Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. -
[Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion nimmt nach einer Aussprache ihres Vorstandes eine Entschließung an, die gegen die Eingriffe in das Tarifrecht und gegen die Senkung der Löhne, Gehälter und Sozialrenten schärfsten Protest erhebt. Sie stellt jedoch fest, daß es nicht möglich ist, eine Regierung zu bilden, die die Verordnung vom 8. Dezember durch eine bessere ersetzt. Eine politische Krise würde nur die Verwirrung steigern, die Verhandlungen mit dem Ausland ins Stocken bringen und das Massenelend verschärfen. Der Bundesausschuß des ADGB stellt fest, daß »die Regierung in der Notverordnung die wiederholten ernsten Warnungen der Gewerkschaften unberücksichtigt gelassen und statt dessen den von den Arbeitgebern erhobenen Forderungen nachgegeben hat. Nachdem trotz aller Warnungen vor den sozialen und wirtschaftlichen Gefahren der in der Notverordnung gezeichnete Weg gegangen wird, lehnen die Gewerkschaften jede Verantwortung für die aus der Lohn- und Gehaltssenkung ohne Vorleistung einer durchgreifenden Preissenkung sich ergebenden Folgen nachdrücklich ab. Jedoch fordert der Bundesausschuß von der Regierung, daß nunmehr alle dem Preisabbau dienenden Maßnahmen nicht weniger rücksichtslos durchgeführt werden als die außerordentlichen Eingriffe in den Lohnstand und in das kollektive Arbeitsrecht. Die Gewerkschaften werden von sich aus alle Anstrengungen machen, auf einen fühlbaren Preisabbau hinzuwirken.
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
Stichtag:
14. Dez. 1931
Die Reichstagsfraktion nimmt ausdrücklich Kenntnis von der Erklärung der Reichsregierung, daß diese es als ihre vornehmste Pflicht ansehe, darauf zu achten, daß der jetzige Stand der Löhne und Gehälter nur bei entsprechend tief gehaltenen Preisen aufrechterhalten werden kann. Auch für die sozialdemokratische Reichstagsfraktion werde eine neue Lage entstehen, wenn die Senkung der Preise mit jener der Löhne nicht Schritt hielte.
Weiter verlangt der Bundesausschuß, daß schnellstens ein großzügiges Arbeitsbeschaffungsprogramm durchgeführt wird zur endlichen Entlastung des Arbeitsmarktes und zur Behebung der Arbeitslosennot.
An die Arbeiterschaft in den Betrieben richtet der Bundesausschuß - unter Hinweis auf die nach dem 30. April 1932 zu erwartende Einschränkung der Verbindlichkeitserklärungen - die Aufforderung zu erhöhter Kampfbereitschaft. Die in Aussicht genommene Lockerung des Schlichtungswesens muß zwangsläufig zu einer Steigerung der Arbeitskämpfe führen. Deshalb gilt es, für diese Kämpfe schon jetzt zu rüsten durch Festigung und Ausbau der Gewerkschaften«.