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Oswald, Heinrich (1866 - 1945)

Geboren am 8. Mai 1866 in Lalling (Bezirksamt Deggendorf an der Donau), katholisch, verheiratet. Besuch der Volksschule in Lalling von 1872 bis 1879. Lernte nach der Schulentlassung im elterlichen Hause als Schäffler (Küfer), arbeitete außerdem bei seinen Eltern in der Landwirtschaft und als Dorfhirte; von 1882 bis 1886 Knecht in einem landwirtschaftlichen Betrieb. Von 1886 bis 1889 Soldat beim 16. Infantrieregiment in Passau; trat nach seiner Entlassung als Maschinenarbeiter beim Königlichen Hauptlaboratorium Ingolstadt ein, arbeitete zunächst als Maschinenarbeiter, dann als Metalldreher. 1894 Mitglied des katholischen Arbeitervereins Ingolstadt, Vorsitzender des Arbeiterausschusses der Militärbetriebe Ingolstadt, Vorstandsmitglied der örtlichen Krankenkasse. Oswald führte 1900 die christlich organisierten Ingolstädter Militärarbeiter in den am 8. September 1900 gegründeten "Christlich-Sozialen Verband der nichtgewerblichen Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands". Enges Verhältnis zum Verbandsgründer Johann Braun. Auf Beschluß der Verbandsleitung wurde Oswald vom 10. August bis 3. Oktober 1904 zum volkswirtschaftlichen Kursus nach München-Gladbach zum "Volksverein für das katholische Deutschland" delegiert und am 1. November 1904 an das neu errichtete Arbeitersekretariat nach Aschaffenburg berufen, das der Verband in Verbindung mit dem katholischen Arbeiterverein unterhielt.

Teilnehmer auf allen Verbandstagen des "Christlich-Sozialen Verbandes der nichtgewerblichen Arbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands" (ab 1904: "Zentralverband der Hilfs- und Transportarbeiter, -Arbeiterinnen und verschiedener Berufe Deutschlands") von 1900 (München) bis 1912 (Hannover). Nach dem Tode des 1. Vorsitzenden Johann Braun wurde Oswald vom Ausschuß am 31. Januar 1907 bis zur nächsten Generalversammlung vorläufig zum Zentralvorsitzenden gewählt. Auf dem 4. Verbandstag 1908 in Aschaffenburg Bestätigung in diesem Amt für vier Jahre. Oswald initiierte auf dem Aschaffenburger Verbandstag entscheidende Strukturveränderungen: Der Verbandssitz wurde von München nach Aschaffenburg verlegt, eine gewerkschaftliche Erwerbslosenunterstützung wurde eingeführt und das Verbandsstatut radikal reformiert, gleichzeitig wurde der Verbandsname in "Zentralverband der Staats-, Gemeinde-, Verkehrs-, Hilfs- und sonstiger Industriearbeiter Deutschlands" umgewandelt. Dem Verbandsorgan "Gewerkschaftsstimme" wurden die Beilagen für die Straßen- und Kleinbahner und die Staats- und Gemeindearbeiter beigefügt, um den differenzierten Ansprüchen der Mitgliedschaft gerecht zu werden. (Ausweitung des hauptamtlichen Apparates auf 16 Angestellte. 1905 in dem ländlichen Wahlkreis Miltenberg (Unterfranken) als Abgeordneter der Deutschen Zentrumspartei in den Bayerischen Landtag gewählt. Wiederwahl in den Landtag bis 1919 im Wahlkreis Aschaffenburg. 1911 war Oswald durch seinen Vorstoß gegen den damaligen Verkehrsminister Heinrich Ritter v. Frauendorfer maßgeblich am Sturz des Kabinetts des Grafen Klemens Podewils-Dürniz beteiligt. Delegierter auf dem 5. bis 8. Kongreß des "Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften Deutschlands" (1904 Essen, 1906 Breslau, 1909 Köln, 1912 Dresden); auf all diesen Kongressen in den Ausschuß des "Gesamtverbandes" gewählt.

Auf der 6. Verbandstagung 1912 in Hannover trat Oswald von seinem Gewerkschaftsamt zurück, da sein Parlamentsmandat nicht mit seinen Aufgaben als Verbandsvorsitzendem zu vereinbaren sei. Der Vorsitzende hatte in seinen letzten Amtsjahren nur mit Mühe die widerstreitenden Berufsinteressen des heterogenen Verbandes integrieren können. Oswalds Amtsführung war nicht ohne Kritik geblieben. Der Vorsitzende des "Gesamtverbandes", Adam Stegerwald, warf ihm vor, die Agitationsgebiete außerhalb Bayerns zu vernachlässigen und das Hauptgewicht in der Mitgliederentwicklung bei den Staatsarbeitern zu suchen. In seinem letzten Amtsjahr konnte Oswald 16.267 Mitglieder mustern, die sich nach dem Hannoveraner Verbandstag in vier unabhängige Gewerkschaften aufteilen sollten. Nach seinem Rücktritt Zentralrechtsschutzbeamter bei der Zentralstelle der süddeutschen katholischen Arbeitervereine in München. Am 1. Juni 1919 wurde Oswald zum Staatsrat im Sozialministerium und am 17. März 1920 zum Sozialminister (Ministerium für soziale Fürsorge) ernannt. Seine Ernennung bedeutete für die christliche Arbeiterbewegung einen großen Erfolg. Am 6. April 1921 gründete er in seinem Ministerium einen "sozialpolitischen Beirat", der sich in den Untergliederungen "Ausschuß für Sozialversicherung, Arbeiter- und Angestelltenschutz", "Ausschuß für Arbeiter- und Angestelltenrecht" und "Ausschuß für Frauenarbeit" besonders der Arbeitnehmerprobleme annehmen sollte. Sein Verständnis wurde auch aus seinen Schiedssprüchen deutlich, in denen er den sozialen Verhältnissen der Arbeiterschaft Rechnung zu tragen suchte.

Oswald stand dem Ministerium bis zum 12. Juni 1928 vor. Das Sozialministerium war - nach seinen Worten - die "staatspolitische Anerkennung der Gleichberechtigung des Arbeitnehmers mit den übrigen Wirtschaftskreisen". Nach einem Rechtsruck in der bayerischen Regierung wurde das Sozialministerium gegen den erbitterten Widerstand Oswalds im Juni 1928 aufgelöst, er selbst auf das Amt eines Staatssekretärs im Ministerium für Landwirtschaft und Arbeit "abgeschoben". Bis 1928 vertrat er im Parlament die Stimmkreise München X und Ingolstadt für die Bayerische Volkspartei. Als "volkstümlichster Minister" Bayerns war der Autodidakt Oswald bis zu seinem Rücktritt als Staatssekretär im Dezember 1929 einer der Identifikationsfiguren, die die christlich-nationale Arbeiterschaft an die katholisch-bayerische Regionalpartei band. Im Januar 1934 entzogen die nationalsozialistischen Machthaber dem ehemaligen Minister die Pension auf Grund der Durchführungsverordnung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums (mangelnde Vorbildung). Der bayerische Ministerrat gewährte ihm allerdings eine monatliche Pension (ohne Rechtsanspruch) von 300 Mark. Seit 1937 stand der Zentrumspolitiker unter staatlicher Beobachtung. Oswald starb am 26. Oktober 1945 in München.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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