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TEILDOKUMENT:
Uhr, Karl (1877 - 1940) Geboren am 13. Juli 1877 in Linum (Kreis Osthavelland), verheiratet, protestantisch. Zog mit seinen Eltern nach Berlin. Arbeitete nach der Volksschule als Postassistent in der Reichshauptstadt. Vor dem I. Weltkrieg Mitglied im "Verband mittlerer Reichspost- und Telegraphenbeamten" (gegründet 1890 als "Verband Deutscher Postassistenten), der ältesten deutschen Postbeamtenorganisation überhaupt, die um Mitglieder im gesamten Reichsgebiet und darüber hinaus in den Kolonien warb. [Vor 1918] Übertritt zum "Verband der unteren Post-, und Telegraphenbeamten" (ab 1920: "Reichsverband Deutscher Post- und Telegraphenbeamter"), der größten berufsständischen Organisation der Postbeschäftigten in der Weimarer Republik. Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Am 9. April 1922 auf dem Bezirkstag des Reichsverbandes als Newcomer zum Bezirksvorsitzenden gewählt. Uhrs Name stand für die Berliner Opposition gegen die offizielle Politik des Deutschen Beamtenbundes (DBB). Er bemängelte die zweideutige Haltung des DBB im Kapp-Putsch sowie die DBB-Positionen im ersten großen deutschen Beamtenstreik (Eisenbahnerstreik). Teilnehmer auf der Gründungsversammlung des freigewerkschaftlichen Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes (ADB) am 18. Juni 1922 in Leipzig; gab für den Bezirksvorstand seiner Gewerkschaft ein Votum zugunsten der freigewerkschaftlichen Spitzenorganisation ab. Teilnehmer auf dem 12. außerordentlichen Verbandstag des "Reichsverbandes Deutscher Post- und Telegraphenbeamter" in Berlin vom 27. bis 29. Juli 1922; hielt dort ein glänzendes Plädoyer für den Anschluß an den ADB, ohne einen Mehrheitsbeschluß der Delegierten der wichtigsten Postbeamtenorganisation für den freigewerkschaftlichen Gedanken zu erlangen. Uhr steuerte mit der Mehrheit der Vorstandsmitglieder auf eine Spaltung des Reichsverbandes hin, in der Überzeugung, die Bezirksverbände im Reich folgten alsbald dem Berliner Vorbild. Am 1. Oktober 1922 votierte die überwältigende Mehrheit einer Funktionärsversammlung der Hauptstadt dafür, sich sofort dem Berliner Ortsausschuß des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes anzuschließen. Nach heftigen innerverbandlichen Diskussionen gaben auf einem außerordentlichen Bezirkstag am 28. November 1922 148 Delegierte ihre Stimme für die Gründung einer Bezirksgewerkschaft Berlin der "Allgemeinen Deutschen Postgewerkschaft" (ADP) ab (41 Neinstimmen, 20 Stimmenthaltungen). Mit dem Beschluß war eine eigenständige freigewerkschaftliche Postbeamtengewerkschaft entstanden, zu deren provisorischem Vorsitzenden die verbliebenen Delegierten Karl Uhr wählten. Seit dem 15. Oktober 1922 Herausgeber des neuen Verbandsblattes "Die Post der Allgemeinen Deutschen Postgewerkschaft". Die Neugründung blieb im freigewerkschaftlichen Lager nicht unumstritten. Namentlich der "Deutsche Verkehrsbund", der ebenfalls Postbedienstete in seinen Reihen rekrutierte, erblickte in der Verbandsgründung eine lästige Konkurrenzorganisation ("Schädigung des freigewerkschaftlichen Gedankens"). Seit Januar 1923 saßen beide Organisationen im ADB an einem Tisch, ohne sich programmatisch anzunähern. Am 9. Februar 1923 auf der ersten Bundesausschußtagung des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes Wahl Uhrs in den provisorischen Vorstand der Spitzenorganisation der freigewerkschaftlichen Beamten. [1924] Beförderung zum Postsekretär. Der 1. Gewerkschaftstag der "Allgemeinen Deutschen Postgewerkschaft" vom 5. bis 6. Juli 1924 würdigte Uhrs "beispiellos aufopferungsvolle Hingabe für die Organisation" und wählte ihn zum ordentlichen Vorsitzenden. Wiederwahl zum unbesoldeten Vorstandsmitglied auf dem 1. Bundeskongreß des ADB vom 12. bis 14. Januar 1925 in Berlin. Deutliche Verschiebungen der Kräfteverhältnisse in der Weimarer Republik lösten auch bei Uhr und seinen Vorstandskollegen einen nachhaltigen Gesinnungswandel aus, zumal die hochfliegenden Organisationspläne gescheitert waren. Von ca. 150.000 Mitgliedern des alten Reichsverbandes hatten sich nur knapp 8.500 der freigewerkschaftlichen Konkurrenz angeschlossen. Der 1. Gewerkschaftstag der ADP beauftragte Karl Uhr, mit dem "Deutschen Verkehrsbund" Verhandlungen, über eine Fusion mit der Abteilung Post-, Telegraphen- und Fernsprechpersonal des "großen Bruders" aufzunehmen. Bedingungen für die geplante Fusion: weitgehende Selbständigkeit der ADP unter Wahrung der eigenen Finanzhoheit. Die Verhandlungen mit dem "Deutschen Verkehrsbund" zogen sich bis in den Sommer 1925 hinein. Auf dem 2. außerordentlichen Gewerkschaftstag der "Allgemeinen Deutschen Postgewerkschaft" am 10. September 1925 im Berliner Gewerkschaftshaus konstatierte Uhr, die "Zeit der Nurbeamtenorganisation ist vorüber, es komme darauf an, die gesamten Arbeitnehmer der Verkehrsbetriebe zusammenzufassen". Die 6. Reichskonferenz der Reichsabteilung Post und Telegraphie des "Deutschen Verkehrsbundes" billigte am 11. und 12. September 1925 ebenfalls den Schritt zur Fusion. Eine gemeinsame Konferenz (98 Delegierte "Allgemeine Deutsche Postgewerkschaft", 82 Delegierte "Deutscher Verkehrsbund") wählten zu ihrem neuen Vorsitzenden den Reichstagsabgeordneten Ferdinand Bender, zum stellvertretenden ehrenamtlichen Vorsitzenden den Postsekretär Karl Uhr. (Neuer Name der Organisation: "Allgemeine Deutsche Postgewerkschaft. Mitgliedschaft im Deutschen Verkehrsbund"). 8.300 Kollegen und Kolleginnen machten den Schritt zur neuen Einheitsorganisation mit. Der ADP verblieben erhebliche finanzielle und organisatorische Spielräume, die Uhr ausgehandelt hatte (eigene Kassenverwaltung, eigene Bezirksleitungen auf Oberpostdirektionsebene). Die neugewählte Reichsleitung nahm am 1. Oktober 1925 ihre Arbeit auf. Wiederwahl als unbesoldetes Vorstandsmitglied des Allgemeinen Deutschen Beamtenbundes auf dem 2. Bundeskongreß vom 12. bis 14. September 1927 in Berlin, Bestätigung im gleichen Amt auf dem 3. Bundeskongreß vom 18. bis 20. September 1930 in München. Einstimmige Wiederwahl zum 2. Vorsitzenden der ADP auf der 7. Reichskonferenz vom 26. bis 28. November 1928 in Berlin. Nahm als stellvertretender Reichsabteilungsleiter am Gründungskongreß des "Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" vom 7. bis 10. Oktober 1929 in Berlin teil. Uhr erkrankte während des Jahres 1930 schwer und verzichtete auf das Amt eines stellvertretenden Vorsitzenden seiner teilautonomen Gewerkschaft. Auf der 8. Reichskonferenz der Reichsabteilung vom 20. bis 22. November 1930 in Dresden in Abwesenheit als Beisitzer in den Vorstand gewählt. Im Gesamtverband übernahm Uhr neue Aufgaben bei der Interessenvertretung der Beamten, deren Belange der Gesamtverband durch ein eigenes Beamtenprogramm würdigte. Auf der ersten Sitzung des Beamtenbeirats 1930 in den Geschäftsausschuß des Beirats delegiert. 1931 verlor Uhrs Organisation den traditionellen Namen, den er 1922 gewählt hatte. Um Verwechslungen mit christlichen Konkurrenzorganisationen zu vermeiden, galt ab 1931 die neue Bezeichnung "Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs, Reichsabteilung Post und Telegraphie". Nach 1933 pensioniert. Starb am 15. Januar 1940 im Rudolf-Virchow-Krankenhaus in Berlin-Wedding. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998 |