europa: Die Elbe mag der am stärksten belastete grenzüberschreitende Fluß Europas sein - sie ist aber längst nicht das einzige Gewässer, dessen Zustand international koordinierte Rettungsmaßnahmen notwendig macht


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 2000

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