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Will, Edwin (1893 - 1975)

Geboren am 10. Oktober 1893 in Ludwigshafen als Sohn eines Schneiders, verheiratet, katholisch, später Dissident. Absolvierte nach der Volksschule eine metallverarbeitende Lehre. Arbeitete seit 1910 bei der Stadt Ludwigshafen als Mechaniker. Seit 1911 Mitglied des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter". 1913 zum Militär eingezogen; nach Ausbruch des Weltkrieges sofort in die Frontkämpfe verwickelt. Kehrte 1915 mit einem Bauchschuß schwer verwundet nach Ludwigshafen zurück. 1916 Übernahme als Arbeiter bei den Städtischen Wasserwerken Ludwigshafen. Trat 1915 der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei. Seit 1920 Vorsitzender der SPD im Stadtteil Mundenheim; im gleichen Jahr zum Betriebsratsmitglied bei der Stadtverwaltung Ludwigshafen gewählt. Innerhalb kürzester Zeit sollte der engagierte Endzwanziger zu einem der wichtigsten, freigewerkschaftlichen Ludwigshafener Funktionäre aufsteigen, ohne ins grelle Rampenlicht zu treten. Seit [1922] Betriebsratsvorsitzender der städtischen Betriebe Ludwigshafen.

Von 1924 bis 1928 Vorsitzender der Filiale Ludwigshafen des "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter"; in dieser Eigenschaft Mitglied des Ortskartells des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes. Seit 1925 SPD-Abgeordneter im Kreistag Ludwigshafen, ferner Vorstandsmitglied der Allgemeinen Ortskrankenkasse und der örtlichen Organisation des "Zentralverbandes der Konsumgenossenschaften". Teilnehmer auf dem 10. Verbandstag seines Verbandes vom 3. bis 8. August 1925 in Frankfurt am Main und dem 11. Verbandstag vom 6. bis 11. August 1928 in Köln. Machte sich in Frankfurt für eine angemessene Bezahlung der hauptamtlich besoldeten Funktionäre stark. Seit 1927 Mitglied des Verbandsbeirats, dem höchsten Gremium der Organisation zwischen den Verbandstagen. Im Jahr 1928 als Sekretär des Bezirks Berlin-Brandenburg hauptamtlich angestellt. Als Bildungssekretär arbeitete er bis 1929 an der Gewerkschaftsschule des Verbandes in Buckow bei Berlin, deren Bildungsarbeit innerhalb der freien Gewerkschaftsbewegung als vorbildlich galt. Mit der Delegation des Bildungsauftrages an die neugegründete ADBG-Schule in Bernau mußte auch Wills Aufgabengebiet neu bestimmt werden. Von 1929 bis 1930 hauptamtlicher Sekretär des Verbandes im Bezirk Schlesien in Breslau. Seit April 1930 von der Organisation (seit 1930: "Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs") nach Frankfurt am Main delegiert. 1933 entlassen, für zwei Wochen in Schutzhaft genommen. Kehrte im August 1933 nach Ludwigshafen zurück. Will stand bis 1936 unter verschärfter Polizeiaufsicht, jedwede Arbeit wurde ihm verwehrt. Verdiente sich als Vertreter seinen kargen Lebensunterhalt. Von 1940 bis 1945 zum kasernierten Luftschutz eingezogen, während dieser Zeit total ausgebommt.

Einer der führenden Männer bei der schwierigen Wiedergründung der Ludwigshafener Gewerkschaften. Will gehörte zu dem Kreis verfolgter Gewerkschafter, die sich im März 1945 trafen, um über die kommende Gewerkschaftspolitik zu beraten; der Kreis hatte Kenntnis von den Exilplanungen zur Wiedergründung deutscher Gewerkschaften wie dem 13-Punkte-Programm des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes Aachen. Ein aus diesem Zirkel gebildetes Komitee unterbreitete den Militärbehörden Anfang Mai 1945 ein Gründungsgesuch für einen Gewerkschaftsbund samt Satzung und Organisationsplan. Am 22. Mai 1945 wurde Will von 62 Gewerkschaftsdelegierten zum Vorstandsmitglied des "Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes Ortsausschuß Ludwigshafen (FDGB)" gewählt. Der Gewerkschaftsbund war als zentralistische Einheitsgewerkschaft konzipiert. Am 19. Dezember 1945 konstituierte sich auf einer Gründungsversammlung unter Edwin Wills Leitung der Industrieverband der Gemeinde- und Staatsarbeiter, dem zunächst nur Arbeiter beitreten durften, weil die französischen Militärbehörden den Angestellten und Beamten des öffentlichen Sektors jede gewerkschaftliche Organisation untersagten. (Endgültige Genehmigung der Organisation am 19. April 1946.) Nicht nur Will hatte in Ludwigshafen mit den Schwierigkeiten zu kämpfen, daß die französische Besatzungsmacht (im Gegensatz zu den Unternehmerverbänden) einem überregionalen Zusammenschluß der Gewerkschaften schwere Steine in den Weg legten.

Seit dem 2. Juli 1946 Mitglied des vorbereitenden Ausschusses zur Gründung der "Gewerkschaft Öffentlicher Betriebe und Verwaltungen" in Rheinland-Pfalz; am 16. April 1947 zum 1. Vorsitzenden der Landesgewerkschaft gewählt (1947: 22.000 Mitglieder). Mit dieser Wahl wurde auch die dominierende Position der Ludwigshafener Gewerkschafter bei den überregionalen Zusammenschlüssen im Lande unterstrichen. Am 2. und 3. Mai 1947 traten in Mainz 183 Delegierte zur Gründung des "Allgemeinen Gewerkschaftsbundes Rheinland-Pfalz" (AGB Rheinland-Pfalz) zusammen. Wahl Wills als Beisitzer in den Bundesvorstand. Auf der Tagung vom 28. bis 29. Mai 1947 als Beisitzer bestätigt. Als allseits akzeptierter Funktionär "überlebte" Will 1947 den "Machtwechsel" im FDGB Ludwigshafen von einer sozialdemokratischen hin zu einer kommunistischen Mehrheit. 1948 mit dem drittbesten Ergebnis aller abgegebenen Delegiertenstimmen wieder in den lokalen (sozialdemokratisch dominierten) Vorstand gewählt. Eine zentrale Forderung Wills auf dem 1. Verbandstag 1947, die Kolleginnen und Kollegen des Transport- und Verkehrswesen in seine Gewerkschaft zu integrieren, konnten bis 1949 nicht realisiert werden, da die französische Besatzungsmacht die Bildung eines großen Industrieverbandes untersagte und eine eigene Splitterorganisation förderte. In einer komplizierten Situation, die den führenden Gewerkschaftern nur wenig Spielräume ermöglichte, suchte Will durch die Schaffung neuer Tarifverträge, einer besseren Arbeitszeit- und Urlaubsregelung für Arbeiter sowie durch Forderungen nach einer verbesserten Pensions- und Zusatzversorgung für Beamte einen größeren Aktionsradius zu ermöglichen. Spätestens 1948 war bei Will eine deutliche Radikalisierung zu verzeichnen; als Leiter der "Hungerdemonstrationen" in Ludwigshafen und Mitglied des großen Ernährungsausschusses Rheinland-Pfalz' stellte er sich an die Spitze einer populistischen Volksbewegung. Einstimmige Wiederwahl auf dem Verbandstag der "Gewerkschaft Öffentliche Betriebe und Verwaltungen" in Mainz am 23. März 1948, auf der er für die Arbeitnehmer in den öffentlichen Betrieben und Verwaltungen zusätzlich Nahrungsmittel als Kompensation forderte. Übte gleichzeitig scharfe Kritik am herrschenden Entnazifizierungsverfahren und gab programmatisch die gewerkschaftliche Leitlinie vor. ("Den Nominellen reichen wir die Hand, den Belasteten dagegen gilt unser Kampf".) Um die eigene Isolation zu überwinden, gehörte Will zu den uneingeschränkten Fürsprechern eines überzonalen gewerkschaftlichen Zusammenschlusses.

Am 26. und 27. April 1947 auf der Interzonenkonferenz der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes in Oberursel für Rheinland-Pfalz in den Interzonenausschuß (mit Sitz in Stuttgart) gewählt, der die Lohn- und Tarifpolitik zentral steuern sollte. Neben seinem gewerkschaftlichen Engagement baute Will nach dem Zusammenbruch die kommunale Selbstverwaltung seiner Heimatstadt mit auf. In seiner Wohnung konstituierte sich der erste Ludwigshafener Bürgerbeirat nach dem Kriege, der von der Besatzungsmacht als Beratungsgremium eingesetzt wurde. Am 15. November 1946 bei den Stadtratswahlen auf der Liste der SPD gewählt. Will gehörte dem Stadtrat bis zum 8. November 1952 an. Im Stadtrat galt sein spezielles Interesse der Sozialpolitik. Auf der Delegiertenkonferenz der "Gewerkschaft Öffentliche Betriebe und Verwaltungen" am 8. Januar 1949 zum Delegierten für den "Vereinigungsverbandstag der Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes, Transport und Verkehr" vom 28. bis 30. Januar 1949 in Stuttgart gewählt. Will nahm am Verschmelzungsverbandstag teil, obgleich die Militärregierung einen Tag vor Sitzungsbeginn die Teilnahme der Delegierten aus ihrer Zone untersagt hatte. Demonstrativ zu einem der Beisitzer auf dem Vereinigungsverbandstag gewählt. Brachte den "Willen zur Vereinigung" der Mitgliedschaft der französischen Zone zur Geltung. In den Hauptvorstand der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr gewählt. Auf der Bezirkskonferenz im Dezember 1949 zum ersten Bezirksleiter der Gewerkschaft ÖTV von Rheinland-Pfalz gewählt; als letzter Bezirk konnte Rheinland-Pfalz zum 1. Oktober 1950 auch verwaltungsmäßig und kassentechnisch integriert werden. Seit Gründung Mitglied des Vorstandes des Bezirks Rheinland-Pfalz des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Gesellschafter der Vermögensverwaltung der Gewerkschaft ÖTV GmbH. Wiederwahl als Bezirksleiter und Mitglied des Hauptvorstandes der ÖTV bis 1958. Mitglied der großen Tarifkommission und des Beirates.

Durch den stark anleitenden Führungsstils Edwin Wills, durch eine von vielen Mitgliedern als unglücklich empfundene Zusammensetzung des Bezirksvorstandes, die die konfessionelle, politische und landsmannschaftliche Zusammensetzung der Mitgliedschaft nur unzulänglich berücksichtigte, kam es innerhalb des Bezirks zu erheblichen Spannungen, die sich gegen den Bezirksleiter richteten. Im Frühjahr 1957 kam es zu scharfen Protesten der Betriebsräte der Städte Frankenthal, Kaiserslautern, Bad Kreuznach, Mainz, Oberlahnstein, Pirmasens und Zweibrücken, die eine verbesserte Vertretung bei Tarifverhandlungen einklagten. Seit Mitte des Jahres 1957 forderte die Mehrheit der ehrenamtlichen Kreisvorsitzenden ein personelles Revirement der Bezirksverwaltung. In schwierigen Kompromißverhandlungen wurde eine Übergangsregelung gefunden. (Hans Faltermeier wurde Edwin Will als Stellvertreter an die Seite gestellt.) Der gebürtige Ludwigshafener schied Ende 1958 aus dem Dienst der Gewerkschaft ÖTV aus. Sein sozialpolitisches Engagement blieb als "Rentner" ungebrochen. Bis [1965] wirkte er als Landesarbeitsrichter in Mainz und als Sozialrichter in Speyer. Seit 1920 gehörte er dem Sportverein Phönix Ludwigshafen an, der mit anderen Vereinen zum Sportverein Südwest fusionierte. Nach seiner Pensionierung Vorsitzender des Ältestenrates des SV Südwest. Als Ludwigshafener Vorsitzender des "Zentralverbandes der Sozialversicherten, Rentner und deren Hinterbliebenen" baute er seit 1958 eine eigene Beratungsstelle für Rentner auf. Bis [1970] Bundesvorsitzender dieser Organisation und Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz. Für sein sozialpolitisches Engagement 1965 mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und 1974 mit dem Ehrenring der Stadt Ludwigshafen ausgezeichnet. Edwin Will starb am 6. November 1975 in Ludwigshafen.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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