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Gudrun Schaich-Walch
Einführung


Das Thema „Qualitätssicherung in der Pflege" beschäftigt uns Politiker immer wieder. Wem laufen nicht kalte Schauer über den Rücken, wenn er aus Presse, Funk und Fernsehen über die kriminellen Mißstände im Pflegebereich hört? Die Aufklärung solcher Mißstände durch die Medien ist wichtig, da sie alle Beteiligten sensibilisiert, genauer auf den Pflegebereich zu schauen. Sie und auch wir Politiker wissen, daß diese bekannt gewordenen Skandale über die Mißhandlung und Vernachlässigung alter Menschen nicht ein Spiegelbild des Alltags in den Pflegeheimen und bei den Pflegediensten darstellen. Die meisten Pflegekräfte versuchen unter schwierigen Rahmenbedingungen mit großem persönlichem Einsatz die ihnen anvertrauten Pflegebedürftigen zu betreuen. Ich sage dies auch aus eigener persönlicher Erfahrung, da wir einen Pflegefall in der Familie haben.

Gestatten Sie mir zunächst einige grundsätzliche Bemerkungen zur Pflegeversicherung:

Rund 4½ Jahre ist es jetzt her, daß die Pflegeversicherung nach heftigen politischen Diskussionen eingeführt wurde. Wir Sozialdemokraten haben trotz der von der alten Koalition geforderten Kompensation, die sich nicht beseitigen ließ, für die Arbeitgeber im Vermittlungsverfahren letztlich der Einführung der Pflegeversicherung zugestimmt. Denn alle Beteiligten gingen damals - und wohl nicht zu unrecht - davon aus, daß zu einem späteren Zeitpunkt die Einführung einer gesetzlichen Pflegeversicherung nicht mehr möglich sein würde. Im Interesse der Pflegebedürftigen und der sie Pflegenden haben wir nach der Devise gehandelt: „Der Spatz in der Hand ist uns lieber als die Taube auf dem Dach".

Dieses Bild macht aber schon eines deutlich: Die Pflegeversicherung ist mit einem Beitragssatz von 1,7% als Grundabsicherung konstruiert. Die Leistungen aus der Versicherung decken nicht alle erforderlichen Hilfen ab, sie geben nur eine Hilfestellung, um die schwierige Situation von Pflegebedürftigen zu unterstützen. Bei vielen Bürgern aber bestand nach den großartigen Ankündigungen der alten Bundesregierung, die die Einführung der

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Pflegeversicherung begleitet haben, eine Erwartungshaltung, die durch die engen Grenzen der Pflegeversicherung enttäuscht wurde.

Es gibt aber nicht nur Unzufriedene: Umfragen haben ergeben, daß rund 80% der Bezieher von Pflegeleistungen mit der Pflegeversicherung zufrieden sind. Auch ich bin der Auffassung, daß die Pflegeversicherung in vielen Bereichen eine gute Hilfestellung gibt, wenn man sie als Grundversorgung akzeptiert. Dies muß auch einmal deutlich gesagt werden. Schließlich erhalten im ambulanten Bereich rund 1,27 Mio. Pflegebedürftige und im stationären Bereich rund 540.000 Personen Leistungen aus der Versicherung.

Doch gerade die Enttäuschten wenden sich an die Politik und machen Nachbesserungen geltend. Die Liste der Kritikpunkte ist lang: Minutenpflege gebe es nach Einführung der Pflegeversicherung, dies sei menschenunwürdig. Behinderte seien nur unzureichend abgesichert. Die Pflege mißachte die Selbstbestimmungsanspüche der Pflegebedürftigen. Demente seien unzureichend versorgt. Die Abgrenzung zu anderen Sozialversicherungssystemen sei nicht klar gelöst. Das Leistungsniveau sei zu niedrig. Daher gibt es verständlicherweise einen riesigen Wunschzettel zur Verbesserung der Pflegeversicherung. Dieser wird auch immer größer, weil die Rücklagen der Pflegeversicherung in Höhe von rund 9,7 Milliarden DM natürlich Begehrlichkeiten wecken.

Doch die SPD wird die Grundkonzeption nicht verändern können. Die Pflegeversicherung wird auch in Zukunft nicht alle wünschenswerten Leistungen übernehmen. Denn die Rücklagen stehen - leider - für Leistungsverbesserungen größeren Umfangs zur Zeit nicht zur Verfügung.

Auch wenn vielen von ihnen diese Tatsache bereits bekannt ist, möchte ich doch kurz auf die finanzielle Situation eingehen.

Am Jahresende 1998 hatte die Pflegeversicherung Einnahmen in Höhe von 31,29 Mrd. DM und Ausgaben in Höhe von 31,04 Mrd. DM. Somit wurde noch ein Überschuß in Höhe von 250 Millionen DM erzielt, der aber längst nicht mehr dem entspricht, was in den Jahren vorher an Überschüssen erzielt wurde (1997: 1,6 Mrd. DM; 1996: 2,3 Mrd. DM).

Dies hängt unter anderem damit zusammen, daß die Inanspruchnahme stationärer Pflegeleistungen deutlich stärker zugenommen hat als vorausgeschätzt. Von etwa Mitte 1997 bis gegen Mitte 1998 ist die Zahl der Be-

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zieher stationärer Leistungen der Pflegeversicherung um etwa 60.000 angestiegen. 10.000 Leistungsbezieher mehr in der stationären Pflege kosten aber jährlich rund 300 Mio. DM.

Auch hielt in den vergangenen Monaten der Trend zu den teuren Pflegesachleistungen an. Das Verhältnis der Ausgaben der Pflegekassen bei Geld-und Sachleistungen lag im Jahresdurchschnitt 1995 noch bei 82 : 18. Im Jahresdurchschnitt 1998 beträgt es 68 : 32.

Von den derzeitigen Überschüssen in Höhe von 9,7 Mrd. DM dürfen zudem Betriebsmittel und Rücklagen in Höhe von 4 Milliarden DM nicht ausgegeben werden. Dies ist gesetzlich vorgeschrieben.

Der verbleibende effektive Überschuß von rund 5,7 Mrd. DM wird aber vorrangig zur Stabilisierung des Beitragssatzes und zur Abfederung von Kostenrisiken benötigt. Denn eine Defizithaftung des Bundes wie z.B. bei der Bundesanstalt für Arbeit gibt es in der Pflegeversicherung nicht.

Außerdem muß jeder verantwortliche Politiker Reserven zur Abdeckung der zu erwartenden demographischen Entwicklung vorhalten. Es wird damit gerechnet, daß die Zahl der Pflegebedürftigen bis zum Jahr 2010 um bis zu 350 000 ansteigt.

Reserven, die wirklich aktiviert werden können, gibt es wenige.

Wünschenswert wäre es, zumal es die Finanzsituation der Pflegeversicherung bzw. des Pflegebedürftigen stärken würde, wenn die Behandlungspflege in den Heimen von den Gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden könnte. Diese Forderung, die die SPD immer wieder erhoben hat, ist aber zur Zeit leider nicht umsetzbar. Wir haben uns daher verständigt, in zwei Jahren noch einmal die Frage zu prüfen, und die bisherige Regelung gilt so lange weiter. Als Sprecherin der Arbeitsgruppe Gesundheit, die sowohl für den Krankenkassenbereich als auch für den Pflegebereich mit in der Verantwortung steht, trage ich diese Entscheidung mit. Wir müssen die Leistungsfähigkeit aller Sozialversicherungssysteme beachten, und die finanzielle Lage der Kassen ließ uns keine andere Wahl. Eine Übernahme der Kosten für die Behandlungspflege hätte zu Mehrausgaben bei den Krankenkassen in Höhe von ca. 1,0 bis 1,5 Mrd. DM geführt, was nicht ohne Auswirkungen auf die Beitragssätze der Kassen geblieben wäre.

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Ob die Alternative, Mittel freizumachen, indem man bei den Leistungsempfängern „umschichtet", ernsthaft in Betracht kommt, bedarf noch einer ausführlichen Prüfung. Wenn überhaupt, kann dies zudem nur in großem Konsens mit allen Beteiligten im Pflegebereich durchgeführt werden.

Meine Damen und Herren, hier sind wir bei dem wichtigsten Punkt: Die Finanzzwänge bringen uns Politiker in einen Dauerkonflikt.

Eines der wichtigsten Ziele rot-grüner Politik ist die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Daher wollen die Bundesregierung und wir als Fraktion natürlich die Lohnnebenkosten senken, um Arbeit billiger zu machen und so mehr Arbeitsplätze schaffen.

Andererseits - bezogen auf die Pflegeversicherung - sind umfassende Verbesserungen des Grundversorgungsmodells nur möglich, wenn man in relativ kurzer Zeit Beitragssatzsteigerungen in Kauf nehmen würde.

Diese Sach- bzw. Zwangslage muß vielleicht stärker von uns Politikern deutlich gemacht werden. Denn angesichts der derzeitigen Überschüsse versteht der Normalbürger nicht, warum wir so vorsichtig mit dem Ausgeben der Mittel aus der Pflegeversicherung sind.

Aber nicht nur in unserer Partei und Fraktion muß die Frage, wie wir diesen Zielkonflikt lösen wollen, noch intensiv diskutiert werden, es fehlt auch an einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion, was uns unsere pflegebedürftigen Mitbürger „wert" sind. Abstrakt wird jeder für Verbesserungen sein, wenn es dann aber an den eigenen Geldbeutel geht, wird fast jeder, der nicht selbst pflegebedürftig ist bzw. keinen Pflegebedürftigen zu versorgen hat, sehr zurückhaltend.

Schon heute wird zum Teil in Presseberichten der Eindruck erweckt, die Pflegeversicherung sei deshalb nicht in der Lage, für eine gute Qualität zu sorgen, weil sie das eingesammelte Geld gießkannenartig auf alle verteile, „auch auf weniger Hilfsbedürftige und sogar Reiche, die einfach vom System profitieren wollen" (Zitat aus dem Stern, Heft 3/99). Diese Diskussion wird auch vorrangig von denen geführt, die am liebsten unsere Sozialversicherungssysteme ganz abschaffen wollen. Mit dem Stichwort „Erbenschutzgesetz" läßt sich leicht Stimmung machen.

Zudem ignoriert die oben erhobene Behauptung auch noch folgende Punkte:

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  • Die Pflegeversicherung ist eine Versicherung. Jeder Versicherte, der die Voraussetzungen erfüllt, hat einen Anspruch auf Leistungen.

  • Anspruchsvoraussetzung ist, daß man mindestens erheblich pflegebedürftig ist, d.h. einen Hilfebedarf von täglich 1½ Stunden nachweisen muß. Dies schließt Mitnahmeeffekte größeren Umfangs aus.

  • Auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung fragt niemand danach, ob jemand reich oder arm ist, ehe ihm die medizinisch notwendige Versorgung zugebilligt wird.

  • Es wird inzwischen auch vielfach vergessen, daß die Pflegeversicherung u.a. eingeführt wurde, weil vor Einführung dieser Versicherung circa 80 Prozent der Heimbewohner in Westdeutschland sozialhilfebedürftig waren, in Ostdeutschland nahezu 100 Prozent, und zwar deshalb, weil mühselig und hart erarbeitete kleine Vermögen durch die hohen Pflegekosten schnell aufgebraucht waren.

Zwar ist es durch die Pflegeversicherung nicht gelungen, alle Heimbewohner von Sozialhilfe unabhängig zu machen, aber für viele ist doch eine erhebliche Entlastung eingetreten.

Zudem wird die Sozialhilfe um 10 bis 11 Mrd. DM entlastet. Auf diesen Betrag möchten die Länder und Kommunen bei der derzeitigen angespannten Finanzlage auch nicht mehr verzichten.

Weil dies aber alles so ist, wie eben dargestellt, erteile ich allen, die die Pflege wieder abschaffen bzw. in eine Sozialhilfeleistung umwandeln möchten, eine klare Absage. Es geht nicht um die Abschaffung der Versicherung, sondern darum, sie effektiv und zielgenau zu verbessern.

Meine Damen und Herren, zwar sind die finanziellen Aussichten für die nahe Zukunft nicht sehr rosig, trotzdem kann man in kleinen Schritten an der Verbesserung der Pflegeversicherung weiter arbeiten.

Wir haben bereits in der kurzen Zeit nach dem Regierungswechsel ein kleines Änderungsgesetz, das sog. 4. SGB XI-Änderungsgesetz, verabschiedet, das seit dem 1. August, gilt. Hier haben wir Verbesserungen im ambulanten und teilstationären Bereich vorgenommen. Ich gehe davon aus, daß Ihnen das Gesetz bekannt ist, so daß ich hier auf Einzelheiten nicht weiter eingehen möchte.

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Der Ausblick auf die aktuelle Finanzlage soll Sie auch heute nicht davon abschrecken, alle Vorschläge, auch finanzwirksame, vorzutragen. Denn wir machen nicht nur kurzfristige Politik, sondern wir müssen auch perspektivische Weiterentwicklungsmöglichkeiten erörtern.

Meine Damen und Herren, in der heutigen Veranstaltung wollen wir uns schwerpunktmäßig mit der Frage der Qualitätssicherung auseinandersetzen. Denn hier wird in nächster Zeit der Gesetzgeber tätig werden.

Zwar ist Qualitätssicherung und -verbesserung zunächst einmal orginäre Aufgabe der Heime selbst. Sie tragen die Verantwortung dafür, daß sich ihre Bewohner wohl fühlen. Zum Glück setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, daß die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen im Mittelpunkt des Pflegewesens stehen müssen. Erfahrungen und Urteile der Pflegebedürftigen bzw. der Angehörigen sind ein entscheidender Faktor für ein funktionierendes Qualitätsmanagement. Der gute Ruf eines Heimes bietet auch die Gewähr dafür, daß seine Leistungen nachgefragt werden und damit dient es letztlich der eigenen Existenzsicherung. Dies haben die Heime und Verbände vielfach schon selbst erkannt und von daher sehr viele eigene Initiativen ergriffen. Die Erkenntnis, daß eine gute Beratung vor Aufnahme in eine Einrichtung die Pflegebedürftigen nicht abschreckt, setzt sich immer mehr durch. Auch die Diskussion um die Einführung von Qualitätssiegeln hat gezeigt, daß das Bewußtsein zur Qualitätsverbesserung vor Ort geweckt worden ist. Dies begrüße ich ausdrücklich. Ohne den Willen und das Engagement der Mitarbeiter selbst scheitert jede Qualitätssicherung.

Zahlreiche Qualitätssiegel können aber unter Umständen eher zur Verunsicherung der Verbraucher als zur Information beitragen. Deshalb wäre es zu begrüßen, wenn die Beteiligten sich auf bundeseinheitliche Vergabekriterien verständigen könnten. Der Verbraucher kann letztlich nur etwas mit einem aussagekräftigem Qualitätssiegel anfangen.

Eine verantwortliche Rolle zur Qualitätssicherung hat der Gesetzgeber auch den Pflegekassen und den Medizinischen Diensten zugewiesen. Die Pflegekassen haben gemeinsam mit den Leistungserbringern die Qualitätsvereinbarungen nach §80 SGB XI abgeschlossen. Die dadurch angestoßene Diskussion ist wichtig zur Weiterentwicklung der Qualität in allen Pflegebereichen. Welche weiteren Maßnahmen die Pflegekassen und die Medizini-

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schen Dienste planen, werden wir sicherlich im Lauf der Veranstaltung hören. Sicherlich werden wir auch von Ihnen Vorschläge hören, wie der Gesetzgeber unterstützend tätig werden soll.

Ich habe oben schon erwähnt, daß die geschilderten Fälle menschenverachtender Pflege beschämend sind und so nicht hingenommen werden können. Deshalb ermittelt in solchen Fällen zu Recht auch die Staatsanwaltschaft.

Damit es aber erst gar nicht zu solchen dramatischen Entwicklungen kommt, müssen die Fragen nach der Verbesserung der Aufsicht einer Lösung zugeführt werden.

Neben dem Strafrecht als schärfste Sanktionsmöglichkeit steht zum Schutz der Heimbewohner auch das Heimgesetz zur Verfügung. Es ist in seiner ordnungspolitischen Funktion zur Gefahrenabwehr ein wichtiges Instrument. In der Koalitionsvereinbarung ist festgelegt, daß das Heimgesetz in dieser Legislatur novelliert werden soll.

Im zuständigen Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird an einem entsprechenden Entwurf gearbeitet. Da wir noch voll im Arbeitsprozeß zur Änderung des Heimgesetzes stehen, kann und will ich Ihnen hier auch noch kein fertiges Konzept vortragen.

Zudem wird im zuständigen Bundesgesundheitsministerium an einem Qualitätssicherungsgesetz für den Pflegebereich gearbeitet. Auch hier liegt der fertige Gesetzentwurf noch nicht vor, so daß Sie heute die Chance haben, uns Ihre Wünsche hinsichtlich dieses Gesetzes mit auf den Weg zu geben.

Klar ist für mich, daß es ein Gesamtkonzept geben muß, daß die Änderungen auf dem Pflegemarkt berücksichtigt. Heimgesetz und Qualitätssicherungsgesetz müssen aus ihren jeweiligen Funktionen und Zielen heraus besser auf einander abgestimmt werden.

Patienten- und Verbraucherschutz haben in unserer Politik einen hohen Stellenwert, der sich in diesem Gesamtkonzept auch wiederfinden muß.

So halte ich es für eine Selbstverständlichkeit, daß eine sachgerechte Prüfung der Pflege und Betreuung in Heimen geregelt werden muß. Selbstverständlich müssen unangemeldete Kontrollen möglich sein, wenn der Verdacht besteht, daß schwerwiegende Mängel bestehen.

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Selbstverständlich muß auch für eine stärkere Transparenz der Heimverträge hinsichtlich der Heimentgelte gesorgt werden.

Selbstverständlich ist für mich auch, daß die Zusammenarbeit der Heimaufsicht, der Medizinischen Dienste und der Sozialhilfe ausgebaut werden muß. Datenaustausch ist wichtig, damit eine sinnvolle Kooperation ermöglicht wird und Arbeit nicht doppelt anfällt. Dies kann sich bei den heutigen Personalkosten keiner mehr leisten.

Auch die Frage der Heimpersonalverordnung muß im nächsten Jahr einer Lösung zugeführt werden. Eine angemessene Personalausstattung ist ein wichtiger Aspekt bei der Pflege und Betreuung Pflegebedürftiger. Das zuständige Ministerium läßt zur Zeit die praktizierten Personalbemessungsverfahren auswerten und bezieht auch ausländische Verfahren mit ein.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, daß ich es für wünschenswert halte, wenn der Abgleich des Personal-Solls mit dem Personal-Ist im Qualitätssicherungsgesetz geregelt wird. Es geht bei diesem Vorschlag darum zu hinterfragen, ob die Pflegeeinrichtung das Personal, das von ihr auf Grund gesetzlicher, vertraglicher oder sonstiger rechtlicher Bestimmung vorzuhalten ist (Personal-Soll) nach Zahl, Qualifikation, Art der Tätigkeit oder der Beschäftigungsverhältnisse auch tatsächlich beschäftigt und einsetzt (Personal-Ist) und entsprechend den in den Vergütungsvereinbarungen berücksichtigten Personalkostenansätzen entlohnt. Dieser Abgleich erlaubt zwar einen begrenzten, aber wichtigen Rückschluß auf die Pflegequalität. Er erscheint auch deshalb sinnvoll, weil von Pflegeeinrichtungen immer über Personalmangel geklagt wird, der darauf zurückzuführen sei, daß die Kostenträger (Pflegekassen, Sozialhilfeträger) nicht bereit seien, das notwendige Personal zu finanzieren.

Kritiker behaupten dagegen, eine solche Personal-Soll-Regelung sei zu statisch. Eine solche Regelung produziere nur Vorhaltekosten für Leistungen, die nicht erbracht werden und verhindere, daß Leistungen nicht erbracht werden, die nötig seien.

Nach den bisherigen Erfahrungen ist es wohl auch notwendig, das das Vertrags- und Vergütungsrecht auf ein umfassendes Qualitätsmanagement ausgerichtet wird. Es zeichnet sich ab, daß im Zulassungsrecht Anpassungen erforderlich sind. Die Zulassung zum „Pflegemarkt" muß stärker an qualitative Anforderungen gekoppelt werden. Ich halte es für notwendig,

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daß die Pflegeeinrichtungen verpflichtet werden, ein internes Qualitätskonzept vorzulegen. Schließlich geht es hier trotz des Begriffes „Markt" um die Versorgung pflegebedürftiger Menschen.

Auch wird darüber nachgedacht, die Einführung von Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen als zeitnahes Bindeglied zwischen Versorgungsvertrag und Vergütungsvereinbarung nach dem Vorbild des Bundessozialhilfegesetzes einzuführen. Im Interesse einer Entlastung der Vergütungsverhandlungen könnten darin etwa die für die jeweilige Einrichtung maßgeblichen Leistungs- und Qualitätsanforderungen geregelt werden. Darüber hinaus wäre dies der Ort für die regelmäßige vertragliche Anpassung des konkreten Versorgungsauftrags der einzelnen Pflegeeinrichtung an die Entwicklung ihrer Leistungs- und Belegungsstrukturen.

Meine Damen und Herren, ich habe hier nur einige Stichpunkte aufgeführt. Ziel dieser Veranstaltung ist ja nicht, daß wir Ihnen unsere Vorstellungen darstellen, sondern wir möchten von Ihnen Anregungen und Hinweise für die anstehenden Novellierungen mitnehmen.

Wir sind nicht nur bei der Gesundheitsstrukturreform dialogbereit, sondern, meine Damen und Herren, auch im Pflegebereich! Ich hoffe, da sich bei dem Ziel „Qualitätssicherung" im Grundsatz im Pflegebereich alle einig sind, daß dieses Gesetz schneller und einfacher die parlamentarischen Hürden überwinden wird als die Gesundheitsstrukturreform.

[Seite der Druckausg.: 20 = Leerseite]


© Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | März 2000

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