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Jochade, Hermann (1876-1939)

Geboren am 7. Juli 1876 in Neuhaus (Kreis Holzminden), als Sohn eines Schachtmeisters, verheiratet. Der Vater war in verschiedenen Städten Deutschlands beim Eisenbahnbau in verantwortlicher Position tätig und ließ die zwölfköpfige Familie jeweils zur neuen Arbeitsstätte nachziehen. Hermann Jochade verzog mit seinen Eltern und Geschwistern im April 1888 aus Westersode/Land Handeln nach Lüneburg, wo der Vater bis zu seinem Tode als Schachtmeister arbeitete. Kam nach der Volksschule zu seinem Onkel, einem Eisenbahndirektor der Märkischen Eisenbahn. Der Junge arbeitete teils auf den Neubaustrecken, teils im Büro. Erlernte von 1891 bis 1895 in einem großen Eisenwerk in Lüneburg den Beruf eines Formers in der dortigen Eisengießerei. Kam in der Fabrik mit der Ideenwelt der sozialistischen Arbeiterbewegung in Berührung. Mitglied des 1891 gegründeten "Zentralvereins der deutschen Former sowie aller in Eisen- und Metallgießereien beschäftigten Arbeiter" (seit 1897: "Zentralverein der deutschen Former und Berufsgenossen"), ferner Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Leistete von 1895 bis 1897 seinen Militärdienst beim Schleswig-Holsteinischen Artillerie-Regiment Nr. 24 in Bahrenfeld bei Hamburg ab. Wurde beim Militär als Sozialdemokrat denunziert, erhielt dennoch die Schießauszeichnung und mehrere Schießprämien. Seine Vorgesetzten zogen den Gefreiten auch zu Unteroffiziersdiensten heran. Angebote seiner Vorgesetzten auf eine Dienstzeitverlängerung lehnte er ab.
Kehrte nach seiner Entlassung für kurze Zeit in sein Elternhaus zurück. Arbeitete von September 1898 bis März 1899 auf der großen Stahlgießerei der Howaldtswerft in Kiel; als Teilnehmer des großen Werftarbeiterstreiks von 1899 entlassen und auf die schwarze Liste gesetzt. Lebte und arbeitete von März bis Mai 1899 kurzfristig in Eckernförde. Zog im Mai 1899 nach Hamburg und fungierte seit dem 16. September 1899 als Schriftführer im Vorstand der Zahlstelle Hamburg seiner Gewerkschaft. Am 23. Juni 1900 von den Hamburger Kollegen in den Ausschuß des "Zentralvereins der deutschen Former und Berufsgenossen" gewählt. Seit Dezember 1899 als Delegierter in das Hamburger Gewerkschaftskartell entsandt.
Am 19. September 1900 gründeten Berufsgenossen in Paris das "Internationale Former-Sekretariat"; zum deutschen Vertrauensmann wurde Hermann Jochade bestimmt, der an den internationalen Sekretär in Paris periodisch über die Aktivitäten der organisierten deutschen Gießereiarbeiter berichtete. Regelmäßiger Mitarbeiter am Formerblatt "Glück auf".

In den innerverbandlichen Auseinandersetzungen um die Kampfstrategie seiner Organisation nahm der Niedersachse einen betont moderaten Standpunkt ein; plädierte für Streiks nur als letztes Kampfmittel der Gewerkschaftsbewegung und setzte langfristig auf die Ausgestaltung des Tarifvertragswesens zur ökonomischen Verbesserung der Gießereifacharbeiter. ("Die jüngste wirtschaftliche Entwicklung lehrt uns aber, daß Versuche von beiden Seiten, sowohl vom Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, unternommen werden, auf gütlichem Wege das zu erreichen, was in frühen Jahren und teilweise jetzt auch noch, nur durch beiderseitig erbittert geführte Kämpfe zu erreichen war. Diese Mittel, welche den gleichen Zweck erfüllen, sind die Tarifverträge.") Zu Weihnachten 1900 gemaßregelt und entlassen; fand eine Anstellung in der Gewerkschaftsdruckerei Fr. Meyer in Hamburg-Eilbek, die auch anderen entlassenen Gewerkschaftern Brot gab. In der Druckerei erlernte der entlassene Former die zentralen Fertigkeiten zur Herstellung eines Gewerkschaftsblattes. Zum 1. Oktober 1901 schlossen sich die gewerkschaftlich organisierten Former dem "Deutschen Metallarbeiter-Verband" an. Jochade verlor damit seine gewerkschaftlichen Ämter.
Am 13. Januar 1897 wurde auf der konstituierenden Sitzung im Hamburger Ballhaus der freigewerkschaftliche "Verband der Eisenbahner Deutschlands" gegründet. Nach anfänglichen Erfolgen setzte um die Jahrhundertwende eine Repressionswelle gegen die organisierten Eisenbahnarbeiter ein. Vor allem die Schriftleiter des "Weckruf der Eisenbahner" waren harschen Verfolgungen ausgesetzt. Als neuen Redakteur gewannen die Eisenbahner Hermann Jochade, der am 28. September 1901 vom Interimsredakteur Luis Brunner die Geschäfte übernahm. Jochade erhielt vom Verband - unterstützt von der Generalkommission der Gewerkschaften - nur eine Aufwandsentschädigung und verdiente sich seinen restlichen Lebensunterhalt weiterhin in der Druckerei. Seine scharfe Schreibweise, die Geißelung unvorstellbarer Mißstände, die Nennung von Namen der Verantwortlichen trugen ihm eine Reihe von Beleidigungsklagen und -prozessen ein. Am 7. Juni 1902 in Dresden wegen Beleidigung zu 100 Mark Geldstrafe (ersatzweise 20 Tage Haft), am 28. November 1904 wegen übler Nachrede vom Landgericht Hamburg zu 3 Monaten Gefängnis und im Oktober 1905 von der gleichen Kammer zu Geldstrafen von 500 Mark und 300 Mark verurteilt (ersatzweise 50 Tage, bzw. 30 Tage Haft). Seine Haftstrafe trat Jochade von August bis November 1905 an. Gleich im November 1901 erließ Jochade "Ein ernstes Wort an die Eisenbahner Deutschlands". Ein Aufruf nach Material, um einen soliden Überblick über den Umfang von Entlassungen und den daraus resultierenden Folgen (Eisenbahnunfälle, Arbeitsunfälle), sowie über geplante und ausgeführte Lohnreduzierungen zu erhalten. Jochade plante, das Material den Abgeordneten der Landtage und des Reichstages bei Etatberatungen zur Verfügung zu stellen. Die Materialsammlung verarbeitete Jochade in der Dokumentation "Wir klagen an! Ein Beitrag zur Sozialpolitik in Betrieben der preussisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft. Als Material einigen Herren Abgeordneten im Reichstag und preussischen Landtag übermittelt". Hamburg 1904. Jochades Broschüre wurde sofort von den Behörden verboten und zog mehrfache Hausdurchsuchungen nach sich.
Am 28. Januar 1902 übernahm Jochade vom Schlosser Heinrich Smith auch das Amt des 1. Vorsitzenden des "Verbandes der Eisenbahner Deutschlands", der zwischenzeitlich quasi als "Geheimorganisation" in die Illegalität abgedrängt worden war (unter 1.000 Mitglieder). Der neue Vorsitzende suchte in einzelnen Landesteilen Zentralen zu schaffen, um die Agitation vor Ort dezentral zu gestalten. Erfolge blieben jedoch auf einige sächsische Metropolen beschränkt. Wirkungsvollstes Element blieb der enge Kontakt mit SPD-Parlamentariern, die sich in Haushaltsdebatten der Lage der Eisenbahnbediensteten annahmen. Mit Hilfe örtlicher Gewerkschaftskartelle ließ Jochade Flugblätter und das Verbandsblatt verteilen, ohne daß organisatorisch der große Durchbruch gelang. Jochade war um die Jahreswende 1903/1904 so weit, der Aufteilung der Mitglieder auf große Verbände zuzustimmen, und die Agitation auf die Verbreitung des "Weckrufs" zu beschränken. Bestätigung als Vorsitzender und Redakteur auf der 5. Konferenz des "Verbandes der Eisenbahner Deutschlands" vom 15. bis 17. Mai 1904, die allerdings einen Anschluß an den "Deutschen Metallarbeiter-Verband" oder den "Zentralverband der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter Deutschlands" mit großer Mehrheit ablehnte. Jochade setzte sich vehement für die Betriebsorganisation ein, und riskierte mit seiner Auffassung massive Konflikte mit der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands. Unterschrieb für seine Organisation den Kartellvertrag zwischen den Zentralverbänden der Eisenbahner, Seeleute, Maschinisten und Heizer, Hafenarbeiter und Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter "zu gegenseitigem Schutze und zur Wahrung gemeinsamer Interessen der Mitglieder", der zum 1. April 1905 in Kraft trat. Rücktritt vom Posten des Redakteurs im August 1905 bei Antritt seiner Haftstrafe. Behielt jedoch die Expedition des Verbandsblattes nach seiner Haftentlassung weiterhin. Wiederwahl als Vorsitzender auf dem 6. Verbandstag des "Verbandes der Eisenbahner Deutschlands" vom 10. bis 12. Juni 1906. Verfasser der Monographie "Was muß jeder organisierte Eisenbahner von dem Werdegang der Eisenbahner-Bewegung in Deutschland wissen? Ein Beitrag zur Geschichte der Eisenbahner-Bewegung in Deutschland". Hamburg 1906. Auf der Konferenz der Zentralvorstände der Verbände der Eisenbahner, Hafenarbeiter, Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter, Maschinisten und Heizer und Seeleute in Hamburg vom 7. bis 8. September 1906 plädierte Jochade im Prinzip für eine künftige Einheitsorganisation, wollte jedoch unbedingt die Werkstättenarbeiter vom "Deutschen Metallarbeiter-Verband" loslösen und bei den Transport- und Verkehrsarbeitern organisiert sehen. In seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Eisenbahnerverbandes mehrfach mit den internationalen Angelegenheiten der organisierten Verkehrs- und Transportarbeiter befaßt. Teilnehmer an der Vorständekonferenz der deutschen Mitgliedsorganisationen der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) im Oktober 1903 in Hamburg, die sich extrem kritisch mit der Geschäftsführung des internationalen Berufssekretariats durch die britischen Verbände auseinandersetzte. Delegierter auf dem internationalen ITF-Kongreß vom 10. bis 12. August 1904 in Amsterdam, der ein neues Statut bewilligte und die Leitung der ITF den Mitgliedsverbänden übertrug, in der die Gewerkschaftsinternationale ihren Sitz hatte. Zum neuen Sitz der ITF bestimmten die Delegierten Deutschland. Teilnehmer auf der Vorsitzendenkonferenz der deutschen ITF-Mitgliedsverbände am 20. September 1904, die die Modalitäten der Geschäftsübernahme regelte. Wahl Jochades zum neuen teilbesoldeten Sekretär der ITF, der nun neben seiner Redaktionsarbeit, dem Vorstandsamt eine weitere Aufgabe übernahm. Der neue Zentralrat setzte sich zusammen aus Hermann Jochade, Johann Döring, Paul Müller, Oswald Schumann und dem Maschinisten Wilhelm Klein. Zum Sitz der Internationale bestimmten die Delegierten Hamburg. Jochade übernahm offiziell am 1. Oktober 1904 die Leitung (1904: 77.672 nominelle Mitglieder). Der Deutsche suchte abgebrochenen Kontakte wieder zu knüpfen und rief als Bindeglied zwischen den Mitgliedsorganisationen und dem Zentralrat ein eigenes "Korrespondenzblatt" in drei Sprachen ins Leben. Die erste Ausgabe erschien im Dezember 1904 (Auflage der ersten Nummer: 100 Exemplare). Das Blatt referierte über organisatorische Angelegenheiten sowie Lohn- und Arbeitskämpfe in den verschiedenen Mitgliedsländern. Das von Jochade neu erarbeitete Statut der ITF orientierte sich sichtbar an deutschen Vorbildern, was von den angeschlossenen Mitgliedsverbänden nicht unwidersprochen blieb. Bestätigung Deutschlands als Sitz der ITF auf dem 5. Internationalen Transportarbeiter-Kongreß vom 25. bis 28. Juni 1906 in Mailand. Kongreßbeschluß, Jochade zum 1. Januar 1907 mit einem Jahresgehalt von 2.500 Mark hauptamtlich anzustellen. Ein Durchbruch gelang Jochade und dem deutschen Zentralrat in Mailand, als die Eisenbahner beschlossen, ihr internationales Studienkomittee zugunsten der ITF aufzulösen, was zu einem kräftigen Mitgliederschub führte (207.231 Mitglieder in 13 Ländern). Rücktritt vom Amt des Vorsitzenden der deutschen Eisenbahnergewerkschaft zum 1. Oktober 1906. Jochade behielt jedoch in Personalunion das Amt des internationalen Vertrauensmanns der Eisenbahnergewerkschaft bis zur Fusion mit dem "Deutschen Transportarbeiter-Verband" (1908). Koordinierte im Mai/Juni 1907 die europäischen Streikaktionen der Seeleute; obgleich der deutsche Streik an der Küste glattverloren ging, gelang es erstmals, über die Landesgrenzen hinweg Streikaktionen zu verabreden. Vor allem benühte sich der deutsche Sekretär bei Besuchen in Großbritannien, die britischen Verbände erneut für eine Mitarbeit in der ITF zu gewinnen, nachdem die Briten sich 1904 von der internationalen Arbeit zurückgezogen hatten. Bestätigung im Amt auf dem 6. Internationalen Transportarbeiter-Kongreß vom 24. bis 29. August 1908 in Wien. Suchte mit den "klassischen" Methoden der deutschen Gewerkschaftsbewegung, die Lohn-, Arbeits- und Rechtsverhältnisse der internationalen Transportarbeiter auszuloten. Fragebogen über die Verhältnisse der Transportarbeiter in den Jahren 1908 und 1909 mündeten in der umfangreichen Studie "Die sozial-ökonomischen, rechtlichen und organisatorischen Verhältnisse sowie Streiks und Lohnbewegungen der Eisenbahner, Straßenbahner, Seeleute, Hafenarbeiter und Transportarbeiter etc. aller Länder während 1908 und 1909. Berlin [1910]. Seit Mai 1909 Herausgeber eines Wochenberichts in deutscher, englischer, französischer, schwedischer, spanischer und italienischer Sprache. Der Wochenbericht löste die Rundschreiben ab, die Jochade von Januar 1906 an verfaßt hatte. Nach der Fusion der Verbände der Hafenarbeiter, Seeleute und Transportarbeiter unter dem Dach des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes" zog Jochade an den neuen Sitz der ITF nach Berlin um. Er hatte die Einigung überschwenglich begrüßt. Als Sekretär wandte er sich mit allem Nachdruck gegen die syndikalistische Idee eines allgemeinen "Weltstreiks" der Seeleute, von dem sich namentlich die romanischen, holländischen (aber auch englischen) Verbände viel versprachen. Nach Ausbruch des ersten großen internationalen Seeleutestreiks am 14. Juni 1911 koordinierte Jochade indes erfolgreich die Streikaktivitäten und ließ auch in den Augen der Gegner die ITF zu einem machtvollen Faktor reifen. Mit 700.000 Mitgliedern war die ITF 1913 zum drittgrößten internationalen Berufssekretariat aufgestiegen, nicht zuletzt ein Verdienst Jochades, der dem Wiederaufbau der Organisation Vorrang gab vor einem globalen Aktionismus. Erlernte seit 1909 die englische Sprache; ausgedehnte Studienreise nach Großbritannien im November 1911. Seine Autorität als Moderator der internationalen Transportarbeiterbewegung wurde auf dem 7. Internationalen Transportarbeiterkongreß in Kopenhagen vom 23. bis 27. August 1910 und dem folgenden Kongreß in London vom 26. bis 30. August 1913 breit gewürdigt. Jeweils Wiederwahl zum Internationalen Sekretär. Der bibliophile Autodidakt faßte die Geschichte "seiner" Internationale in der Broschüre "Die Internationale Transportarbeiter-Federation. Gründung, Werdegang, Gegenwart". Berlin 1912 zusammen. Der Krieg traf den deutschen Zentralrat und Hermann Jochade völlig unvorbereitet. Die Deutschen suchten trotz der Feindseligkeiten, die internationalen Kontakte weiterhin zu pflegen. Im September 1914 bestimmte der Zentralrat den Hafenarbeiter Johann Döring zu Jochades Stellvertreter im Falle seiner Einberufung. Trotz moderater Sprache im Umgang mit den Bruderorganisationen unterstützte Jochade voll die deutschen Kriegsziele. ("Wir alle, auch in Arbeiterkreisen, sind der festen Überzeugung, daß der Kampf für Deutschland günstig ausgehen wird, er muß, denn es handelt sich um unsere Existenz, und um Errungenschaften, die sich die Arbeiter im harten Kampf erworben haben.") Am 21. Oktober 1915 eingezogen und als Landsturmmann einer Munitionskolonne zugeteilt. Einsatz an der belgischen Westfront. Nach Kriegsende Rückkehr nach Berlin. Kooption in den Vorstand des 1916 mit Zustimmung der Militärbehörden begründeten "Deutschen Eisenbahner-Verbandes", der damit seine Gastrolle unter dem Dach des "Deutschen Transportarbeiter-Verbandes" aufgab. Fungierte bereits auf der 2. Konferenz der Vertreter der Ortsgruppen, Bezirksleiter und Vorstandsmitglieder des "Deutschen Eisenbahner-Verbandes" vom 21. bis 22. Dezember 1918 in Berlin als Vorstandsmitglied. Jochade zeichnete vom 18. Januar 1919 bis zum 17. März 1919 für das Verbandsblatt "Deutscher Eisenbahner. Zeitschrift zur Vertretung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Eisenbahner. Organ des Deutschen Eisenbahner-Verbandes (DEV)" verantwortlich, nachdem der leitende Redakteur Theodor Kotzur in die Nationalversammlung gewählt worden war. Teilnehmer einer von den niederländischen Transportarbeitergewerkschaften einberufenen Konferenz vom 29. bis 30. April 1919 in Amsterdam. Jochades integre Persönlichkeit trug viel dazu bei, den Nachkriegsaufbau der ITF problemlos zu bewerkstelligen. Mitarbeiter an der ersten Nummer "Der internationale Transportarbeiter". Teilnehmer auf dem Internationalen Transportarbeiterkongreß vom 15. bis 19. März 1920 in Christiana; wiederum in den Generalrat der ITF delegiert. Wiederwahl auf dem ITF-Kongreß vom 18. bis 22. April 1921 in Genf, der Konferenz 1922 in Wien und allen weiteren ITF-Konferenzen bis 1932. Auf der 1. Generalversammlung der Eisenbahnergewerkschaft vom 25. bis 31. Mai 1919 in Jena zum besoldeten Sekretär in den Vorstand der Eisenbahnerorganisation gewählt. Erhielt in einer Kampfabstimmung die wenigsten Stimmen der gewählten Sekretäre, nachdem er die Annahme des Mandats von der Wiederwahl Louis Brunnerx abhängig gemacht hatte. Die starke linke innergewerkschaftliche Berliner Opposition verweigerte ihm daraufhin ihre Unterstützung. Zuständig für die internationale Arbeit und die "Literarische Abteilung" des Verbandes (Frühjahr 1919: 550.000 Mitglieder). Die "Literarische Abteilung" war bereits 1917 während des Krieges in Ansätzen aufgebaut worden. Sie beinhaltete eine Literaturdokumentation (kurz "Archiv" genannt), die Bibliothek und eine verbandseigene Buchhandlung. Zur Unterstützung der Funktionäre gab Jochade ein Mitteilungsblatt heraus, das wichtige Artikel aus der Fachpresse und den Tageszeitungen enthielt sowie "Merkblätter", die Positionen im gesamten gewerkschaftspolitischen Spektrum dokumentierten. Die "Literarische Abteilung" entsprach weitgehend Jochades bibliographischen und statistischen Neigungen. Das Mitteilungsblatt fiel zwar den Inflationsverwerfungen zum Opfer, nach der finanziellen Konsolidierung baute der Leiter der "literarischen Abteilung" als besonderen Zweig der Buchhandlung eine Buchvertriebsabteilung auf, um preisgünstig schöne Literatur den Gewerkschaftsmitgliedern zu vermitteln. Die "Buchvertriebsabteilung" trug alle Züge einer gut funktionierenden proletarischen Buchgemeinschaft. Als Frucht lebenslanger Beschäftigung mit Arbeiterliteratur präsentierte der gelernte Former 1927 eine kommentierend-empfehlende Bio-Bibliographie "Das Buch des Arbeiters". Mangelnde Gewinne im Buchvertrieb glich Jochade durch den Verkauf technischer Lieratur aus. Als Vorstandsmitglied hielt er sich in den heftigen innergewerkschaftlichen Diskussionen in der unmittelbaren Nachkriegszeit (Massenstreiks, Eisenbahnerbeamtenstreik, Kapp-Putsch, Massenentlassungen) bemerkenswert zurück und nahm öffentlich nur selten das Wort. Sein Metier blieb die Internationale und die Bildungsarbeit. Verfasser der Monographie "Die Errungenschaften der Eisenbahner nach der Revolution". Berlin [1919]. Unbestrittene Wiederwahl auf dem 2. Kongreß vom 11. bis 16. September 1922 in München und dem 3. Kongreß vom 21. bis 26. Juni 1925 in Köln, der den Zusammenschluß mit der "Reichsgewerkschaft deutscher Eisenbahnbeamten und -Arbeiter" zum "Einheitsverband der Eisenbahner Deutschlands" sanktionierte. Teilnehmer an der mehr als vierwöchigen Studienreise deutscher Gewerkschafter nach Gr0ßbritannien im Herbst 1925, über deren Erfahrungen er breit berichtete. Auf der gemeinsamen Tagung von Vorstand und Verbandsbeirat am 29. März 1933 trat Hermann Jochade (neben Franz Scheffel und Lorenz Breuning) von seinen Vorstandsämtern zurück, um "der Neuorientierung in der Verbandsarbeit nicht im Wege zu stehen"; offenbar glaubten die Beiratsmitglieder ohne den Internationalisten Jochade besser auskommen zu können. Verhaftet und ins Konzentrationslager Sachsenhausen verbracht. Hermann Jochade starb am 29. September 1939 im KZ, offensichtlich von SS-Schergen ermordet.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | September 1998

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