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TEILDOKUMENT:
[Seite der Druckausgabe: 7] 2. Die Elbe - im realen Sozialismus nur ein Abflußkanal Wenn die Elbe bei Schnackenburg, im Wendland, die Landesgrenze nach Niedersachsen erreicht, ist sie auf dem Gebiet der ehemaligen DDR mit rund 80 Prozent aller Schadstofflasten befrachtet worden, die sie auf ihrer Gesamtlänge von 1 165 Kilometern insgesamt zu verkraften hat. Schon auf dem Gebiet der CSFR, wo sie als Labe ihre ersten 400 Kilometer zurücklegt, muß der Fluß die Abwasserfrachten des Kernlandes Böhmen aufnehmen. Rund ein Drittel des Staatsgebietes der CSFR wird über die Labe und ihre Zuflüsse entwässert. Die Flüsse Iser und Eger und vor allem die aus Prag kommende Moldau spülen große Schadstoffmengen in die Elbe. Schwer abbaubare und zum Teil hochgiftige Stoffe wie Schwermetalle und chlorierte Kohlenwasserstoffe gehören daher bereits zu ihrer giftigen Fracht, wenn die Elbe ihren Weg durch das Elbsandsteingebirge nach Sachsen findet. Dort, im oberen Elbtal, sowie auf ihrem weiteren Weg durch die ehemalige DDR führen die direkten Einleitungen der Elbanlieger sowie die Schadstoffzuleitungen vor allem der Zuflüsse Saale mit ihren Nebenflüssen Weiße Elster und Unstrut, der Mulde, der Schwarzen Elster und der Havel zu gravierenden Belastungen des Flusses. Mit ihrem verzweigten Flußsystem nimmt die Elbe rund 70 Prozent aller Belastungen auf, die auf dem Gebiet der ehemaligen DDR in die Oberflächengewässer gelangen. Etwas mehr als die Hälfte dieser Belastungen der Elbe stammen aus den Flußgebieten der Saale und Mulde. Im Wassereinzugsgebiet der Elbe wurden 1987 rund 85 Prozent der Industrieproduktion der damaligen DDR erzeugt, über 80 Prozent der Einwohner leben dort. Einen großen Teil ihrer Abwasserfrachten erhält die Elbe aus den kommunalen Abwässern sowie aus den Eintragungen der Zellstoffindustrie, von Arzneimittelwerken, der Chemieindustrie sowie der Metall- und Textilindustrie. Schon im oberen Elbtal, im Raum Dresden, treten erhebliche Verschmutzungen auf. Bald nach dem Durchqueren des Elbsandsteingebirges belasten Zellstoffwerke die Elbe mit schwer abbaubaren und zum Teil hochgiftigen organischen Verbindungen. In Dresden gelangen die kommunalen Abwässer sowie Teile der Abwässer aus der pharmazeutischen Industrie ungereinigt in den Fluß, weil das größte Klärwerk im ehemaligen Bezirk Dresden, Dresden-Kaditz, aufgrund fehlender Mittel für den Abschluß von Instandsetzungsarbeiten seit 1987 außer Betrieb ist. Unterhalb Dresdens spülen die Abwässer des Industriegebiets Coswig verschiedenartige [Seite der Druckausgabe: 8] Giftstoffe in den Strom. Weitere Schadstofflasten muß die Elbe nach der Einmündung der Schwarzen Elster aufnehmen, eines Flusses, der rund 20 Kilometer vor Wittenberg die Abwässer der Chemieindustrie aus Schwarzheide herantransportiert. Hinzu kommen die Einleitungen aus der Düngemittelfabrikation in Hesteritz/Wittenberg sowie, weiter flußabwärts, die Belastungen durch die einmündenden Flüsse Mulde und Saale. Die Saale schleppt unter anderem Chemieabwässer der Leuna- und Bunawerke, südlich von Halle, in die Elbe. Über die Mulde kommen die Einleitungen aus der chemischen Industrie im Raum Bitterfeld/Wolfen hinzu, wo unter anderem Chlor, Pflanzenschutzmittel, Farbstoffe, Fotochemikalien und synthetische Fasern produziert werden. Schließlich gelangen die Abwasserfrachten aus dem Raum Magdeburg sowie die Schadstoffzuleitungen über die Havel in die Elbe. In Magdeburg belasten vor allem die kommunalen Abwässer sowie die Einleitungen des Industriezentrums Magdeburg mit seinem Schwermaschinen- und Anlagenbau, den chemischen Fabriken und vielen Betrieben der Nahrungsmittelindustrie den Fluß. Die Havel bringt Abwässer aus der Chemiefaser- und Kunstseidenproduktion, aus der Gummiherstellung sowie aus der Arzneimittelerzeugung in den Strom. Kurz vor ihrem Übertritt nach Niedersachsen muß die Elbe in Wittenberge noch einmal Abwässer der dortigen Chemiefaserproduktion aufnehmen. Und schließlich dürften dem Fluß neben diesen bekannten Zuleitungen auch die Auswaschungen aus den zahlreichen wilden Mülldeponien gefährlich werden, die es im Sickerbereich der Elbe gibt. Wenn die Elbe bei Schnackenburg nach Niedersachsen fließt, führt sie neben Zigtausenden von Tonnen Nährstoffen jährlich rund 25 Tonnen Quecksilber, 13 Tonnen Cadmium und 120 Tonnen Blei sowie einige Hundert Tonnen Nickel, Kupfer und Chrom mit sich. Da der Anteil der Schmutzfrachten aus der CSFR an diesen Belastungen heute zwischen 8 und 16 Prozent geschätzt wird, stammen die weitaus meisten Schadstoffe aus dem Gebiet der ehemaligen DDR. Demgegenüber spielen die weiteren Einleitungen in den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg nur noch eine untergeordnete Rolle. Daher verantworten die Einleiter auf dem Gebiet der neuen Bundesländer auch den größten Teil der jährlichen Schadstoffeinträge, die über die Elbe in die Nordsee gelangen: 200 000 Tonnen Stickstoff, 12 000 Tonnen Phosphor sowie mehrere Hundert Tonnen zum Teil hochgiftiger Schwermetalle. Diese Gifte belasten nicht nur das Leben in der Deutschen Bucht, sondern sollen sogar, an der Westküste Dänemarks hochgewandert, über Skagerak und Kattegat die Ostsee erreichen. [Seite der Druckausgabe: 9] Welche Wirkungen das Giftgemisch in der Elbe im einzelnen hat, hängt von der chemischen Beschaffenheit sowie von der Konzentration der Schadstoffe in den jeweiligen Einleitungen ab. Am Beispiel des oberen Elbtals, also für das Flußgebiet zwischen Elbsandsteingebirge und der Stadt Meißen, lassen sich die Folgen der enormen Schadstoffeinleitungen veranschaulichen. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Dezember 2000 |