Chronik der deutschen Sozialdemokratie / Franz Osterroth ; Dieter Schuster. -
[Electronic ed.]. - Berlin [u.a.]
Parteitag der SPD und USPD in Nürnberg zur Gründung der »Vereinigten Sozialdemokratischen Partei Deutschlands« (VSPD). 146 SPD- und 135 USPD-Delegierte.
2. Vom Beginn der Weimarer Republik bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges. 3., unveränd. Aufl. 1980.
Electronic ed.: Bonn : FES Library, 2001
Stichtag:
24. Sept. 1922
H. Müller und A. Crispien sprechen zur Vereinigungsfrage.
H. Müller: »Die Republik zu erhalten, erfordert die ganze Wachsamkeit des Proletariats. Aus dem Kampf für die Republik ist die Wiedervereinigung der deutschen Sozialdemokratie erwachsen. Die Republik aber wird um so sicherer erhalten werden, je einiger die deutschen Arbeiter sind. Die dauernde Niederhaltung der Reaktion in Deutschland erfordert in erster Linie von uns die energische Fortsetzung des erst begonnenen Werkes der Demokratisierung der Verwaltung, der Umgestaltung der Rechtspflege, der Reinigung von Heer und Polizei von allen Überbleibseln der monarchistischen Zeit. Hier harren unser die schwersten Aufgaben.«
A. Crispien: »Und denken wir daran, daß die Einigkeit nur fruchtbar sein kann, daß sie nur dann die Millionen, die auf uns blicken, vor neuen Enttäuschungen bewahren kann, wenn wir entschlossen sind, durch die Tat, durch die Politik der Aktivität, durch unermüdlichen Klassenkampf die proletarischen Massen zum Siege zu führen.«
Das Aktionsprogramm, das am 6. September veröffentlicht wurde, wird einstimmig angenommen.
Der Parteitag verabschiedet ein Manifest an die deutsche Arbeiterklasse: »Das Werk der Einigung der sozialdemokratischen Parteien ist vollbracht. In gemeinsamer Tagung haben die Sozialdemokratische und die Unabhängige Sozialdemokratische Partei ihren Zusammenschluß in Nürnberg vollzogen.
Die Partei bedarf aller Kräfte, denn ein ungeheures Werk ist es, das ihrer harrt.
Die junge Deutsche Republik kämpft schwer gegen innere und äußere Gegner. Gewaltstöße der monarchistischen Reaktion erschüttern ihre Grundlagen. Der Krieg und seine Folge, der Frieden von Versailles, hat sie zum Schuldknecht der Welt gemacht. Die ungeheure Not der arbeitenden Massen dient der schrankenlosen Bereicherung weniger und fördert den Aufstieg einer Kapitalherrschaft, die das öffentliche Leben korrumpiert und sich den Staat zu unterwerfen anschickt.
Was will dagegen die Vereinigte Sozialdemokratische Partei? Sie will Schutz und Festigung der Deutschen Republik. Sie will, daß das deutsche Volk bewußt und freudig bis zur Grenze seiner Leistungsfähigkeit teilnehme an dem Wiederaufbau der Welt, daß ihm aber auch das gleiche Recht teil werde wie jedem anderen, und daß ein Ende gemacht werde mit einer Politik böswilliger Überlastung und zerstörender Gewaltmaßregeln.
Sie will wirksamen Kampf gegen die schamlose Auswucherung des Volkes. Sie will eine vernünftige wirtschaftliche Ordnung, deren Leitstern das Gemeinwohl und das Recht jedes arbeitenden Menschen ist, ein menschenwürdiges Dasein zu führen. Darum verteidigt sie den Achtstundentag, kämpft sie für den Schutz der Arbeitskraft, arbeitet sie Hand in Hand mit der modernen Gewerkschafts- und Genossenschaftsbewegung. Darum erstrebt sie letzten Endes eine neue, von kapitalistischer Ausbeutung freie Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die allen ihren Anteil am Genuß aller Kulturgüter gewährleistet. In diesem Sinne führt sie ihren Klassenkampf nicht um eine neue Klassenherrschaft aufzurichten, sondern um jede zu zerstören und damit dem schaffenden Volk seine Freiheit zu geben.
Im Kampf und Ziel fühlt sie sich einig und solidarisch verbunden mit der sozialistischen Arbeiterbewegung der Welt. Die Einigung in Deutschland ist uns Unterpfand und sichere Verheißung der Einigung in der wiedererstehenden sozialistischen Internationale. Die Vereinigte Sozialdemokratische Partei Deutschlands weiß, daß ihr Weg weit und ihr Werk schwer ist. Sie weiß, daß sie zu seiner Vollendung der werktätigen Anteilnahme, der geistigen Mitarbeit und der materiellen Hilfe aller bedarf, die sich von den Vorurteilen der Vergangenheit losgerissen haben und bereit sind, auf neuen Wegen neuen Menschheitszielen entgegenzustreben.«
Zur Ausarbeitung eines neuen Programms wird eine Kommission eingesetzt, der als Vorsitzender K. Kautsky, als Mitglieder E. Bernstein, A. Braun, M. Leuteritz, H. Molkenbuhr, H. Müller, Toni Pfülf, M. Quarck, F. Stampfer, H. Ströbel, A. Crispien, W. Dittmann, A. Henke, R. Hilferding, F. Seger und Toni Sender angehören.
Der Parteivorstand wird per Akklamation gewählt: als Vorsitzende H. Müller, A. Crispien und O. Wels; als Kassierer: F. Bartels, O. Heinrich und K. Ludwig; als Sekretäre: A. Braun, W. Dittmann, Marie Juchacz, F. Krüger, H. Molkenbuhr und W. Pfannkuch; als Beisitzer: R. Fischer, O. Frank, K. Hildenbrand, R. Hilferding, J. Moses, Anna Nemitz, F. Künstler, A. Ritter, Elfriede Ryneck und H. Schulz. Der Kontrollkommission gehören an: A. Brey, P. Löbe, F. Brühne, C. Hengsbach, A. Schönfelder, H. Müller/ Lichtenberg, F. Fischer, W. Bock, Lore Agnes, A. Karsten, R. Wengels; F. Brühne wird Vositzender.