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Schmidt, Paul (1875 - )

Geboren am 2. November 1875, trat als Hilfsgefangenenaufseher am 8. Dezember 1898 in Posen in den Justizdienst ein. 1904 zum etatmäßigen Gefangenenaufseher ernannt. Am 1. November 1907 als Gerichtsdiener zum Amtsgericht in Posen versetzt, wurde dort am 1. Oktober 1913 zum Kastellan ernannt. 1906 Mitbegründer des "Justizunterbeamtenvereins des Königlichen Oberlandesgerichtsbezirks Posen", 1. Vorsitzender des Bezirksvereins. Delegierter auf dem 1. Delegiertentag vom 5. bis 7. August 1907 in Berlin, der den "Bund der Justizunterbeamten Preußens" aus der Taufe hob. Nach dem Rücktritt des frisch gewählten 1. Vorsitzenden Oskar Klose (im November 1907) gingen von Schmidt die entscheidenden Impulse zur Rekonstruktion des Beamtenverbandes aus: Er initiierte eine schriftliche Befragung der Bezirksvorsitzenden. Eine briefliche Abstimmung mündete in der Etablierung eines handlungsfähigen Verbandsvorstandes (neuer Vorsitzender: Johann Rehder, Kiel). Teilnehmer an den Verbandstagen im August 1908 in Hannover, August 1910 in Berlin, August 1911 in Posen, August 1912 in Kiel und August 1913 in Berlin. Mitarbeiter an der Verbandszeitschrift "Monatsblatt für den Bund der Justizunterbeamten Preußens", suchte den schmalen Spielraum preußischer Beamtenverbände auszuloten und zu verbreitern. Von 1914 bis 1918 Kriegsteilnehmer. Stimmte auf der außerordentlichen Bundestagung vom 2. bis 3. April 1919 in Berlin der neuen Organisationsbezeichnung "Verband der Justizwachtmeister Preußens" zu. Verlegung des Verbandssitzes von Kiel nach Berlin und Umbennenung des Verbandsblattes in "Der Justizwachtmeister". Nach Abtrennung der Provinz Posen vom Deutschen Reich zum 31. Januar 1920 als Justizwachtmeister an das Berliner Kammergericht versetzt. Am 1. April 1920 als Justizoberwachtmeister mit dem Bibliotheksdienst betraut, legte die Prüfung zum Gerichtskassenvollzieher ab. Ernennung zum planmäßigen Gerichtskassenvollzieher am 1. Januar 1923 beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg.

Im Januar 1920 als Schriftführer in den Hauptvorstand des "Reichsverbandes deutscher Justizwachtmeister" kooptiert. Der Sozialdemokrat Schmidt tat 1922 viel für den Anschluß seiner Organisation an den freigewerkschaftlichen "Allgemeinen Deutschen Beamtenbund" (ADB): Erteilte mit anderen Vorstandsmitgliedern dem 1. Vorsitzenden August Cassube eine "Blankovollmacht", auf dem Gründungskongreß am 18. Juni 1922 in Leipzig der neuen Beamtenorganisation beizutreten und gleichzeitig den Deutschen Beamtenbund zu verlassen. Nach der Amtsniederlegung Cassubes übernahm der Posener am 5. April 1923 den Vorsitz der gewerkschaftlich organisierten Betriebs-, Sicherheits- und Kassenvollzugsbeamten. Redakteur des Verbandsblattes "Der Justizwachtmeister". Von 1920 bis 1925 schlossen sich die Landesverbände der Justizwachtmeister Anhalts, Bayerns, Bremens, Braunschweigs, Hamburgs, Lübecks, Sachsens und Thüringens der preußischen Organisation an. Umbenennung der Gewerkschaft in "Reichsverband deutscher Justizwachtmeister" auf dem Verbandstag vom 21. bis 23. Juni 1923. Bestätigung Schmidts in seinem Amt (1924: 3.875 Mitglieder). Wiederwahl zum Vorsitzenden auf allen Verbandstagen bis 1932. Schmidt setzte sich intensiv für eine Entmilitarisierung des Strafvollzugsdienst ein und kämpfte für Verbesserungen der Fortbildungsmöglichkeiten für die unteren Beamten im Justiz- und Strafvollzugsdienstes. Der Gerichtskassenvollzieher gehörte zu den klassischen Funktionären, die das Rückgrat der freigewerkschaftlichen Beamtenbewegung bildeten. Annäherungen an den Deutschen Beamtenbund lehnte er wegen der Dominanz höherer Beamter in Führungsrängen kategorisch ab. Intensive Bemühungen Schmidts zur Konzentration freigewerkschaftlicher Beamtenverbände im Justizbereich scheiterten.

Der Verbandstag des "Bundes der Gefängnis-, Straf- und Erziehungsbeamten- und -Beamtinnen Deutschlands" lehnte 1925 das Verschmelzungsangebot des Vorsitzenden der Justizwachtmeister ab, der die Schwäche seiner kleinen Organisation deutlich spürte. Mahnrufe zur Gründung einer freigewerkschaftlichen Einheitsorganisation im zersplitterten Justizbereich verhallten auch künftig ungehört. Schmidt konnte nach 1925 weder den Austritt der Landesverbände Bayern, Braunschweig, Sachsen und Thüringen abwehren, noch 1928 die Absplitterung einer Gruppe hin zum Deutschen Beamtenbund verhindern. Dem organisatorischen Niedergang der freigewerkschaftlichen Beamtenbewegung - typisch für die Schlußphase der Weimarer Republik - stellte Schmidt sein Bekenntnis zur republikanisch-demokratischen Staatsform entgegen. Seiner Sachautorität war letztlich im Juni 1928 ein eindeutiges Votum des Verbandstages zu Gunsten des ADB zu danken. Delegierter auf den drei Bundeskongressen des ADB: 12. bis 14. Januar 1924 in Berlin, 12. bis 14. September 1927 in Berlin und 28. bis 30. September 1930 in München. Auf dem 3. Bundeskongreß zum Mitglied der Satzungs- und Wahlkommission gewählt. Auf dem Jubiläumsverbandstag vom 8. bis 9. Juni 1932 in Berlin repräsentierten die Delegierten knapp 3.000 Mitglieder, die treu zur freigewerkschaftlichen Beamtenbewegung hielten.

Schmidt trat in Berlin engagiert gegen die nationalsozialistische Gefahr auf. Umbennenung der Organisation in "Reichsverband deutscher Justizwachtmeister und Gerichtskassenvollzieher und deren Anwärter", da in Preußen die Hälfte der vorhandenen planmäßigen Gerichtskassenvollzieher dem Reichsverband angehörten. Neuer Name des Verbandsblattes: "Der Sicherheits- und Vollziehungs-Beamter deutscher Justizbehörden". Der von den Nationalsozialisten scharf attackierte Vorsitzende trat mit seiner Organisation noch vor den Märzwahlen 1933 aus dem "Allgemeinen Deutschen Beamtenbund" aus, ohne den gewerkschaftlichen Charakter der Organisation retten zu können. Im Mai 1933 zusammen mit seinem "marxistischen Vorstand" abgesetzt. Schmidt arbeitete bis 1937 als Gerichtsvollzieher in Berlin-Charlottenburg. Verließ die Reichshauptstadt nach seiner Pensionierung.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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