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1903

1903 / 1907

In dieser Konjunkturperiode erreichen die Streiks der Gewerkschaften ihre höchste Erfolgsquote.

1903

Mitte des Jahres wird der Tiefpunkt der Wirtschaftskrise erreicht. Seitdem beginnt ein allmählicher Konjunkturaufschwung.

Die organisatorischen Schwerpunkte der sozialdemokratischen Gewerkschaften liegen in den Gebieten Anhalt, Berlin, Brandenburg, Braunschweig, Provinz Sachsen, wo 27% aller Gewerkschaftsmitglieder sind. In den Hansestädten beträgt der Anteil der Gesamtmitgliedschaft 9,2%, das ist mehr als in Baden, Hessen und Württemberg zusammen. In Sachsen und Thüringen sind 15,5% der Gewerkschaftsmitglieder zuhause. Die größten Steigerungsraten erreichen die Gewerkschaften seit 1895 in Westdeutschland mit rund 460%.
In diesen Jahren gelingt es den Gewerkschaften, ihren Mitgliederstand auch in Orten mit weniger als 5.000 Einwohnern seit 1896 von 6,9% auf 12,1% zu erhöhen.
In den Großstädten mit über 100.000 Einwohnern leben 1903 immerhin 47% aller Gewerkschaftsmitglieder.
99,1% der Mitglieder des Buchdruckerverbandes wohnen in diesen Großstädten, in Mittelstädten (20-100.000 Einwohner) leben 44,3% aller organisierten Schuhmacher. In Orten mit weniger als 5.000 Bewohnern haben die Glasarbeiter 55,2% ihrer Mitglieder. Fast 80% der organisierten Bergarbeiter wohnen noch in Kleinstädten und Dörfern.

Die Schwierigkeit für gewerkschaftliche Aktivitäten in "Diasporagebieten" schildert der Bezirksleiter des Metallarbeiterverbandes aus dem Koblenzer und Trierer Raum: "Außerordentlich erschwert wird die Agitation besonders in den neuerschlossenen Gebieten durch den Mangel an Lokalen. Was auf dem Gebiet der Saalabtreiberei von unseren Gegnern geleistet wird, ist geradezu unglaublich. Trotz aller Bemühungen konnte ich beispielsweise im ganzen Regierungsbezirk Koblenz nur über ein Lokal verfügen, und das wurde schließlich auch wieder abgetrieben, so daß dort jetzt nicht ein einziges Lokal zu haben ist. Nicht besser steht es im Regierungsbezirk Trier, wo außer dem Lokal in St. Johann nicht eine einzige Wirtschaft zur Verfügung steht. Als ich im Dillkreise Versammlungen abhalten wollte, war es der Landrat, der sich in höchsteigener Person bemühte, uns das Lokal abzutreiben, und schließlich auch Erfolg hatte."
Der Bezirksleiter des Metallarbeiterverbandes im Saargebiet berichtet über die großen Schwierigkeiten für die Gewerkschaftsarbeit in diesem Gebiet. Jeder Koalitionsversuch wird durch das harmonische Zusammenwirken von Polizei, Unternehmertum und Presse verfolgt und unterdrückt. Man warnt die Arbeiterschaft vor den sozialdemokratischen Agitatoren, erstellt Namenslisten derjenigen Arbeiter, die sich für die Sozialdemokratie engagieren, gibt diese "schwarze Listen" von Betrieb zu Betrieb weiter, um eine Anstellung von gemaßregelten Arbeitern in einem anderen Unternehmen im Saarrevier zu verhindern; man ermittelt sogar gegen die Leser der sozialdemokratischen Presse und der Gewerkschaftszeitungen und entläßt Arbeiter, die eine Gewerkschaftsversammlung besucht haben. An diesen Verhältnissen ändert sich bis 1914 nichts.
1912 sind in der Burbacher Hütte von über 6.000 Arbeitern erst 400 im Metallarbeiterverband organisiert, während der wirschaftsfriedliche "Burbacher Hüttenverein" 5.400 Mitglieder zählt.

Der Generalrat des Gesamtverbandes der Gewerkvereine richtet eine Petition an den Reichstag, in dem er verlangt:
In § 152 der Gewerbeordnung Berufsvereinen (Gewerkvereine, Gewerkschaften) zu gestatten, ihre Tätigkeit auf die allgemeine Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Gewerbes, insbesondere auch durch Änderung der Gesetzgebung, auszudehnen, ohne dadurch den einzelnen Vereinsgesetzen unterworfen zu sein.
Den § 153 der Gewerbeordnung zu streichen; mindestens aber nicht allein den Mißgebrauch des Koalitionsrechts, sondern auch die Verhinderung am legitimen Gebrauch desselben unter Strafe zu stellen.
Das Koalitionsrecht auf die landwirtschaftlichen Arbeiter auszudehnen.

Die westdeutschen katholischen Arbeitervereine schließen sich zum "Verband katholischer Arbeitervereine Westdeutschlands" zusammen.

Der Bundesrat verbietet die Herstellung von Phosphorzündhölzern.

Im Reichstag wird ein Gesetzentwurf zur Einführung von Arbeitskammern eingebracht, der aber erst 1908 beraten wird.

Januar 1903

Die Verbände der Maurer, Zimmerer und Bauhilfsarbeiter schließen einen Kartellvertrag, in dem eine koordinierte Taktik bei lokalen und regionalen Tarifverhandlungen und eine gegenseitige Unterstützung bei Streiks vereinbart wird.

1. Januar 1903

Das Zentralarbeitersekretariat beginnt seine Tätigkeit.
Es soll die Rechtsansprüche der Arbeiter aus den Versicherungsgesetzen vor dem Reichsversicherungsamt vertreten. Sein Sekretär wird R. Schmidt.
Dem zentralen Sekretariat war die Bildung von 11 Bezirkssekretariaten an den Sitzen der Oberversicherungsämter vorausgegangen.

1. März 1903

Bis zum Vertretertag des "Ausschusses für die Regelung der Pensions- und Hinterbliebenenversicherung der deutschen Privatbeamten" haben sich dieser Bewegung 24 Organisationen mit etwa 300.000 Mitgliedern angeschlossen. Kurze Zeit später wird auf erweiterter Grundlage, der Hauptausschuß für die staatliche Pensions- und Hinterbliebenenversicherung der Privatangestellten gebildet, der in seiner Mehrheit eine Sonderkasse für die Privatangestellten fordert, während eine noch im "Hauptausschuß" mitarbeitende Minderheit den Anschluß der neu zu schaffenden Angestelltenversicherung an die bereits bestehende Invaliditäts- und Altersversicherung der Arbeiter empfiehlt.
Der "Bund der technisch-industriellen Beamten" stellt den "Leitsätzen" des "Hauptausschusses", die auf die Schaffung einer selbständigen Angestelltenversicherung drängten, als bedeutendster Vertreter der Opposition im "Hauptausschuß" eigene Leitsätze entgegen mit dem Grundgedanken, daß alle Arbeitnehmer, gleichgültig ob sie Handarbeiter oder Angestellte sind, gleichmäßig der sozialen Fürsorge bedürftig sind.

23./28. März 1903

Die Generalversammlung des Tabakarbeiterverbandes in Dresden beschließt mit Mehrheit die Einführung der Arbeitslosen- und einer Wöchnerinnenunterstützung für vier Wochen.
Der Vorstand soll dahin wirken, daß die Arbeiter nicht Fabrikate solcher Unternehmer konsumieren, die ihren Arbeitern Hungerlöhne zahlen. Der Verband verwahrt sich auf das Entschiedenste gegen jede bestehende und weitere Belastung der Tabakindustrie durch Steuern und Löhne.

24./26. März 1903

Der Verbandstag des Verbandes der Barbiere, Friseure und Perückenmacher in Mannheim beschließt eine Arbeitslosenunterstützung einzuführen und empfiehlt die Bildung von Betriebsgenossenschaften.
Da, wo freie oder Zwangsinnungen bestehen, sollen Tarifgemeinschaften angestrebt werden.
Der Namen der Gewerkschaft wird in "Verband der Friseurgehilfen", der der Zeitung in "Friseurgehilfen-Zeitung" geändert.

28. März 1903

Auf einer internationalen Maurerkonferenz vereinbaren Delegierte aus 9 Ländern eine gegenseitige Unterstützung und den Austausch von Materialien.

29. März 1903

Der zweite Bauarbeiterschutz-Kongreß in Berlin stellt fest, daß seit dem Kongreß 1899 nur unwesentliche Fortschritte für den Bauarbeiterschutz gemacht worden sind.
Die Delegierten fordern sobald wie möglich ein Reichsbauarbeiterschutzgesetz, vor allem eine geregelte Überwachung aller Baubetriebe, an der auch von ihren Kollegen gewählte Arbeiter als staatlich besoldete Baukontrolleure beteiligt werden müssen. Zur Bekämpfung des Submissionswesens soll das Regiesystem bei allen öffentlichen Bauten mit Regelung der Arbeitsbedingungen unter gutachterlicher Mitwirkung der Gewerkschaften, insbesondere die Anerkennung der erreichten Mindestlöhne und Höchstarbeitszeiten eingeführt werden.
Wo öffentliche Lieferungen an Unternehmer vergeben werden, sollen diese durch eine Lohnklausel im Submissionsvertrag verpflichtet werden, die durch Tarifverträge festgelegten Lohn- und Arbeitsbedingungen einzuhalten.
Der Kongreß fordert, die Verwendung von bleihaltigen Farben zu verbieten, und ist der Auffassung, daß die Straßenbauarbeiter unbedingt in die sanitären Arbeitsschutzmaßnahmen einzubeziehen sind.

Der "Verband deutscher Handlungsgehilfen" beschließt auf seiner Generalversammlung ein "Sozialpolitisches Programm", in dem er u.a. fordert:
Völlige Sonntagsruhe zunächst für Kontore, später für alle Geschäfte; Verkürzung der Arbeitszeit, Achtuhrladenschluß durch gesetzliche Vorschrift, Festsetzung einer ausreichenden Mittagspause bei freier Station; Sommerurlaub; Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten; Besserung des Lehrlingswesens durch energisches Einschreiten der Behörden, insbesondere gegen Lehrlingszüchterei; reichsgesetzlicher Fortbildungsschulzwang für alle männlichen Gehilfen und Lehrlinge mit Tagesunterricht und Beteiligung der Gehilfen an der Leitung und am Unterricht; Abschaffung der Frauenarbeit, abgesehen von Geschäftszweigen, für die sich weibliche Personen besonders eignen; kaufmännische Schiedsgerichte; Verbot der Konkurrenzklausel; Einführung von Handelsinspektoren, die aus den Gehilfen entnommen werden sollen, zur Kontrolle der Schutzbestimmungen und Vermittlung bei Streitigkeiten; Schaffung von Handlungsgehilfenkammern zur Vertretung der Gehilfeninteressen nach dem Vorbilde der Handelskammern; Ausdehnung des Krankenversicherungszwanges auf alle Handlungsgehilfen bis 2.000 M Einkommen und der Unfallversicherung auf das gesamte Handelsgewerbe; staatliche Alters-, Invaliditäts-, Witwen- und Waisenversicherung für alle Handlungsgehilfen.

31. März / 4. April 1903

Die Generalversammlung der Vereinigung der Maler, Lackierer, Anstreicher, Tüncher und Weißbinder in Berlin beschließt, über die Einführung der Arbeitslosenunterstützung eine Urabstimmung durchzuführen.
Die Delegierten verlangen das Verbot der Verwendung von Bleiweiß.

Die Generalversammlung des Centralverbandes der Zimmerer in Berlin beschließt die Anstellung besoldeter Vertrauensmänner, die u.a. die Agitation innerhalb und außerhalb der Zahlstellen, die Leitung der Lohnbewegungen übernehmen sollen. Streikbrecher begehen das schwerste Vergehen gegen die Verbandsinteressen, sie sollen ausgeschlossen werden, können aber wieder Mitglied werden, wenn sie ihre Fehler eingesehen haben. Von Ehrenämtern sollen sie dann aber möglichst ferngehalten werden.

Der Verbandstag des Centralverbandes der Maurer in Berlin stimmt dem Kartellvertrag mit der Organisation der Bauarbeiter und Zimmerer zu. Im Statut wird der Ausschluß aller religiösen und politischen Fragen gestrichen. Der Verband führt eine Krankenzuschußunterstützung ein. In einem Referat über Bildung und Bildungsmittel wird verlangt, daß in den Zweigvereinen Bibliotheken und Archive eingerichtet werden sollen. Die Versammlungen sollen durch Vorträge oder Vorlesungen so ausgestaltet werden, daß Geist und Gemüt der Mitglieder angeregt und weiter gebildet werden.

1. April 1903

Auf der ersten internationalen Konferenz der Zimmerer in Berlin beschließen Vertreter aus fünf Ländern, einen Vertrauensmann einzusetzen, der die internationalen Beziehungen der Zimmerer aller Länder aufrechterhalten soll.

Von den seit 1. April 1902 erzielten Einnahmen gaben die christlichen Gewerkschaften rund 20% für Streik- und Gemaßregeltenunterstützung, rund 16% für die Verbandsorgane und rund 11% für Agitation und Verwaltung aus.
Christliche Gewerkschafter waren allein oder mit anderen Organisationen an 37 Streiks mit rund 2.150 Personen beteiligt. Von den Streiks waren 22 erfolgreich, 7 teilweise erfolgreich, 8 erfolglos.

4. April / 18. Mai 1903

In Pirmasens werden rund 7.600 Schuharbeiter ausgesperrt, weil die Arbeiter zweier Fabriken wegen mehrmaliger Lohnkürzungen die Arbeit niederlegen. Ziel der Unternehmer ist die Zerschlagung der Gewerkschaft. Nach Zusicherung einer 10stündigen Arbeitszeit, der Zurückziehung der schwarzen Listen und der Anerkennung der Gewerkschaft durch die Unternehmer wird der Kampf mit einem Teilerfolg für die Arbeiter beendet.

10./15. April 1903

Die Generalversammlung des Centralverbandes aller in der Schmiederei beschäftigten Personen in Halle/Saale beschließt, daß über die Beteiligung an den Maifeiern die Ortsgruppen selbständig entscheiden. In Betrieben, wo dreiviertel der beschäftigten Kollegen unterstützungsberechtigt organisiert sind, kann die Arbeitsruhe beschlossen werden, die Minorität hat sich diesem Beschluß zu fügen. Mitglieder, die durch andere Gewerkschaften moralisch gezwungen werden, sich an der Maifeier zu beteiligen, haben Anspruch auf Unterstützung aus der Zentralkasse.
Über die Arbeitsverhältnisse der Schmiede "auf dem platten Land" soll Material gesammelt werden, um die Reichsregierung mittels einer Eingabe zur Beseitigung der Übelstände zu veranlassen.

10./16. April 1903

Die Generalversammlung des Verbandes der Handels-, Transport- und Verkehrsarbeiter in Hamburg befürwortet weiterhin organisationseigene Arbeitsnachweise. Paritätischen Nachweisen will der Verband nur zustimmen, wenn ein Einfluß der Organisation auf die Verwaltung garantiert ist.
Der Verband weist die Versuche des Lagerhalterverbandes entschieden zurück, eine Organisation aller in Genossenschaftsbetrieben beschäftigten Angestellten zu schaffen.
Die Krankenunterstützung wird obligatorisch eingeführt.
Die gesetzgebenden Stellen des Reiches werden aufgefordert, Bestimmungen für die Arbeitsbedingungen und den Arbeitsschutz zu erlassen.

11./13. April 1903

Der Verbandstag des Centralverbandes der Glaser und verwandter Berufsgenossen in Leipzig lehnt den Anschluß an den Holzarbeiterverband ab, erkennt aber die Zweckmäßigkeit korporativer Arbeitsverträge an. Sollten Verhandlungen mit den Unternehmern Erfolg haben, ist über die zu treffenden Abmachungen eine Urabstimmung herbeizuführen.
Da in Sachsen am 1. Osterfeiertag keine Versammlungen abgehalten werden dürfen, fand ein Teil der Verhandlungen im preußischen Schkenditz b. Leipzig statt.

13./15. April 1903

Die Generalversammlung des Verbandes der Sattler in Kassel ändert das Streikreglement. Danach kann ein Angriffsstreik nur genehmigt werden, wenn zwei Drittel aller in Betracht kommenden Kollegen mindestens ein halbes Jahr dem Verband angehören.
Mit Mehrheit wird die Einführung der Arbeitslosen- und die Krankenunterstützung beschlossen.
Der Verband spricht sich für Tarifgemeinschaften aus.
Der neue Zolltarif, der die Täschnerei und Treibriemenfabrikation besonders betrifft, wird entschieden verurteilt. Die Agitation soll künftig durch Gauleiter ausgeübt werden.
Die Generalversammlung stimmt der Anstellung eines besoldeten Funktionärs zu.

13./16. April 1903

Die Versammlung des Verbandes der im Vergoldergewerbe beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen in München beschließt die Arbeitslosenunterstützung und die Anstellung des Verbandsvorsitzenden.

14./20. April 1903

Die Generalversammlung des Verbandes der in den Gemeindebetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten in Berlin beschließt, daß künftig zu den Zwecken des Verbandes auch gehören: die Einführung von Arbeiterausschüssen, Arbeits- bzw. Dienstordnungen für alle Betriebe, die feste Anstellung bzw. die der längeren Kündigungsfristen, die Gewährung von Sommerurlaub unter Weiterzahlung des Lohnes sowie die Unterstützung von Hinterbliebenen verstorbener Mitglieder. Sämtliche in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter müssen der Gewerbeordnung unterstellt werden.
Der Name des Verbandes lautet künftig: "Verband der in Gemeinde- und Staatsbetrieben beschäftigten Arbeiter und Unterangestellten".
In seinem Geschäftsbericht weist der Vorstand darauf hin, daß es der Organisation gelungen ist, die Lage der Gemeindearbeiter in zahlreichen Orten zu verbessern, so auch hinsichtlich des Urlaubs und der jährlichen Ferien, der Pensionseinrichtungen und der Regelung der Lohnzahlung in Fällen kürzerer Arbeitsbehinderung.

19./22. April 1903

Die Generalversammlung des Verbandes der Schiffszimmerer in Bergedorf beschließt die Einführung der Arbeitslosenunterstützung. Dem Beschluß müssen aber in einer Urabstimmung mindesten zwei Drittel der Mitglieder zustimmen.
Die Differenzen mit dem Werftarbeiterverband sollen beseitigt werden.
Der Verbandsvorsitzende wird besoldet. Er übt gleichzeitig die Funktion des Kassierers aus.

20./23. April 1903

Die Generalversammlung des Seemannsverbandes in Hamburg hält die neue Seemannsordnung und das Seeunfallversicherungsgesetz den notwendigen Anforderungen für die Seeleute nicht entsprechend. Sie erneuert deshalb nochmals ausführlich ihre Forderungen für eine neue Seemannsordnung.

21. April 1903

Das erste Heft des "Reichs-Arbeitsblatts", herausgegeben vom Arbeits-statistischen Amt des Deutschen Reiches, erscheint. Es soll vornehmlich arbeitsstatistische Daten und sonstige für die Arbeitsverhältnisse wichtige Materialien veröffentlichen.

30. April 1903

Nach einem Urteil des Reichsgerichts werden Tarifgemeinschaften als Koalitionen behandelt. Damit steht nach § 152 Abs. 2 der Gewerbeordnung den Tarifpartnern jederzeit der Rücktritt frei, und den Vertragsparteien ist es untersagt, die im § 153 "personalisierten" Mittel anzuwenden, um die Einhaltung der Verträge zu erzwingen.

2. Mai 1903

Die Novellierung des Krankenversicherungsgesetzes bringt nicht nur erhebliche Leistungsverbesserungen, sondern zieht auch die Handlungsgehilfen mit in den Kreis der Pflichtmitglieder ein.
Die Pflichtleistungen der Krankenkassen werden von 13 auf 26 Wochen nach Beginn der Erwerbsunfähigkeit bzw. des Krankengeldbezugs ausgedehnt.
Die Wöchnerinnenunterstützung wird von 4 auf 6 Wochen verlängert.

10./13. Mai 1903

Die Generalversammlung des Verbandes der Werftarbeiter in Vegesack spricht sich für Verhandlungen mit den Schiffszimmerern zur Beilegung der Differenzen aus.
Die Delegierten beschließen, die Arbeitslosenunterstützung einzuführen.

2. Hälfte Mai 1903

Rund 3.600 Werftarbeiter in Geestemünde und Vegesack werden wegen ihrer Forderungen nach Regelungen der Akkordarbeit ausgesperrt.

17./18. Mai 1903

In Dresden wird auf dem ersten Genossenschaftstag von Vertretern von 7 Genossenschaftsverbänden, 302 Konsumvereinen sowie der Großeinkaufsgenossenschaft deutscher Konsumvereine der "Zentralverband deutscher Konsumvereine" gegründet und vollzieht damit die Trennung von den Schultze-Delitzschen Gewerksgenossenschaften. Der Genossenschaftstag erklärt mit aller Entschiedenheit als den einzigen Zweck der konsumgenossenschaftlichen Organisation die wirtschaftliche Förderung und geistige Hebung vornehmlich der minder bemittelten Volksschichten und damit die Steigerung des Wohlstandes der ganzen Nation. Auf dem Boden der wirtschaftlichen Selbsthilfe stehend, beansprucht er für die Konsumvereine keinerlei Vorrechte oder staatliche Begünstigungen. Er protestiert schärfstens gegen alle auch gesetzgeberischen Bestrebungen, die Entwicklung der Konsumvereinsbewegung zu hemmen.
Er erwartet von den gesetzgebenden Körperschaften, daß sie in Würdigung der gemeinnützigen Wirksamkeit der Konsumvereine alle derartigen Versuche ablehnen und den Konsumvereinen die gleichen Rechte zugestehen.
Vorsitzender wird das langjährige Mitglied der Generalkommission Adolph v. Elm.

18./23. Mai 1903

Die Generalversammlung des Verbandes der Bäcker und Berufsgenossen in Dresden wünscht eine Verschmelzung mit dem Verbande der Konditoren. Mit dem Zentralverband der Konsumvereine soll ein Tarifvertrag abgeschlossen werden, da die Organisation der Bäcker in diesen Betrieben besonders viele Mitglieder hat.
Nach wie vor gehört die Beseitigung des Kost- und Logiswesens, die Abschaffung der Nachtarbeit und ein 36stündiger wöchentlicher Ruhetag zu den Hauptforderungen der Bäcker.

30. Mai / 3. Juni 1903

Die Generalversammlung des Verbandes der Glasarbeiter und Arbeiterinnen in Dresden ändert den Namen der Gewerkschaft in "Centralverband der Glasarbeiter und Arbeiterinnen Deutschlands". Bei der Debatte des Geschäftsberichtes erklärt der Vorsitzende, daß der Generalstreik der Glasarbeiter 1901 gegen den Willen des Vorstandes ausgebrochen ist. Die Delegierten verpflichten sich, mit aller Kraft die Fehler wieder gut zu machen, die bei dem Generalstreik gemacht worden sind.
Die Generalversammlung erachtet es als ihre vornehmste Aufgabe, den einzelnen Filialen zu empfehlen, dort wo es möglich ist, paritätische Arbeitsnachweise zu errichten. Nur auf dieser Basis lassen sich für beide Teile nennenswerte Erfolge erzielen.
Die Einstellung der Lehrlinge darf erst nach Vollendung des 14. Lebensjahres erfolgen und muß sich im prozentualen Verhältnis der in der Fabrik beschäftigten Arbeiter bewegen. Die Bezahlung eines Lehrlings durch eine Zwischenperson wird verurteilt.

1./3. Juni 1903

Die Generalversammlung des Bergarbeiterverbandes in Zwickau beschließt die Einführung der Arbeitslosenunterstützung. Die Delegierten beschäftigen sich ausführlich mit der grassierenden sog. "Wurmkrankheit", die allein im Ruhrgebiet über 20.000 Bergleute erfaßt hat und nach Auffassung des Verbandes auf den ungenügenden sanitären Kontrollen der Gruben basiert. Die Generalversammlung nimmt umfangreiche Forderungen für eine Verordnung zum besseren Gesundheitsschutz an.
Von den Beiträgen erhalten die Zahlstellen 17% für örtliche Verwaltungsaufgaben und Besoldung der Zeitungsboten.
Dem Zentralvorstand dürfen in Zukunft außer den beiden besoldeten Vorsitzenden, dem ersten Kassierer und ersten Schriftführer keine weiteren vom Verband besoldeten Angestellten angehören.

1./4. Juni 1903

Der internationale Bergarbeiterkongreß in Brüssel erklärt sich für die Verstaatlichung aller Bergwerke. Nachdem von der sog. Wurmkrankheit auch zehntausende belgischer und französischer Bergarbeiter betroffen sind, fordert der Kongreß: Die Unternehmer sind gesetzlich zu verpflichten auf den Werken Einrichtungen zur Förderung der Arbeitergesundheit zu schaffen.

1./6. Juni 1903

Die Generalversammlung des Metallarbeiterverbandes in Berlin erklärt den Abschluß der Tarifgemeinschaften und korporativen Arbeitsverträgen mit den Unternehmern im Interesse der Mitglieder, wie auch aller übrigen Metallarbeiter für zweckmäßig und wünschenswert.
In allen Betrieben, wo drei fünftel der beschäftigten Arbeiter voll berechtigte Mitglieder des DMV sind, sind diese verpflichtet, durch geheime Abstimmung einen Beschluß über die Arbeitsruhe am 1. Mai herbeizuführen. Entscheidet sich die Majorität für Arbeitsruhe, so hat sich die Minorität diesem Beschluß zu fügen. Ein Beschluß darf in keiner allgemeinen Versammlung gefaßt werden. Aussperrungen, Maßregelungen und Entlassungen wegen der Arbeitsruhe am 1. Mai dürfen nicht mit Forderungen der Metallarbeiter beantwortet werden.
Anstelle des bisherigen Zwecks des Verbandes "möglichste Beschränkung der Arbeitszeit und der Akkordarbeit, Beseitigung der Überstunden- und Sonntagsarbeit" tritt nun die Formulierung "Regelung der Arbeitszeit und der Entlohnung durch kollektive Arbeitsverträge".
Der Vorstand ist berechtigt, bei außerordentlichen Anlässen einen Extrabeitrag zu beschließen. Die Generalversammlung lehnt sowohl eine eigene Pensionskasse für die Gewerkschaftsangestellten des DMV als auch einen Anschluß an die Unterstützungsvereinigung der Generalkommission ab.
In Berufen, wo die Arbeiter noch zur Selbstgestellung des Werkzeuges verpflichtet werden, soll eine Kampagne gegen diesen Mißstand entfaltet werden.
In der Begründung für die Einführung einer Krankenunterstützung erklärt A. Schlicke, man habe "einsehen gelernt, daß es für eine gewerkschaftliche Organisation nicht darauf ankommen kann, durch den Kampf die Gegensätze zu verschärfen, zur Erbitterung zu reizen, sondern daß der Hauptzweck der gewerkschaftlichen Organisation ein rein materieller ist, bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu erkämpfen."

2./5. Juni 1903

Die Generalversammlung des Centralverbandes der Töpfer und Berufsgenossen in Meißen beschließt, über die Einführung einer Arbeitslosenunterstützung in einer Urabstimmung entscheiden zu lassen.

Pfingsten 1903

Auf dem internationalen Steinarbeiterkongreß in Zürich vertreten Delegierte Organisationen aus 11 Ländern, die beschließen, ein Internationales Sekretariat einzurichten, das vor allem wechselseitige Informationen vermitteln soll.

16. Juni 1903

Die Sozialdemokratie erhält bei den Reichstagswahlen 3.010.771 Stimmen, das sind 980.000 mehr als 1898. Sie hat damit einen Vorsprung gegenüber der zweitstärksten Partei - dem Zentrum - von 1,9 Millionen Stimmen. Während aber auf das Zentrum mit dieser Stimmenzahl 100 Mandate entfallen, bekommt die Sozialdemokratie nur 81. 31,7% der Stimmen entfallen auf die Sozialdemokratie, doch nur 20,4% der Mandate. Von den 24 Sächsischen Mandaten erobert die Partei 23. Die Sozialdemokratie hatte in 390 Wahlkreisen Kandidaten aufgestellt. In der Partei werden Stimmen laut, die Angriffe der Regierung auf das Wahlrecht befürchten.

1. Juli 1903

Nachdem in Industrie und Handel auch die qualifizierte Angestelltentätigkeit sich stärker ausbreitet, nennt sich der "Kaufmännische Hilfsverein für weibliche Angestellte" nun "Kaufmännischer Verband für weibliche Angestellte".
In seiner Satzung vom 30. April 1905 heißt es dann auch: "Der Verband bezweckt, die Berufs- und Standesinteressen der Handlungsgehilfinnen und ähnlicher weiblicher Angestellten wahrzunehmen."

7. Juli 1903

Die dritte internationale Konferenz der Sekretäre der Landesorganisationen der Gewerkschaften in Düblin beschließt, daß künftig die Kosten der Zentralstelle durch einen festen Beitrag der angeschlossenen Organisationen zu zahlen ist. Die Konferenz ernennt einen "Internationalen Sekretär der gewerkschaftlichen Landeszentralen", welcher die Verbindung zwischen den Landeszentralen aufrecht zu erhalten, die jährlichen Berichte der Landessekretäre zu bearbeiten und den einzelnen Landeszentralen in den offiziellen Sprachen (englisch, französisch und deutsch) zugänglich zu machen hat.
Auf Anforderung einer Landeszentrale hat der internationale Sekretär ein Gesuch um Unterstützung bei größeren Arbeitskämpfen sämtlichen Landeszentralen zuzustellen. Über die Gewährung von Unterstützungen entscheiden die einzelnen Landeszentralen. Zum Internationalen Sekretär wird C. Legien gewählt.

8./11. Juli 1903

Die Generalversammlung des Verbandes der Tapezierer und verwandter Berufsgenossen in Magdeburg erklärt, daß mit dem Sattlerverband ein Zusammenwirken bei der Agitation herbeigeführt werden muß.
Mit großer Mehrheit entscheiden sich die Delegierten für die Einführung einer Arbeitslosenunterstützung. Die Streikunterstützung wird nur noch von der Hauptkasse gezahlt.

21. Juli 1903

Das "Reichsarbeitsblatt" veröffentlicht zum ersten Mal eine Arbeitslosenzählung in den Verbänden, die Arbeitslosenunterstützung zahlen. An der Zählung beteiligen sich 23 Gewerkschaften der Generalkommission, 17 Hirsch-Dunckersche Gewerkvereine, der Verband der Photographengehilfen sowie der Verband der katholischen Arbeitervereine. Mit dieser Statistik wird jedoch nur ein ganz geringer Prozentsatz der Arbeitnehmer erfaßt.

2. August 1903 / 18. Januar 1904

Die Crimmitschauer Weber treten in einen Streik um den zehnstündigen Arbeitstag vor allem für Arbeiterinnen und eine 14prozentige Lohnerhöhung. Die Arbeiter antworten mit zahlreichen Maßregelungen und der Aussperrung der rund 7.600 Textilarbeiter, wodurch die gesamte Crimmitschauer Industrie lahmgelegt wird. Am 3. Dezember 1903 wird der Belagerungszustand über Crimmitschau verhängt. Die Behörden verhaften Streikposten und unterstützen häufig die Arbeitgeber bei deren Aktivitäten. Die Generalkommission und die Gewerkschaften rufen zur Unterstützung der Streikenden auf. In ganz Deutschland werden über eine Million Mark zur Unterstützung der Streikenden gesammelt. Der Streik wird am 18. Januar 1904 erfolglos abgebrochen. Ein Teil der Streikenden wird nicht wieder eingestellt oder erste einige Zeit später.

2./5. August 1903

Der Delegiertentag des Gewerkvereins der Schneider in Hirschberg beschließt, Mitglieder, die gleichzeitig dem Schneiderverband angehören, auszuschließen.

3. August 1903

Die internationale Konferenz der Lederarbeiter in Malmö beschließt, das Sekretariat aufzulösen.

10. August 1903

Der Delegiertentag des Vereins der deutschen Kaufleute in Stettin lehnt mit Mehrheit den Austritt aus dem Verband der deutschen Gewerkvereine ab. Die Delegierten sprechen sich für eine ausgleichende Sozialpolitik aus: völlige Sonntagsruhe, Achtuhrladenschluß, gesicherte Lehrlingsausbildung und Kaufmannsgerichte.

12./13. August 1903

Die Generalversammlung des Centralvereins der Formstecher in Harburg beauftragt den Zentralvorstand "mit der Vertretung der Unternehmerorganisation zwecks Anbahnung einer Tarifgemeinschaft in Verbindung zu treten". Nach der Auflösung der eingeschriebenen Hilfskasse beschließen die Delegierten die Einführung einer Krankenunterstützung.

15./18. August 1903

Der internationale Hutarbeiterkongreß in Brüssel beschließt, daß bei größeren Streiks der internationale Sekretär zu freiwilligen Sammlungen aufrufen soll.

7. September 1903

Der Buchbinderverband schließt seinen ersten überregionalen Tarifvertrag ab.

13./15. September 1903

Die Generalversammlung des christlichen Schuh- und Lederabeiterverbandes in Düsseldorf beschließt, ab 1. Januar 1904 eine eigene Zeitung "Deutsche Lederarbeiter-Zeitung" herauszugeben und den Sitz des Verbandes von München nach Pirmasens zu verlegen.

14./16. September 1903

Der Kongreß der "Freien Vereinigung deutscher Gewerkschaften" in Berlin beauftragt die Geschäftskommission, unter Wahrung der prinzipiellen Grundsätze, an etwaigen weiteren Verhandlungen betreffs der Einigungsbestrebungen des SPD-Parteivorstandes teilzunehmen.
Der Kongreß billigt gelegentliche Tarifabschlüsse.

13./20. September 1903

Auf dem SPD-Parteitag in Dresden wendet sich A. Bebel in seinem Referat gegen alle revisionistischen Bestrebungen. Er fordert, daß die Sozialdemokratie auf dem Boden des unversöhnlichen Klassenkampfes gegen die bestehende Ordnung weiter voranschreite.
Einige Sozialdemokraten werden der Mitarbeit an der bürgerlichen Presse beschuldigt. Die Mehrheit des Parteitages lehnt die Mitarbeit an der bürgerlichen Presse ab.
Auf dem Parteitag wird die Revisionismus-Diskussion fortgesetzt. Die revisionistischen Bestrebungen werden auf das entschiedenste verurteilt, "unsere bisherige bewährte und sieggekrönte, auf dem Klassenkampf beruhende Taktik in dem Sinne zu ändern, daß an Stelle der Eroberung der politischen Macht durch Überwindung unserer Gegner eine Politik des Entgegenkommens an die bestehende Ordnung der Dinge tritt. Die Folge einer derartigen revisionistischen Taktik wäre, daß aus einer Partei, die auf die möglichst rasche Umwandlung der bestehenden bürgerlichen in die sozialistische Gesellschaftsordnung hinarbeitet, also im besten Sinne des Wortes revolutionär ist, eine Partei tritt, die sich mit der Reformierung der bürgerlichen Gesellschaft begnügt." Die Sozialdemokratie könne eine Anteil an der Regierungsgewalt innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft nicht erstreben. Nur elf Delegierte, darunter E. Bernstein stimmen gegen diese Resolution. Die meisten "Revisionisten" stimmen dafür, da sie erklären, daß die in der Resolution verurteilten Bestrebungen nicht die ihren seien.
Ein Antrag, die Frage des Generalstreiks auf die Tagesordnung des nächsten Parteitages zu setzen, wird mit sehr großer Mehrheit abgelehnt.

Herbst 1903

Der Metallarbeiterverband beginnt mit der Organisation der saarländischen Hüttenarbeiter. Daraufhin beschließen die wirtschaftlichen Vereine der Saarindustrie, auf die seit 1877 bestehenden Bestimmungen zurückzugreifen, die Arbeiterschaft ausdrücklich vor den "Agitatoren" der "internationalen Sozialdemokratie" zu warnen und ein "gemeinsames Vorgehen der gesamten Privatindustrie des Saargebiets" zu organisieren. Der Arbeitgeberverband der Saarindustrie teilt nun den Verbandswerken auf geheimen Listen die Namen derjenigen Arbeiter mit, die "als sozialdemokratische oder gewerkschaftliche Agitatoren im Saargebiet bekannt" waren, die die Metallarbeiterzeitung oder das örtliche sozialdemokratische Parteiblatt lesen oder auch nur "Anhänger der Gewerkschaften" sind oder nach Denunziationen der Mitarbeiter dem Metallarbeiterverband angehören. Diese Gemaßregelten dürfen im Saarrevier nicht wieder angestellt werden. Hans Böckler, dem ersten hauptamtlichen Sekretär des Metallarbeiterverbandes im Saargebiet, wird durch die Werkspolizei jede Kontaktaufname mit den Arbeitern verboten, er selbst ständig überwacht. Bis Mitte 1914 gelingt es, 385 Hüttenarbeiter zu organisieren, die ihre Mitgliedschaft möglichst geheimhalten, um einer Entlassung zu entgehen.
Der christlich-soziale Metallarbeiterverband, der 1904 seine erste Zahlstelle im Saargebiet eröffnet, unterliegt den gleichen Verfolgungen.

Oktober 1903

Der Ausschuß des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften erläßt gemeinschaftlich mit den Vorständen der katholischen Arbeitervereine für Süddeutschland und für Westdeutschland sowie dem Gesamtverband der evangelischen Arbeitervereine einen Aufruf, in dem die Mitglieder der konfessionellen Arbeitervereine zum Eintritt in die christlichen Gewerkschaften und die Mitglieder der letzteren zum Eintritt in die ersteren aufgefordert werden.

2. Oktober 1903

Der christlich-soziale Metallarbeiterverband wird nach eigenem Schiedsspruch wieder Mitglied des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften.

5./8. Oktober 1903

Der Verbandstag des Verbandes der Stukkateure in Köln beschließt, daß überall, wo zwischen Unternehmern und Gehilfen wegen Lohn- und Arbeitsbedingungen Differenzen entstehen, es den Filialen zur Pflicht zu machen ist, dahin zu wirken, daß Tarifverträge auf eine bestimmte Zeit, nicht aber über drei Jahre, abgeschlossen und auch beiderseitig gehalten werden.
Für einen Streik müssen sich zwei Drittel der beteiligten Mitglieder in geheimer Wahl aussprechen.
Der Vorstand erhält das Recht, mit den Verbänden der Maurer, der Zimmerleute und der Bauarbeiter einen Kartellvertrag, vor allem über das Verhalten bei Streiks (Streikarbeit), abzuschließen.
Über die Einführung einer Arbeitslosenunterstützung soll in einer Urabstimmung entschieden werden.

12. Oktober 1903

Eine Reihe von Verbandsvorständen einigen sich, zur Bekämpfung des Kost- und Logiszwanges beim Arbeitgeber eine Centralstelle in Berlin einzusetzen, deren Aufgabe es sein soll, Material über diese Mißstände zu sammeln und unter Hinzuziehung juristischer und parlamentarischer Sachverständiger die geeigneten Schritte zur Bekämpfung dieses Mißstandes zu beraten. In weiterer schriftlicher Verständigung entschieden sich diese Vorstände dann dahin, daß als diese Centralstelle eine in Berlin einzusetzende Kommission, der von jedem beteiligten Verband ein Vertreter angehört, fungieren soll.

12./13. Oktober 1903

Die erste Konferenz der Konferenz der Vorstände der Zentralverbände in Berlin beschließt: "Für die Genehmigung, Inszenierung und Leitung eines Streiks kommt, sofern nicht Weiterungen für andere Organisationen daraus entstehen, nur die für das betreffende Gewerbe bestehende Berufsorganisation in Betracht und hat diese auch die Unterstützung der Streikenden, mit Ausnahme der Mitglieder anderer Organisationen, zu übernehmen. Letztere erhalten ihre Unterstützung von demjenigen Verbande, dem sie als Mitglied angehören.
Wenn in einem Betriebe Angehörige verschiedener Berufe, z.B. Metallarbeiter, Maurer, Zimmerer, beschäftigt sind, dann dürfen die einzelnen Arbeiter nur in diejenige Organisation aufgenommen werden, welche für ihren Beruf besteht.
An etwaigen Streiks in solchen Betrieben, haben sich die sogenannten betriebsfremden Arbeiter (z.B. Maurer in einem Eisenwerk), nur dann zu beteiligen, wenn zwischen den Centralvorständen der in Betracht kommenden Organisationen ein gemeinsamer Streik vereinbart ist. Auch in diesen Fällen unterstützt jede Organisation ihre eigenen Mitglieder. Letzteres soll auch der Fall sein, wenn die Mitglieder einer Organisation durch den Streik einer anderen Organisation in Mitleidenschaft gezogen werden."
Die Konferenz erörtert dann die bei Streiks und Aussperrungen anzuwendende Taktik und empfiehlt, daß bei Kämpfen, die sich voraussichtlich auf Berufe erstrecken werden, die bei Beginn des Kampfes nicht unmittelbar beteiligt sind, eine vorherige Verständigung mit den Organisationen dieser Berufe herbeigeführt werden soll.
Es wird hierbei vereinbart, daß Materialien über die Gewerkschaften im allgemeinen nur durch Vermittlung der Generalkommission an die Behörden gelangen soll, welche solches Material wünschen.
Dann wird die Generalkommission beauftragt, dahin zu wirken, daß die amtliche Streikstatistik so gestaltet wird, daß den Gewerkschaften die Mitarbeit an dieser Statistik ermöglicht ist, d.h. es soll bei der Regierung beantragt werden, die Fragen kriminalrechtlicher Natur in der amtlichen Statistik fortfallen zu lassen. Wenn dieses Verlangen erfüllt wird, so könnte die gewerkschaftliche Statistik wesentlich vereinfacht werden.
In Bezug auf die Maifeier wünscht die Konferenz, die entscheidende Stelle (der internationale Arbeiterkongreß) möge dafür sorgen, daß die Feiern in allen Ländern einheitlich werden, damit nicht den Arbeitern des einen Landes Kosten auferlegt werden, die sich aus der Durchführung des Beschlusses von 1889 ergeben, während andere Länder sich diesem Beschluß gegenüber passiv verhalten. Läßt sich diese Einheitlichkeit nicht herbeiführen, so müsse der Beschluß von 1889 abgeändert oder aufgehoben werden.

18./19. Oktober 1903

Auf dem Verbandstag des Verbandes des Bade-, Massage- und Krankenpflegepersonals in Berlin erklärt der Vertreter der Generalkommission, daß der Verband noch keinen Beitrag an die Kommission gezahlt hat. Er kennt die Schwierigkeiten der Organisation und empfiehlt den inneren Ausbau der Organisation. Das Fachorgan "Sanitärwarte" soll weiter monatlich erscheinen. Der "Verband" wird in "Centralverband" umbenannt, der Sitz nach Berlin verlegt.

25./26. Oktober 1903

Auf dem ersten Deutschen Arbeiterkongreß in Frankfurt vertreten 206 Delegierte 620.000 Mitglieder. Die größten Arbeiterorganisationen, die sich beteiligen, sind der Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands, der Deutsch-nationale Handlungsgehilfenverband, der Gesamtverband evangelischer Arbeitervereine Deutschlands und die Verbände der Katholischen Arbeitervereine. Meinungsverschiedenheiten über die Zielsetzung und die Themen Koalitionsrecht und Arbeitskammern des Kongresses veranlassen den Verband der Deutschen Gewerkvereine, ihm fernzubleiben.
Die Teilnehmer des Deutschen Arbeiterkongresses versichern Wilhelm II. telegraphisch ihre "unwandelbare monarchische Treue und vaterländische Gesinnung". Der Kongreß beschäftigt sich mit Fragen des Koalitionsrechts der Arbeiter und der Vereinsgesetzgebung, mit der Rechtsfähigkeit der Berufsvereine und mit den Arbeiterkammern.
In Resolutionen wird die Sicherung und Erweiterung des Koalitionsrechts, die Schaffung eines Reichsvereins- und -versammlungsrechts (auch für Frauen), die Rechtsfähigkeit für die Berufsvereine, paritätische Arbeitskammern, um die Verschärfung der Klassengegensätze zu vermindern, gefordert.
Die zwischen den einzelnen Arbeiterorganisationen bestehenden Gegensätze verhindern einen straffen organisatorischen Zusammenschluß. Der Deutsche Arbeiterkongreß kann lediglich das Organisationskomitee als "bleibende Institution" bis zum nächsten Kongreß bestätigen und es beauftragen, im Sinne der gefaßten Beschlüsse tätig zu sein. Es konstituiert sich am 12. Dezember 1903 als Ausschuß des Deutschen Arbeiterkongresses.

28. November / 19. Dezember 1903

Das "Correspondenzblatt" weist in mehrern Artikeln auf die "Reformbedürftigkeit des Koalitionsrechtes" hin.
In Deutschland gebe es kein zweites Rechtsgebiet, "wo der Boden des Rechtes ein so schwankender, die Grenzen so verschwommen und die Rechtsgarantien so wechselhafte, die Tendenz der Unterdrückung dagegen so feststehend, die Willkür der Auslegung so unbegrenzt und die Anwendung so einseitig" sei. Angesichts der feindseligen Haltung der Unternehmer, der Rechtsprechung und der Behörden sei das ganze Dasein der Arbeiterkoalitionen das eines "gehetzten Wildes".
Jedes weitere Hinausschieben der notwendigen Reformen müsse die "Verbitterung vermehren und der Sozialdemokratie eine ungezählte Masse von Arbeitern zuführen". Diese "Not" werde der Regierung die "nötigen Zugeständnisse abdrängen und zugleich den bürgerlichen Parteien die Vermittlung aufzwingen, Schrittmacher der Koalitionsfreiheit zu sein".

29. November 1903

Auf der zweiten Konferenz der rheinisch-westfälischen Gewerkschaften in Essen vertreten 72 Delegierte 26 Gewerkschaftskartelle, 11 Branchenfilialen und 21 Gauleitungen der Zentralverbände. Die Delegierten diskutieren ausführlich die Taktik bei Lohnkämpfen und Aussperrungen und betonen die Notwendigkeit, sich der neuen Taktik der Aussperrungen anzupassen, durch engeren Zusammenschluß der Einzelverbände, Orte, Studium der Marktlage und vor allem der Unternehmerorganisationen.
In der Debatte wird erklärt, nicht zu stark "von den klerikalen Hintermännern" beeinflußte Zentrumsgewerkschafter sind bereit, Bündnisse abzuschließen. Wo dieses Bestreben hervortrete, dürfe es nicht abgewiesen werden, denn sonst kämen die Leute noch stärker in die Gewalt der Arbeiterfeinde. Man solle die "Christlichen" weder abstoßend noch anerkennend behandeln, sondern stets ruhig beobachten, wohin ihr Weg führe.

Dezember 1903

Nach einem Verzeichnis des Gesamtverbandes gibt es 10 christliche Gewerkschaftszeitungen: "Bergknappe" (Altenessen); "Christlicher Textilarbeiter" (Krefeld); "Die Baugewerkschaft" (Berlin); "Gut Brand" (Zeitung der Ziegeleiarbeiter in Lippe); "Der Deutsche Holzarbeiter" (Köln); "Der Hilfsarbeiter" (München); "Die Heimarbeiterinnen" (Berlin); "Der Deutsche Metallarbeiter" (Duisburg); "Christliches Gewerkschaftsblatt" (Köln) und "Mitteilungen des Gesamtverbandes" (Krefeld).
Der Gesamtverband gibt ca. 15% seiner Einnahmen für die Presse aus.

Anfang Dezember 1903

Der Generalrat des Gewerkvereins der Maschinenbauer und Metallarbeiter schließt Anton Erkelenz, den Vorsitzenden des rheinisch-westfälischen Ausbreitungsverbandes, Arbeitersekretär und Sprecher der sog. "Düsseldorfer Fronde" "wegen fortgesetzt aufreizender Tätigkeit und dadurch entstandener Schädigung und Verächtlichmachung des Gewerkvereins" aus dem Verein aus.

2. Dezember 1903

Der Zentralrat der Gewerkvereine richtet eine Petition an den Reichstag, die Reichsämter, die preußischen Ministerien und die Bundesregierungen. In Vertretung von 110.000 "gemäßigten, vaterländisch gesinnten Arbeitern" verurteilt der Zentralrat die Verwaltungspraxis auf dem Gebiet des Vereinsrechts als eine "flagrante Verletzung der Gerechtigkeit und zugleich der allgemeinen Wohlfahrt". Dadurch würden "immer neue Hunderttausende gegen eine so ungleiche und ungerechte Staats- und Gesellschaftsordnung aufgebracht und die Gefahren für den Frieden des Vaterlandes immer mehr gesteigert", denn "schlimmer als materielle Noth nagt und wühlt das gekränkte Rechtsgefühl". Es sei "höchste Zeit zur Umkehr".

4. Dezember 1903

75 Zentrumsabgeordnete ersuchen die Reichsregierung in einer Interpellation um Auskunft, ob sie nunmehr die kaiserlichen Februarerlasse von 1890 ausführen und bald einen Gesetzentwurf über die Regelung der privat- und öffentlichrechtlichen Verhältnisse der Berufsvereine einbringen werden, der vor allem das Koalitionsrecht sichere und den Gewerkschaften das Erlangen der Rechtsfähigkeit erleichtere. Daneben fordern sie eine Stellungnahme der Reichsleitung, ob mit einem Gesetz über Arbeitskammern zu rechnen sei. Das war seit der Zentrumsinterpellation von 1895 der erste größere Vorstoß in der Frage, ob und inwieweit die Rechte der Arbeiterorganisationen zu erweitern sind.

5./15. Dezember 1903

In einer Urabstimmung spricht sich die Mehrheit der Mitglieder des Vereins der Schuhmacher für eine obligatorische Arbeitslosen- und eine Krankenunterstützung aus.

13. Dezember 1903

Reichskanzler Bülow empfängt eine Delegation der auf dem Frankfurter Arbeiterkongreß vertretenen Verbände und nimmt die dort beschlossenen Resolutionen mit der Zusicherung einer ernsten, sachlichen Prüfung entgegen.

26./29. Dezember 1903

Die Generalversammlung der Handschuhmacher in Zeitz beschließt ein Streikreglement. Jedem Streik muß der Vorstand zustimmen. Beschlüsse über Streiks müssen in geheimer Abstimmung erfolgen. Vier Fünftel der Mitglieder müssen sich dafür aussprechen. Weibliche Mitglieder erhalten nun auch Arbeitslosenunterstützung. Heimarbeiter können Verbandsmitglieder werden. Die Heimarbeit ist mit allen geeigneten Mitteln zu bekämpfen. Der Sitz des Verbandes wird von Stuttgart nach Berlin verlegt.

27./30. Dezember 1903

Der Verbandstag der vereinigten Dachdecker und verwandter Berufsgenossen in Dortmund beschließt, daß sich für einen Streik mindestens dreiviertel der Mitglieder geheim entschieden haben müssen. Streikunterstützung wird nur gezahlt, wenn der Vorstand dem Streik zugestimmt hat. Die Dachdecker fordern für ihre Arbeit einen wesentlich besseren Arbeitsschutz.
Der Verband will mit anderen freien Bauarbeiterverbänden Kartellverträge über die Taktik bei Lohnbewegungen abschließen.

28./31. Dezember 1903

Die Generalversammlung des Unterstützungsvereins der Kupferschmiede in Hamburg beschließt, den Verein künftig "Verband der Kupferschmiede Deutschlands" zu nennen.

31. Dezember 1903

Von ihren Einnahmen gab die Generalkommission ca. 10% für die Agitation und die Verwaltung - einschließlich der Personalkosten - und ca. 18% für das Correspondenzblatt aus.

Ende 1903

Alle Brauereiverträge, die in diesem Jahr in Thüringen abgeschlossen worden waren, enthalten Urlaubsbestimmungen.

Der Generalkommission gehören 63 Verbände mit rund 887.700 Mitgliedern, davon 40.670 weiblichen, an.
In Lokalverbänden werden weitere rund 17.580 Mitglieder gezählt.
Die größten Verbände sind die der Metallarbeiter mit 160.135 (29,9%), die der Maurer mit 101.150 (42,63%), die der Holzarbeiter mit 79.730 (25,55%), die der Bergarbeiter mit 60.130 (16,05%) und die der Textilarbeiter mit 54.560 (9,12%), davon 12.040 weiblichen, Mitgliedern.
Die kleinsten Gewerkschaften sind die der Masseure mit 260, die der Blumen- und Federarbeiter mit 300 (2,89%), die der Formstecher mit 320, die der Notenstecher mit 330 und die der Büroangestellten mit 380 Mitgliedern.
Von den Einnahmen gaben die Verbände rund 38% für Streik-, rund 12% für Arbeitslosen-, rund 6% für die Krankenunterstützungen und rund 5% für die Verbandsorgane an.
Für die Verwaltungen gaben die Verbände 3,5% ihrer Einnahmen aus.

Seit 1895 haben vor allem die Gewerkschaften des Handels- und Transportgewerbes, der Bergarbeiter, der Metallindustrie und des Baugewerbes überdurchschnittlich viele Mitglieder gewonnen.
Die höchsten Organisationsgrade haben die Buchdrucker mit 87,1%, die Bildhauer mit 66,1%, die Glaser mit 53,6% und die Gemeindebetriebsarbeiter mit 51,5%. Die Gastwirtsgehilfen haben einen Organisationsgrad von 1,1%, die Gärtner von 1,2% und die Handlungsgehilfen und Lagerhalter von 1,3%.
Einen geringen Organisationsgrad weisen auch die Bauarbeiter mit 6,9% und der Fabrikarbeiterverband mit 10,5% auf.
Nur bei den Schuhmachern übertrifft der Organisationsgrad der weiblichen Berufsangehörigen (29,9%) den der männlichen Kollegen (23,0%) deshalb, weil die weiblichen Berufsangehörigen ausschließlich in Schuhfabriken tätig sind, in denen sie leichter organisiert werden können als die zahlreichen männlichen Schuhmachergesellen in den kleinen Handwerksbetrieben. Einen recht hohen Organisationsanteil von Arbeiterinnen haben außerdem die Gemeindearbeiter (29,2%), die Buchdruckereihilfsarbeiter (22,9%) und die Metallarbeiter (21,4%), ferner der Buchbinderverband (27,3%).

Es bestehen 413 Gewerkschaftskartelle. Weibliche Vertrauenspersonen gibt es in 26 Kartellen. Von 43 Kartellen werden Arbeitslosenzählungen vorgenommen.
Gewerkschaftshäuser gibt es in 24 Orten. Einen Versammlungssaal unterhalten 80, ein Lesezimmer 80, eine zentrale Herberge 21 und eine Herberge beim Gastwirt 177 Kartelle.
Bauarbeiterschutz-Kommissionen sind bei 133 Kartellen vorhanden.
In Deutschland gibt es 37 Arbeitersekretariate.

Der Gesamtverband der Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine umfaßt 19 Gewerkvereine mit 110.215 Mitgliedern.
Die größten Gewerkvereine sind der der Maschinenbauer und Metallarbeiter mit 43.020, der der Fabrik- und Handarbeiter mit 22.020 und der der Kaufleute mit 10.700 Mitgliedern.
Die kleinsten Gewerkvereine sind die der Vergolder mit 14, die der Reepschläger mit 42 und die der Schiffszimmerer mit 200 Mitgliedern. Der Gewerkverein der Frauen hat 940 Mitglieder. Von den Einnahmen gaben die Gewerkvereine rund 37% für Arbeitslosenunterstützung, Aussperrungen und Streiks, rund 18% für die Verwaltungen und die Ortsvereine und rund 14% für die Zeitungen aus.

Von den in der Metallverarbeitung und Maschinenindustrie hauptberuflich beschäftigten Frauen sind 3,9% im Metallarbeiterverband organisiert; die Zahl erhöht sich bis 1913 auf 23,8%. Der Organisationsgrad der Männer verbessert sich im gleichen Zeitraum von 7,1% auf 28,0%.
Bei den Buchbindern stellen 1903 die Frauen bereits 31% der Verbandsmitglieder. Dieser Anteil erhöht sich bis 1913 auf 49,1%.

Dem Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften sind 20 Verbände mit 91.440 Mitgliedern angeschlossen.
Die größten sind der der Bergarbeiter mit 40.830, der der Textilarbeiter mit 16.620 und der der Metallarbeiter mit rund 9.500 Mitgliedern.
Die kleinsten Verbände sind der der Bäcker mit 160, der der Krankenpfleger mit 190 und der des Arbeiterschutzes in Freiburg mit 230 Mitgliedern.
Daneben bestehen mehrere unabhängige christliche Verbände mit rund 101.180 Mitgliedern, so der Verband der Eisenbahnhandwerker mit 48.110 Mitgliedern.

Die Generalkommission registriert 1903 1.200 Streiks und 82 Aussperrungen (davon 4 Maiaussperrungen).
An den Streiks waren 75.830, an den Aussperrungen 45.760 Personen beteiligt. 597 Streiks waren Angriffsstreiks, davon verliefen 281 (46,6%) erfolgreich, 154 (25,5%) teilweise erfolgreich und 148 (24,5%) erfolglos. 6 Streiks sind noch nicht beendet. Beteiligt waren 53.760 Personen, darunter 2.840 weibliche.
Seit 1890 waren 49,7% aller Streiks Angriffsstreiks, davon waren 46,5% erfolgreich, teilweise erfolgreich 28,0% und erfolglos 19,5%.
582 (53%) der Streiks waren Abwehrstreiks und Aussperrungen, davon waren 342 (50,4%) erfolgreich, 12,5% teilweise erfolgreich und 31,1% erfolglos.
50,3% aller Arbeitskämpfe seit 1890 waren Abwehrstreiks, davon waren 42,2% erfolgreich, 15,3% teilweise erfolgreich und 31,1% erfolglos.
15 Streiks und 30 Aussperrungen sind Ende 1903 nicht beendet.
Beteiligt an diesen Arbeitskämpfen waren 67.830 Personen, darunter 9.870 weibliche.

Die gewerblichen Berufsgenossenschaften melden für dieses Jahr 4.720 tödliche Arbeitsunfälle, davon 1.166 im Bergbau und 979 im Baugewerbe.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Februar 2000

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