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TEILDOKUMENT:
Arbeitsgruppe 3: [Seite der Druckausg.: 109] Wolfgang Pach
Die gegenwärtige gesellschaftspolitische Situation in unserem Lande zwingt alle Menschen, die um das Gemeinwohl bemüht sind, zu einem neuen Nachdenken über das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher kultureller, religiöser und nationaler Herkunft. Und der ehemalige Innenminister des Landes NRW, Herr Dr. Schnoor, hat Recht: Es ist nicht nur ein Gebot der Humanität, sondern vor allem auch ein Gebot der Vernunft, die Einwanderer besser zu integrieren als bisher. Niemand darf wegen seiner kulturellen Herkunft diskriminiert oder diskreditiert werden." Dieser Verantwortung stellten wir uns bei der Konzeption und Durchführung des 1. Internationalen Wohnkonzeptes. In einer Zeit bewegter Auseinandersetzungen zum Thema Ausländer in Deutschland" im allgemeinen - und deren Probleme bei der Wohnungsfindung im besonderen - haben wir uns gefragt, was wir dazu beitragen können, welche Probleme wir lösen könnten. Meine eigene Motivation für das Engagement leite ich ab aus meinem staatsbürgerlichen Verständnis, die gesellschaftspolitischen Probleme - und nicht nur in Zeiten leerer Kassen - nicht allein dem Staat zu überlassen. Soziale Marktwirtschaft, verstanden als Prinzip verantworteter Freiheit, veranlaßt mein Engagement als Staatsbürger. Menschen aus verschiedener Herkunft und Kultur kostengünstig bezahlbaren Wohnraum anbieten, unterschiedliche Kulturen unter einem Dach vereinen. Ghettobildung verhindern, Spannungen vermeiden, die gegenseitige Akzeptanz fördern und dadurch Ausländerfeindlichkeit abbauen, das ist das Ergebnis vieler Gespräche und das ist das Modell des 1. Internationalen Wohnkonzeptes, das wir in Köln Volkhoven-Weiler umgesetzt haben. Wenn deutsche und ausländische Bürger im Wohnpark Weiler zusammenleben, ist das kein Zufall. Dahinter steht die klare Entscheidung der Be- [Seite der Druckausg.: 110 ] wohner, in einer gemischten Gesellschaft mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen leben zu wollen. Neben dem Arbeitsplatz ist der Wohnbereich der Ort, wo Toleranz und Solidarität, wo auch die Attraktivität des Zusammenlebens konkret erlebt werden kann. Deshalb haben wir mit einer internationalen Vorbereitungsgruppe das Konzept des 1. Internationalen Wohnkonzeptes entwickelt. Auf einem etwa 8.000 m2 großen Grundstück an der Ortsgrenze zwischen Köln-Weiler und Köln-Volkhoven ist der multikulturelle Wohnpark in fast geschlossener U-förmiger Bauweise um eine herrliche, offene Parklandschaft gebaut worden. Zusammen mit Repräsentanten späterer deutsch- und fremdkultureller Nutzer haben wir eine große Wunschliste gesammelt und das Machbare realisiert. Wichtig sind uns vor allem die Angebote, die dem Zusammenleben dienen, es erleichtern und fördern sollen. So bietet sich im Innenhof eine Gartenlandschaft mit einem Teich als Treffpunkt für alle Bewohner mit Spielmöglichkeiten für Kinder an. Für alle, die ein Miteinander fördern, wird der Innenhof zum Erlebnis. Eine großzügige Begegnungsstätte im Kellergeschoß mit vorgeschaltetem Lichthof, ein Raum für etwa 200 Personen, der auch über den Gemeinschaftsgarten erreicht werden kann. Dieser Kommunikationsraum" steht allen Bewohnern zur Verfügung. Inzwischen gibt es einen Gemeinschaftsrat. In der Präambel zur Satzung des Gemeinschaftsrates ist ausdrücklich erklärt, daß die Räume vorwiegend zur Förderung des multikulturellen Wohngedankens genutzt werden sollen. Es heißt dort weiter: ... mit der Förderung von Möglichkeiten der Begegnung soll eine wesentliche Voraussetzung dafür geschaffen werden, daß Menschen in ihrem Wohnumfeld Gelegenheit finden, sich zu begegnen, miteinander zu sprechen, gemeinsam etwas zu unternehmen oder sich gegenseitig zu helfen. Unabhängig von ihrer sozialen, kulturellen, ethnischen Herkunft sollen sich die Bewohner über die Begegnungsstätte mit ihrer Stadt und ihrem Stadtteil identifizieren. Die Bewohner haben inzwischen selbst eine Krabbelstube für Kleinkinder organisiert. Daraus könnte auch ein selbstorganisierter Tageskindergarten wachsen. Angesichts der bunten Vielfalt der Menschen aus verschiedenen Herkunftsländern finden dort auch in Nachbarschaftshilfe Kochkurse, Gymnastikkurse ebenso statt wie Nachbarschaftsfeste zur gegenseitigen Verständnisverbesserung. Die Räume des Begegnungs- [Seite der Druckausg.: 111 ] zentrums stehen jedenfalls allen Eigentümern, Bewohnern und Gruppen nach Rahmenbedingungen zur Verfügung, die der Gemeinschaftsrat mittlerweile verfaßt hat. Danach kann der Raum auch zu privaten Anlässen genutzt werden. Veranstaltungen, die dem Zweck der Förderung des multikulturellen Wohnens dienen, haben jedoch Vorrang vor allen anderen Veranstaltungen. Zur Förderung des Zusammenlebens haben wir gemeinsam mit dem Gemeinschaftsrat einen Mitarbeiter eingestellt, der das Zusammenleben begleiten und fördern soll. Er soll Verbindungen schaffen, Anregungen geben und die Weichen stellen für ein buntes Leben im multikulturellen Wohnpark. Das Zusammenleben wird auch gefördert durch die Ladenlokale, die in das Objekt integriert sind. Und nun zur ökonomischen Seite. Das Ganze muß natürlich für alle bezahlbar sein, und wir wollten mit diesem Projekt vor allem Menschen ansprechen, die sich im allgemeinen nur preiswerten Wohnraum leisten können. Wie eingangs erwähnt, steht die Eigentumsbildung wegen der von ihr ausgehenden höheren Integrationserwartung im Vordergrund dieses Modellprojektes. Denn: Wer kauft, überlegt sich vorher auch, wer seine Nachbarn werden. Die klassische Laufzeit für eine Wohneigentumsfinanzierung liegt im Durchschnitt bei etwa 30 Jahren. Ein ausländischer Bürger, der eine Wohnung in Deutschland kauft und sich durch die Finanzierung über eine so lange Laufzeit festlegt, bringt zwangsläufig auch einen Integrationswillen mit, und das ist eine gute Voraussetzung für den Einstieg in dieses Wohnmodell. Es mußte auch eine Finanzierungsgrundlage geschaffen werden, die es den einzelnen Interessenten ermöglicht, Eigentum zu erwerben, gegebenenfalls ohne Eigenkapital einsetzen zu müssen und den monatlichen Aufwand tragbar zu gestalten - nach Möglichkeit unter dem Ansatz vergleichbarer Mietwohnungen. Um das Gesamtmodell durchführbar zu machen, war es erforderlich, die Verkaufspreise deutlich unter den übrigen Marktpreisen anzusiedeln. Natürlich kann kein Unternehmen arbeiten, ohne Gewinn zu realisieren. Wir haben jedoch die Preise deutlich unter den vergleichbaren Preisen anderer Anbieter festgesetzt, deren Vergleichspreise in diesem Bereich um [Seite der Druckausg.: 112 ] DM 4.000,- pro m2 Wohnfläche gelegen haben. In unserem Projekt ist der Erwerb ab DM 3.150,- pro m2 Wohnfläche möglich. Der Durchschnitt liegt etwa 10% unter den Vergleichspreisen der örtlichen Bauträgergesellschaften. Mit dieser Preisgestaltung ermöglichten wir den Einsatz öffentlicher Mittel für die einzelnen Interessenten. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, daß wir als Initiatoren keinerlei öffentliche Mittel für die Durchführung des Projektes in Anspruch genommen haben. Das Besondere an unserem Projekt Multikulturelles Wohnen" ist, daß breite Bevölkerungsschichten sich das Wohnen in diesem Projekt leisten können. Das Zusammenspiel zwischen niedrigem Kaufpreis und hohen Finanzierungsmitteln des Landes bringt sehr gute Aufwandsberechnungen, die z.T. erheblich unter den Ansätzen vergleichbarer Mietwohnungen liegen. Zwar liegt jeder Einzelfall anders, trotzdem ein praktisches Beispiel: Eine Familie mit einem Kind, eine Wohnung, die etwa 80 m2 groß ist mit einem Kinderzimmer. Die Familie hat etwa ein Bruttojahreseinkommen von 50.000 bis 60.000 DM und Eigenkapital in Höhe von 20.000 DM. Der monatliche Aufwand für diese Wohnung unter Hinzuziehung aller förderungsfähigen Mittel, die es im Land Nordrhein-Westfalen gibt, liegt bei etwa 720,- DM im Monat - und das ist ein sehr guter Satz, weil es zu diesem Preis in unseren Ballungszentren normalerweise keine Mietwohnungen zu mieten gibt. Das Eigenkapital kann sogar noch durch Eigenleistungen, wie z.B. Maler/Anstreicherarbeiten, Teppichlegen usw. ersetzt werden. In besonders schwierigen Fällen, bei Familien z.B. ohne Eigenkapital oder relativ niedrigen Einkünften sind wir mit unserer Gesellschaft den Finanzierungsgläubigern gegenüber ins Obligo gegangen, wenn wir für uns aus dem individuellen Einzelfall die Überzeugung haben gewinnen können: Die schaffen es (z.B. Bürgschaftsverpflichtung, Haftungserklärung etc.). Köln erwartet die Welt - so sind wir im Herbst 1993 vor die Öffentlichkeit getreten und haben das 1. Internationale Wohnkonzept, den multikulturellen Wohnpark in Volkhoven-Weiler vorgestellt. Wir haben uns bewußt zunächst über die Kölner Tageszeitungen an deutsche Mitbürger gewandt, weil wir meinten, das es schwerer sein würde, deutsche Mitbürger für dieses Projekt des multikulturellen Zusammenlebens zu finden als ausländische Mitbürger. Nachdem innerhalb von wenigen Wochen 23 [Seite der Druckausg.: 113 ] deutsche Mitbürger ihre Entscheidung getroffen hatten, Eigentum in einer gemeinsamen Wohnanlage mit Menschen aus verschiedenen Kulturen zu erwerben, haben wir das Projekt auch unseren ausländischen Mitbürgern angeboten. Zunächst haben wir das Projekt in Kölner Moscheen und den ausländischen Missionsgemeinden vorgestellt. Und kurze Zeit sah es so aus, als sollte unser Plan scheitern; im multikulturellen Wohnpark fehlten die Ausländer. Tatsächlich haben wir erfahren müssen, daß z.B. streng religiös geprägte islamische Gläubige keine Zinsen zahlen dürfen, daß es in der Türkei z.B. üblich ist, eine Wohnung oder ein Haus innerhalb von drei bis fünf Jahren vollständig zu bezahlen, daß eine langfristige Darlehensaufnahme also völlig unüblich und damit unvorstellbar ist. Einigen Ausländern ist der Eigentumserwerb völlig fremd; 30 Jahre abbezahlen und in Deutschland bleiben zu müssen, hielt andere von der Entscheidung ab. Auch Sprachbarrieren und unterschiedliche Wissensstände mußten überwunden werden. Dazu kam noch die Unsicherheit einiger Arbeitsplätze und damit unsicherer Verdienst. Aus den ausländischen Missionsgemeinden heraus war kaum eine Bereitschaft zu erkennen, über die nationale Zusammengehörigkeit hinaus den multikulturellen Gedanken zu fördern. Auch die Beschaffung der Grundfinanzierung stellte uns vor Probleme. Alle angesprochenen Banken begrüßten ausdrücklich dieses hervorragende Projekt und lobten unser soziales Engagement, um letztendlich bei konkreter Nachfrage für die Endfinanzierungsmittel der Käufer abzulehnen mit dem Hinweis: die Werthaltigkeit einer Immobilie mit so vielen Ausländern sei doch langfristig nicht gesichert. Die persönliche Bereitschaft eines mir freundschaftlich verbundenen Leiters einer Deutschen Hypothekenbank, der sich über alle Anweisungen hinwegsetzte und mir sagte Ich mach es!", hat letztendlich die Durchführung des Projektes gesichert. 100 Familien werden im Kölner Norden ein Zeichen setzen für interkulturelle Begegnung gegen Ausländerfeindlichkeit und Fremdenhaß. Freundschaft zwischen verschiedenen Kulturen, das soll für Kölns Kinder schon heute eine Selbstverständlichkeit sein. Nachbarschaft, Freundschaft, Verständnis, das sind die Werte, die auch das Wohnen in Köln Volkhoven-Weiler prägen werden. 38 von den 100 Familien stammen zumindest teilweise aus fremden Herkunftsländern oder anderen Kulturkreisen, z.B. aus der Türkei, aus Polen, Rußland, Italien, [Seite der Druckausg.: 114 ] Griechenland, Rumänien, Spanien, Brasilien, Kambodscha, Vietnam, Ausländer des ehemaligen Jugoslawiens und der Tschechischen Republik. Das friedliche Zusammenleben einer multikulturellen Gesellschaft ist ein gewaltiges Ziel, das nur in kleinen Schritten erreicht werden kann. Die Idee zu diesem Projekt ist aus persönlichen Erlebnissen am Schreibtisch entstanden und in vielen Besprechungen und Überlegungen konkretisiert worden. Jetzt ist sie realisiert. Hat es sich bewährt, können Architektur und Wohnungsbau einen Beitrag zur Integration leisten und damit auch ein gesellschaftspolitisches Zeichen setzen? Dieser Frage sind wir am 17. und 18. Juni 1996 in einem zweitägigen Symposium nachgegangen, bei dem namhafte Experten mit Bewohnern des multikulturellen Wohnparks unter dem Titel In Zukunft gemeinsam" Gedanken und erste Erfahrungen im Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Erdteilen und Kulturen auswerteten. An der Diskussion beteiligten sich mit Beiträgen unter anderem der stellvertretende nordrhein-westfälische Ministerpräsident und Bauminister Dr. Michael Vesper, der Frankfurter Sozialwissenschaftler Dr. Stefan Gaitanides, der Dortmunder Städteplaner Prof. Peter Zlonicky, der Hannoveraner Religionswissenschaftler Prof. Dr. Dr. Antes und Prof. Dr. Erich Schneider-Wessling von der Akademie der Bildenden Künste München. Die Ergebnisse des Symposiums sind in einem Band zusammengefaßt, den ich selbstverständlich jedem Interessierten zur Verfügung stelle. Die Summe der Gedanken zeigt: Der 1. multikulturelle Wohnpark findet breite Zustimmung. Es soll deshalb nicht dabei bleiben. Bei einem möglichen Nachfolgemodell soll vor allem denjenigen Rechnung getragen werden, die es aus eigener Kraft nicht schaffen, und ein zukünftiges Modell soll noch weitere Bevölkerungsschichten erfassen. Eine Grundlage dieser Überlegung ist deshalb. Genossenschaftsmodelle in modernisierter Form unter Einbindung des 1. Förderungsweges einer Vielzahl von Eigentümern zuzuführen, die so in der Lage sind, Eigentümer (zunächst gemeinschaftliches Eigentum - später Einzeleigentum) einer Wohnung zu sonst nur im sozialen Wohnungsbau vergleichbaren monatlichen Aufwendungen zu werden. Nach unserer Kenntnis ist ein solches Modell noch nirgendwo in Deutschland durchgeführt worden. Insofern betraten wir hier Neuland. Wir wollten ein Zeichen setzen, damit sich Menschen unterschiedlicher Kulturen und Religionen begegnen können. Die Grundsteinurkunde, die Herr Dr. [Seite der Druckausg.: 115 ] Schnoor als Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen im Oktober 1994 gelegt hat und die mittlerweile an der Hauswand des 1. Internationalen Wohnkonzeptes angebracht ist, ist überschrieben mit den Worten: Gerechtigkeit, Freiheit, Mitmenschlichkeit. Wünschen wir uns das für alle Menschen. Und den Unternehmern der Wohnungswirtschaft und den Entscheidungsträgern in Politik, Gewerkschaften, Verwaltung, Wirtschaft und Bankwesen rufe ich zu: Habt Mut, tragt Mitverantwortung für unser Gemeinwesen, engagiert Euch in Integrationsmodellen. © Friedrich Ebert Stiftung | technical support | net edition fes-library | Oktober 2000 |