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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausgabe: 22] 5. Rechtlicher Rahmen, Instrumente und Kosten für die Elbsanierung Bereits das am 1. Juli 1990 in Kraft getretene Umweltrahmengesetz stellte die Wassernutzung in der damaligen DDR unter die in der Bundesrepublik geltenden Rechtsregelungen. Zum Teil mit Übergangsfristen formulieren das Wasserhaushaltsgesetz, das Abwasserabgabengesetz, das Wasch- und Reinigungsmittelgesetz, die Trinkwasserverordnung sowie die im Rahmen internationaler Abkommen eingegangenen Verpflichtungen, zum Beispiel Gewässerschutzrichtlinien der Europäischen Gemeinschaft und Beschlüsse der Nordseeschutz-Konferenz, Anforderungen an die Nutzung der Gewässer. Ziel dieser Regelungen ist die Abwehr von Gefahren und Beeinträchtigungen für die menschliche Gesundheit, die Sicherung einer ausreichenden Trinkwasserqualität und der Schutz der Gewässer. a) Rechtliche Instrumente für den Gewässerschutz Die neu gebildeten Bundesländer werden sich zum Schutz der Gewässer Gesetze schaffen, die sich an den Bundesgesetzen und an den bereits ausgearbeiteten Musterlandeswassergesetzen und -abwassergesetzen orientieren. So bestimmt das Wasserhaushaltsgesetz der Bundesrepublik, daß die Gewässer als Teil des Naturhaushalts so zu bewirtschaften sind, daß sie dem Wohl der Allgemeinheit und, im Einklang damit, auch dem Nutzen einzelner dienen und daß vermeidbare Beeinträchtigungen unterbleiben. Jede Nutzung des Oberflächenwassers, also der Seen, Fließ- und Küstengewässer, sowie des Grundwassers, sei es zur Wassergewinnung oder zur Einleitung von Stoffen und Abwasser, muß von den Behörden genehmigt sein. Die Bundesregierung erläßt mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften über Mindestanforderungen, die jemand zu erfüllen hat, der Abwasser einleitet. Zur Zeit sind Anforderungen für die Behandlung kommunaler Abwasser sowie für rund 50 Produktionszweige festgeschrieben. Die Bundesländer ergänzen und konkretisieren mit länderspezifischen Wassergesetzen die Bestimmungen des Bundes und stellen sicher, daß vor der Erteilung einer Genehmigung für die Einleitung von Abwasser die Mindestanforderungen eingehalten werden. Abwasser mit Stoffen, die nach Rechtsverordnungen der Bundesregierung als gefährlich gelten, sind nach dem Stand der Technik zu reinigen. Das gilt auch dann, wenn Betriebe ihre Abwässer nicht als Direkteinleiter in die Gewässer fließen lassen, sondern als Indirekteinleiter ihre Abwässer der öffentliche Kanalisation zuführen. Die Anforderungen der Verwaltungsvorschriften können auch auf innerbetriebliche Abwasserteilströme, die gefährliche [Seite der Druckausgabe: 23] Stoffe enthalten, ausgeweitet werden. Für Einleiter, die zum Stichtag 30. Juni 1990 in der damaligen DDR bereits Gebühren für ihre Einleitungen in Gewässer zahlen mußten, gilt ab dem 1. Januar 1991 auch das "Gesetz über Abgaben für das Einleiten von Abwasser in Gewässer", kurz Abwasserabgabengesetz genannt. Alle anderen Gewässerverschmutzer in den neuen Bundesländern müssen sich erst zwei Jahre später nach diesem Gesetz richten. Das Abwasserabgabengesetz verlangt von Gemeinden und von der Industrie eine Abgabe für die genehmigte Verschmutzung der Gewässer. Wie hoch die jeweilige Zahlung ist, hängt von der Schädlichkeit des eingeleiteten Abwassers ab. Zur Bestimmung der Schädlichkeit berücksichtigt man die Abwassermenge, den CSB, den Gehalt an Quecksilber, Nickel, Blei, Chrom und Kupfer sowie organischen Halogenverbindungen und die Fischgiftigkeit der Einleitungen. Für jede so ermittelte Schadenseinheit beträgt die Abwasserabgabe zur Zeit 40 DM, bis Ende dieses Jahrzehnts soll der Abgabensatz nach und nach auf 90 DM steigen. Weil die Höhe des Abgabensatzes sinkt, wenn die Einleitungen sauberer werden, wirkt die Abwasserabgabe als finanzieller Anreiz für Umweltschutzmaßnahmen, denn Investitionen für den Gewässerschutz lohnen sich auch in der rein betriebswirtschaftlichen Kalkulation, wenn die eingesparten Abgaben mittelfristig die Investitionskosten wieder ausgleichen. Die Länder, die über die Abgaben verfügen, müssen diese Mittel zweckgebunden einsetzen, zum Beispiel für den Bau von Anlagen für die Abwasserbehandlung und für die Reinigung von Niederschlagswasser, für Maßnahmen zur Kontrolle der Gewässergüte oder auch für Forschungen und Entwicklungen auf dem Gebiet des Gewässerschutzes. Das Gesetz über die Umweltverträglichkeit von Wasch- und Reinigungsmitteln" erlaubt der Bundesregierung, mit Rechtsverordnungen den Gehalt an gewässerschädigenden Stoffen, wie zum Beispiel Phosphaten, in diesen Mitteln zu beschränken. Und schließlich setzt die Trinkwasserverordnung unter anderem Grenzwerte für die maximal erlaubte Konzentration gesundheitsschädlicher Stoffe im Trinkwasser. Außerdem schreibt diese Verordnung die Überwachung des Trinkwassers durch die zuständigen Behörden und Ämter vor. Mit der 1986 erfolgten Novellierung der Trinkwasserverordnung wurde die Anpassung an die Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft "Qualität des Wassers für die menschliche Gesundheit" vollzogen; danach darf der zulässige Nitratgehalt je Liter Trinkwasser nicht mehr 90 Milligramm, sondern nur noch 50 Milligramm betragen. [Seite der Druckausgabe: 24] Eine ständige Anpassung der Vorschriften für die Abwasserbeseitigung macht die Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft vom 4. Mai 1976 über die Ableitung gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft notwendig. Die Regelungen für die Behandlung der in dieser Richtlinie erfaßten Stoffe werden laufend ergänzt und müssen dann, im Rahmen des Wasserhaushaltsgesetzes, in Bundesrecht umgesetzt werden. Weitere internationale Bindungen ist die Bundesrepublik unter anderem mit den Vereinbarungen der 2. und 3. Internationalen Nordseeschutzkonferenz im November 1987 und im März 1990 eingegangen. Danach ist zum Beispiel die Belastung der Nordsee durch gefährliche Stoffe zwischen 1985 und 1995 um rund die Hälfte zu verringern, das gleiche gilt für die Verschmutzung mit Nährstoffen, das heißt mit Phosphaten und Nitraten. Die über Wasser und Luft erfolgenden Einträge von Quecksilber, Blei, Cadmium und Dioxin in die Nordsee müssen auf 70 Prozent gesenkt werden. Daß die Gesetze, Verordnungen und Richtlinien Fortschritte im Gewässerschutz anstoßen können, zeigt das Beispiel des Rheins. Dort hat die Sanierung, zum Teil auch die Stillegung, stark wasserbelastender Betriebe und kommunaler Kläranlagen dazu geführt, daß die Schadstofflasten an leicht abbaubaren Stoffen, aber auch an Quecksilber, Cadmium und an giftigen organischen Verbindungen seit 1971 zum Teil erheblich gesunken sind. Der mittlere Sauerstoffgehalt des Flusses hat sich seitdem etwa verdoppelt und der Artenreichtum in der Rheinsohle ist von 27 Arten an Kleinlebewesen 1971 auf gegenwärtig 97 verschiedene Arten angestiegen. Nicht zuletzt die Stillegung einer Kupferhütte in Duisburg, die sehr viel Cadmium in den Rhein geleitet hatte, führte zu einer erheblichen Entlastung des Flusses von diesem giftigen Schwermetall. Allerdings stellen Gesetze und Richtlinien nur eine notwendige, keineswegs schon eine hinreichende Bedingung für einen wirksamen Gewässerschutz dar. So bemängelt die Abteilung Umweltschutz der Industriegewerkschaft Chemie-Papier-Keramik, daß bei der konkreten Umsetzung und Ausgestaltung der Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes in den Ländern Vollzugsdefizite auftreten. Es fehle zum Beispiel an Personal, um die Einhaltung der Bestimmungen ausreichend zu kontrollieren. Darüber hinaus müsse nach Auffassung der Gewerkschaft der Stand der Technik als Maßgabe für die Einhaltung von Mindestanforderungen nicht nur für Abwässer mit gefährlichen Inhaltsstoffen gelten, sondern für die Behandlung aller Abwässer. Außerdem fordert die Gewerkschaft, im Wasserhaushaltsgesetz festzuschreiben, daß die Einsparmöglichkeiten von Wasser, zum Beispiel durch Kreislaufführung und durch Mehrfachnutzung, in Haus [Seite der Druckausgabe: 25] halten, Gewerbe und Industrie nach dem Stand der Technik auszuschöpfen seien. Und schließlich sollten die Vorkehrungen zum Schutz des Grundwassers vor wassergefährdenden Stoffen, die bei Lagerung, Transport, Herstellung und Verwendung an die Umwelt gelangen können, sich an dem Stand der Technik orientieren, sowohl in der gewerblichen Wirtschaft als auch in der Landwirtschaft und in öffentlichen Einrichtungen. Auch an der Trinkwasserverordnung läßt sich zeigen, daß Gesetze allein noch kein einwandfreies Wasser garantieren. So hält in den "alten" Bundesländern zwar 70 Prozent des Grund- und Oberflächenwassers den Grenzwert für Nitratgehalt von 50 Milligramm pro Liter ein, selbst der empfohlene Richtwert von 25 Milligramm wird noch unterschritten. Aber Rund ein Fünftel der Trinkwasseranlagen liefert Wasser mit einem Nitratgehalt zwischen Richtwert und Grenzwert, und rund 6 Prozent der Anlagen für die Trinkwassergewinnung ziehen Wasser, dessen Nitratgehalt den Grenzwert überschreitet. Bisher ist nicht abzusehen, daß die Trinkwasserverordnung ausreichen wird, um eine Verschlechterung dieser Bilanz entgegenzuwirken. Nach dem heute feststellbaren Trend rutscht die Belastung des geförderten Wassers von immer mehr Anlagen in den Bereich zwischen 25 und 50 Milligramm Nitrat pro Liter. Um ein Überschreiten von 50 Milligramm Nitrat im gelieferten Trinkwasser zu verhindern, mischen die betroffenen Wasserwerke Wasser aus unterschiedlichen Quellen von verschiedener Qualität. Diese Art der "Sanierung" ist allerdings nur eine Lösung auf Zeit. Weil die Ursachen der hohen Nitratbelastung, Düngung und Viehhaltung, davon unberührt bleiben, sinkt durch das "Verdünnungsprinzip" der hohe Nitrateintrag in die Trinkwasserquellen um keinen einzigen Milligramm. Das Gleiche gilt zum Beispiel auch für die Belastung des Trinkwassers mit dem Pflanzenschutzmittel Atrazin, einem vornehmlich im Maisanbau eingesetzten Unkrautvernichtungsmittel. Die Wasserwerke müssen beim gelieferten Wasser einen Grenzwert von 0,1 Mikrogramm Atrazin je Liter Wasser einhalten, eine Bestimmung, der immer schwieriger nachzukommen ist, weil die Belastung des Grund- und Oberflächenwassers mit diesem Schadstoff solange nicht abnehmen wird, bis die Verwendung von Atrazin verboten ist. Auch in der Politik der Europäischen Gemeinschaft spiegelt sich das Dilemma zwischen scharfen Anforderungen an die Trinkwassergüte und zu schwachen [Seite der Druckausgabe: 26] Regelungen für den Gebrauch trinkwassergefährdender Stoffe wider. So stellt die Gemeinschaft zwar hohe Anforderungen an den Nitratgehalt im Trinkwasser, doch der Landwirtschaft ist es immer noch erlaubt, ohne wirksame Auflagen bei der Verwendung von Düngemitteln ihre Nitratbelastungen des Grundwassers fortzusetzen. b) Kosten für die Sanierung der Elbe und der Wasserwirtschaft Die bisherigen Kostenschätzungen für die Sanierung der Wasserwirtschaft in den neuen Bundesländer im allgemeinen und der Elbe im besonderen unterliegen großen Schwankungen. Das Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit, in der Bundesrepublik zuständig für die Qualitätssicherung des Trinkwassers, veranschlagt einige Hundert Millionen DM, um die Schwermetallbelastungen im Trinkwasser zu senken und die Verunreinigung des Wassers mit Pflanzenschutzmitteln, chlorierten organischen Schadstoffen, Eisen, Mangan sowie mit geruchsintensiven und wassertrübenden Stoffen zu vermindern. Ein Unternehmensberatungsinstitut kalkuliert Kosten von rund 6-7 Milliarden DM für die Entlastung von Elbe und Werra, ein Sofortprogramm der SPD für die Sanierung aller Gewässer umfaßt 15 Milliarden DM, und an der Universität Hannover haben Wissenschaftler für den Neubau von 180 Klärwerken einen Investitionsbedarf von 30 Milliarden errechnet. Noch weiter geht das Institut der Deutschen Wirtschaft, das eine Gesamtinvestition von 90 Milliarden DM für den Gewässerschutz für notwendig hält, davon 50 Milliarden für die Sanierung des Kanalnetzes und 17-28 Milliarden für die Wasserversorgung. Schließlich reiht sich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung mit 100 Milliarden in die Prognosen ein, und das Münchener Ifo Institut für Wirtschaftsforschung ist sogar mit 150 Milliarden dabei. Die Schätzungen des Ifo Instituts beruhen auf der Annahme, daß für die Gewässersanierung in den neuen Ländern die auch sonst in der Bundesrepublik übliche Technik mit ähnlichen Investitionskosten Anwendung findet. Im einzelnen veranschlagen die Münchener Forscher für die Erweiterung des Trinkwassernetzes und die Sanierung der bestehenden Einrichtungen 28,7 Milliarden DM. Etwa 52 Prozent des 50 960 Kilometer langen Rohrnetzes ist schadhaft, so daß bisher rund 30 Prozent des geförderten Trinkwassers versickert. Für die Sanierung des 38 000 Kilometer langen Kanalnetzes und den Ausbau des Netzes auf eine Kapazität, die die Abwässer von 97 Prozent der Bevölkerung aufnehmen kann, sind 61,8 Milliarden DM erforderlich. Und schließlich kostet [Seite der Druckausgabe: 27]
zusammen nochmals 59,8 Milliarden DM. Niedriger angesetzt sind die Schätzungen von Experten aus den neuen Bundesländern. So veranschlagt zum Beispiel ein Experte für Wasserwirtschaft von der Technischen Universität Dresden zwischen 500 Millionen und einer Milliarde DM für
Schließlich schätzen Mitarbeiter der Buna AG, daß die Chemieindustrie in den neuen Bundesländern bis 1995 mehrere Milliarden DM investieren muß, um ihre Abwassereinleitungen dem im übrigen Bundesgebiet vorherrschenden Standard anzupassen. Allein in den Werken der Buna AG werden die geplanten Produktionsumstellungen auf den neuesten Stand der Technik, die Erweiterung von Kapazitäten und die Verbesserung der Abwasserbehandlung bis 1995 Kosten im Umfang von rund 3 Milliarden DM verursachen. Die Bandbreite in den Kostenschätzungen spiegelt die Unsicherheiten und die unterschiedlichen Annahmen über die zukünftige wirtschaftliche und umweltpolitische Entwicklung in den neuen Bundesländern wider. Die tatsächlich anfallenden Kosten für die Gewässersanierung hängen von schwer vorhersehbaren Bedingungen ab, zum Beispiel von Betriebsstillegungen, von der Anzahl und [Seite der Druckausgabe: 28] dem Gefährdungspotential der heute noch nicht einmal vollständig erfaßten Altlasten sowie von den sich durchsetzenden Gütemaßstäben. So verlangt zum Beispiel die Industriegewerkschaft Chemie-Papier-Keramik die Umsetzung eines Programms für die Wassereinsparung in Verwaltung, Industrie und öffentlichen Einrichtungen sowie eine intensivere Überwachung der Einleiter von Abwasser in das kommunale Abwassernetz, schärfere Anforderungen bei der Vorbehandlung von Abwasser industrieller und gewerblicher Indirekteinleiter, die Entwicklung und Durchsetzung von abwasserlosen Verfahren und Verfahren mit geschlossenen Kreisläufen, die Intensivierung von Forschungen zur Untersuchung der Wirkungsweise gefährlicher Stoffe, die Entwicklung von Technologien zur Beseitigung der Vergiftungen im Grundwasserbereich sowie die Weiter- und Neuentwicklung von Testverfahren für die Beurteilung der Umweltverträglichkeit von Stoffen und Stoffgemischen. Da nicht vorherzusehen ist, was sich wie schnell politisch von solchen und anderen Forderungen durchsetzen läßt, dürfen Prognosen über die Kosten für die Sanierung der Elbe und der Wasserwirtschaft nur als Schätzungen, keineswegs als gesicherte Befunde angesehen werden. Außerdem hat heute niemand Gewißheit darüber, wieviele der sanierungsbedürftigen Betriebe tatsächlich erhalten bleiben, wie sich abwasserintensive und weniger abwasserintensive Branchen entwickeln und in welchem Umfang in Zukunft Industrieanlagen in Wassereinzugsgebieten stehen werden. Eine weiterer noch nicht bekannter Kostenfaktor sind die längst noch nicht abschätzbaren Aufwendungen für die Sanierung von Altlasten wie Mülldeponien, die in der Vergangenheit ungenügend versiegelt wurden und die daher ebenso eine Bedrohung für das Grundwasser und das Oberflächenwasser darstellen wie die vielen wilden Müllablagerungen. Im Umweltministerium der ehemaligen DDR waren bis zum März des Jahres 1990 lediglich zwei Mitarbeiter für den Bereich Abfall zuständig, so daß damit zu rechnen ist, daß noch sehr viele Altlasten zu den heute bereits bekannten hinzukommen. Zu Altlasten zählen nicht nur geordnete und ungeordnete Müllablagerungen, sondern im Prinzip jedes Gelände, auf dem mit Schadstoffansammlungen zu rechnen ist, wie zum Beispiel auf den bis September 1990 bekannten rund 100 Standorten der sowjetischen Streitkräfte und der ehemaligen Nationalen Volksarmee der DDR. In Zukunft wird die an der Berliner Außenstelle des Bundesministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit arbeitende Gruppe "Rüstungsaltlasten" weitere Altlasten aus der militärischen Nutzung von Gelände erkunden, unter anderem nach [Seite der Druckausgabe: 29] Hinweisen von älteren Mitbürgern, die sich auch noch an Militäranlagen aus früheren Jahrzehnten erinnern. Wie hoch die gesamten Sanierungskosten auch immer geschätzt werden, deutlich ist bereits heute, daß zur Deckung des Investitionsbedarfs viele Finanzierungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden müssen. c) Möglichkeiten zur Kostenfinanzierung Nach Einschätzung von Experten aus den neuen Bundesländern ist eine Finanzierung der Sanierungskosten alleine aus Abgaben der Landwirtschaft, der Industrie und der Bevölkerung nicht zu leisten. So schätzen leitende Mitarbeiter der Buna AG zum Beispiel den aus eigener Kraft zu erwirtschaftenden Beitrag zur Finanzierung des geplanten Anpassungskonzepts auf rund 40 Prozent. Auch ein leitender Mitarbeiter der Arzneimittelwerk Dresden GmbH hält eine Unterstützung des Unternehmens beim Einkauf moderner und umweltschonender Technologien zunächst für unerläßlich. Und schließlich wird es kurzfristig auch nicht möglich sein, die bisherigen Subventionen der Preise, die die Bevölkerung für Trinkwasser und Abwasser zu zahlen hat, aufzuheben, um die Haushalte kostendeckend an den dringend notwendigen Sanierungsmaßnahmen zu beteiligen. In den nächsten Jahren dürften die bisher in den neuen Bundesländern zu zahlenden Gebühren von 45 bis 50 Pfennig für den Kubikmeter Trinkwasser kaum auf das kostendeckende Niveau von 3,50 bis 4,50 DM steigen. Erstens würden die Vollkosten ohnehin frühestens in vier bis fünf Jahren anfallen, wenn die noch zu bauenden Klärwerke arbeiten. Vorher müßten die privaten Nutzer vor allem Teilkosten für die Teilfinanzierung der Anlagen tragen. Zweitens setzt eine am Verbrauch orientierte Gebühr voraus, daß der tatsächliche Verbrauch des einzelnen Haushalts überhaupt zu ermitteln ist. Dafür sind zunächst geeignete Zählwerke und -einrichtungen zu installieren. Hinzu kommt, daß eine weitere Kostenbelastung der Bevölkerung kaum durchsetzbar und wünschenswert ist, müssen doch die Menschen in den neuen Bundesländern neben Steigerungen der Energiepreise, der Mieten und der allgemeinen Lebenshaltungskosten auch noch die Bedrohung durch die immer noch anwachsende Arbeitslosigkeit verkraften. Mit anderen Worten: für die Kostenbeteiligung nach einem eng verstandenen Verursacherprinzip fehlen im Moment die politischen, ökonomischen, ja selbst die technischen Voraussetzungen, ganz abgesehen davon, daß es in der sich [Seite der Druckausgabe: 30] wandelnden Gesellschaft ohnehin schwierig ist, die Kosten für die Umweltverschmutzung nach dem Verursacherprinzip eindeutig zuzurechnen. Selbst bei gutem Willen einzelner Betriebe haben im realen Sozialismus die Mittel für umweltschonende Maßnahmen gefehlt, weil die zentrale Plangestaltung der Partei den Produktionsausstoß höher bewertete als die Folgen für die Umwelt. Hinzu kommt, daß sich die politisch durchsetzbaren Ansprüche an die Gewässergüte rasant erweitert haben: Da unter den Bedingungen des alten Regimes umfangreiche umweltschonende Maßnahmen weder finanzierbar noch politisch durchsetzbar waren, hat man kaum den Verursacher gefaßt, wenn man die Kosten alleine denjenigen aufbürdet, die Abwasser in die Gewässer einleiten. Ohne Rückgriff auch auf das Gemeinlastprinzip ist daher eine Sanierung der Gewässer in den neuen Bundesländern wohl kaum finanzierbar und politisch nicht in ausreichendem Maße konsensfähig. Es gibt verschiedene Möglichkeiten für eine öffentliche Förderung von Maßnahmen für die Sanierung der Wasserwirtschaft auf dem Gebiet der neuen Bundesländer. Um Umweltschutzvorhaben der Wirtschaft zu unterstützen, vergibt die Bundesregierung Zuschüsse für Forschungs- und Entwicklungsprojekte auf dem Umweltschutzsektor, zum Beispiel für die Entwicklung abwasserentlastender Technologien und für Verfahren zur Klärschlammentsorgung, -behandlung und -verwertung. Das Einkommenssteuergesetz räumt die Möglichkeit ein, Investitionen, die zu mehr als siebzig Prozent dem Umweltschutz dienen, gesondert abzuschreiben. So können zum Beispiel im ersten Jahr der Anschaffung oder Herstellung solcher Produktionsmittel bis zu 60 Prozent der Investitionen abgeschrieben werden. Die Bundesregierung finanziert zudem über das vom Bundesministerium für Wirtschaft verwaltete ERP-Sondervermögen Investitionszulagen und Krediterleichterungen für Investitionen in den Umweltschutz, zum Beispiel für den Kläranlagenbau. Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau sowie verschiedene Bundesländer vergeben entsprechende Kredite und Bürgschaften. Außerdem finanzieren im Rahmen des "Bund-Länder-Programms für Zukunftsinvestitionen" Bund und Länder seit 1972 den Bau von Anlagen des Gewässerschutzes, also Klärwerke, Einrichtungen für die Sammlung und Rückhaltung von Regenwasser und Kanalisationsanlagen. Im Rahmen des Programms "Verbesserung der Agrarstruktur des Küstenschutzes" und des Programms "Wasserwirtschaftliche Zukunftsvorsorge" stellen Bund und Länder Mittel für den Bau von zentralen Abwasseranlagen in ländlichen Gemeinden bereit. Der Bund finanziert dabei jeweils 60 Prozent der [Seite der Druckausgabe: 31] notwendigen Kosten. Schließlich zahlt der Bund nach dem Strukturhilfegesetz an die Länder mehrere Milliarden DM Unterstützungen, die zum Teil auch für Umweltmaßnahmen wie Kanalisation und Bau von Kläranlagen verwendet werden. Weitere Fördermöglichkeiten bieten die Fonds zahlreicher Stiftungen sowie Mittel, die im Rahmen der Städtesanierung vergeben werden. Nicht zuletzt fördert auch die Europäische Gemeinschaft mit mehreren Programmen für die wirtschaftliche Entwicklung anspruchsberechtigter Regionen Umweltinvestitionen. So stehen zum Beispiel bisher rund 18 Millionen DM aus EG-Mitteln für die Unterstützung des oberen Elbtals bereit. Neben den für das gesamte Bundesgebiet geltenden Förderungen gibt es spezielle, auf die neuen Bundesländer zugeschnittene Programme. So hat zum Beispiel der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages Mittel im Umfang von mehreren Hundert Millionen Mark für Umweltinvestitionen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR bewilligt. Der vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit verwaltete Etat dient unter anderem der Fertigstellung leistungsfähiger Kläranlagen in Dreden-Kaditz, Erfurt-Kühnhausen und Berlin-Waßmannsdorf sowie dem Bau mehrerer automatisch arbeitender Meßstationen zur Kontrolle des Elbwassers und einiger Nebenflüsse. Außerdem fördert das Umweltministerium den Bau einer Anlage für die Rückgewinnung von Chemikalien aus den Abwässern der Buna AG und die Reinigung von Abwässern einiger besonders wassergefährdender Betriebe. Neben den unmittelbaren Reinigungseffekten hat das Programm vor allem die Absicherung von Pilotprojekten zum Ziel, mit denen Erfahrungen gesammelt werden sollen, ob und wie die im Prinzip zur Verfügung stehenden Technologien in großtechnischem Maße erfolgreich einzusetzen sind. Angesichts der vielen Milliarden DM, die in den nächsten Jahren der Gewässerschutz in den neuen Bundesländern kostet, können die Förderprogramme nur einen kleinen Teil der notwendigen Mittel bereitstellen. Hinzu kommt, daß zum Beispiel die Kreditprogramme nicht für alle öffentlichen Interessenten in gleichem Maße offenstehen, weil zum Beispiel Großstädte wie Hamburg, Düsseldorf oder Stuttgart eher kreditfähig sind als kleinere Kommunen. Solange auf dem Gebiet der neuen Bundesländer die Eigentumsverhältnisse an Boden und Gebäuden noch nicht hinreichend geklärt sind, ist auch die Kreditwürdigkeit der dortigen Kommunen noch nicht umfassend gesichert. Die Kommunalverfassung schreibt zum Beispiel Grenzen vor, bis zu denen sich die Gemeinden, abhängig unter anderem vom Anlagenvermögen, verschulden dürfen. Und schließlich muß [Seite der Druckausgabe: 32] zunächst eine leistungsfähige Kommunalverwaltung aufgebaut werden, die für den effektiven Einsatz der Finanzhilfen sorgen kann. Für eine Übergangszeit ist es daher wohl unerläßlich, die Wasserwirtschaft in den neuen Bundesländern durch Zuschüsse zu unterstützen. So wäre es zum Beispiel möglich, die nach dem Strukturhilfegesetz vorhandenen Mittel zwischen den Ländern zugunsten der neuen Bundesländer umzuverteilen. Allerdings sind den vom Bund getragenen Förderungsprogrammen für Kommunen verfassungsrechtliche Grenzen gezogen, so daß besondere Rechtfertigungen nötig sind, um solche Programme gegenüber dem Finanzminister sowie im Umwelt- und im Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages durchzusetzen. Tragfähige Argumente könnten im Hinblick auf die Elbsanierung zum Beispiel mit Bezug auf die Beschlüsse der Nordseekonferenz formuliert werden. Um die eingegangenen Verpflichtungen einlösen zu können, muß der Bund die Bemühungen der Kommunen, ihre Schadstoffeinträge zu vermindern, unterstützen. Schließlich arbeitet man im Umweltministerium unter Bezugsnahme auf § 34 des Einigungsvertrages zur Zeit an Schwerpunktprogrammen. Das im Einigungsvertrag festgeschriebene Ziel der Abwehr von Gefahren für die menschliche Gesundheit rechtfertigt Zuschüsse des Bundes beim Bau von Kläranlagen sowie Unterstützungen zur Sicherung der Trinkwasserversorgung. Während die öffentlichen Förderungsprogramme vor allem den Kommunen helfen sollen, ihre Wasserwirtschaft umweltschonender zu gestalten, erwartet man von der Industrie in erster Linie Eigenleistungen zur Finanzierung ihrer Sanierungsvorhaben. Dabei sind kostensparende Kooperationen mit Kommunen möglich, zum Beispiel beim Bau und Betrieb gemeinschaftlicher Kläranlagen. Auch Lösungen nach dem Kompensationsprinzip könnten sich kostendämmend auswirken. Danach vereinbaren Unternehmen, die ihre Gewässerbelastungen verringern müssen, eine für alle Beteiligten günstige Sanierungsstrategie. Ziel einer solchen Kompensationslösung muß sein, daß die Gesamteinträge an Schadstoffen stärker vermindert werden, als dies der Fall wäre, wenn jedes Unternehmen nur den eigenen Verpflichtungen nachkommen würde. Da es wenig Sinn hat, wenn ein Betrieb die Verminderung von Einleitungen in den Rhein mit den Verschmutzungen der Elbe durch einen kooperierenden Betrieb verrechnet, müssen die an einer Kompensationslösung beteiligten Werke Einleiter am gleichen Gewässer sein oder wenigstens im engeren Einzugsgebiet des Gewässers produzieren. Trotz der möglichen finanziellen Vorteile einer Kompensations- [Seite der Druckausgabe: 33] lösung ist sie in der Bundesrepublik bisher nicht angewandt worden. Zwar unterstützen sowohl das Umweltministerium wie auch das Umweltbundesamt die bisher ausgearbeiteten Modelle auf dem Gebiet der Luftreinhaltung. Und auch für den Gewässerschutz gibt es erste Modellüberlegungen und Untersuchungen über die Vor- und Nachteile von Kompensationslösungen im Bereich der indirekten Einleiter. Aber unzureichend verbreitete Informationen und die Sorge von Unternehmen, daß eine Kompensation für sie oder ihre Branche Nachteile bringen könnte, haben den Weg des Modells von der Theorie in die Praxis bisher blockiert. Die Unternehmen fürchten vor allem, daß die besten Beispiele einer gelungenen Kompensation zu sehr "Schule machen" könnten: Wenn im Rahmen einer Kompensation ein Unternehmen bessere Umweltstandards einhält, als die behördlichen Auflagen vorschreiben, setzt es damit einen neuen Stand der Technik, das heißt, die Umweltauflagen durch die Behörden würden weiter verschärft. Hinzu kommt, daß eine Kompensationslösung wohl nur dann attraktiv ist, wenn die Einhaltung von Regelungen für den Gewässerschutz von den Behörden mit Nachdruck kontrolliert und durchgesetzt wird, was wiederum erst dann zu gewährleisten ist, wenn die zuständigen staatlichen Stellen mit ausreichend Personal und Sachmitteln ausgestattet sind. Das ist aber auch in den "Altländern" nicht der Fall, wie die in der Bundesrepublik seit Jahren währende Diskussion um Vollzugsdefizite im Gewässerschutz zeigt. Wenn die Wasserschutz-Gesetze in den neuen Bundesländern eine deutliche Verbesserung der Gewässergüte bringen sollen, müssen der rasche Aufbau eines leistungsfähigen Personals, aber auch Kooperationen mit Behörden aus dem übrigen Bundesgebiet sowie Schulungen und Organisationshilfen in Angriff genommen werden. Zur Finanzierung der Sanierungskosten für das Elbegebiet schlägt das Bundesland Hamburg vor, auch das Aufkommen aus der Abwasserabgabe zu nutzen. Mit der von den Ländern eingezogenen Abwasserabgabe finanzieren die Länder und Kommunen bis heute vor allem den Bau ihrer Klärwerke, eine Maßnahme, zu der sie nach den Wasserschutzgesetzen ohnehin verpflichtet wären. Der Stadtstaat Hamburg hat im Bundesrat eine Initiative ergriffen, die auf eine Änderung des Abwasserabgabengesetzes und auf die Bildung eines Sondervermögens zur Unterstützung von Gewässerschutzmaßnahmen in den neuen Bundesländern zielt. Danach sollen über einen Zeitraum von zehn Jahren 40 Prozent des Aufkommens der Abwasserabgabe aus allen Ländern sowie Bundesmittel in gleicher Höhe in einen Fond gehen. Bei einem jährlichen Aufkommen von 400 Millionen DM würden damit Bund und Länder im Jahr je 160 Millionen DM aufbringen, so daß, gerechnet auf zehn Jahre, insgesamt 3,2 Milliarden DM zur Verfügung stünden. [Seite der Druckausgabe: 34] Den "alten" Ländern der Bundesrepublik würden zwar Mittel für Gewässerschutzmaßnahmen fehlen, doch die Investition in die neuen Bundesländer hätte unter dem Strich einen höheren ökologischen Nutzen als er in den bisherigen Ländern der Bundesrepublik erzielt werden könnte. Zudem sei ab 1991 mit einer erheblichen Steigerung des Aufkommens aus der Abwasserabgabe zu rechnen. Auch der Beschluß der Elbministerkonferenz, beim Bund um die Auflage eines Sofortprogramms für die Elbsanierung zu bitten, geht auf eine Initiative Hamburgs zurück. Begründet wird das Anliegen mit den von der Bundesrepublik in der 2. und 3. Nordseeschutzkonferenz eingegangenen Verpflichtungen, den Eintrag von Stickstoff und Phosphor in die Nordsee bis 1995 um die Hälfte zu vermindern. Um diese Ziele einhalten zu können, so die Elbministerkonferenz, müssen den neuen Bundesländern Hilfen für den Bau von Klärwerken gegeben werden. Dabei wäre es besonders effektiv, wenn die Abwässer aus den Großstädten Dresden, Halle, Leipzig und Magdeburg mit den besten zur Verfügung stehenden Technologien gereinigt würden. Der Bund solle deshalb mit einem Sofortprogramm die notwendigen Investitionen in diesen vier Städten sieben Jahre lang mit jährlich 150 Millionen DM unterstützen. Die Vorschläge des Landes Hamburg sind allerdings umstritten. So ist zwar damit zu rechnen, daß der Bund ein Programm auflegt mit dem Ziel, die Nährstoffe in den Abwässern der neuen Länder zu reduzieren. Dafür sollen 50 bis 60 Prozent der notwendigen Mittel von der Bundesregierung getragen werden. Doch der Initiative zur Einrichtung eines Fonds aus den Abwasserabgaben der Länder hält ein leitender Mitarbeiter des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit entgegen, daß ein solcher Fond einer kostenintensiven und zeitraubenden Verwaltung bedürfe und Streitfälle um Prioritäten bei der Mittelzuweisung geradezu vorprogrammiert seien. Zudem sei fraglich, ob die Bundesländer bereit wären, auf 40 Prozent ihres Aufkommens aus der Abwasserabgabe zu verzichten. Und ohne eine Beteiligung der Bundesländer könne auch nicht mit Bundesmitteln gerechnet werden. Nach Auffassung des umweltpolitischen Sprechers und stellvertretenden Vorsitzenden der SPD Bundestagsfraktion ist ein ökologisch orientiertes öffentliches Infrastrukturprogramm für die neuen Bundesländer notwendig, um die Sanierung der dortigen Wasserwirtschaft finanziell zu sichern und als politisch hochrangiges Ziel zu unterstreichen. Schwerpunkte dieses Programms müßten unter anderem sein: [Seite der Druckausgabe: 35]
Diese Maßnahmen würden nicht nur dem Umweltschutz dienen, sondern auch neue Arbeitsplätze schaffen. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert ein Zukunftsinvestitionsprogramm für die neuen Bundesländer, und der Rat von Sachverständigen zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinem ersten Gutachten für die damalige Noch-DDR den empfohlenen Vorrang für die Förderung von Infrastrukturmaßnahmen mit dem Effekt solcher Investitionshilfen begründet: Die Maßnahmen ziehen private Investitionen nach und würden daher als Hilfe zur Selbsthilfe wirken. d) Kooperationen im Gewässerschutz Auch wenn man über einzelne Finanzierungsvorschläge noch debattiert, sind sich die Vertreter von Bund, Ländern, der Wasserwirtschaft und der wassernutzenden Industrie darüber einig, daß eine enge Zusammenarbeit bei dem großen Projekt Elbsanierung notwendig ist. Die politischen Rahmenbedingungen für eine solche Kooperation, auch zwischen Staaten, sind mittlerweile gegeben. Zwar fanden auch schon zwischen der Bundesrepublik und der ehemaligen DDR Gespräche über Maßnahmen zur Sanierung der Elbe statt. Aber konkrete Fortschritte scheiterten vor allem an Grenzstreitigkeiten sowie an der mangelnden Bereitschaft des SED-Regimes, Daten über die Verschmutzung der Elbe und ihrer Nebenflüsse offenzulegen. Einen Schritt in Richtung Zusammenarbeit bei der Elbsanierung machten die Regierungsvertreter der Elbanliegerstaaten DDR, Bundesrepublik, und CSFR sowie Vertreter der EG-Kommission im Februar 1990, als die Gründung einer internationalen Elbe-Schutz-Kommission vereinbart wurde. Diese Kommission hat [Seite der Druckausgabe: 36] sich inzwischen konstituiert, das Sekretariat hat seinen Sitz in Magdeburg. Neben dem Ziel, die Elbe wieder als Trinkwasserquelle nutzen zu können, ist es eine der Hauptaufgaben der Elbe-Kommission, die ökologische Vielfalt in diesem Fluß zu fördern. Vorrangig ist deshalb, Einleiterinventare für das gesamte Elbeeinzugsgebiet zu erstellen und Programme zur Verminderung der Elbbelastungen auszuarbeiten. Hinzu kommen müssen Vorsorgemaßnahmen gegen Verunreinigungen der Gewässer bei Unfällen in der Industrie und die Entwicklung abgestimmter Warn- und Alarmeinrichtungen sowie einheitliche Meßsysteme für die kontinuierliche Ermittlung der Wasserqualität. Um diese Aufgaben effektiv bewältigen zu können, benötigt die Kommission nach Auffassung der Elbministerkonferenz jährlich rund eine Milliarde DM. Vor allem die Kooperation zwischen der Bundesrepublik und der CSFR ist eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Elbsanierung. Wie der Leiter der Abteilung Wasserschutz des Ministeriums für Umweltschutz der tschechischen Republik darstellt, haben sich auch dort die politischen Bedingungen für Umweltschutzmaßnahmen verbessert. So sei es erstmals möglich, eine Gesamtstrategie sowohl für den Schutz der Oberflächengewässer als auch des Grundwassers auszuarbeiten und die Verursacher der Wasserverschmutzungen zur Verantwortung zu ziehen, das heißt vor allem, sie an den Kosten für die Sanierung der Gewässer zu beteiligen. Fast alle Flüsse, die durch das Gebiet der tschechischen Republik fließen, entspringen dort auch. Sie führen daher vergleichsweise wenig Wasser und können deshalb weniger Schadstoffeinleitungen verkraften als die breiten Ströme fernab ihrer Quellen. Häufig werden die Flüsse in der tschechischen Republik schon an ihrem Ursprungsort belastet, weil in den Quellgebieten stark wasserverschmutzende Industrien produzieren wie Papier- und Zellstoffabriken und Betriebe für die Textilaufbereitung. Diese Verschmutzung der Flüsse "an der Quelle" ist mit dafür verantwortlich, daß rund die Hälfte aller Gewässer eine Qualität aufweist, die zu den beiden schlechtesten Kategorien der vier Güteklassen gehört, die derzeit in der tschechischen Republik für die Einstufung der Wasserqualität gelten. Die Gewässer der von rund 10 Millionen Einwohnern bewohnten tschechischen Republik werden mit Schadstofflasten im Umfang von rund 20 Millionen Einwohnergleichwerten befrachtet. Hauptanteil an diesen Belastungen haben die [Seite der Druckausgabe: 37] kommunalen Abwässer aus den Städten sowie die Industrie, die ihr Abwasser in die Kanalisation einleitet. Weil besonders die Landwirtschaft, aber auch die Industrie sowie Unfälle örtlich zu enormen Grundwasserbelastungen geführt haben, muß das Trinkwasser zum Teil über weite Strecken zugeleitet werden, zum Beispiel für die Prager Bevölkerung aus rund 50 Kilometern Entfernung. Schwerwiegende Beeinträchtigungen des Grundwassers lassen sich auch an früheren Standorten der sowjetischen Armee feststellen. So findet sich zum Beispiel in Mittelböhmen ehemaliges Militärgelände mit Grundwasser, dessen Oberfläche von einer über drei Meter mächtigen Schicht Flugzeugpetroleum überlagert ist. Dieser Treibstoff ist so konzentriert, daß man ihn von dort direkt abpumpen kann. Zwar gelten seit 1975 offiziell Regelungen, die einen hohen Anspruch an die Qualität des in die Gewässer eingeleiteten Abwassers stellen, aber die bisherige Praxis konnte diesen Anforderungen nicht nachkommen. Die Industrie profitierte von einer großzügigen Anwendung von Ausnahme-Bestimmungen, die öffentliche Wasserwirtschaft hatte nicht die Mittel, ausreichend Klärwerke zu bauen. Obwohl die Abwässer von nahezu drei Vierteln der Bevölkerung in das öffentliche Kanalnetz fließen, werden nur rund 35 Prozent der Abwässer ausreichend geklärt. In dieser unzureichenden Wasserbehandlung spiegelt sich die geringe Wertschätzung wider, die dem Wasser bisher entgegengebracht wurde. So war zum Beispiel die Bevölkerung bisher an den Kosten für die Wasserbereitstellung und -entsorgung kaum beteiligt, wie die Preise von 60 Hellern für den Kubikmeter Trinkwasser und 20 Hellern für den Kubikmeter Abwasser zeigen, wenn man dabei den offiziellen Kurs von DM zu Kronen bedenkt (1:18). Wenn mit Ende des Jahres 1990 Verwaltungseinheiten aus Städten und Gemeinden die bisher amtierenden Bezirksverwaltungen ablösen, verbessern sich auch die Durchsetzungsmöglichkeiten für den regionalen Wasserschutz, zumal auch neue Normen für das Trinkwasser, neue Preise für Wasser und neu geregelte Zuständigkeiten für die Aufbereitung des Wassers gelten werden. Allerdings muß der Gewässerschutz mit den politischen und bürokratischen "Altlasten" aus der Vergangenheit fertig werden. So ist zunächst eine effektive Verwaltung in Städten und Gemeinden aufzubauen, die für den Umwelt- und Gewässerschutz nötigen Investitionen konkurrieren mit dem Investitionsbedarf für die bisher vernachlässigte Wohnungssanierung, für den Ausbau des Verkehrs- und Kommunikationsnetzes und vor allem für die Modernisierung der Industrie. Um die knappen Mittel für den Gewässerschutz effektiv einzusetzen, arbeitet das Umweltministerium der tschechischen Republik zur Zeit an einer Bestandsaufnahme und [Seite der Druckausgabe: 38] an der Formulierung von Sanierungszielen für zehn Schwerpunktregionen im Elbeeinzugsgebiet. Bereits jetzt ist abzusehen, daß die tschechische Republik längst nicht alle Sanierungsarbeiten alleine finanzieren kann, sondern internationale Hilfe in Anspruch nehmen muß, von der Bundesrepublik, von anderen Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft und von den USA. Neben der internationalen Kooperation kommt vor allem der zukünftigen Zusammenarbeit aller elbanliegenden Bundesländer große Bedeutung zu. Den organisatorischen und politischen Rahmen bieten die Elbministerkonferenz, ein seit 1983 bestehendes Gremium der Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, das um die neuen Länder erweitert wird, sowie die "Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der Elbe", kurz ARGE-Elbe genannt. Die 1977 von den damals drei bundesdeutschen Elbanlieger-Ländern gegründete Arbeitsgemeinschaft stimmt wasserwirtschaftliche Maßnahmen und wasserrechtliche Entscheidungen ab und unterhält eine "Wassergütestelle", die in kontinuierlichen Untersuchungen die Wasserqualität beobachtet und jährlich einen Bericht über den Zustand der Elbe anfertigt. Um die Gütemaßstäbe für die Beurteilung der Wasserqualität in allen Bundesländern zu vereinheitlichen, schlägt die Elbministerkonferenz vor, die bisher unterschiedlichen Klassifizierungen der Gewässerbelastungen zu ändern. Für den Zuschnitt der neuen Kategorien sollen in Zukunft Stoffe besonders beachtet werden, die den Sauerstoffhaushalt direkt oder indirekt beeinflussen und damit das Leben in den Gewässern beeinträchtigen und bedrohen können, sowie Substanzen, die sich in der Nahrungskette anreichern und mit zunehmender Konzentration giftig wirken. Auch die bundesweite Landesarbeitsgemeinschaft Wasser, LAWA, wird sich als einen zukünftigen Schwerpunkt die Gewässersanierung in den neuen Bundesländern zum Ziel setzen. Die in der LAWA zusammengeschlossenen obersten für das Wasserrecht und für die Wasserwirtschaft zuständigen Behörden der Bundesländer tauschen unter anderem Informationen und Erfahrungen über den Gesetzesvollzug aus, koordinieren Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, erarbeiten Musterentwürfe für Richtlinien und Informationsschriften und koordinieren die Zusammenarbeit mit dem Bund. Um die Mitarbeit der neuen Bundesländer, die nach den Statuten der LAWA automatisch Mitglied geworden sind, effizient zu gestalten, wird angestrebt, Arbeitsgruppen einzurichten, die sich speziell mit den Sanierungsaufgaben auf dem Gebiet der neuen Bundesländer beschäftigen. [Seite der Druckausgabe: 39] Die zwischen den Bundesländern und der Bundesregierung abzustimmenden Maßnahmen für die Gewässersanierung müssen durch Kooperationen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gestützt werden. Dabei kommt es vor allem darauf an, einheitliche Qualitätsmaßstäbe bei der Genehmigung für Gewässereinleitungen zu entwickeln und die Kontrollen zur Sicherung des Gewässerschutzes abzustimmen. Nur so läßt sich vermeiden, daß ein hoher Standard im Gewässerschutz sich als Nachteil im Wettbewerb der Regionen um Industrieansiedlungen auswirkt. Neben der länder- und staatsübergreifenden Zusammenarbeit dienen auch kleinere Gemeinschaftsvorhaben dem Ziel, die Elbe wieder zu einem sauberen Fluß zu machen. Direkte und unbürokratische Hilfestellungen von Mitarbeitern der Wasserschutzbehörden aus den alten Bundesländern für die Kollegen in den neuen Ländern gehören ebenso dazu wie das Angebot des Umweltbundesamtes, Berlin, auf dem Gebiet des Gewässerschutzes Beratungen durchzuführen. Auch die direkte Hilfe Hamburgs für die Stadt Dresden könnte Schule machen: So unterstützt Hamburg Maßnahmen zur Reinigung, Vorreinigung und Überwachung der Abwässer eines Galvanikbetriebes, der als Indirekteinleiter das Klärwerk Dresden-Kaditz in Anspruch nimmt. Außerdem liefert Hamburg Ausrüstungen für die Klärschlammbehandlung in Dresden-Kaditz sowie Geräte für die Grundräumung der Abfang- und Hauptsammler des Dresdener Kanalnetzes. Nicht zuletzt kommt der öffentlichen Meinungsbildung und der Zusammenarbeit von Bürgern in Initiativen für den Umweltschutz im allgemeinen und für den Gewässerschutz im besonderen eine wichtige Rolle zu. So machen die Aktivitäten der Bürgerinitiativen dem einzelnen seine eigenen Beiträge zur Verschmutzung der Gewässer, aber auch Möglichkeiten zur Veränderung des eigenen Verhaltens bewußt. Außerdem können durch eine frühzeitige Beteiligung von Bürgern an den Sanierungsprojekten Maßnahmen zwischen Anwohnern, Politik, Wissenschaft und Verwaltung abgestimmt werden. Im Prinzip gilt das auch für den innerbetrieblichen Umweltschutz. So hat zum Beispiel aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem Bundesarbeitgeberverband der Chemischen Industrie (BAVC) und der Industriegewerkschaft Chemie-Papier-Keramik vom August 1987 der Industrieverband seinen Mitgliedern empfohlen, die Betriebsräte zukünftig über alle Umweltmaßnahmen regelmäßig zu informieren und mit ihnen diese Maßnahmen zu erörtern. Bis heute konnten rund 30 betriebliche Umweltschutzvereinbarungen ausgehandelt werden. [Seite der Druckausgabe: 40] Um auch in Zukunft sicherzustellen, daß die an Umweltbelangen interessierte Öffentlichkeit die Möglichkeit hat, ihre Ansprüche an eine hohe Gewässerqualität in das Tagesgeschäft von Politik und Wirtschaft wirksam einzubringen, plädiert der für den Umweltschutz zuständige Hamburger Senator für eine Stärkung der kommunalen Träger von Entsorgungs- und Versorgungseinrichtungen in der Wasserwirtschaft. Nur so sei zu garantieren, daß - über die gewählten Gemeindevertreter - die Bürger eine Kontrolle und eine Übersicht über die Maßnahmen zur Gewässerreinhaltung bekommen und ihre Ansprüche wirksam zur Geltung bringen können. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 2000 |