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Rudolph, Hermann (1877 - 1939 ?)

Geboren am 7. November 1877 in Mülheim an der Ruhr, katholisch, verheiratet. Besuchte die Volksschule in Mülheim und Duisburg. Nach Absolvierung der Volksschule Schiffsjunge auf einem Rheinschiff. Von 1894 bis 1896 Matrose auf dem Rhein; von 1897 bis 1898 Matrose zu See. Von 1898 bis 1899 absolvierte Rudolph seinen Militärdienst bei der Marine und kam dort mit gewerkschaftlich orientierten Arbeitern aus Norddeutschland in Kontakt, die ihn politisch entscheidend beeinflußten. Nach der Entlassung vom Militärdienst wieder auf dem Rhein als Matrose und Schiffer tätig. Gründungsmitglied des am 3. Januar 1900 ins Leben gerufenen "Internationalen Matrosen-Verbandes", einer primitiven Lokalorganisation. ("Der Verband hat den Zweck, die geistige und materielle Lage aller im Schiffergewerbe beschäftigten Arbeiter zu verbessern und deren Ehre und Interessen nach jeder Seite hin zu wahren.") Zum ersten Vorsitzenden des Matrosen-Vereins gewählt, dem zunächst 800 Mitglieder beitraten. Rascher Niedergang des Duisburger Lokalvereins wegen geringen Beitragsaufkommens und mangelnder gewerkschaftlicher Kampfkraft.

Rudolph nahm als Vorsitzender zu Beginn des Jahre 1903 Verhandlungen mit dem "Verband der Hafenarbeiter und verwandter Berufsgenossen Deutschlands" auf. Anschluß des "Internationalen Matrosen-Verbandes" an die nationale freigewerkschaftliche Hafenarbeiterorganisation zum 1. April 1903. Von 1904 bis 1906 arbeitete Rudolph als Vorarbeiter und Meister in einem Getreidelager (Speditionsgewerbe) im größten deutschen Binnenhafen. Sektionsleiter der Sektion Getreidearbeiter seiner Gewerkschaft. Als Sektionsleiter gehörte er qua Amt dem örtlichen Vorstand an. Seit 1905 Mitglied der SPD. Zum 1. Januar 1907 für die Mitgliedschaft Duisburg der organisierten Hafenarbeiter als besoldeter Funktionär angestellt. Im gleichen Jahr zum Duisburger Kartelldelegierten gewählt. 1907 Teilnehmer an den ersten Unterrichtskursen der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands. Delegierter auf dem 10. Verbandstag seiner Gewerkschaft vom 11. bis 15. Mai 1908 in Hamburg und dem gemeinsamen Verbandstag der Verbände der Hafenarbeiter, Seeleute und Transportarbeiter, der in der Einheitsorganisation aller Transport- und Verkehrsarbeiter mündete ("Deutscher Transportarbeiter-Verband"). Nach dem Zusammenschluß erhielt die Mitgliedschaft Binnenschiffer Rhein eine selbständige Leitung; als neuen Sektionschef ernannte der Verbandsvorstand Hermann Rudolph. Unter seiner Leitung führten die Binnenschiffer auf dem Rhein 1911 die erste bedeutungsvolle Lohnbewegung zu einem guten Ende: zum ersten Mal konnte auf dem Rhein eine tarifvertragliche Regelung der Arbeitsbedingungen der Matrosen und Schiffsjungen erzielt werden (Garantie der Nachtruhe und einem freien Sonntag pro Monat). Ein zweiter großer Streik des Personals der niederrheinischen Reedereien endete 1912 nach schwierigen Auseinandersetzungen (Einsatz von berufsfremden Streikbrechern) mit einem Teilerfolg.

Rudolph, dem das Verbandsorgan nicht "scharf genug" geschrieben war, nahm auf allen Verbandstagen des "Deutschen Transportarbeiter-Verbands" (später: "Deutscher Verkehrsbund") von 1912 bis 1928 teil. Während des Krieges eingezogen; im Jahre 1916 von der Generalkommission "reklamiert" und vorzeitig vom Kriegsdienst entlassen. Plädierte nach seiner Entlassung für eine Annäherung an die christlichen Gewerkschaften und gab damit seine alte radikale Position auf. Am 6. April 1919 auf der Generalversammlung der Mitgliedschaft Binnenschiffer und Flößer des Rheins und seiner Nebenflüsse wiederum zum Vorsitzenden gewählt (ca. 7.000 Mitglieder). Vom 20. bis 21. Januar 1920 tagte in Berlin die Reichskonferenz der Binnenschiffer, Flößer und Wasserbauarbeiter. 61 Delegierte beschlossen den Aufbau einer gemeinsamen Organisation (Reichsabteilung). Gegen den Widerstand der Rheinschiffer, die ihren Sektionsleiter nicht ziehen lassen wollten ("Stolz der Rheinschiffer"), zum neuen Reichsabteilungsleiter gewählt (1920: 20.925 Mitglieder). Umzug nach Berlin. Vom 30. Juni 1920 bis 1933 Mitglied des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates. In der konstituierenden Sitzung des Verkehrsausschusses des Beratungsgremiums am 10. Februar 1921 zum stellvertretenden Vorsitzenden des Verkehrsausschusses gewählt. Zähes Ringen in Gremien um die Rechte der deutschen Besatzungen auf requirierten Binnenschiffen, Probleme der "Verreichlichung" der Wasserstraßen, Auseinandersetzungen um eine ausreichende Bemannung der Schiffe und um entsprechende Qualifikation des Personals prägten Rudolphs Arbeitsalltag in den frühen zwanziger Jahren. Rudolphs Einsatz für eine kraftvolle Ausgestaltung der Reichswasserstraßenbeiräte war allerdings nur wenig Erfolg beschieden.

Wiederwahl zum Vorsitzenden der Reichsabteilung auf den Konferenzen am 15. Januar 1922 und 28. Juni 1925 in Berlin und der Reichskonferenz am 1. Juli im Hamburger Gewerkschaftshaus. Neue Aufgaben kamen auf den gelernten Binnenschiffer zu, als die gemeinschaftliche Konferenz der Seeleute, Hafenarbeiter und Binnenschiffer, Flößer und des Wasserbaupersonals am 2. Juli 1928 die Zusammenlegung aller Reichsabteilungen zum 1. Januar 1929 beschloß, die jedoch nicht sofort zum Tragen kam. Die Delegierten des Gründungskongresses des "Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" wählten am 10. Oktober 1929 in der "Neuen Welt" in Berlin Rudolph zum Leiter der Reichsabteilung F: Schiffahrt, Hafenbetriebe, Wasserbau. In dieser Eigenschaft besoldetes Vorstandsmitglied der Geschäftsführung. Von 71 Delegierten auf der 1. Reichskonferenz seiner Abteilung am 18. Oktober 1930 in Berlin in seinem Amt bestätigt. Auf der 5. Tagung des Verbandsbeirates vom 18. bis 20. November 1932 wiederum als besoldetes Vorstandsmitglied gewählt. Rudolph stellte in seiner Agitation stets die "Erhaltung einer menschenwürdigen Lebensmöglichkeit in den Vordergrund", die der Gesamtverband den "Arbeiterfeinden" abgerungen habe. Seit den frühen zwanziger Jahren aktive Mitarbeit in der internationalen Gewerkschaftsbewegung. Deutscher Teilnehmer auf dem Internationalen Kongreß der Internationalen Transportarbeiter-Föderation vom 18. bis 22. April 1921 in Genf. Wandte sich scharf gegen die Zulassung eines Mitgliedes der Moskauer Gewerkschaftsinternationale. Delegierter auf der Konferenz der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) vom 7. bis 12. August 1924 im Hamburger Gewerkschaftshaus, vom 22. bis 27. September 1930 in London und vom 7. bis 13 August 1932 in Prag. In London auf einer separaten Hafenarbeiterkonferenz in einen Unterausschuß gewählt, um die Lebens- und Arbeitsverhältnisse in den wichtigsten Hafenstädte zu erfassen und zu dokumentieren. Auf der Prager Tagung als Nachfolger Johann Dörings in den Generalrat der ITF gewählt.

Damit war er der höchste Repräsentant seiner Gewerkschaft im internationalen Berufssekretariat. Rudolph erlitt im April 1933 eine schwere Herzattacke und mußte sich in eine Kur begeben. Kehrte im Angesicht der drohenden Zerschlagung der Gewerkschaften nach Berlin zurück und erklärte am 10. April 1933, einen Anpassungskurs an die nationalsozialistischen Machthaber nicht mitmachen zu können. Bedauerte, daß die Verbindung zur ITF abgerissen sei. Erlebte am 2. Mai die gewaltsame Besetzung des Gebäudes des Gesamtverbandes durch die SA mit. Im Juni 1933 aus allen Ämtern entlassen. Im September 1933 nahm Jacobus Oldenbroek, der Leiter des ITF-Büros, Kontakt zu Rudolph in Berlin auf, der eine schonungslose Analyse der Zerschlagung seiner Gewerkschaft lieferte. Rudolph versprach, für die Widerstandstätigkeit der ITF Verbindungen zu den Rheinschiffern zu knüpfen. Rudolph suchte über einen holländischen Blumenvertrieb eine bürgerliche Existenz zu finden, um seine Widerstandstätigkeit und seine Kontakte zur ITF miteinander verknüpfen zu können. Besuchte im Januar 1934 Amsterdam, um vertrauliche Gespräche mit seinem ITF-Kollegen Oldenbroek führen. Am 3. Oktober 1934 von der Gestapo in Mannheim verhaftet und verhört. Seine Verhaftung führte zur Inhaftierung weiterer ehemaliger Verbandsmitglieder in Berlin. Saß vom 3. bis 7. Oktober 1934 in Polizeihaft und vom 7. Oktober 1934 bis zum 21. März 1935 in gerichtlicher Untersuchungshaft. Die Gestapo beschuldigte ihn, mit Geldern der ITF eine illegale Organisation aufgebaut zu haben und "staatsfeindliche" Kontakte zu ehemaligen Gewerkschaftern geknüpft zu haben. Das Verfahren wegen Vorbereitung zum Hochverrat wurde indes durch den Untersuchungsrichter am Volksgerichtshof wegen Mangels an Beweisen eingestellt. Lebte nach seiner Freilassung in Eichwalde bei Berlin. Soll vor Ausbruch des Weltkrieges gestorben sein.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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