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TEILDOKUMENT:



[Seite der Druckausg.: 39]


Willi Rückert
Qualitätssicherung im stationären Bereich aus der Sicht des Kuratoriums Deutsche Altershilfe




Vorbemerkung

Aus Sicht des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) kann ich zwar etwas zur Qualitätssicherung in der Praxis sagen, aber nicht aus Sicht durchführender Institutionen, denn wir betreiben keine eigenen Einrichtungen. Unser Auftrag ist es, anwaltlich die Interessen der älteren Generation zu vertreten, indem wir neue Wege in der Altenhilfe aufzeigen und alte zu verbessern suchen - dazu gehören auch die im Gespräch befindlichen Ansätze zur Qualitätsentwicklung - die wir zum Teil selbst angestoßen haben - und die Instrumente zur Qualitätssicherung. Aus diesem Grund thematisieren wir die Stufen der Pflegequalität, prangern gefährliche Pflege und Gewalt in der Pflege an und betreiben eine „Doppelstrategie", indem wir durch angewandte Forschung und Grundlagenarbeit der Pflegepraxis aufzeigen, wie die vorhandenen Ressourcen effizienter genutzt werden können - etwa durch intelligentere Personaleinsatzplanung, Materialen zur effizienten Gestaltung von Qualitätszirkeln - und andererseits deutlich machen, welche Rahmenbedingungen wie modifiziert werden sollten, z.B. durch Entwicklung eines rationalen Personalbemessungsverfahrens, bessere Ausbildung usw.

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Thesen



I. Durchführende Institutionen durch und durch verunsichert

Die durchführenden Institutionen sind im Hinblick auf die Qualitätssicherung in der Praxis durch und durch verunsichert. Das neue Pflegerecht hat die Heime aus einem langen Dornröschenschlaf unter den Bedingungen eines Anbietermarktes mit Selbstkostendeckungsprinzip in eine turbulente Konkurrenzsituation gestellt, in der sie nun zunächst einmal um die Erhaltung ihrer Existenz(berechtigung) kämpfen müssen.

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II. Auslöser für Qualitätssicherungsbemühungen in der Praxis

Auslöser für Qualitätssicherungsbemühungen der Praxis sind vor allem

  • (subjektiv von den Verantwortlichen wahrgenommene) Anforderungen des Marktes;

  • (erwartete) Mängelrügen der externen Qualitätssicherer, insbesondere der Heimaufsicht und des MDK;

  • tatsächliche Mängelrügen der externen Qualitätssicherer;

  • Thematisierung von Qualitätsmängeln in den Medien;

  • seltener: Verbesserungsvorschläge aus den eigenen Reihen.

Den externen Qualitätssicherern kommt daher eine entscheidende „Wächter- und Anstoß-Funktion" zu, die Hauptlast der Qualitätsentwicklung und der Qualitätssicherung müssen allerdings das Qualitätsmanagement und die sogenannte interne Qualitätssicherung der Einrichtungsträger leisten, dazu werde ich noch etwas sagen. An dieser Stelle ist mir der Hinweis wichtig, daß es entscheidend ankommt auf ein gelingendes Wechselspiel zwischen externer und interner Qualitätssicherung, weil die interne Qualitätssicherung sozusagen der externen Qualitätssicherung folgt. Wenn die externen Qualitätssicherer falsche Prioritäten setzen, tun es auch die internen, und wichtigere Schwachstellen bleiben unbearbeitet. Wenn die externen Qualitätssicherer ihr Augenmerk nach dem „Stand der Künste" in Gerontologie, Pflege und Geriatrie schärfen und ihre Konzepte weiterentwickeln, dann kann Qualitätssicherung zur wirksamen Qualitätsentwicklung werden.

III. Vielfältige Ansätze der internen Qualitätssicherung auf unterschiedlichen Ebenen

Praktizierte Maßnahmen der Qualitätsentwicklung/Qualitätssicherung sind z.B.

  • Veränderungen des Leistungsangebotes (in Hauswirtschaft und Pflege, Kurzzeit-/Tagespflege, Hausgemeinschaftskonzepte, spezielle Angebote für Gerontopsychiatrie, „Einführung von Krafttraining" und Hilfsmittel für Sturzgefährdete als Beispiel für die Anwendung neuerer Erkenntnisse

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    dem Modellprogramm des BMG zur Verbesserung der Situation Pflegebedürftiger);

  • bauliche Veränderungen;

  • Anhebung des Fachkraftanteils;

  • Veränderungen der Aufbauorganisation und der Ablauforganisation;

  • gezielte Fort- und Weiterbildung;

  • Weiterentwicklung des Pflegekonzeptes, des Hauswirtschaftskonzeptes;

  • Weiterentwicklung der Pflegedokumentation/Pflegeplanung (häufig durch externe Qualitätssicherung gerügter Mängel);

  • Einführung von Pflegestandards;

  • Einführung von Qualitätszirkeln;

  • Ernennung von Qualitätsbeauftragten;

  • Beteiligung an Betriebsvergleichen;

  • Inanspruchnahme von Organisationsberatung;

  • stärkere „Kundenorientierung" (Bewohner-, Angehörigenbefragungen, Beschwerdemöglichkeiten erweitert);

  • „kundenfreundlichere" Heimverträge (durch Heimgesetz gefordert);

  • Angehörigenarbeit eingeführt oder ausgedehnt;

  • stärkerer Einbezug/Unterstützung des Heimbeirates;

  • Einführungen von Qualitätsmanagementsystemen bis hin zur Zertifizierung.


IV. Preis-Leistungsverhältnis und Kosten-Nutzen-Verhältnis
unbekannt


Das Kosten-Nutzenverhältnis der verschiedenen Qualitätsentwicklungs-/
Qualitätssicherungs-Maßnahmen ist u.a. abhängig vom jeweiligen Zustand der Einrichtung im Hinblick auf „Kundenerwartungen", Anforderungen von MDK und Heimaufsicht und im Vergleich zu konkurrierenden Einrichtungen

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und der Nutzen ist schwer abschätzbar durch die (oft ehrenamtlich tätigen) Trägerverantwortlichen. Dies erhöht die Verunsicherung der Verantwortlichen und ihren Orientierungsbedarf, den zu decken in erster Linie Aufgabe des jeweiligen Trägerverbandes sein sollte.

V. Zehn Hinweise aus KDA-Sicht

Aus KDA-Sicht sind vielleicht folgende Hinweise hilfreich, deren Kern ich schon einmal im April des Jahres im Landtag von NRW bei der 1. Landeskonferenz von Nordrhein-Westfalen zur „Zukunft der Pflege durch Qualitätssicherung" zur Diskussion gestellt habe.

Noch sind Heimaufsicht und Qualitätsprüfungen des MDK nicht harmonisiert, und die Instrumente der externen Qualitätssicherung sind ebenso in der Entwicklung wie die der internen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es noch einige Zeit dauern, bis eine gedeihliche und effiziente Aufgabenteilung zwischen den verschiedenen Akteuren der Qualitätssicherung praktiziert wird. Eines dürfte jedoch schon jetzt klar sein: Die externe Qualitätssicherung wird wahrscheinlich nur relativ grobe Mängel aufdecken und verhindern können. Für eine stetige Qualitätsentwicklung im Detail, für Einstellungsänderungen bei Mitarbeitern und die Verwirklichung einer neuen Kultur des Helfens bedarf es der internen Qualitätssicherung mit vergleichsweise einfachen Instrumenten, deren Sinn von den Beteiligten verstanden wird. Dazu folgende Hinweise:

1. Altenpflege muß in einer „gemeinsamen Sprache" über Qualität sprechen können

Fundament aller Qualitätssicherungsbemühungen sind Begriffe. Wir müssen klar und deutlich beschreiben können, was gute und was schlechte Altenpflege ist, wo z.B. Gewalt in der Pflege beginnt und welche Rahmenbedingungen dazu führen können.[ In diesem Zusammenhang möchte ich hinweisen auf das Memorandum „Für eine menschenwürdige Pflege" der Aktion gegen Gewalt in der Pflege (AGP) vom April d.J.]

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2. Stufen der Pflegequalität unterscheiden

Als brauchbare Arbeitshilfe für externe und interne Qualitätssicherung haben sich die beiden KDA-Poster „Stufen der Pflegequalität" in der stationären und in der ambulanten Pflege erwiesen. Sie veranschaulichen für 22 Teilbereiche der Pflege, was als angemessen, mangelhaft und gefährlich angesehen wird.

3. Pflegestandards sollten Bezug haben zum verfügbaren (Pflegezeit-)Budget

Hilfreich ist auch das Aushandeln von Pflegestandards. Nur sollte nicht in jeder Pflegeeinrichtung „das Rad neu erfunden werden" - dadurch kann leicht sehr viel Zeit vergeudet werden, die für die direkte Pflege verloren geht. Genutzt werden können z.B. die soeben von Landesärzten und Pflegenden in der Gerontopsychiatrie vorgeschlagenen Standards (Höft [Hg.:] Landesärzte für Gerontopsychiatrie [1999]).

Ferner sollte der zur Zeit sehr verbreiteten Neigung entgegengewirkt werden, lang und breit über optimale Verrichtungsstandards zu diskutieren (z.B. wie eine Ganzkörperwäsche optimalerweise durchgeführt werden sollte), weil solche Standards in aller Regel im Alltag angesichts der verfügbaren Pflegezeitbudgets nicht verwirklicht werden können. Viel wirkungsvoller für eine Qualitätsentwicklung ist zur Zeit die Formulierung von Strukturstandards (z.B. zur Tageslaufstruktur, Dienstplänen, Übergabebesprechungen, Pflegedokumentation, Organisation der Medikamentenversorgung usw.)

4. „Kunden" befragen - Beschwerden „stimulieren" und zur Qualitätssteigerung nutzen

Erfreulich ist, daß Einrichtungsträger und Pflegekassen Wünsche und Kritik der zu Pflegenden und ihrer Angehörigen zunehmend ernster nehmen und systematisch erfragen, denn es gibt keine glaubwürdigeren Beiträge zum Thema „Qualität der Pflege".

Solche „Kundenbefragungen" könnten einmünden in die Ermunterung, sich offen und ohne Hemmungen über das zu beschweren, was an der

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Pflege ihrer Meinung nach nicht in Ordnung ist. Die Anzahl der Beschwerden nicht minimieren, sondern maximieren heißt die Maxime!

Ein verbindliches und nachvollziehbares Regelwerk des „Beschwerdemanagements" (Tinnefeldt 1999), das Beschwerden und ihre Folgen dokumentiert, ist ein wertvollerer Beleg für Qualitätsbewußtsein als so manche Zertifizierungsplakette.

5. Stärken- und Schwächen-Kataloge durch Fremd- und Selbstbewertung

Ein altbewährtes Management-Instrument für Planung, Organisationsentwicklung und Konzeptarbeit ist die Zusammenstellung eines Kataloges, in dem die Stärken und Schwächen und die Verbesserungspotentiale einer Einrichtung ausgewiesen sind.

Ein Katalog der Stärken und Schwächen (Qualitätsprofil) und der möglichen Verbesserungen kann außer durch Auswertung der Besuche von Heimaufsicht und MDK z.B. durch differenzierte Betriebsvergleiche („Benchmarking") gewonnen werden oder auch durch die Befragung von „Kunden", Mitarbeitern und anderen Schlüsselpersonen. Instrumente sind z.B.

  • Kundenbefragungen (Faigle, Knäpple [1998]; (Tinnefeldt [1998]);

  • SIESTA-Qualitätsdiagnose (Berger, Gerngroß-Haas [1997]);

  • SEA - Selbstbewertungssystem (Fraunhofer-Institut [1998]);

  • QAP/2Q Frey Akademie, Mainz;

  • Qualitätszirkelarbeit mit dem KDA-Qualitätshandbuch "Wohnen im Heim"(1998).

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6. Situationsspezifische Qualitätssicherungsinstrumente einsetzen

Nach Identifizierung bedeutsamer Fehlerquellen und Schwachstellen empfehlen sich u.a. gezielte Fortbildung und Qualitätszirkel, allerdings aus Effizienzgründen unter Verwendung spezifischer Arbeitshilfen.[ z.B. zu Bau und Ausstattung von Heimen, zur Förderung der Selbstbestimmung der Bewohner (KDA-Qualitätshandbuch „Wohnen im Heim"), zur Heimvertragsgestaltung, Dienstplangestaltung, Sturzprophylaxe, Dekubitusprophylaxe, Kontinenztraining, Pflege bei Inkontinenz, Pflegedokumentation, Pflegeplanung, Stellenbeschreibungen, Bezugspflegesysteme, Organisation der Medikamentenversorgung usw.).]

7. Verbesserung der Aufbau- und Ablauforganisation und des Qualitätsmanagements

In der Wirtschaft wurden umfassende Qualitätsmanagementverfahren entwickelt, deren Anwendung auch in der Altenpflege sinnvoll sein kann, wenn sie auf die Besonderheiten der Altenpflege eingehen und nicht zu technokratisch gehandhabt werden. Hierzu zählen Qualitätsmanagement nach DIN ISO 9000 ff. (Offermann [1994], Kerner, Illison [1999] - TQM - Total Quality Management ).

8. Vielfalt unterschiedlicher Verfahren, Zertifikate und Gütesiegel verringert Akzeptanz

In der Phase allgemeiner Verunsicherung nach Einführung der Pflegeversicherung und den Qualitätsvereinbarungen nach § 80 SGB XI wurde von Verbänden, Interessenvertretern und traditionellen Prüfstellen eine Vielzahl von Zertifikaten und Gütesiegeln entwickelt, über deren Kosten-Nutzen-Verhältnis wenig veröffentlicht ist.[ z.B. DBfK - Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe, TÜV, BAGSO-Bundesarbeits gemeinschaft der Seniorenorganisationen, Gütegemeinschaft Pflege des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Hamburg, Qualitätsgemeinschaft Pflege der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege im Land Brandenburg u.a.m.]

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9. Markt der Qualitätssicherungsinstrumente muß transparenter gemacht werden

Mit Qualitätssicherungsinstrumenten wird Geld verdient. Anbieter sind geneigt, ihr Know How teuer zu verkaufen, es zu sichern und soweit als möglich „in der Schublade zu halten". Daher ist der Erfahrungsaustausch der Anwender wichtig, um mehr Einsicht in das Preis-Leistungs- und Kosten-Nutzen-Verhältnis der angebotenen Instrumente zu gewinnen (möglichst unter Berücksichtigung auch der intern in den Einrichtungen anfallenden Kosten, die oft übersehen werden) .

10. Zertifizierung und Zertifikate sind mehr Marketing-Mittel als Instrumente der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung. Ob bei ihnen Kosten und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen, kann bezweifelt werden.

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Literatur

Aktion gegen Gewalt in der Pflege (Hrsg.): Für eine menschenwürdige Pflege. Bonn, April 1999. Erhältlich beim Sozialverband Reichsbund e.V., Beethovenallee 56, 53173 Bonn und beim KDA, Köln.

Berger, Gerhard; Gerngroß-Haas, Gabriele (1997): Wo liegen die Stärken und Schwächen? In: Altenheim 3/1997, S. 28-39.

Faigle, Birgit; Knäpple, Annerose (1998): Qualität aus Sicht der Pflegebedürftigen. Altenheim 5/1998, S. 8-12.

Fraunhofer-Institut (1998): Selbstbewertungssystem für stationäre Einrichtungen der Altenhilfe. Stuttgart/Frankfurt am Main.

Hoffmann, Alfred, Klie, Thomas (1999): Qualitätsmanagement in Einrichtungen der Langzeitpflege. Ein klientenzentrierter Ansatz aus Kanada. Hrsg.: Kuratorium Deutsche Altershilfe. Thema-Band 146. Köln.

Höft, Barbara (Hg.) Landesärzte für Gerontopsychiatrie (1999): Leistungsstandards gerontopsychiatrischer Pflege. Bonn.

Kerner, Jürgen G., Illison, Markus (1999): Qualitätsmanagement in der Altenpflege. Stuttgart.

KDA-Qualitätshandburch Wohnen im Heim (1998): Ein Instrument zur internen Qualitätsentwicklung in den AEDL-Bereichen. Köln.

Tinnefeldt, Gerhard (1998): Das Ohr am Kunden. „Befragungen zur Lebensqualität im Altenheim (LiA)". Altenheim 8/98. S. 10-14.

Tinnefeldt, Gerhard (1999): Systematisches Beschwerdemanagement. Bochum.


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 2000

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