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Kemptner, Wilhelm (1889 - 1948)

Geboren am 20. September 1889 in Karlsruhe als Sohn eines Feldwebels (später Stadtdiener). Trat nach dem Besuch der Realschule in der badischen Hauptstadt in den Dienst der badischen Eisenbahn. Mitglied des 1890 gegründeten "Vereins badischer Eisenbahnbeamter" (1908: 1.680 Mitglieder). [1909 bis 1910] Militärdienstzeit; nach Ableistung des Wehrdienstes hauptamtlicher Verbandsfunktionär seiner Berufsorganisation. Zum 1. April 1920 gingen nach der Weimarer Reichsverfassung die ehemaligen selbständigen Ländereisenbahnen in Reichsbetrieb über. Am 10. Juni 1920 schlossen sich verschiedene regionale Eisenbahnbeamtenverbände zur "Reichsgewerkschaft Deutscher Eisenbahnbeamten und -Anwärter" zusammen, die unter dem Dach des Deutschen Beamtenbundes einen "linken Flügel" bildeten. Übernahme Kemptners als hauptamtlicher Funktionär, Umzug nach Berlin, betreute organisatorisch die Privateisenbahner im Verband. Teilnehmer auf der 2. ordentlichen Hauptversammlung der "Reichsgewerkschaft deutscher Eisenbahnbeamter und -Anwärter" vom 18. bis 19. Oktober 1921 in Berlin. Referat über die "Privatbahnerfrage". Kemptner besprach die Notwendigkeit der Gründung einer eigenen Fachabteilung (Abteilung P) innerhalb der heterogenen Beamtengewerkschaft, ohne von den teilautonomen Fachgewerkschaften die nötigen Mittel bereitgestellt zu bekommen.

Auf der 2. Hauptversammlung in Berlin zum Leiter der neu eingerichteten "Abteilung P" gewählt. Kemptner machte mit seinen Beamtenkollegen einen deutlichen Radikalisierungsprozeß durch. ("Jedes gewerkschaftliche Gebilde ist eine Kampforganisation.") Der Reichsabteilungsleiter der Privateisenbahner unterstützte publizistisch die Streikkämpfe der Eisenbahnbeamten im Februar 1922, die nach einer Niederlage der Streikenden in der Absplitterung der Reichsgewerkschaft vom Deutschen Beamtenbund mündete, dem die beamteten Eisenbahner eine halbherzige Streikunterstützung vorwarfen. Mit seiner Organisation ging Kemptner im April 1922 den Weg in den freigewerkschaftlichen "Allgemeinen Deutschen Beamtenbund" (ADB). Nach schweren organisatorischen Rückschlägen - die Reichsgewerkschaft stand im Oktober 1924 vor dem vollständigen Zusammenbruch - orientierte sich die Beamtengewerkschaft mit Kemptners Unterstützung auf einen Zusammenschluß mit dem freigewerkschaftlichen "Deutschen Eisenbahner-Verband". Teilnehmer an der gemeinsamen Tagung beider Verbände, die am 27. Juni 1925 in Köln offiziell die Verschmelzung zum "Einheitsverband der Eisenbahner Deutschlands" vollzog. Dem Verbleiben Kemptners im Einheitsverband standen allerdings die Abmachungen unter den freigewerkschaftlichen Transportarbeitern im Wege. Die Konferenz von Vertretern der Straßen- und Kleinbahner vom 27. Februar bis 1. März 1921 hatte die Kleinbahner dem "Deutschen Transportarbeiter-Verband" zugeschlagen. Kemptner suchte zunächst, den Beschluß zu unterlaufen. Mit 2.000 ehemaligen Mitgliedern der Reichsgewerkschaft trat er dennoch zum 1. April 1926 dem "Deutschen Verkehrsbund" (neuer Organisationsname seit 1923) bei. In den Vorstand der Reichsabteilungsleitung kooptiert. Auf einer Sondersitzung der Reichsabteilungsleitung am 28. Mai 1927 zum vorläufigen Stellvertreter bestimmt.

Auf der 5. Reichskonferenz der Straßenbahner, Privateisenbahner und Werkseisenbahner vom 23. bis 24. September 1927 in Hamburg als Nachfolger des verstorbenen Hermann Rathmann als Kandidat des Bundesvorstandes gegen eine starke Minderheit zum neuen Reichsabteilungsleiter gewählt (1927: 48.200 Mitglieder). Seit dem 6. Juli 1927 als Vertreter der Kleinbahnen und Straßenbahnen Mitglied des Vorläufigen Reichswirtschaftsrates. Teilnehmer auf dem 13. Bundestag des "Deutschen Verkehrsbundes" vom 12. bis 17. August 1928 in Leipzig. Der Gründungskongreß des "Gesamtverbandes der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs" vom 7. bis 10. Oktober 1929 in Berlin wählte den Badener als Leiter der Reichsabteilung "D" (Straßen-, Privat-, Hafen- und Werkbahnen) in den Vorstand. Auf der 1. Reichskonferenz der Abteilung am 11. Dezember 1929 stießen zu den Abgeordneten des ehemaligen "Deutschen Verkehrsbundes" die Delegierten von 16.000 Straßenbahnern aus dem Organisationsbereich des alten "Verbandes der Gemeinde- und Staatsarbeiter" (1930: ca. 72.000 Mitglieder). Zähe Bemühungen um eine andere Verteilung der Arbeitszeit, das Ringen um eine verbesserte Regelung der Vorbereitungs- und Ergänzungsarbeiten, Einsatz für die Einhaltung von Schutzvorschriften, Verhandlungen um besseren Schutz für jugendliche und weibliche Arbeitnehmer prägten den gewerkschaftlichen Alltag Kemptners in der Schlußphase der Weimarer Republik. Mitglied der kleinen Tarifkommission für die Sparte der Privat- und Straßenbahner. Ein letzter großer Erfolg gelang dem Privateisenbahner mit dem Abschluß eines neuen Reichsmanteltarifvertrags (mit Wirkung vom 1928 an). Damit gelang es wieder, 40.000 Beschäftigte bei 120 Bahnen tarifpolitisch zu vereinigen. Teilnehmer auf dem Internationalen Transportarbeiter-Kongreß vom 22. bis 27. September 1930 in London. Eine Sonderkonferenz der Straßenbahner-Sektion beschloß die Einsetzung eines internationalen Beirats, der sich mit Sicherheitsmaßnahmen bei den Straßenbahnen beschäftigen sollte. Wahl Kemptners in den Beirat, der erstmals vom 21. bis 23. Februar 1931 in Berlin tagte und ein "Internationales Forderungs-Programm der Straßenbahner" verabschiedete. Wie kaum ein anderer Funktionär verkörperte Kemptner das Zusammenwachsen von Arbeitern, Angestellten und Beamten in einer Organisation des öffentlichen Dienstes. Nach geglückter Organisationsreform wählte der Verbandsrat auf seiner 5. Tagung vom 18. bis 20. November 1932 Kemptner zu einem der beiden Reichsabteilungsleiter der Gemeindebetriebe und Verwaltungen. Suchte in der Schlußphase der Weimarer Republik die Forderungen des ADGB nach "Umbau der Wirtschaft" dahingehend zu stützen, daß er die radikale "Überführung der Verkehrswirtschaft in den Besitz der öffentlichen Hand" forderte. Nahm als Tarifkontrahent an einer der letzten Schlichtungsverhandlungen des Gesamtverbandes am 27. Januar 1933 in Berlin teil. Im Mai 1933 hoffte der ehemalige Eisenbahner, den schmalen Spielraum der Scheinlegalität durch Mitarbeit am gleichgeschalteten Verbandsorgan "Die Gewerkschaft" nutzen zu können. Im Juni 1933 entlassen. Verdiente sich während des Nationalsozialismus seinen Lebensunterhalt als Vertreter. Nach Kriegsende Beschäftigung bei der Deutschen Reichsbahn. Wilhelm Kemptner starb am 20. September 1948 in Berlin-Wedding.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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